Welcher Beethoven-Interpret?

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Hallo,

es gibt ja etliche Pianisten, die das Neue Testament (ich meine damit die 32 Beethoven Sonaten) auf Tonträger brachten. Ich habe auch schon viele davon gehört. Aber ich frage mich, welcher von diesen Interpreten auch wirklich so spielt, wie es sich Beethoven gedacht hat.

Wir können ja nicht in die Zeit zurück reisen und auf ein Beethovensches Konzert gehen. Aber ich denke mal, die Musikwissenschaft hat sich mit der Frage bestimmt auseinandergesetzt.

Deswegen lauten meine Fragen:

Welcher Beethoven-Interpret der 32 Sonaten ist Beethoven am treuesten geblieben? Warum?
 
Also 1. Eine gute Idee für den Faden!

Ich persönlich denke, dass Barenboim der beste Intepret ist.
Dies ist meine Meinug, weil ich die Filme von Barenboim gesehen habe, in der er mit Lang Lang die "Appassionata" bespricht. Und er kann bei jedem so kleinem Fehler genau begründen warum er das anders zu spielen hat.

Ich hoffe dir weitergeholfen zu haben un bin gespannt auf die Antworten der anderen Benutzer.

Lg Moritz
 
Wilhelm Backhaus wird ja nachgesagt er habe Beethoven besonders notengetreu und schnörkellos interpretiert. Zudem habe sein Spiel immer der Musik gedient, nie der Selbstdarstellung.

Aber ganz ehrlich: Hat oder hätte Beethoven seine eigenen Sonaten immer gleich gespielt? Gerade er soll ja als aktiver Pianist ein Meister der Variation gewesen sein und beim Klavierspiel seine Zuhörer besonders dadurch begeistert haben, dass er aus beliebig vorgegebenen Themen mit einem unerschöpflichen Pensum an Kreativität variieren konnte.
Da er darüber hinaus ja auch durchaus als impulsiv und unberechenbar galt, ist es m.E. sehr fraglich, ob er seine eigenen Sonaten nur über eine ganz bestimmt Interpretation als "richtig" erachtet hätte.

Aber das ist die Meinung eines leidenschaftlichen Verehrer Beethovens, nicht die eines Musikwissenschaftler.

Grüße
Musicus
 
Claudio Arrau
Friedrich Gulda
Maurizio Pollini
Glenn Gould
Wilhelm Kempff
Vitaly Margulis
Anatoli Ugorski
Marya Yudina
Elly Ney
Robert-Alexander Bohnke
Daniel Barenboim

auch wenn nicht jeder alle 32 gespielt hat undso enorm verschieden sie alle auch sind, diese gefallen mir sehr.

Gruß, Rolf
 
Außer den schon genannten haben mir Einspielungen von Emil Gilels und Michael Korstick gefallen.

Gruss
Manfred
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Falls auch Interpretationen auf dem Hammerklavier eine Rolle spielen, sind die Aufnahmen von Ronald Brautigam interessant.

Grüße,
Kristian
 
Ihr schreibt, welche Interpreten euch gefallen. Meine Frage war jedoch eine andere. Siehe oben!
 
Ihr schreibt, welche Interpreten euch gefallen.

Äh...nö ich nicht. Backhaus zählt nicht zu meinen Lieblingsinterpreten...

However, sollte ich Beethoven mal irgendwann im Nirvana treffen, werde ich ihn fragen, durch welchen Pianisten er sich am besten verstanden sah.

Die Lösung werde ich dann von oben per Blitz-Morsezeichen durchgeben. Vielleicht aber auch den Namen in den Sand pinkeln oder von Außerirdischen in Form von Kornfeldzeichen übermitteln lassen...

Grüße und gute Nacht
Musicus
 
Ihr schreibt, welche Interpreten euch gefallen. Meine Frage war jedoch eine andere. Siehe oben!

Den Notentext realisieren alle, und alle spielen in diesem Sinne text- und werktreu. Nun ist aber eine Beethovensonate kein so eindimensionaler Gegenstand, dass es nur eine einzige Realisierungsmöglichkeit gäbe - gäbe es die, würden alle völlig gleich spielen :) und das wäre doch ein wenig langweilig.

Was stilgerecht ist und was zu sehr davon abweicht, ist ein immer wieder diskutiertes Thema - zeitweilig (60er Jahre, Sachlichkeit) war es "wiss." Mode, nahezu keine Tempoabweichungen gelten zu lassen, davor und danach relativierte sich das aber wieder. Nun ist ist es so, dass aus allerhand Zeiten Interpretationen vorliegen - und jede Zeit hat ihre eigenen Moden.

Ob nun Lamond (noch aus dem 19. Jh.) oder Gulda die Pathetique spielt: beide spielen dieselben Töne, beide spielen texttreu, und doch klingen sie sehr verschieden - - was Beethoven abseits bzw. neben der Partitur noch zusätzlich gemeint hat, das weiss schlichtweg niemand.

Wir haben die Noten - und ich meine, das genügt auch. Wir haben von Artur Kolisch eine Untersuchung zu den authentischen Tempi - manchmal werden diese realisiert, aber das sagt nicht viel, denn es sind nur erschlossene Tempi (Beethoven hatte leider nur wenig metronomisiert)
 

Hallo Sesam,

ich meine damit, welcher Interpret die Absichten Beethovens am besten herausstellt.
 
Dann hat sich wohl die Frage geklärt. Man kann sie nicht beantworten. So einfach geht's.
 
Dann hat sich wohl die Frage geklärt. Man kann sie nicht beantworten. So einfach geht's.

mich würde ja sehr freuen, wenn man Leute, die von 1770 bis 1827 gelebt haben, reanimieren könnte - und wenn´s nur für eine Woche oder ein Interview wäre. Aber leider ist das Science Fiction (z.B. wie in A. Schmidt´s Erzählung "Goethe und einer seiner Bewunderer").

was man über Beethovens Klavierspiel überliefert hat, ist widersprüchlich, ebenso was man zu seinen Tempi überliefert hat - ganz nett ist die Zitatsammlung von U. Molsen "das Klavierspiel in historischen Zitaten".

wenn Dich Beethoven sehr interessiert, solltest Du alle seine Briefe (am besten mit Kommentar) lesen, auch die Skizzenbücher - vieles davon ist über Bibliotheken zugänglich; außerdem gibt es regalweise Fachliteratur über Beethoven - sogar einen eigenen Band der Reihe Musikkonzepte über Beethoveninterpretation (und das ist nicht die einzige Publikation zu diesem Thema)

sehr empfehle ich Dir den Essay von V. Margulis über Temporelationen in op.111
 
Den Notentext realisieren alle, und alle spielen in diesem Sinne text- und werktreu.

Ist das denn wirklich so? Ich hab's schon oft gehabt, dass ich mir eine Sonate von vielen (auch unter anderem von deiner Liste) Interpreten angehört habe, nebenbei in die Noten geschaut hab und festgestellt hat, dass einige Sachen einfach missachtet wurden. In den allermeisten Fällen handelt es sich um die Artikulation, meistens werden hier und da Staccati überspielt oder Akzente sind nicht vorhanden...manchmal stimmt auch die Dynamik nicht.

Viel mehr als die Frage, ob es denn nun jemanden gibt, der wirklich jede noch so winzige Kleinigkeit perfekt ausführt, interessiert mich...was heißt eigentlich "text- und werkstreu"? Die Töne und Rhythmen stimmen bis auf einige Ausnahmen grundsätzlich alle. Natürlich kann man nich von Werkstreuheit sprechen, wenn jemand konsequent Beethovens Angaben ignoriert, aber wo ist die Grenze zwischen Interpretation und Werkstreuheit?

Alles Liebe
 
Bei allem nötigen Respekt vor der Musikwissenschaft:
"Entscheidend is aufm Platz!" Also im Konzert. Werden die Zuhörer erreicht, bewegt, beseelt? Dann ist auch Herr Beethoven zufrieden.
Wissenschaftliche Begründetheit alleine lockt keinen Hund hinterm Ofen hervor ...
 
Ist das denn wirklich so? Ich hab's schon oft gehabt, dass ich mir eine Sonate von vielen (auch unter anderem von deiner Liste) Interpreten angehört habe, nebenbei in die Noten geschaut hab und festgestellt hat, dass einige Sachen einfach missachtet wurden. In den allermeisten Fällen handelt es sich um die Artikulation, meistens werden hier und da Staccati überspielt oder Akzente sind nicht vorhanden...manchmal stimmt auch die Dynamik nicht.

sicher gibt es zweifelhafte Beobachtungen - oft sogar dort, wo man es gar nicht erwartet: Beethoven schreibt im Kopfsatz der Pathetique stacc. Punkte über halbe Noten - - - wir sind nun eigentlich nicht gewohnt, Halbe als stacc. zu denken! - - - und was hört man? oft Pedal, oft irgendwas, was zwar abgesetzt, aber nicht stacc ist: es ist ein wenig offen, wie man diese Halben auszuführen hat - interessant zu lesen, was J. Kaiser dazu schreibt.

ebenso gibt es Abweichungen, deren Grund man kennen muss: nicht immer sind die Bögen im 18. und frühen 19. Jh. so notiert, wie wir es machen würden - aber sie meinen das (über Streicherbögen etc. ist schon viel geschrieben worden)

insgesamt wird schon gespielt, was notiert ist - und das doch recht genau :)
 
Ich finde, obwohl schon ziemlich alt, immer noch interessant, was Brendel in seinem "Nachdenken über Musik" über Werktreue etc. schreibt. Quintessenz ist, dass der Notentext, welch Überraschung, auch bei Beethoven "entziffert" werden muss. Welche Interpretationsspielräume schon allein Akzente bieten ......... ! Auch der Vergleich von Urtextausgaben mit der Handschrift ist interessant!

Wie wundervoll, dass es so viele verschiedene Interpretationen gibt, die immer wieder einen anderen Blick auf das Werk geben! Ich bin mir sicher, dass von den großen Pianisten jede einzelne Interpretation begründet werden kann in ihrem Verständnis des Stücks und der immer währenden Suche nach den Absichten des Komponisten. Dabei spielen auch die musikalischen Vorlieben/"Moden" der jeweiligen Zeit eine Rolle.

Insgesamt finde ich wie Rolf, dass es alle ziemlich genau nehmen mit der Werktreue. Wahrscheinlich so genau wie noch nie zuvor. :D

Viele Grüße

chiarina

P.S.: Ich hab' noch was vergessen. Was vielleicht schade ist, ist, dass durch die flächendeckende Versorgung der klavierspielenden Welt mit Aufnahmen die Individualität der Interpretationen abnimmt.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
und wenn mir mal ehrlich sind, würde ich beethoven seine sachen spielen hören und es ist für mich absolute scheiße, dann interessiert mich nciht, ob eine wundervolle interpretation von gulda so war wie beethoven es sich vorstellte, weils einfach scheiß ist!

greets

achso

PS: rolf , erzählst du uns bitte noch von kaiser sagt? es interssiert mich sehr, jedoch habe ich keine sammlung, wie du sie hast!

grüße
 
P.S.: Ich hab' noch was vergessen. Was vielleicht schade ist, ist, dass durch die flächendeckende Versorgung der klavierspielenden Welt mit Aufnahmen die Individualität der Interpretationen abnimmt.


Du meinst, hierdurch würden Maßstäbe gesetzt und tradiert, die mehr Hemmnis denn Inspiration sein könnten. Schon denkbar... aber bevor das so funktioniert, braucht es erstmal dankbare Abnehmer und Reproduzenten solcher musikalischen "Goldstandards". Und solange es sich verkauft....


LG, Sesam
 

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