abgerutsch, verspielt, vertan

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Incoronazione

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8. Apr. 2008
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immer noch passieren mir fehler beim spielen. ich rutsch ab, ich verhasple mich. nicht einmal unbedingt bei schnellen passagen, nicht nur bei stücken die ich erst kurz spiele oder vom blatt spiele. selbst bei einstudierten, trainierten stücken verspiel ich mich. letzten monat wollte ich im aufnahmeraum einer oper spasseshalber ein stück aufnehmen, und in den letzten minuten des stück "Scarbo" (Ravel, aus Gaspard de la nuit) hab ich mich noch verspielt. das macht mich wahnsinnig, das ärgert mich so fürchterlich. ich sag mir dann zwar immer, "so ist musik, musik ist lebendig und darf fehler haben", aber was mich verärgert ist, dass es nicht damit zu tun hat, dass ich es nicht spielen kann, oder nicht verstehe oder dergleichen; nein, es ist vielmehr als sei da eine höhere macht die sich einen spaß draus macht, nur um mich zu ärgern, dass ich mich im letzten moment noch verspiele.
 
So, da wären wir wieder beim Thema ( Störenfriede, Klavierspielen & Klavierüben).
Da bin ich aber sehr beruhigt, ich dachte das passiere nur bei Anfängern wie mich und wenn ich mal was aufnehmen oder vorspielen will, dann geht es gar nicht mehr. Nur versuche ich dann, mich nicht so stark aufzuregen deswegen.
 
Oh, das werde ich dann morgen meiner KL sagen, wenn ich mich verspielt habe: "Dafür kann ich nichts, das war eine höhere Macht, die mich ärgern will". //spaßmodus aus
 
Ich glaub die "höhere Macht" ist die eigene Angst (evtl auch unbewusst) sich noch kurz vor dem Ende eines bisher perfekte Spiels zu verhaspeln.
"Das war jetzt so gut, das kann ja gar nicht sein.. eigentlich müsste ich mich doch mal verspielen"... Man wird durch den Gedanken unsicherer und schwupps - ists passiert.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass man kurz vor Ende eines Stückes manchmal schon mental damit abgeschlossen hat (besonders, wenn man es schon bis zum Erbrechen geübt hat und gerade nicht mehr besonders viel empfindet :rolleyes:), die Konzentration lässt nach. Im schlimmsten Fall haut man gerade den Schlussakkord voller Überzeugung falsch in die Tasten...

Mir geht es aber auch manchmal so, dass plötzlich mitten im Stück, mitten im halbautomatischen, sicheren Durchlaufen plötzlich das Licht ausgeht.
Ich vermute, das passiert an Stellen, die vor dem Beherrschen des Stückes die unsichersten waren und die man erst später glattgebügelt hat.
Sie laufen eben doch noch nicht ganz so gut wie der Rest und sind die gefählichsten Momente...
 
"Das war jetzt so gut, das kann ja gar nicht sein.. eigentlich müsste ich mich doch mal verspielen"...

Interessanter Gedanke ;) Klavier spielen heißt auch, sich selbst zu akzeptieren und anzuerkennen. Ist halt eine schwere Sache, weil es meistens nicht geht.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass man kurz vor Ende eines Stückes manchmal schon mental damit abgeschlossen hat (besonders, wenn man es schon bis zum Erbrechen geübt hat und gerade nicht mehr besonders viel empfindet :rolleyes:), die Konzentration lässt nach.

Ein Tipp: Von hinten in Abschnitten üben. Ist schon schlimm genug, dass man meistens vorne anfängt. Warum nicht einfach hinten anfangen? Das Ende ist doch viel wichtiger.
 
Ein Tipp: Von hinten in Abschnitten üben. Ist schon schlimm genug, dass man meistens vorne anfängt. Warum nicht einfach hinten anfangen? Das Ende ist doch viel wichtiger.
1. Wie willst du das Stück dann auswendig hinbekommen? Willst dus etwa rückwärts können?
2.Das müsste doch ziemlich problematisch mit dem musikalischen Spannungsbogen werden, du weißt doch am Anfang noch gar nicht, worauf das Stück hinausläuft ( es sei denn du machst dir die Mühe und übst es zuerst komplett mental durch, aber dann mal viel Spaß:D)
 
Ein Tipp: Von hinten in Abschnitten üben. Ist schon schlimm genug, dass man meistens vorne anfängt. Warum nicht einfach hinten anfangen? Das Ende ist doch viel wichtiger.
Ich kann nur jedem empfehlen, diese Strategie für sich auszuprobieren- durchaus auch einmal ganz mechanistisch den Einsatz einen Ton weiter Richtung Anfang zu verschieben. Folgende Gründe sprechen dafür:
  • Das Konzentrationspotential ist zu Beginn am größten. Es ist also sinnvoll, Unbekanntes an den Anfang des Spielablaufs zu stellen.
  • Es stellt sich ein "Wohlfühl"-Gefühl ein, wenn man aus unbekanntem, vermintem Gebiet in vertrautere Gefilde kommt. (Per aspera ad astra)
  • Im Laufe des Spiels nimmt die Konzentrationsfähigkeit ab. Es ist sinnvoll, wenn man hier auf (erst einmal rudimentäre) Bewegungsroutinen zurückgreifen kann.
  • Gleichzeitig zeigt sich, wie sicher die erarbeiteten Passagen wirklich sind und welche Aufmerksamkeit sie neben den Bewegungsroutinen doch noch beanspruchen.
  • Konzentration verläuft in Wellenbewegungen. Phasen eines hohen Konzentrationspotentials wechseln sich ab mit "Erschöpfungsphasen". Jeder Mensch hat eine eigene (meist gleichbleibende) Konzentrationsfrequenz. Wenn ich meinen Einstiegspunkt im Stück immer wieder verschiebe, geraten immer andere Stellen in ein "Konzentrationshoch".
  • Bewegungsabläufe, melodische und harmonsiche Strukturen ergeben sich am Punkte des Einsetzens nicht (zwangsläufig) von selbst, sondern man muß sich ihrer bewußt machen. Dadurch prägen sich auch Details besser ein.
  • Goldene Pädagogenregel: Beende eine Arbeitsphase immer mit einem positiven Gefühl! Wenn ich vorne anfange zu üben, häkele ich mich immer mühsam bis zu einem Punkt, an dem ich abbrechen muß. D.h. ich reihe Mißerfolg an Mißerfolg. Wer streichelt nun meine arme Pianistenseele? :D
Meine Schüler, die nach diesem Prinzip arbeiten, gelangen in aller Regel schneller und effizienter zu brauchbaren Ergebnissen.
 
1. Wie willst du das Stück dann auswendig hinbekommen? Willst dus etwa rückwärts können?

:D Nein so, war das nicht gemeint, also rückwärts spielen. Sondern von hinten anfangen zu üben, man nimmt sich z. B. die letzten 8 Takte (oder einen jeweiligen Sinnabschnitt) vor, und übt ihn.

Dadurch kann man das Stück auch besser auswendig lernen. Wenn du es mir nicht glaubst, versuch mal bei einem auswendig gelerntem Stück irgendwo hinten anzufangen, ohne auf die Noten zu schauen! Ich wette, das schaffst du nicht, wenn du falsch auswendig gelernt hast.

Genau damit verhindert man, dass man am Ende rausfliegt, sodass man schneller wieder einsteigen kann
 
>Beende eine Arbeitsphase immer mit einem positiven Gefühl!

Ja, ich warte immer noch auf einen Boesendorfer der einen Knopf hat wo dann Applaus kommt. Wenn man alleine übt.
 
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Hm ich glaube, das liesse sich einrichten, der Knopf :D

Habe diese Verspieler übrigens auch... Linke Hand springt 1 Ton zu wenig weit, rechte Hand Akkord - Mittelfinger rutscht von der Schwarzen ab , und was sich die höheren Mächte sonst noch alles einfallen lassen. Die sind da nämlich extrem kreativ.
 
Koelnklavier und Ubik, ihr habt mich überzeugt;)
Ich werds auf jeden Fall ausprobieren.
Ich werde als nächstes die Revolutionsetüde anfangen, nur wird das für mich technisch ein echter Happen, es ist also nicht gerade ein Stück um irgendwas auszuprobieren.
Meint ihr, es macht trotzdem Sinn?
 

nur wird das für mich technisch ein echter Happen, es ist also nicht gerade ein Stück um irgendwas auszuprobieren.
Meint ihr, es macht trotzdem Sinn?
Gerade dann! So siehst Du in "Echtzeit" und "on air", wie Du mit dem Ansatz und den Ideen zurechtkommst.

Ich habe mir heute morgen mal wieder die die ersten beiden der dreistimmigen Inventionen (Sinfonien) Ewig lange nicht mehr gespielt und angeschaut. Und dann in Viertel-Päckchen von hinten aufgezäumt. Es hat Lust und Laune gemacht, und im Nu waren drei Stunden vergangen (wahrscheinlich der berühmte "Flow").

Also viel Erfolg - ich bin gespannt auf Deine Erfahrungsberichte.
 
Beim Von-Hinten-Lernen bin ich für ein gutes Mittelding:

Die Noten lerne ich gern von vorne nach hinten in der richtigen Reihenfolge, damit ich den Ablauf, Zusammenhang (melodisch, harmonisch, thematisch usw.), die Stimmung(-swechsel) im Stück verstehe; außerdem ist es für mich ein Erfolgserlebnis wenn ich z.B. den Anfang, das Thema, die erste Seite (usw.) eines Stückes kann.

Von hinten nach vorne übe ich das Auswendig spielen, wenn ich dies für ein Stück nochmal extra trainiere.
Dabei übt man auch die Noten nocheinmal sehr genau und bügelt Unsicherheiten aus - von hinten nach vorne. Der spezielle Lerneffekt des "vom unsicheren ins sichere"-Spielen ist also trotzdem da. Es ist aber meiner Ansicht nach von Vorteil, ein Stück erst dann von hinten aufzurollen, wenn man es bereits relativ gut kennt.
 
von hinten nach vorne lernen ist eine möglichkeit, bei komplexeren stücken aber nicht praktikabel, weil es ja auch um den musikalischen und dramaturgischen aufbau vom anfang bis zum ende geht. trotzdem für anfänger sicherlich hilfreich, damit sie sich keinen automatismus aneignen und das stück nur spielen können, weil sie es sich "andressiert" haben. sehr wichtig ist es, dass man egal wo, im Stück einsteigen kann und dass man die routine durchbricht. es ist auch hilfreich, wenn man ein stück (sofern die möglichkeit besteht) an diversen instrumenten übt, auch deshalb um das "handgedächtnis" was zwar hilfreich ist, aber auch tückisch, ein wenig auszutricksen. ich kenne leute, speziell geiger, die haben große probleme damit, auf geigen zu spielen, außer der ihren, weil der ton dann etwas anders klingt. sind meist junge musiker, die noch wenig erfahrung im konzertieren haben und sich zu sehr an den ton ihrers eigenen instrumentes gelernt haben. dennoch kommt es in seltenen fällen vor, dass der dirigent instrumente des ensembles austauscht, wenn er meint, dies sei nötig. wenn dann der geiger ein problem mit dem anderen instrument hat, ist das hinderlich.
 
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von hinten nach vorne lernen ist eine möglichkeit, bei komplexeren stücken aber nicht praktikabel, weil es ja auch um den musikalischen und dramaturgischen aufbau vom anfang bis zum ende geht [...]
Da hast Du natürlich recht. Aber das ist ja auch das Verführerische, daß man sich vom Strom des musikalischen Geschehens weitertragen läßt, und sich z.B. mancher harmonische Finessen gar nicht richtig bewußt wird. Wenn man aber bewußt an solchen Stellen einsetzt, wird einem erst deutlich, wie "grausam" z.B. ein Johann Sebastian Bach gewesen ist.

Ich denke, es ist wichtig, diese Form von Bewußtsein zu schulen - auch, was Griffkombinationen anbelangt. Manche Griffkombination "flutscht" halt so schön, weil sie in eine Bewegung integriert ist. Aber ich halte es beim Üben für wichtig, daß solche Abläufe nicht nur "schön" vonstatten gehen, sondern daß man über solche Strukturen Klarheit und Souveränität erlangt.
 
bei komplexeren stücken aber nicht praktikabel
Ich denke, es ist wichtig, diese Form von Bewußtsein zu schulen
Jetzt habt ihr mich aber wieder komplett verwirrt.
Weiter oben hast du, Koelnklavier, noch geschrieben, dass deine Schüler auf diese Weise schneller und effizienter zu guten Ergebnissen kommen.

Jetzt hört sich das aber auf einmal so an, als ob das zwar gut ist, um sich bewusster zu werden, was man da spielt, aber im Endeffekt doch nicht schneller geht?

Und was soll das "bei komplexeren Stücken nicht praktikabel...und für Anfänger sinnvoll"?
Ich will mich mal so langsam an komplexere Stücke heranwagen, kann ich diese Übermethode dann etwa gleich wieder vergessen?

Wenn ich diese Übermethode ausprobiere, dann doch, weil ich mir erhoffe, so schneller auf gute Ergebnisse zu kommen.
 
Weiter oben hast du, Koelnklavier, noch geschrieben, dass deine Schüler auf diese Weise schneller und effizienter zu guten Ergebnissen kommen. Jetzt hört sich das aber auf einmal so an, als ob das zwar gut ist, um sich bewusster zu werden, was man da spielt, aber im Endeffekt doch nicht schneller geht?
Doch! Dadurch, daß Du Dir die Strukturen und Bewegungsabläufe (gerade komplexere) noch stärker bewußt machen mußt, prägen sich diese Dinge besser ein. Aber wenn du den Nürnberger Trichter suchst, mit dem Du Dir über Nacht (oder von mir aus an einem Nachmittag) die gesamte Klaviertechnik und -literatur aneignest - damit kann ich leider nicht dienen.
Und was soll das "bei komplexeren Stücken nicht praktikabel ... und für Anfänger sinnvoll"? Ich will mich mal so langsam an komplexere Stücke heranwagen, kann ich diese Übemethode dann etwa gleich wieder vergessen?
Das Statement stammt nicht von mir. Kann ich also auch nichts zu sagen.

Mein Tipp: Probiere es einfach mal aus, beobachte, wie Du Dich bei diesem Vorgehen fühlst, und ziehst Dir das heraus, was Du nutzen kannst.
 
man kann und sollte stücke versetzt spielen. für ANFÄNGER ist dies empfehlenswert, weil sie sich ein Stück dadurch nicht so sehr "andressieren". bei erfahrenen Pianisten (in aller bescheidenheit, ich nenne mich einfach mal so) besteht diese Gefahr des "andressierens" nicht, weil sie halt die Noten perfekt beherrschen, weil sie strukturen schneller (sofort) durchblicken, weil sie schnell (sofort) vom Blatt spielen können. man sitzt dann nicht mehr vor den noten und bang "ohje, wie spiele ich das nur, wie präge ich mir das nur ein". vielmehr stellt man sich fragen wie "wie baue ich das stück auf, wie betone ich es, wie dramatisiere ich es, welche grundstimmung gebe ich dem Stück". dies können sie nur herausfinden, wenn sie das stück chronologisch spielen.
Daher macht es für Profis keinen großen Sinn Stücke künstlich versetzt zu üben, nur um sie sich leichter zu merken oder um einen automatismus zu durchbrechen.

auch sollte man das "rückwärtsspielen" nicht wörtlich nehmen. vielmehr sollte man sich LOGISCHE Anfänge innerhalb eines Stückes suchen.
 
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