Wie benutzt man Hanon mit wenig Lehrer?

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Ich bin leider in der Situation, daß meine eigentliche Klavierlehrerin noch bis März nächsten Jahres nicht da ist. Unterdessen treffe ich mich alle zwei Wochen mit einem sehr erfahrenen Klavierspieler, der mich auf meine technischen Unzulänglichkeiten aufmerksam macht und mich diesbezüglich unterstützt. Hanon kennt er leider nicht und vermutlich auch nicht dessen Tücken.

Daher meine Frage: Was sollte ich beim Üben nach Hanon umbedingt beachten, außer natürlich Extremen wie große Spannungen, Schmerzen etc., die sowieso nicht auftreten sollten?

Mir ist aus diversen Diskussionen bekannt, daß Hanon nicht ganz unumstritten ist, andere Übungswerke aber auch nicht. Es geht also wirklich darum, wie man mit Hanon übt und nicht ob man es überhaupt tun sollte.
 
Hanon

sinnvoll kann sogar Hanon sein, wenn du die einzelnen Übungen auch im musikalischen ablauf verstehst. Mit musikalisch meine ich hier, dass es nicht langt, die einzelnen Tasten zu spielen, sondern die Melodie jeder Übung - selbst der einfachsten Mr.1 - als Phrase aufzufassen. Ist das wirklich akzeptiert und ich nenne es mal - innerlich richtig mit- und durchgesungen - wobei es nützlich sein kann, sich die netsprechende Passage von einem guten Geiger vorzustellen oder auch Sänger, Flötisten usw. - Um diese Melodiedynamik richtig zu gestalten braucht es die richtige Arm- und Handführung. Nr. 1 liefert das einfachste Schema. Bei dem Lauf nach oben wird sich de Unterarm leicht auswärts und zurück nach unten wieder einwärs drehen. diese Bewegung sollte und kann ganz minimal sein, aber sie ist immer da und darf nie behindert werden. Wer die Vorstellung hat, dies könnten auch die finger allein spielen, wird bald fest gehen und sich selbst behindern. Die folgenden Übungen stellen nun versciedene Varianten dar, bei denen die Läufe mal hoch mal runter gehen und kleine oder grössere Schleifen machen. Dies muss mit der Hand und dem Unterarm nachgeführt werden, wobei kleinere schwünge, wie Wechselnoten, in einen grösseren Schwung eingebettet sein sollten. Die Bewegung nach oben wird allgemein mit einem elliptisch wirkenden Unterschwung ausgeführt, der auch mit "Zug" bezeichnet werden kann, während die Bewegung zurück nach unten mit"Schub" bezeichnet werden kann, was einem elliptischen Oberschwung nahekommt. dies wird mit der leichten Aus- und einwärtsdrehung des Unterarms untersützt.

Da nun die Hanonübungen alle parallel laufen, sollten alle Übungen erstmal einzeln gemacht werden, bis der Bewegungsablauf sitzt. Beim Zusammenspiel nun darauf achten, dass jede Hand selbstständig und ungestört ihren Bewegungen nachgehen kann. Das ist sicher die zentrale aufgabe. Wenn das noch gestört ist, wird eine synchrone ausführung, die leicht auszuführen ist, nicht möglich sein.

Wenn im einzelfall die Bewegung einer Übung nicht richtig läuft, kann man auch die Bewegung , also die figur, in die andere Hand spiegeln und so mit symmetrischem Aufbau die Hände besser kontrollieren, denn eine Hand lernt von der anderen, weil minimal eine der beiden Hände es immer beser kann.

Ich hoffe, diese trockenen ausführungen können verstanden werden, sonst einfach nochmal nachfragen.
Im Video wäre das natürlich besser zu erläutern. vielleicht können wir ja demnächst auch kurze Lehrvideos in die Beiträge einbinden.
 
Vielen Dank für diese ausführliche Antwort!

Musikalische Spielweise ist klar und deutlich erklärt.
Die Arm- und Handführung ist wohl der wichtigste Aspekt, den ich nach meiner 25-Jährigen Pause bearbeiten muß. Wenn da noch Fragen aufkommen, melde ich mich.

Mich juckt es ja in den Fingern, zu fragen, ob Hanon mit Pedal gespielt werden soll - aber bitte nicht darauf eingehen, das ist nicht ernst gemeint ;)
 
Nein, ohne Pedal.

Wichtig ist auch, dass alle Finger gerundet sind. Vor allem der fünfte Finger!

Die Bewegungen des Arms bei Nr. 1 sollte man meiner Meinung nach nicht sonderbar beachten, die erfolgt doch automatisch wenn man die Figur spielt. Aber es ist schon richtig, dass diese Bewegung minimal sein sollte und die Tasten von Nerven des Fingers gespielt werden sollen.

Auf jedenfall zu beachten ist die Entspanntheit aller Finger.

Man sollte vor den schwarzen tasten spielen und die Finger nicht ausstrecken. Aber das fällt ja unter die Kategorie gerundete Finger.

Ich weiß nicht, aber viele hier im Forum sagen, dass man auch Bach spielen könnte. Das würde Hanon ersetzen. Aber das tut es eben nicht. Und auch, dass im Hanon alle Figuren vorgestellt werden ist ebenfalls nicht ganz richtig.

Viel eher ist das Ziel die gleichmäßige Stärkung der Finger. Selbstverständlich sollte man sich die Figur innerlich vorstellen können und musikalisch ausführen, aber das sollte man doch generell bei Musik. Besonders der vierte und fünfte Finger werden bei diesen Übungen gestärkt.

Ich bezweifle auch nicht, dass man die Figuren lernt, um später die Reihenfolge der Finger in den Nerven zu haben. D. h. dass wenn ich 1545352 lerne, ich dieses Motiv bestimmt irgendwann gebrauchen kann (besonders bei Bach).
 
Viel eher ist das Ziel die gleichmäßige Stärkung der Finger. Selbstverständlich sollte man sich die Figur innerlich vorstellen können und musikalisch ausführen, aber das sollte man doch generell bei Musik. Besonders der vierte und fünfte Finger werden bei diesen Übungen gestärkt.

Nun kläre mich mal einer auf, wofür man beim Klavierspielen "starke" Finger braucht. Um eine Taste niederzudrücken, benötige ich ein Kraftäquivalent von ca. 55 g, was ja auch schon kleine Kinder ohne Mühe aufbringen. Entscheidend ist doch wohl, welche Schnell-Fähigkeit das Muskel-Sehnen-System besitzt (um der Taste die notwendige Beschleunigung zu geben). Mit einer "starken" Bodybuilding-Muskulatur im Unterarm (denn dort sitzen die Muskeln, die für die Fingerarbeit zuständig sind) ist wenig gewonnen. Im Gegenteil sehe ich die Gefahr, daß der Bewegungsapparat zwar kräftig, aber auch (re-)aktionsträge wird.

Die Crux beim raschen Spielen ist, daß die Übertragungswege von der aktiven Muskulatur (Unterarm) zu den einzelnen Fingergliedern recht lang ist, was wiederum die Schnell-Fähigkeit der Sehnen beeinträchtigt ...

Jörg G., Du weißt doch über solche Dinge immer so gut Bescheid und kannst sie anschaulich erklären!
 
Nun kläre mich mal einer auf, wofür man beim Klavierspielen "starke" Finger braucht.

Sehr richtig. Man kommt beim Klavierspielen mit extrem wenig Kraft aus, und wenn jemand mehr Kraft einsetzt als unbedingt nötig, dann man er sich das Leben künstlich schwer.

Die Crux beim raschen Spielen ist, daß die Übertragungswege von der aktiven Muskulatur (Unterarm) zu den einzelnen Fingergliedern recht lang ist, was wiederum die Schnell-Fähigkeit der Sehnen beeinträchtigt ...

Auch das ist nicht wirklich ein Problem. Je schneller ein Stück ist, umso leiser spielt man. Für einen forte-Klang reicht es, wenn man einzelne Töne/Akkorde mit Akzent spielt. Zeilen- oder gar seitenlang Ton für Ton zu hämmern ist weder schön noch notwendig. Und hier sehe ich sogar das Hauptproblem der Hanon-Übungen: daß man für eine Art des Spielens trainiert wird, die in der Praxis garnicht vorkommt, oder zumindest nicht vorkommen sollte: das Hämmern :cool:
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Kölnklavier, Haydnspaß, eure Einwände sind sicherlich fundiert und interessant, aber dieses Thema dreht sich einzig und alleine um das "wie" und nicht um das "ob" man mit Hanon üben sollte. Vielen Dank für euer Verständnis!
 
Kölnklavier, Haydnspaß, eure Einwände sind sicherlich fundiert und interessant, aber dieses Thema dreht sich einzig und alleine um das "wie" und nicht um das "ob" man mit Hanon üben sollte. Vielen Dank für euer Verständnis!

Hallo Guendola,

ich hab nicht geschrieben, daß man die Hanon-Übungen nicht machern soll. Nur sollte man sie nicht als Muskeltraining spielen, sondern mit so wenig Kraft und Aufwand als möglich und mit Akzentuierung. Es geht also doch um das "wie" :)
 
... Nur sollte man sie nicht als Muskeltraining spielen, sondern mit so wenig Kraft und Aufwand als möglich und mit Akzentuierung...

Da hatte ich vergessen, zu erwähnen :)

Thread-Hijacking ist in diesem Forum ja leider nicht unüblich, deswegen habe ich sofort reagert. Ich glaube nämlich, daß dieses Thema für andere auch interessant sein kann, weil gezielte Fingerübungen ja immer mit Bedacht eingesetzt werden sollten und da muß man eben wissen wie und wer einen Lehrer hat, wird diesen hier hoffentlich bestätigt sehen (oder sonst bitte mal schreiben, was der Lehrer anders sieht, und warum).
 
Hanon

Genau deshalb habe ich sehr genau darauf hingewiesen, dass selbst die kleinste einheit mit Musik gefüllt werden muss. Ich kann auch die Figur der Nr.1. so spielen, dass sie melodisch klingt. Ich denke, dass hier keiner mehr meint, in die Tasten "Hämmern" zu müssen.

Anders als einige halte ich nichts davon, die finger aktiv zu heben, sodass im raum über der taste noch Zusatzbewegung ist. Viel wichtiger ist das Feingefühl am Fingerpolster, welches spürt, wie die Taste selbst nach oben kommen will. Die mechanische Kraft für die Fortbewegung z.b. von 1 auf 5 sollte überwiegend durch die führung der Hand durch den Arm erfolgen. Ich trage doch nicht meinen schwereren Arm mit meinen schwachen Fingern über die Klaviatur sondern ich führe mit meinem Arm die Hand und die finger an die richtigen stellen. Und Zwar so, dass der momentane Schwerpunkt (der ja immer sich bewegt) optimal über der Taste ist, die ich drücken muss.

Schaut euch videos guter Pianisten an, deren Handgelenk ist immer in leichter Bewegung, weil es die Impulse der stärkeren motoren (Arm und Schultermuskeln) so abfedert und ausgleicht, dass die finger optimal gestellt sind.

Ich halte auch wenig davon die Finger immer gebogen zu halten. Beim typischen chopin-anfänger Griff - "e,fis,gis,ais,c" - können vor allem die finger 2,3,4 sehr flach gehalten werden.

De Hanon kann vor allen dann sinnvoll sein, wenn man sich alle Übungen bereits als teile eines grösseren Stückes vorstellt.

Weer spass daran hat, kann die entsprechenden Literaturstellen heraussuchen, wie z.b. Übung Nr.1 kommt vor in Doctor Gradus ad Parnassum Nr. 1 von M. Clementi.
 
Ich glaube nämlich, daß dieses Thema für andere auch interessant sein kann, weil gezielte Fingerübungen ja immer mit Bedacht eingesetzt werden sollten und da muß man eben wissen wie und wer einen Lehrer hat, wird diesen hier hoffentlich bestätigt sehen (oder sonst bitte mal schreiben, was der Lehrer anders sieht, und warum).

Zu unterschiedlichen Zeitpunkten war bei mir Hanon und auch Czerny als Ausgangsmaterial zu ganz unterschiedlichen Übungen dran, einschließlich der von Klavigen beschriebenen Methode und auch der von ihm nicht präferierten.

Ich denke, dass gerade die Art, wie Übungen gemacht werden sollten, sehr stark von den eigenen Stärken und Schwächen abhängen und von dem, was damit erreicht werden soll. Das lässt sich dann aber nicht in einem Thread unter "Wie übe ich ..." schreiben.

Was ich als noch viel wichtiger empfinde ist die ganz genaue Kontrolle durch den Lehrer, ob auch alles richtig durchgeführt wird. Da schleicht sich - zumindest bei mir - gerne etwas ein, was mir nicht einmal auffällt.
 

Ich halte auch wenig davon die Finger immer gebogen zu halten. Beim typischen chopin-anfänger Griff - "e,fis,gis,ais,c" - können vor allem die finger 2,3,4 sehr flach gehalten werden.

Klar können die Finger bei dem Akkord flach gehalten werden. Aber Hanon ist nicht gleich Chopin. Und vor allem beschäftigt sich Hanon nicht mit Griffen, sondern ist eher nützlich für schnelle Läufe, Tonleitern und Bach.

Und ich habe nicht gemeint, dass man damit die Fingermuskeln trainiert. Sondern: Dass ich den zum Beispiel den vierten Finger genauso gleich einsetze wie alle anderen Finger. Das heißt, dass sich alle Beweglichkeit der Finger normiert. Hoffentlich versteht ihr jetzt was ich meine.
 
Und ich habe nicht gemeint, dass man damit die Fingermuskeln trainiert. Sondern: Dass ich den zum Beispiel den vierten Finger genauso gleich einsetze wie alle anderen Finger. Das heißt, dass sich alle Beweglichkeit der Finger normiert. Hoffentlich versteht ihr jetzt was ich meine.
Ja.
So ähnlich sehe ich das auch: Man lernt z. B. schneller den Triller mit 4. und 5. Finger und muss sich nicht mehr ärgern, warum dieser so viel schlechter geht als der Triller mit 2. und 3. Finger.

Mir ist aber aufgefallen, dass sich fast alle bisherigen Beiträge auf die Etüden Nr. 1 - (ca.) 30 beziehen.

Was ist mit der 2. Hälfte?

Mir persönlich bringt die Nr. 48 besonders viel, und (um auf Guendolas ursprüngliche Frage zurückzukommen) bei dieser kann man auch mit "wenig Lehrer" nicht viel falsch machen (finde ich), wenn man sie so übt, wie vorgeschrieben.

Wie seht Ihr das?
 

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