Was (ver-)lernt der Anfänger durch "intuitives" Improvisieren, d.h. Geklimper?

Wenn die Gemeinsamkeit aber nicht erkannt wird, dürften erste Improvisationsversuche eher ...mau klingen. Zumeist reitet die Improvisationswilligen die Missidee, sie müssten oder könnten ad hoc ein zündendes Thema, eine Melodie, erfinden und könnten/sollten diese dann irgendwie begleiten - das gelingt wohl nur den Genies unter den Anfängern.
Wenn die ersten Versuche noch mau klingen, dann ist das doch auch vollkommen OK.
Die danach geschilderte Motivation ist allerdings wirklich störend, denn die sorgt auch dafür, dass nach den ersten "mau" klingenden Gehversuchen resigniert wird ... weil ja (ganz offensichtlich) nicht der erhoffte große Wurf dabei war.

Manchmal kommen bei einer Impro aber auch Dinge zustande, die sich einer Analyse zunächst entziehen.

Ich hatte da eine kleine Line, die ich immer wieder gespielt habe ... isoliert ist das zwar nichts (man kann wohl kein Klavierstück draus komponieren), aber spätestens beim Versuch, es aufzuschreiben, stieß ich an meine Grenzen.

Isoliert betrachtet spiele ich C-Dur7, A-Dur7, Fis-Dur7 und Es-Dur7. Ich habe es dann aufgeschrieben und in der ersten Version gab es in jedem Takt neue Vorzeichen (erst ein b, dann ein #, dann noch zwei # dazu und im letzten Takt dann einige Auflöser und b's. Ich spiele es immer so, dass der Letzte gespielte Ton in den nächsten Takt hinübergeht ... und bei "normaler" Notation waren diese Überbindungen kompliziert.

Ich habe mir das dann angesehen, und bin zu einer Notation gelangt, die zwar nur wenig Versetzungszeichen braucht und die Überbindungen ermöglicht, dafür aber einige der Akkorde leicht verschleiert (ich verwende im Folgenden deutsche Tonbenennungen, b != h).

C-Dur7 steht da als C, e, g, b, (c), e.
Der Zweite Akkord (eigentlich A-Dur7) hat dann ein Des, statt eines Cis (Des, e, g, a, des).
Fis-Dur7 wird als Ges-Dur7 notiert (und ist dadurch wenigstens sofort erkennbar), die Septime ist dann aber eben kein fes, sondern ein e.
Beim Es-Dur7 am Ende passt dafür wieder alles.

Ich verwende insgesamt vier b, aber es sind eben nicht die vier b aus As-Dur sondern des, es, ges und b, wobei das ges und das es je nur ein mal (in einem Takt) gebraucht werden.

Es entfaltet als Loop aber genau die Wirkung, die ich haben wollte, und durch das "e-c" in der Melodie des ersten Taktes und das "es-des" in der Melodie des letzten Taktes (je letzte 2 Achtel) gibt es sogar fast so etwas wie eine Auflösung (die den Hörer allerdings mit einem Fragezeichen zurücklässt ... genau um dieses geht es mir).

Es klingt nicht nach dem Ergebnis einer Improvisation ... und tatsächlich war die Improvisation über die Dominantseptakkorde auf den Tönen von "C0" lediglich der Ausgangspunkt. Die mich so bezaubernde Melodie entsteht erst durch das Anschlagsmuster nebst Überbindungen, sowie die Entscheidung, mit der Begleitung innerhalb einer Oktave zu bleiben.
Anfangs spielte ich das mit Pedal auf der "1" ... in den Noten steht nun fett "OHNE Pedal!!!" ... das war eine bewusste Entscheidung, aber auch die fiel bei der Improvisation über diese Akkordfolge und ist der Elaboration einer in Akkorden und Anschlagsmustern bereits vorhandenen Melodie geschuldet. Durch den Pedaleinsatz wird die nämlich leicht verwaschen.
 
denk´ viel einfacher und überleg´ noch mal, was die ersten fünf Beispiele verbindet.
Du hast sie in einem Beitrag gemeinsam genannt ... weiter bin ich leider noch nicht.

Ich habe die Beispiele mit Ausnahme von Chopins Regentropfen aber auch leider nicht im Ohr (von den Noten ganz zu schweigen).
In dem Beispiel fallen mir zunächst nur die (für mich) relativ langweiligen Wechsel zwischen Dur und Moll auf.
Daher fragte ich, ob du das gemeint hast.
Ich hatte auch kurz an das G-Dur in der Mondscheinsonate (1. und 3. Satz) gedacht ... aber das ist als verselbstständigter Neapolitaner der Subdominante fis-Moll dann wohl auch schon zu weit.
ist das ein einfacher, unkomplizierter Tipp zum einsteigen ins improvisieren?
Nein. Das ist nur ein winziges Stück Musik, welches sich aus einer Improvisation entwickelt hat ... nicht mehr und nicht weniger.
War deine Analyseaufgabe etwa als leichter Einstieg gedacht?
 
Ich denke, man sollte sich bei Improvisationen ruhig mal in Modulationen üben - aber bittschön ned so wie @DerOlf meinte, sondern eher Anfangs über Dominantseptakkort, später dann über moll Paralelen usw.

Man kann es ja mal an Hand des Beispieles von C nach Fis Dur probieren - da gibt es unheimlich viel Varianten um harmonisch dort hinzukommen.
 
Die Haltung von Suzuki dazu ist sehr erhellend:
Musik erlernen ist ähnlich wie eine Sprache erlernen.
Zu Beginn brabbelt man: dadada, Mammaammama, Bababa usw.
Das trainiert die Sprechmuskulatur und das Gehör.
Das Verständnis ist null. Es ist ein Spiel.
Irgendwann folgen kleine 2-Wort-Sätze.
Wenn man 6 Jahre alt wird kommen die ersten Buchstaben (noch keine Artikel lesen in der Frankfurter!)
Kindgerechte Mini-Sätze.
usw.

Aber in der Musikausbildung ist das Allererste vor allem anderen meistens die Noten!

Das habe ich bei mir im Unterricht geändert. Bei mir wird erst einmal herum gespielt, nach Gehör, nach Lust und Laune. Auch bei Erwachsenen. Das zahlt sich später aus!
Und Eltern, die ihre Kinder am "Klimpern" hindern, machen keinen guten Job!!
 
@rolf s Enigma... geht es um Improvisation eines monorhythmischen Chorals? das stach mir bei der von Dir zitierten Mondlichtstelle in op. 106 so ins Auge.

(Und ich weiß endlich, an was mich die kleine Mondlichtstelle in Brahms' op. 5, 1. Satz, auf der zweiten Seite, immer erinnerte. Danke dafür! :-))
 
Zuletzt bearbeitet:
geht es um Improvisation eines monorhythmischen Chorals?
...gütiger Himmel... das ist viel zu kompliziert gedacht!!!

Nochmal:
was haben diese fünf Stücke / Abschnitte
Chopin: (1) Regentropfenprelude
Beethoven: (2) Arietta aus op.111
Brahms: (3) Rhapsodie op.79 Nr.2 ab Takt 20/21
Beethoven: (4) Waldsteinsonate Finale (Hauptthema mit langem Triller) (5) Hammerklaviersonate 1.Satz Seitenthema Takt 99-110
miteinander gemeinsam?
 
Ich weiß es, ich weiß es... :chr01:
 

Ich gebe aber einen Tipp: Ravels 'Le Gibet' und Schuberts 'Zügenglöcklein' ergänzen die Liste von @rolf und sind vielleicht noch offensichtlicher...
 
Hovhaness' Toccata (fis-Moll) auch?

(...will auch mal angeben :008:)
 
"Ich will nicht analysieren, sondern improvisieren", sagt ein Tölpel und ein anderer sagt "Ich will über den Fluss, wozu soll ich gehen lernen?". Dem könnte man sagen: "Weil da eine Brücke ist, schau?"

Was sagt ihr ersterem Tölpel? Müsst ihr nicht zugeben, dass es für die "Stop thinking and play"-Strategie reicht zu verinnerlichen, welche Bewegungen im Quintenzirkel häufig sind und welche fürs erste vermieden werden sollten? Wie klingt der Sprung zur D oder D7, zur S oder S7 oder S6, zur Tp etc., wobei man zunächst nur den aktuellen, maximal den letzten Griff als T bzw. t nimmt, man will ja keine verschwurbelten Kadenzen konstruieren sondern als Anfänger drauflosklimpern.
 
Isoliert betrachtet spiele ich C-Dur7, A-Dur7, Fis-Dur7 und Es-Dur7. Ich habe es dann aufgeschrieben und in der ersten Version gab es in jedem Takt neue Vorzeichen (erst ein b, dann ein #, dann noch zwei # dazu und im letzten Takt dann einige Auflöser und b's. Ich spiele es immer so, dass der Letzte gespielte Ton in den nächsten Takt hinübergeht ... und bei "normaler" Notation waren diese Überbindungen kompliziert.
Das ist gar nicht mal so dumm.
Und eigentlich nicht schwierig. Im Jazz seit Coltrane allgemeinplätzig und in der sog. Klassik noch oller.
Kleinterzzirkel.
Man kann das denken als einen C7 Akkord mit allen möglichen Alterationen.
Du kannst dir auch eine Halbton/Ganztonskala draufschaffen und etliche Akkorde draus basteln. Klingt immer super. Die jeweilige Notation, ob # oder b oder alles doppelt: ist in der Praxis wumpe.
 
Die jeweilige Notation, ob # oder b oder alles doppelt: ist in der Praxis wumpe.
In der improvisierenden Spielpraxis sind sogar die Akkordbenennungen wumpe ... man spielt es einfach, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie sich der Kram entsprechend der Konventionen verschriftlichen lässt.
Man spielt es nicht, weil es theoretisch richtig ist, sondern weil es sich praktisch richtig anhört.

Genau darum ging es mir bei dem Beispiel.
Eine Akkordfolge wie "C - a - F - G" kommt einem bei passender Melodik auch dann sinnvoll vor, wenn man nicht weiß, dass das eine Folge von "T, Tp, S und D in C-Dur" ist ... es reicht, dass einen diese Folge zum Beispiel an "If I had a Hammer" erinnert ... oder an einen der drölfzigtausend anderen Songs, die diesen Ablauf verwenden. Sogar die Tonart, in der das steht, ist ziemlich egal ... denn "Fis - dis - H - Cis" klingt nicht groß anders (auch darüber kann man den Text von "if I had a Hammer" bringen und bekommt allenfalls Probleme mit dem Tonumfang der eigenen Stimme) - Harmonisch ist es "das Selbe in Grün".
Das zu wissen, ist aber fürs Spielen erstmal nicht wichtig.
 
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...wenn das alle Improvisations-Anfänger längst drauf haben, also im Kopf und auf den Tasten, egal von welchem Grundton aus, dann ist doch alles in Butter! Dann braucht auch niemand befürchten, dass das zusammenspielen beider Hände irgendwie aus dem Ruder läuft.
Super.
(das hab´ ich gerade gelernt) "ey nimmste Popkadenz und Kleinterzzirkel, voll cool, damit geht's ab, hau rein, du hast es drauf"
(bevor ich das lernen durfte, hätte ich anders geantwortet, aber das ist Schnee von gestern)
 
Du kannst noch eine ganze Menge mehr einfach nutzen, zu dem ich auch meist nur denken kann "gähn".
Zum Beispiel Quintfallsequenzen (II-V-I ad infinitum) oder den berüchtigten Großterzzirkel (zu hören in Griegs Morgenlatte ... ääääh sorry, Morgenstimmung).
Wenn einem langweilig ist, kann man auch mal ganz jazzy die sixt ajuté in den Bass packen. Schon wird aus der klassischen "T-S6-D7-T"-Kadenz eine Jazzkadenz (T-Sp7-D7-T). Noch überall Septimen und Nonen rein, und am Ende nochmal mit dem Vorzeichenstreuer drüber, dann ist der jazzer begeistert ... auch wenn das eigentlich auch ein Schimpanse hätte zu Wege bringen können (ja, das war Sarkasmus).

Wenn man es weiß, kann man es bewusst einsetzen ... aber eigentlich reicht ein geübtes Gehör, welches bereits Gehörtes in gerade Gespieltem wiedererkennt.
Das "geübte Gehör" hier nicht als Ergebnis akademischer Gehörbildung, sondern lediglich als das Ergebnis jahrelanger Musikhör- und -spielerfahrung.

Die ganzen Experten sind wahrscheinlich nur angepisst, dass andere "belangloses Zeug" als "Improvisation" ins Netz stellen und das am Ende wohlmöglich noch mehr Klicks zieht, als ihre ausgefeiltesten Kompositionsversuche je generieren werden.
 

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