Bach Quicki BWV 734

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Kommt das Tempo bei Choralvorspielen nicht dadurch zustande, dass das Thema dem anschließend angestimmten Kirchenlied in ungefähr entsprechen sollte - oder zumindest nicht so langsam sein sollte, dass die Gemeinde kaum weiß, um welches Lied es sich handelt?

Nicht zwingend. Im frühen 18. Jahrhundert waren Kantoren- und Organistendienst noch vielfach getrennt; der Kantor leitete nicht nur den Chor, sondern auch den Gemeindegesang. Die Gemeinde wurde auch noch nicht durchgehend von der Orgel begleitet.
 
Das Problem bei ein und demselben Stück jeweils auf der Orgel oder dem Piano gespielt ist ja, dass es unterschiedliche Instrumente sind. :003: Will sagen: bei der Orgel hört man den cantus firmus in jedem Tempo, weil die Töne nicht verklingen bzw. leiser werden wie beim Klavier.

Beim Klavier zeigt diese Eigenschaft des Instruments Grenzen auf: wenn das Tempo zu langsam ist, verlieren die Töne des c.f. ihren Zusammenhang und die schnelleren Notenwerte der anderen Stimmen treten (dynamisch) zu sehr hervor.
Ganz sicher. Bei der Orgel gibt es darüber hinaus noch eine riesige Bandbreite, teils "grobschlächtige" historische Instrumente mit starkem Druckpunkt und nicht einfacher Spielbarkeit, überhaupt vergleichsweise längere Trakturwege mit Umlenkungen, verschiedene Akustiken. Auch sprechen manche Stimmen einfach nicht so schnell an, da würde man völlig gegen das Instrument agieren mit hohen Tempi. Und dann die Aufnahme(position) selbst, die sehr unterschiedlich ausfallen kann. So schnell wie Fagius auf der Rekonstruktion spielt (wohlweislich nur mit einer 4'-Flöte) ginge das bei historischen Instrumenten selten. (Allerdings spielt sich zB diese toll klingende Orgel einfach, direkt und sensibel: https://organindex.de/index.php?title=Leufsta_Bruk,_Kirche)
 
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PS Da machen mir kleine Fehlerchen wenig aus, hier zB 00:07, 0:42, 1:22, 1:25 (hörbare Schnitte, oder ist das wieder das "Umgreifen"?, das irritiert mich), 0:46 (falscher Ton).
Hier kommen sich Basslinie und Cantus firmus in die Quere, deshalb die doppelten Anschläge.
Übrigens recht frühe Digitalaufnahmen, vermutlich mit dem Sony PCM-F1
Die Aufnahme stammt von 1989, da war diese Technologie schon etwa zehn Jahre in Gebrauch.
 
Nicht zwingend. Im frühen 18. Jahrhundert waren Kantoren- und Organistendienst noch vielfach getrennt; der Kantor leitete nicht nur den Chor, sondern auch den Gemeindegesang. Die Gemeinde wurde auch noch nicht durchgehend von der Orgel begleitet.
Das ist ein wichtiges Argument. Bei manchen kolorierten Choralvorspielen wie "O Mensch bewein" geht das überhaupt nicht. Und dann muss man in Betracht ziehen, dass zu Bachs Zeiten möglicherweise in einem anderen Tempo gesungen wurde.
 
Vikingur berauscht sich allein am Tempo und seiner stupenden Fingerfertigkeit. Singende Musik ist ihm völlig uninteressant. Er mißbraucht Bachs Musik, um sich selber darzustellen. Hat mit Musik nix zu tun. Reine Akrobatik.
@Tastatula ...hm...und was ist deine Meinung zu Sokolov, der das noch schneller (allerdings klanglich perfekt) spielt?
 
Sokolov Halbe=81 Olafsson 88 (Ich 60....)
 
Gerade bei Chorälen und Choralvorspielen, und besonders bei solchen von JSB, sollten Interpreten, auch Atheisten bzw. Agnostiker;-), nicht nur einen Blick auf die zugrundeliegenden Texte der Lieder werfen.
Dann wäre die Versuchung für Pianisten, ein Bravourstück abzuliefern, vielleicht geringer.
Übrigens schreibt Busoni für seine Bearbeitung von BWV 734 "lebhaft und heiter" vor und nicht presto oder prestissimo.



Auch hier wäre vermutlich die Kenntnis des Liedtextes hilfreich gewesen.

 
Zuletzt bearbeitet:
Nicht extrem schnell aber phänomenal durchhörbar (so versteht man auch die Oktavierung bei der WH):
 
und was ist deine Meinung zu Sokolov, der das noch schneller (allerdings klanglich perfekt) spielt?
Ich mag ihn grundsätzlich sehr! Allerdings finde ich ihn auch zu schnell. Selbst wenn ich mir vorstelle, die Bässe werden von Streichern gezupft, dann müssten sie etwas weniger schnell sein.
Ich finde, dass Bach oft auf dem Klavier viel zu schnell gespielt wird. Für mich geht da die Musik flöten. Auch bei Sokolov, obwohl er grandios spielt.
Aber unerreicht ist jener:
(Für mich ist das Klavierspiel mit allen Nuancen, die es bieten kann. Schnell können alle Instrumente...)



Besonders pikant: Er sagt am Ende: I didn´t compose it... ;-)
 

Nicht extrem schnell aber phänomenal durchhörbar (so versteht man auch die Oktavierung bei der WH):
Also ich finde das auch zu schnell.. Komisch, dass die Pianisten immer so runterrattern. Aber man merkt halt auch, das ist kein Klavierstück, sondern für Orgel pedaliter. Dann kann man das überlegt gestalten und der Choral "steht". Wenn ich am Wochenende zum üben komme, lade ich mal eine Version von mir hoch (mit"Hauptwerk"). Mir geht da schon viel durch den Kopf, gerade der Bass verdient einige Aufmerksamkeit, zB die Oktav- und Quartsprünge.
Wieso wird eigentlich oft auch der zweite Teil wiederholt? Der Choral (und Überlieferungen) gibt das doch nicht her...
 
Gerade bei Chorälen und Choralvorspielen, und besonders bei solchen von JSB, sollten Interpreten, auch Atheisten bzw. Agnostiker;-), nicht nur einen Blick auf die zugrundeliegenden Texte der Lieder werfen.
Dann wäre die Versuchung für Pianisten, ein Bravourstück abzuliefern, vielleicht geringer.
Übrigens schreibt Busoni für seine Bearbeitung von BWV 734 "lebhaft und heiter" vor und nicht presto oder prestissimo.



Auch hier wäre vermutlich die Kenntnis des Liedtextes hilfreich gewesen.


Das ist ja nur ein Geratter -und eigentlich noch schneller als man den Choral selbst heute (und erst recht früher) singen würde. Der Bass: wie Maschinenpistolen, ohne Anfang, Bogen und Ende.
Ich würde mich hier ja überhaupt nicht am Choral(tempo) selbst orientieren, sondern an Oberstimme und Baß - die müssen "was zu sagen haben".
Und dass man das dann nicht mehr wirklich unter Kontrolle hat, merkt man ja auch: im ersten Beispiel zB gleich am Anfang ist der Choralbeginn viel zu schwach und dreht dann später unverhältnismäßig auf.
 
Also ich finde das auch zu schnell.. Komisch, dass die Pianisten immer so runterrattern.
Wieso wird eigentlich oft auch der zweite Teil wiederholt? Der Choral (und Überlieferungen) gibt das doch nicht her...
Bei dem Wahnsinns Tempo wird das Stück ohne die Wiederholung schlicht zu kurz. Musikalisch ist sie sinnlos und stört die Symmetrie.
 
Igor Levit spielt die Busoni-Transkription. Da wird der Cantus firmus in den Wiederholungen (ja, er wiederholt auch den zweiten Teil) in Oktaven gespielt, was die Schwierigleit dieser Bearbeitung enorm steigert. Meiner Meinung nach aber ohne irgendeinen Gewinn.

Sehr gelungen finde ich die Interpretation von Sokolov - der kann die drei Stimmen klanglich differenzieren wie kaum ein anderer:


Boah...Das ist so unfassbar gut. Dieser Mann bringt mich aufs Wiederholte zum Staunen. Sokolov ist ein wahres Genie...
 
So, hier nun mein Quickie,

Fehler hab ich bewusst stehengelassen, sonst sitze ich um Mitternacht noch da (und Schneiden will ich nicht). Software "Hauptwerk", Trost-Orgel Waltershausen, Registrierung: Flöte douce 4 ' (Brustwerk) & Liebl. Principal 4' (Oberwerk) ins Pedal gekoppelt.
Kommt aber so ungefähr hin, wie ich mir es vorstelle....
 
Was der Originalbearbeiter in einer seiner wenigen erhaltenen akustischen Einspielungen 1922 artikulatorisch zaubert, ist uns glücklicherweise überliefert:



Zur Abrundung sollte dieses Dokument nicht fehlen.

LG von Rheinkultur
 

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