"Barock Moll"

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Ich mag mich täuschen aber kann es sein, daß im Barock ein Zwischending von harmonisch und melodisch Moll verwendet wird? Wie wäre diese Tonleiter zu verstehen? Oder bin ich einfach nur den gewitzen Mikromodulationen von Bach auf den Leim gegangen?

Oder wird in melodisch Moll die Begleitung nach der Melodierichtung angepaßt, also aufwärts # für 6 und 7?

Zum Beispiel 4. zweistimmige Invention von Bach.

Ich hoffe, jemand versteht meine Konfusion und kann mich aufklären :confused:
 
viele Molls

@Guendola,

eine richtige Beobachtung. Du weisst ja, dass es verschiedene Moll Modi gibt und normalerweise wird beim natürlichen moll (melodisch) die 6. unf 7. Stufe erhöht beim Lauf nach oben und wieder zum natürlich äolische molls beim Abwärtslauf.

Bach hat nun an vielen Stellen dieses Pronzip auch umgekehrt, um einen besonderen Effekt zu erzielen. Abwärts melodisch mit erhöhten Stufen wirkt quasi wie ein zusätzlicher Reiz. Dies kann als Verstärkung, Aufbegehren oder einfach Aufmerkamkeit bedeuten.

Dann verwendet Bach und natürlich auch viele andere "MollDur",
das ist die Art, in Kadenzen die normalerweise in Dur stehende Dominante auch in Moll zu vermollen, oder die normalerweise in moll stehende Subdominante zu verduren, wodurch ein dorischer Touch entsteht.

Kadenz dorisch Stufe I. d,f,a Stufe IV, d,g,h
 
Vielen Dank, wieder ein Stück vom Puzzle eingeordnet :)

Ich muß sagen, daß mir Bachs Harmoniegestaltung sehr zusagt, ich bin aber häufig auf Ausprobieren angewiesen, wenn ich das nachempfinden will. Ich hoffe ja, daß nicht allzuviele Komponisten mich dermaßen in den Bann ziehen werden wie Bach, sonst muß ich noch ein paar Leben dazubuchen. Beethoven ist vielleicht auch noch so ein Kandidat aber Mozart und die Romantiker kann ich definitiv ausschließen. Die machen sehr schöne Musik und es macht Spaß, sie zu spielen aber ich bin nicht versucht, ihre Kompositionsweise im Detail zu ergründen.
 
Ergründen

Vielen Dank, wieder ein Stück vom Puzzle eingeordnet :)

Ich muß sagen, daß mir Bachs Harmoniegestaltung sehr zusagt, ich bin aber häufig auf Ausprobieren angewiesen, wenn ich das nachempfinden will. Ich hoffe ja, daß nicht allzuviele Komponisten mich dermaßen in den Bann ziehen werden wie Bach, sonst muß ich noch ein paar Leben dazubuchen. Beethoven ist vielleicht auch noch so ein Kandidat aber Mozart und die Romantiker kann ich definitiv ausschließen. Die machen sehr schöne Musik und es macht Spaß, sie zu spielen aber ich bin nicht versucht, ihre Kompositionsweise im Detail zu ergründen.

Das mit den mehreren Leben habe ich mich auch gefragt und ist auch ein Antrieb, älter werden zu wollen.

du bist aber doch eine Horizinterweiterin (eine meiner ständigen Wortschöpfungen)

Interessante Querverbindungen zu BAch finden sich gerade bei einem Komponisten, wo die meisten diese nicht suchen würden: Bei rachmaninoff.

Auch wenn du, bzw. wir fast alle, dieses Stück wahrscheinlich nie richtig spielen können, so lohnt sich doch der Blick ins detail. Es gibt sehr viel Polyphones zu entdecken und die Tonsprache ist eben chromatisch erweitert. Das Faszinierende wie bei Bach, wenn auch anders. So kühn die Konstruktion anmutet, es klingt immer wunderbar und selbst im grössten Gewusel ist wirklich jeder Ton am richtigen Platz. ICh habe einigemassen den 1. Satz (es geht um das 3 Klavierkonzert gespielt) nicht aufführungsreif! aber durchaus anhörbar. Man kann eigentlich keinen Ton wegnehmen oder ändern. Der Kenner würde es sogleich bemerken. Z.B, stimmt in der berühmten Kadenz im 1. Satz ob Original oder Ossia Fassung das Voicing perfekt. Die Verteilung der Stimmen in jedem akkord ist penibel nachvollziehbar und aufgrund dieser tollen Stimmführung ist auch der Klangeindruck so perfekt, wobei ich die 1. Originalfassung der Ossia Variante vorziehe, weil sie noch kompakter und eindeutiger ist. Der Ossia Fassung könnte man an einigen stellen eine gewisse Redundanz anmerken. Im Gegensatz zu Reger (auch einer meiner Geheimfavoriten) der ja auch die Funktionen aufs Äusserste strapazierte, geht Rachmaninoff noch weiter und verlässt manchmal dieses Gefüge, aber nur um in dieser neuen Welt neue Bereiche zu entdecken oder zu schaffen, die sich mit dem hergebrachten (der klassischen Harmonielehre) aber zu etwas harmonisch Neuen verbinden. Es wird nichts gesprengt. Die Zusammenhänge sind immer nachvollziehbar und eben auch hörbar. Dies ist - diese Anmerkung sei noch zugestanden - auch ein grosses verdienst Prokofieffs, der ebenfalls in kühner vision die standardmässige Funktionstheorie verlässt und auch weit über die Jazzharmonielehre hinaus neue Akkordzusammenhänge schafft, deren Klassifizierung bisher noch nicht wissenschaftlich abgeschlossen ist. Er ist aberm und da stimmen viele zu, ein Meister der neuen fantastischen Melodie, die ihre Wirkung aber gerade aufgrund der sie stützenden neuen Harmonien entfaltet.

Die grundideen zu allem aber sind bei Bach zu finden. Wie weit hat dieser Mann in die zukunft geblickt ?

Du studierst ja auch den 1. Teil Ars fuga - höre dir mal den 4. Kontrapunktus an - da gibt es harmonische Ausschweifungen, die 200 Jahre später noch neu wirken.
 
Ja, Rachmaninoff gehört wirklich im Detail angeschaut, genauso wie Bach. Da mir letzterer aber, wie gesagt, nicht soo zusagt, werde ich mein Leben wahrshcienlich auf Rachmaninoff und Liszt "verschwenden"^^
 
zusagen und mögen

Ja, Rachmaninoff gehört wirklich im Detail angeschaut, genauso wie Bach. Da mir letzterer aber, wie gesagt, nicht soo zusagt, werde ich mein Leben wahrshcienlich auf Rachmaninoff und Liszt "verschwenden"^^

Das klingt ja echt süss, wenn so ein Junge wie du jetzt schon davon spricht, sich zu verschwenden. Hör dir trotzdem mal paar von den Stücken aus der Kunst der Fuge an: Als erstes empfehle ich dir wirklich den 4 Kontrapunktus anzuhören, aber nicht nur einmal , sondern mindestens 5 mal - links gibt es bei youtube genug - und dann schreib mir mal, was du da gehört hast. Denn es geht ja nicht nur um Mögen, sondern um Erkennen und Begreifen. du bist doch bestimmt so reif, dass du auch mal die Ratschläge von älteren Pianisten annimmst ?

Siehst du, habe ich mir doch gedacht.

Und zum Üben schlage ich dir die cis-moll Fuge aus dem Band 2 des WTK vor, das ist eine prima Vorübung für die Liszt sonate, ehrlich!
 
Ich werde sie mir mal anschauen^^
 
Inzwischen habe ich festgestellt, daß oftmals einfach die Harmonisierung "schuld" ist. Wenn in D-Moll als Tonart A-Dur verwendet wird, hat man dort ja schon ein Cis.
 

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