Wie entwickeln Pianisten ihren eigenen Sound?

Dann mach ich irgendwas falsch....hab es noch nie erlebt, daß der Pianist ned gleichzeitig mit mir "auf der Matte stand" :005:
Naja, wenn du nicht zum Stimmen gerufen wirst, bekommst du es natürlich nicht mit.

Es gibt die Stimmungen von Privatinstrumenten. Da kann auch jeder Laie direkt mit dem Stimmer besprechen, was er gerne hätte.

Dann gibt es kleinere Veranstaltungen, bei denen nicht extra für das Konzert gestimmt wird, sondern das Klavier steht eben am Veranstaltungsort und wird ein Mal im Monat oder seltener gestimmt. Oder es treten am selben Abend mehrere Pianisten auf, wie beim Klassenabend oder bei Wettbewerben. Da kann sich der Stimmer gar nicht an die Vorlieben von jedem einzelnen halten.

Und dann gibt es natürlich die Oberliga, in der für jedes Konzert individuell gestimmt wird, bis hin zu Superstars, die sich schon am Vortag ein Instrument aussuchen und es speziell für ihren Auftritt vorbereitet bekommen, also ggf. sogar mit Intonations- und Regulierungsarbeiten...
 
Ich habe oft einige Werkzeuge dabei, für solche Fälle wo man sich aus organisatorischen Gründen (oder weil das Klavier nicht extra vorbereitet wird) nicht treffen kann. Meistens reicht es für allgemeine Justierungen oder für mechanische Kleinigkeiten. Ich traue mich natürlich nicht, einen kompletten Durchgang an einem Instrument, das nicht mir gehört, zu machen, aber darum geht es ja nicht.

Was den individuellen Klang angeht, denke ich (als grobes Bild), dass jedem vielleicht 50% der latenten Klänge eines Instruments zusprechen und "anwendbar" vorkommen. Welche Klänge dazu gehören, ist aber unterschiedlich. Von den Vorstellungen seines Idealklangs liegen vielleicht 50-90% in der Kapazität des jeweiligen Instruments. Also finden Pianist und Instrument einen "Konfluenzbereich", in dem sich die Musik dann bewegt.

Dazu kommt Interpretation, und das ist, wie schon hier einige Male erwähnt, viel mehr als nur Klang im engsten Sinne, und trägt zur Wiedererkannbarkeit eines Pianisten das meiste bei.
 
Die (ganz) großen Pianisten bringen doch ihre individuell eingerichteten Instrumente mit.

Glenn Gould erkennen auch solche Musikliebhaber, die nicht groß Klavier spielen können. Bei Arthur Rubinstein wird es ähnlich sein, wenn die Aufnahme nach 1945 entstanden ist.
 
ist aber in der Lage, zumindest für einen kurzen Moment dem Schüler zu ermöglichen, zu erspüren, wie es sich anfühlt, den "Traumklang" zu erzeugen (oder zumindest einen deutlich besseren Klang).
da bin ich ja dann ganz beruhigt, weil genau das geschehen ist.

habe ich mit Sicherheit gefunden, da besteht an Oberlehrern kein Bedarf.
 
Die (ganz) großen Pianisten bringen doch ihre individuell eingerichteten Instrumente mit.
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wirkliche Klangindividualisten wie Horowitz, Michelangeli, Arrau, Gould, Gilels, Kempff, ...
auf jeden einigermaßen anständigen Instrument ihren persönlichen Klang herzustellen in der Lage waren/sind. Möglicherweise nicht so, wie sie es selbst gerne hätten, aber so, dass man es hört!
Wer je in einem Saal auf immer dem gleichen Flügel unter immer gleichen Bedingungen zig Pianisten vom Schüler der lokalen Musikschule bis zu Brendel und Richter gehört hat, wird sich über das Rätsel des individuellen Klangs und die (Ver)Wandlungsfähigkeit des Flügels endlos wundern und sich hoffentlich auch daran erfreuen!
 
Grundsätzlich ja, aber bei der speziellen Regulierung von Horowitz ist es vermutlich einfacher, einen Flügel zu transportieren, als jeweils ein Instrument für einen Auftritt 2 Mal umzuarbeiten.
Außerdem nehme ich stark an, dass die Streuung bei der Fertigung innerhalb der Modellreihe in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist. Dann muss sich der Pianist nicht so sehr umgewöhnen. Und jeder Konzertsaal ist ohnehin anders.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vergangenen Samstag spielte ich auf einem Flügel ein Konzert. Hinterher standen noch ein paar Leute am Flügel, eine Frau sagte, sie empfinde den Flügel sonst immer als so dumpf, heute hätte sie davon gar nichts gehört, es hätte vielmehr gestrahlt und geglitzert. Das ist etwas, was ich schon häufiger gehört habe. Und, oh Wunder: Das sind auch die Klänge, die ich besonders liebe, nach denen ich suche, die ich anstrebe. Das, was ich innerlich höre und äußerlich reproduziere. Dieser Aspekt hat etwas mit Klangbalance zu tun, und offenbar habe ich dafür ein besonderes Faible. So mag es jedem Musiker mit bestimmten Aspekten gehen. Was der Musiker hört, hört auch der Zuhörer.
 
Dann mach ich irgendwas falsch....hab es noch nie erlebt, daß der Pianist ned gleichzeitig mit mir "auf der Matte stand" :005:

Ich halte es zudem für wichtig, daß Klavierstimmer und Pianist .miteinander kommunizieren.

Woher soll ich wissen welche Tonhöhe jeweiliger Pianist zum Beispiel braucht, wenn ich den nicht zu Gesicht bekomme?

Der Veranstalter kann mir viel verzählen, in der Regel "nix ".

Aber ich meine, auch von Seiten der Pianisten sollte darauf bestanden werden den Klavierstimer vor seiner Arbeit zu kontaktieren.

So Sachen das mich ein Pianist auf einen Sonntag Abend eine halbierte Stund vor seinen Auftritt anruft , weil der Flügel unspielbar verstimmt war, dürfen natürlich von Seiten des Veranstalters nicht passieren.
Hier mal was, weil gerade von der Kommunikation zwischen Pianist und Stimmer die Rede war:

Ein mir bekannter Stimmer hatte einst für Alfred Brendel ( der hoffentlich hier nicht mitliest!) für ein Konzert in Spanien den Flügel zu stimmen.
Das hieß, eine Woche zuvor anreisen, das Instrument in Kontakt mit A.B. vorbereiten. Nun war das eine endlose Story, und der Pianist nie zufrieden. Beim Stimmer machte sich eine gewisse Ratlosigkeit breit. Schlussendlich setzte er am oder im Instrument Markierungen mit Kreide ( ich weiß nicht, ob sonst und wozu so etwas gemacht wird), was natürlich sehr nach Arbeit aussah, ohne in Wirklichkeit noch etwas zu ändern. A.B. begeistert: "Viel besser!". Soviel zur Kraft der Suggestion....

Apropos Suggestion und näher am Thema: ich finde es zwecks Klanggestaltung häufig hilfreich, sich bei Klavierstücken passende Instrumentierungen vorzustellen. Man entgeht zwar nie der relativen Neutralität des Klavierklangs, kann aber dennoch schöne Resultate erzielen. Inbesondere z.B. bei Legato-Kantilenen sich gute Sänger(-innen) vorzustellen, zumal die menschliche Stimme das einzige "Instrument" ist, das zu perfektem Legato fähig ist.
 
Die Anekdote kenne ich mit Franz Mohr / Horowitz, aber etwas Ähnliches wird wohl öfter passiert sein.

zumal die menschliche Stimme das einzige "Instrument" ist, das zu perfektem Legato fähig ist.
Was ist perfektes Legato? Hat das etwas mit Glissando zu tun, oder ist es etwas ganz anderes?
Kann das nicht zB auch die Zugposaune (zumindest innerhalb einer Quinte)?
 
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Auf einer Saite und mit einem Strich kann das auch ein Strichinstrument. Aber die Luft und der Bogen enden irgendwann - besser mag das mit einem Theremin gehen.
 

Die Anekdote kenne ich mit Franz Mohr / Horowitz, aber etwas Ähnliches wird wohl öfter passiert sein.


Was ist perfektes Legato? Hat das etwas mit Glissando zu tun, oder ist es etwas ganz anderes?
Kann das nicht zB auch die Zugposaune (zumindest innerhalb einer Quinte)?
Wenn ein Streicher die Saitenlänge verändert oder ein Bläser die Luftsäule, entsteht im Grunde ein anderer schwingender Körper. Beim menschlichen Stimmapparat ist es immer derselbe schwingende Körper.
Die Illusion, ein perfektes Legato zu erzeugen , gehört für Instrumentalisten zu den wesentlichen Aufgaben.
 
Hier mal was, weil gerade von der Kommunikation zwischen Pianist und Stimmer die Rede war:

Ein mir bekannter Stimmer hatte einst für Alfred Brendel ( der hoffentlich hier nicht mitliest!) für ein Konzert in Spanien den Flügel zu stimmen.
Das hieß, eine Woche zuvor anreisen, das Instrument in Kontakt mit A.B. vorbereiten. Nun war das eine endlose Story, und der Pianist nie zufrieden. Beim Stimmer machte sich eine gewisse Ratlosigkeit breit. Schlussendlich setzte er am oder im Instrument Markierungen mit Kreide ( ich weiß nicht, ob sonst und wozu so etwas gemacht wird), was natürlich sehr nach Arbeit aussah, ohne in Wirklichkeit noch etwas zu ändern. A.B. begeistert: "Viel besser!". Soviel zur Kraft der Suggestion....

Apropos Suggestion und näher am Thema: ich finde es zwecks Klanggestaltung häufig hilfreich, sich bei Klavierstücken passende Instrumentierungen vorzustellen. Man entgeht zwar nie der relativen Neutralität des Klavierklangs, kann aber dennoch schöne Resultate erzielen. Inbesondere z.B. bei Legato-Kantilenen sich gute Sänger(-innen) vorzustellen, zumal die menschliche Stimme das einzige "Instrument" ist, das zu perfektem Legato fähig ist.
Am Bereich hinter den Tasten werden mit Kreide die Töne markiert, die durch Stiche weicher gemacht werden sollen. Es gibt auch Zeichen für "linke/mittlere/rechte Saite", "Scheitel uneben" usw. gemäß dem System, das ich vom besagten A.B. gelernt habe :)
 
Wenn ein Streicher die Saitenlänge verändert oder ein Bläser die Luftsäule, entsteht im Grunde ein anderer schwingender Körper. Beim menschlichen Stimmapparat ist es immer derselbe schwingende Körper.
Wenn sich die Spannung der Stimmbänder ändert und wenn sich der Brustkorb beim Ausatmen verkleinert, ist es doch auch ein anderer schwingender Körper, oder?
 
Die Klangindividualisierung durch Equipment und Tuning fällt am Klavier ja weg - welch Segen!
Das wird meißt eh überschätzt. Auch bei der E-Gitarre, die wohl extrem tuningfreundlich ist, klingt z.B. Santana immer wie Santana obwohl er von Gibson über Yamaha, Fender und schließlich PRS- Gitarren so ziemlich alles gespielt hat.
Horowitz klingt wie Horowitz, auch auf einer alten Gurke:

Dynamik, Phrasierung? Das eigene Temperament überträgt sich aufs Instrument? Der eine spielt eher lyrischer, der andere eher flotter und eckiger?

Töne anschleifen, Vibrato, Growling...das geht am Klavier alles nicht, oder?
Rein physikalisch kann man am Piano nur Anschlagstärke und -Zeit ändern. Das gibt aber schon genug Möglichkeiten zur Individualisierung: Unterschiedliche Anfangs-/Grundlautstärke, unterschiedliche Lautstärke der gleich oder nacheinander gespielten Töne zueinander, Phrasierung (binden/Nichtbinden der Töne).
Bei improvierter Musik geht noch mehr, nämlich typische Voicings, rhythmische und/oder melodische Licks und individuelle Läufe, die man erkennen und nachahmen kann.
 
Rein physikalisch kann man am Piano nur Anschlagstärke und -Zeit ändern. Das gibt aber schon genug Möglichkeiten zur Individualisierung: Unterschiedliche Anfangs-/Grundlautstärke, unterschiedliche Lautstärke der gleich oder nacheinander gespielten Töne zueinander, Phrasierung (binden/Nichtbinden der Töne).

Neben der Hammergeschwindigkeit, ausgelöst durch den Anschlag, ist maßgeblich der Einsatz der Dämpfung (via Pedal oder Tastatur) involviert.
Was sonst noch persönlich existent ist, ist das Gefühl, das man dabei hat.
 
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