Wiener Blut - was macht es so einzigartig?

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Pianojayjay

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Während ich am Samstag das nette Stück hier als Zugabe gespielt habe, da kam die Frage auf, was eigentlich das besondere an der typisch wienerischen Musik ausmacht. Es dürfte ja nicht der walzertakt alleine sein, das konnten andere Komponisten auch gut. Ist es dieses gemütlicher, dieses leicht schwelgende, diese wunderbaren Wendungen? Sind es die Assoziationen?

 
wie so oft ist es wahrscheinlich von allem ein bisserl was. Der Walzertakt per se vermittelt bereits ein beschwingtes Gefühl, dazu die eingängigen Melodien der Wiener Lieder, die Assoziationen: der Wiener Schmäh, ein Schöpperl Wein in Grinzing in einer versteckten Laube, die Liebesfilme mit Hannerl Matz, der unvergessene Hans Moser, die Familie Hörbiger etc.
Seht Ihr das Grinsen in meinem Geschreibsel? Genau das ist es! :bye:
 
Witzig. Du suchst das Wienerische ausgerechnet bei einem polnischen Komponisten, der in Berlin und Paris studiert und den größten Teil seines Lebens in Amerika verbracht hat. :-D

LG, Mick
 
Er zog ja 1909 nach Wien. Mit entscheidend ist aber sicher auch, dass man so herrlich mit dem Tempo spielen kann, immer wieder Verzögerungen, Auftakte, halt alles nicht ganz so ernst!
 
Das ist kaum zu erfassen und wird gerne mit dem Begriff "Wiener Ritardando" umschrieben: eine metrische Ungenauigkeit in der melodieführenden Stimme, eine Stimmverzögerung, für die man im langgezogenen Wiener Schmäh oder in der typischen Habsburger Schlamperei das Analogon finden kann - nur halt veredelt.
 

Und wie hätten das dann die Preussen gespielt? Um ta ta zack zack, um ta ta zack zack .....
 
Sosoo...die armen Preußen sind also Zielscheibe hier ? ...Ich bin auch einer. Kennt Ihr meine Farben ?

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Da ist aber noch einer drin, in diesem Spezial-Marsch-und Liederband namens "Siegesklänge", Hamburg: Benjamin, PL.-Nr.: A. J. B. 4632 ( 41 Soldaten-Märsche und Lieder ):

Und zwar Oscar Fetras, op. 200: "Hurra, Hurra, die Ulanen sind da!"

Textzitat:

"Ein Heer von Stahl und Eisen
soll fränk'schem Übermut mit Kraft die Wege weisen
und gält' es Gut und Blut!"

:-D jaja, schon derbe, diese alten Märsche. Die Märsche selbst sind nat. geil, wie auch die im letztens erwähnten anderen Buch. Politische Aussagen in den Texten sind aber eher martialisch angehaucht, und beinhalten eher wenige pazifistische Gedanken, zumeist. :rauchen:Das sollten wir heutzutage natürlich mit einem kritischen Auge betrachten. :super:
 
:-D jaja, schon derbe, diese alten Märsche. Die Märsche selbst sind nat. geil, wie auch die im letztens erwähnten anderen Buch. Politische Aussagen in den Texten sind aber eher martialisch angehaucht, und beinhalten eher wenige pazifistische Gedanken, zumeist. :rauchen:Das sollten wir heutzutage natürlich mit einem kritischen Auge betrachten. :super:
...und diese weisen Worte erklären die Rhythmik und Kulturgeschichte des Wiener Walzers?...
 
Das ist kaum zu erfassen und wird gerne mit dem Begriff "Wiener Ritardando" umschrieben: eine metrische Ungenauigkeit in der melodieführenden Stimme, eine Stimmverzögerung,
ja und nein (bzgl. "kaum zu erfassen")

auf jeden Fall gibt es keine "preussisch-bürokratisch" festgelegte Regel, die eindeutig markiert, wo und wie besagtes Ritardando (dem stets ein anrollendes Accelerando vorausgeht, wenn man sich die Straußschen Walzer viertaktig/achttaktig vor Augen führt) ausgeführt werden soll.

aber man kann sich ja unschwer gelungene, nach wie vor Maßstab setzende Ausführungen genau anschauen! Da wäre zuerst nötig, sich mit der Fledemaus von Johann Strauß wirklich gut bekannt zu machen, speziell deren Walzer zu beachten, und zu hören, wie Karl Böhm und Carlos Kleiber diese ausgeführt haben.

und dann kann man sich anschauen, wie Ravel das in La Valse, der morbiden Apotheose des Wiener Walzers, gemacht hat.

...so könnte an dieses spezielle, ganz eigene Wiener oder besser Straußsche rubato herankommen.
 
Hee @rolf , bitte nicht mich überfordern: Bei meinen bisher angesehenen Märschen sind leider nicht viele Wiener Walzer dabei :cry2::denken:- wenngleich allerdings ein paar wenige Stücke tatsächlich im 3 / 4 Takt sind. Manche davon haben aber auch eher mazurkenhaften Charakter, so beim Draufschauen. Ich gucke aber nochmal, ob ich nicht ein spezielles Strauß-Buch finde.

Die Elemente, von denen die Rede ist, dieses "Rubato", in den Wiener Stücken, geht mir allerdings dann auf den Zeiger, wenn...( Du ahnst es ? ) ...wenn z.B. nach einem Auftakt aus punktierte Achtel+Sechzehntel ...33, 5 milliarden Jahre Kunstpause eingelegt wird, bis dann EEEEENDLICH der Strauss-Walzer beginnt. ( Unsäglich lange "Intros" jetzt mal außen vor gelassen ) . Dieses Miß-Verfahren hört man oft bei Silvesterkonzerten selbst berühmter Philharmonien, was ich nicht gut finde. Womöglich noch 17, 3 Millonen Jahre Warten zwischen punktierter Achtel und 16tel, so dass man meinen könnte, die Damen und Herren im Opernball-Haus müssten sich erst noch richtig "ordnen"....

Knuffige Stücke wie "Alt Wien" von Godowsky ( ich habe es ja ebenfalls, aus USA bekommen mit Notizen drin ) mag ich aber. Godowsky setzt zuweilen in "Alt Wien" immerhin einige Stellen, die zum ZU LANGEN WARTEN verführen würden, durch wohlklingende Füllselnoten "außer Gefecht", was ich als angenehm empfinde. Außerdem verfolgt er einen ganz bestimmten Duktus, in der einen Harmonie, die ziemlich "abwegig" ist, ( muss Noten erst suchen, aber ich glaube, Du weißt welche Stelle ich meine ) so, als ob man einen Gedanken WIRKLICH verfolgt, der in alte Zeiten führt.

TROTZDEM kann man auch in "Alt Wien", wenn mans drauf anlegt, MASSENWEISE Kunstpausen und "breaks" einsetzen. Und Temposchwankungen.

LG, Olli!
 
Das ist kaum zu erfassen und wird gerne mit dem Begriff "Wiener Ritardando" umschrieben: eine metrische Ungenauigkeit in der melodieführenden Stimme, eine Stimmverzögerung, für die man im langgezogenen Wiener Schmäh oder in der typischen Habsburger Schlamperei das Analogon finden kann - nur halt veredelt.
Kaum zu erfassen und praktisch nicht notierbar - und dementsprechend schwierig zu beschreiben, geschweige denn zu vermitteln. Entweder kultiviert man seine Sensoren dafür und fühlt es - oder eben nicht. Denn niemand kann verbindlich definieren, ob die Verzögerung 15 oder 50% des vorgegebenen Tondauerwertes ausmacht. Wer das richtige Maß spürt, spricht gern von Theater-, speziell Operetten-Tradition.

Soweit die Einschätzung eines langjährigen Operetten-Praktikers, der das allerletzte Bühnenwerk des Walzerkönigs sehr oft für Salonorchester arrangiert, korrepetiert, einstudiert und dirigiert hat. Entsprechendes lässt sich zu vergleichbaren Opera aus der Feder von Millöcker, Zeller, Lehár oder Stolz und vielen anderen ergänzen. Antworten wir also musikalisch mustergültig:



LG von Rheinkultur
 

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