Bach - Erfahrungen einer Anfängerin

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Rosie

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19. März 2010
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Hallo zusammen,
nachdem ich in den ersten Monaten meines Klavierunterrichts einige Stücke aus dem Notenbüchlein für Anna Magdalena erarbeitet habe, bin ich seit ein paar Tagen bei meinem ersten „richtigen“ Stück von Bach angekommen. Es handelt sich um das kleine Präludium in C-Dur BWV 939 – tja, wohl das einfachste der kleinen Präludien, aber ich muss sagen, die Erfahrung mit eben dieser Musik ist irgendwie etwas ganz besonderes. Aber was ist für mich so anders an diesen Stücken?

1. Ich finde sie schwer (obwohl es sich um das einfachste der Präludien handelt), mein Lernfortschritt ist da, aber ganz anders als bei Stücken, die ich bislang geübt habe. Es geht voran, aber langsam kontinuierlich, irgendwie im Fluss. Sonst habe ich bei mir oft das Phänomen beobachtet, dass der Spielfluss oft sprunghaft über Nacht besser wird.
2. Obwohl meine musiktheoretischen Kenntnisse nur noch spärlich vorhanden sind und dringendst aufgefrischt werden müssen, merke ich doch, dass selbst diese kleinsten Kompositionen irgendwie genial sind. Ich habe das Gefühl, jeden Tag etwas Neues in den Noten zu entdecken.
3. Den richtigen Zugang zu der Musik Bachs, scheine ich erst jetzt, da ich selbst daran übe zu bekommen. Früher nur gehört, erschloss sie sich mir schwer.
4. Mein Gefühl, und dies kann ich am schlechtesten beschreiben, irgendwie warm, feierlich komischerweise eher langsam, beruhigend …

Meine Aufnahme der kleinen Präludien, eingespielt von Glenn Gould, läuft derzeit ganz oft, besonders nachts bei Dunkelheit.

Warum ich diese Erfahrung hier unbedingt mitteilen muss? Ich weiss es nicht, es ist mir einfach gerade ein Bedürfnis. Vielleicht geht es hier ja jemandem ähnlich oder ganz anders?
LG,
Rosie
 
3. Den richtigen Zugang zu der Musik Bachs, scheine ich erst jetzt, da ich selbst daran übe zu bekommen. Früher nur gehört, erschloss sie sich mir schwer.

Das gilt meines Erachtens nicht nur für die Musik Bachs sondern ist auch ein Grund dafür, warum viele Menschen nicht so viel mit klassischer Musik anfangen können.
Sie erschließt sich einem längst nicht so wie Pop-Musik (da muss sich nämlich nix erschließen weil sie meist recht simpel gestrickt ist).
Klassische Musik ist viel komplexer, vielschichtiger - und somit für den nichtmusizierenden "Normalo" anstrengender, wenn nicht sogar überfordernd zu hören.
Wenn nun die Entscheidung fällt ein Instrument zu lernen und man mit den ersten klassischen Sachen in Berührung kommt muss man sich sehr intensiv mit dem zu lernenden Stück auseinandersetzten - die erste Brücke zum unverstandenen Land "Klassik" wird gebaut.

Nun ja. Zumindest war es bei mir damals so.
 
2. Obwohl meine musiktheoretischen Kenntnisse nur noch spärlich vorhanden sind und dringendst aufgefrischt werden müssen, merke ich doch, dass selbst diese kleinsten Kompositionen irgendwie genial sind. Ich habe das Gefühl, jeden Tag etwas Neues in den Noten zu entdecken.
3. Den richtigen Zugang zu der Musik Bachs, scheine ich erst jetzt, da ich selbst daran übe zu bekommen. Früher nur gehört, erschloss sie sich mir schwer.

Hallo Rosie,

ich kann da nur eine "Warnung" aussprechen: Vorsicht "Suchtgefahr"

Mir geht es bei der Bach'schen Musik so, dass ich alle andere dafür liegen lasse.

Viele Grüße,
Kristian
 
Hallo Rosie,

ich habe das Stück vor kurzem gespielt. Es war mein erstes Stück von Bach. Nun habe ich allerdings die Musik von Bach auch schon vorher geliebt. Aber sie selbst zu spielen und sei es "nur" ein kleines Präludium ist etwas besonderes - im Vergleich zu den anderen Stücken.

Schwer zu beschreiben, aber selbst hinter diesem kleinen Stück verbirgt sich etwas Erhabenes, das schwer in Worte zu fassen ist.

Für mich kaum zu glauben, dass ein einziger Mensch so viele fantastische Stücke komponiert hat. Bach war ein absolutes Genie!

lg
Nora
 
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Hallo Rosie,

Ich bin auch Anfänger und habe Bach schon immer geliebt, aber ein Stück von ihm selbst zu spielen, und sei es noch so "einfach", ist schon etwas ganz erhebendes.
Es ist eine persönliche Beziehung, die noch unvergleichlich stärker ist, als beim Hören.

Und wenn ich daran denke, dass ein Teil seines Werkes verschwunden ist.. so schade.

Obwohl klassische Klaviermusik "nur" die Basis darstellt, auf der ich dann Jazz spielen möchte, will ich mir die wichtigsten Bach Werke so weit ich kann erschließen.
Was ich dort auf einer Noten-Seite an Akkordumkehrungen und Arpeggios finde, damit kann ich mich wochenlang beschäftigen.


Gruß, NewOldie
 
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Danke für Eure Gedanken zum Thema!

Besonders dies:
Schwer zu beschreiben, aber selbst hinter diesem kleinen Stück verbirgt sich etwas Erhabenes, das schwer in Worte zu fassen ist.

Und von NewOldie dies:
...aber ein Stück von ihm selbst zu spielen, und sei es noch so "einfach", ist schon etwas ganz erhebendes.

Trifft ziemlich genau das, was ich ausdrücken wollte.

LG,
Rosie
 
Obwohl meine musiktheoretischen Kenntnisse nur noch spärlich vorhanden sind und dringendst aufgefrischt werden müssen, merke ich doch, dass selbst diese kleinsten Kompositionen irgendwie genial sind. Ich habe das Gefühl, jeden Tag etwas Neues in den Noten zu entdecken.
Den richtigen Zugang zu der Musik Bachs, scheine ich erst jetzt, da ich selbst daran übe zu bekommen.
Warum ich diese Erfahrung hier unbedingt mitteilen muss? Ich weiss es nicht, es ist mir einfach gerade ein Bedürfnis.

Hallo,
ich habe ein wenig gekürzt zitiert, um zu zeigen, was mir wesentlich erscheint - und da kann ich Dir nur sagen: Du bist genau auf dem richtigen Weg!
wer vom kleinen G-Dur Menuet gerührt wird, obwohl Legionen von Klavierschülern es plattgetrampelt haben, der/die ist auf dem richtigen Weg!
herzliche Grüße, Rolf
 
Danke, Rolf, für deinen Zuspruch, der Weg fühlt sich für mich auch sehr stimmig an.
LG,
Rosie (wieder mal im Urlaub und daher - schon wieder weg...)
 
Ich hole den Faden mal wieder hoch.
Letztlich bin ich mit dem kleinen Präludium sehr vertraut geworden und spiele es immer mal wieder noch gerne.
Jetzt ist gerade das nächste Stück Bachs an der Reihe. Auf eigenen (dringenden) Wunsch hin das kleine Präludium BWV 934. Und was soll ich sagen - es hat mich beim Üben wieder voll erfasst. Es ist wieder schwer, die Fortschritte geschehen peu à peu. Ich mache die Erfahrung, dass ich viel mehr üben muss, als an den kleinen Stücken der Klassik und Romantik, die ich bislang erarbeitet habe. Aber es macht so einen Spaß, es ist für mich eine Herausforderung und ich bleibe auf jeden Fall dran...

Gehts euch anderen Anfängern auch so, dass die Musik Bachs in besonderem Maße herausfordernd ist? Die Sache mit der Polyphonie ist echt nicht ohne...

LG,
Rosie
 
Gehts euch anderen Anfängern auch so, dass die Musik Bachs in besonderem Maße herausfordernd ist? Die Sache mit der Polyphonie ist echt nicht ohne...

Hallo Rosie; meine bescheidene Erfahrung: Generell bietet Barockmusik einen irrsinnigen Gestaltungspielraum - vielleicht auch, weil eben nicht alles vorgeschrieben wurde. Ich finde es jedenfalls toll, dass man Musik aus dieser Zeit auf die unterschiedlichsten Arten spielen kann. Perkussiv mit Cembalo-Anschlag, lyrisch-verträumt, meditativ... meinen Zipolli habe ich jüngst eine Oktave tiefer gesetzt mit viel fff und massig Pedal. WOW! Das ist PATHETISCH, wo vorher "mittelalterliche Tanzmusik" war. Meine KL war ganz impressed... :D

Ich glaube, da gibt es unendlich viel zu entdecken!
 

... und ich will mir gar nicht vorstellen (und schon gar nicht ausplaudern), was ich mit meiner ersten Bach-Inventio (der #4) alles anstellen werde :D.

Barock rockt!
 
Hi Rosie,

und wieder jemand dem die Tür zum Bach Universum geöffnet wurde, klasse.

Der Zipoli von Fisherman ist aber auch nicht schlecht. ;-)

Polyphonie ist aber so anstrengend, seufz.
Ich hab' grad' eine neue Übe-Strategie entdeckt. Die Phrasen in jeder Stimme (nicht zwischen den Stimmen) im Wechsel laut und leise spielen. Schon mit 2 Stimmen ist das schwer, da ja die Übergänge/Wechsel unabhängig voneinander stattfinden.

Das ist für mein Projekt: "Wie lerne ich polyphone Stimmen unabhängig zu hören und zu kontrollieren."

Gruß
 
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Das ist für mein Projekt: "Wie lerne ich polyphone Stimmen unabhängig zu hören und zu kontrollieren."

mein Tipp hierfür:
sehr viel immer wieder hören und dabei mitlesen, anfangs möglichst ruhige bzw. langsame Sachen (sofern es Klaviermusik ist)
dann auch große Chorfugen mit vollem Orchester anhören (Beethoven Missa solamnis, Verdi Requiem (libere me, domine) und Finale aus Falstaf, Wagner Prügelfüge (Meistersinger)) - die Vielfalt an Klangfarben (Orchester, Soli, Chor) ist sehr hilfreich für das wahrnehmen
-- und das alles mit viel viel viel Geduld
 
Hallo Rosie und Bachopin,

Ich kann da nur unterstreichen was Rolf eben gesagt hat.
Ungemein viel Hören war/ist bei mir immer die Lösung für das polyphone Hören/Spielen.

Übrigens klingt der Satz "Wie lerne ich polyphone Stimmen unabhängig zu hören und zu kontrollieren." für mich ein wenig tückisch.
Das verleitet dazu zu glauben dass man es nie mehr verlernt wenn man es bis einmal kann. Etwa so wie schwimmen.

Ich weiß nicht wie es bei anderen ist, aber mir ist es schon mehrmals passiert dass ich das nicht mehr konnte.
Vor allem wenn ich mich, aus beruflichen Gründen, mehrere Monate (eher Jahre) fast nicht mehr mit Musik beschäftigt habe.

Allerdings kommt das wieder, es dauert nur ein paar Tage/Wochen. (mir war es auch schon mal passiert dass ich es sofort wieder konnte, eine sehr komische Sache)

Ich meide in dem Fall allerdings Orchesterwerke mit vielen unterschiedlichen Klangfarben so wie Rolf das empfohlen hat.
Im Gegenteil, ich suche mir ausschließlich Werke aus die nur für Klavier (vor allem WTK und die Kunst der Fuge gespielt vom Klavier) oder, sehr hilfreich, für Streichquartette geschrieben wurde.
Das ist viel schwieriger als Orchesterwerke aber es schärft ungemein das Hören.
Und was ich noch sehr wichtig finde : Immer mit den Noten mitlesen (für Streichquartette bekommt man die ja auch heutzutage bei imslp)

Oft wird auch geschrieben, das polyphone Hören sei reine Konzentrationssache.
Ich empfinde das nicht so.
Ich würde eher sagen es ist reine Gewöhnungssache!
Wenn man es (wieder) kann dann fällt es einem total leicht, man ist sich sicher jede Noten in der Partitur mitbekommen und empfunden zu haben, von einem Akt kramphafter Hyper-Konzentration kann keine Rede sein.

Man muß sich wohl eine gewisse Mindestzeit im täglichen Leben mit Musik beschäftigen, und zwar vor allem im Kopf, einen besseren, kürzeren Weg habe ich bis jetzt noch nie gefunden.

Phrasentraining auf dem Klavier hat bei mir noch nie was geholfen.
Natürlich muß man sowas vorher schon mal gekonnt/geübt haben.
Und das muß man sich auch wieder frisch aufwärmen nach ein paar Jahren Abstinenz auf dem Klavier und auch sonst regelmäßig üben.
Aber das ist klar was anderes : Hier geht es darum die zickigen Finger wieder dahin zu bekommen dass sie gefälligst wieder das Tun was der Kopf haben will und nichts anderes.

Man könnte natürlich auch beides miteinander verbinden wenn man die Gelegenheit hat soviel Zeit auf dem Klavier zu verbringen.
Ich glaube aber dass die Kopfsache dabei das weitaus wichtigere ist und dass das eben auch getrennt geübt werden kann.
 
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Vielleicht gehören meine spontanen Gedanken nicht in diesen Faden, aber mich hat er beim Lesen erinnert und mich zum Bücherregal geführt: Leonhard Bernstein "Konzert für junge Leute", Die Welt der Musik in 15 Kapiteln

Was bedeutet Musik? Worum geht es eigentlich in einem Musikstück? Was drückt Musik aus?

Leicht verständlich zu lesen, aber lange zum Nachdenken! http://www.amazon.de/Konzert-für-junge-Leute-Kapiteln/dp/3570218279/ref=pd_sim_b_1

Die CD kenne ich nicht. Wenn man ein Klavier hat, ist das Ausprobieren und Nachspielen der Notenbeispiele eine interessante Herausforderung. Man ist einfach bei sich und kann sich augennah auseinandersetzen mit dem Beispiel, daß man dann in einem Musikstück lernen kann, herauszuhören oder wie man möchte.
 
Super Kuli! Schon bestellt. Danke nochmals!
 
Hi Kulimanauke,

ja, das ist ein schöner Buchtip, könnte etwas für Weihnachten sein (ja ist scho wieder Weihnachten).

Zum Lernen und Trainieren der mentalen Fertigkeiten für Polyphonie kann ich das Standardwerk:

  • Renate Klöppel, Die Kunst des Musizierens: Von den physiologischen und psychologischen Grundlagen zur Praxis
empfehlen.

Gruß
 
Vielen Dank für eure Beiträge bisher. Für mich ist viel hilfreiches dabei. Künftig werde ich wohl viel Bach hören und gleichzeitig die Noten lesen (bislang hab ich es meistens ohne mitlesen gemacht).

@Kulimanauke: Vielen Dank für den Buchtipp! Ich glaube, das passt sehr gut in unsere Familie. Ich habs gleich mal bestellt.

LG,
Rosie
 
Meine Empfehlung, sich klanglich vielfarbige Werke (Chorfugen mit Orchester etc.) anzuhören, sofern man das Wahrnehmen von polyphonen Klängen, also von simultanen Stimmen, noch nicht vollumfänglich beherrscht, hat folgenden schlichten Hintergrund: es ist einfacher, bei sehr unterschiedlichen simultanen Stimmen dem Klangverlauf zu folgen, wenn diese Stimmen deutlich verschieden (andere Instrumente) klingen.

Allmählich wird man dann, wenn man z.B. gut gespielte Klavierfugen hört, ebenfalls die klanglichen Unterschiede der Stimmen wahrnehmen - - beginnt man damit, polyphone Sachen selber zu spielen, so ist auch hier darauf zu achten, dass die Stimmen nicht völlig gleich klingen: denn wenn sie das tun, sind sie kaum auseinanderzuhalten.

Weder in linearer Polyphonie (Fuge, Fugato, Kanon), noch in freier Polyphonie ist die Wahrnehmung der simultanen Klanglinien sowie deren Darstellung eine einfache Aufgabe! Meiner Ansicht nach sollte man das praktisch mit dem spielen einfacher Kanons und den Bachschen zweistimmigen Inventionen beginnen.
 

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