Was tun, wenn die „Chemie“ nicht stimmt zwischen KL und Schüler?

Hatte ich schlechte Noten oder ein schlechtes Zeugnis habe ich mich stundenlang nicht nach Hause getraut aus Angst vor Vorwürfen und Schlägen.

Hallo René,

plötzlich kann ich dich verstehen.
Bei mir war es keine schlagende, sondern eine stundenlang heulende Mutter.
Prügel hätte ich als Junge grinsend wegstecken können.
Insofern war ihre Bestrafung genau so sadistisch, perfide und treffend ausgewählt.
Schlimm ist das Gefühl der totalen Machtlosigkeit und Ausgeliefertheit als Kind gegenüber solchen Sanktionen.

Um nichts in der Welt möchte meine klaustrophobe Schulzeit wiederholen müssen.
Schul-Albträume gehören nach 40 Jahren zu meinem Alltag.

Möglicherweise ist das auch einer der Gründe, warum ich mich erst sehr spät durchgedrungenen habe, Musik-Unterricht zu nehmen.
Obwohl ich schon mit 16 Jahren begann, Musik zu machen, hatte ich die Befürchtung, mich vor einem Profi mit meinen Fehlern lächerlich zu machen.

Insofern ist die Chemie, also das Gefühl zu haben, dass der Lehrer meine Persönlichkeit akzeptiert, extrem wichtig.

Lieber Gruß, NewOldie
 
hatte ich die Befürchtung, mich vor einem Profi mit meinen Fehlern lächerlich zu machen.

Das ist der Grund, warum ich beim Lehrer nicht richtig vorspielen kann. Das letzte Mal bat ich sie, woanders hinzugehen, nicht neben mir zu sitzen. Ich spielte zwar, sah sie trotzdem vor meinem Auge, war also wieder nicht konzentriert genug. Sie tröstete mich: " Das ist normal. Wenn ich erstmal anfange, Ihnen meine Vorspielodyssee zu erzählen ...." Letzenendes hat sie es aber doch geschafft, aber eben auch von Kind angefangen.

Nun weißt Du, hasenbein, warum einige so viel Geld zahlen jeden Monat, nämlich nicht weil sie zu doof sind und nicht hören können, sondern weil sie ihre Psyche in die Reihe bekommen müssen. Beim Klaviervorspielen und Lernen kann man nämlich nicht schummeln, nichts runterschlucken, nichts verdrängen. Da kommt der ganze Müll zum Tragen. Nur erzählt man das dem Lehrer in der Regel nicht, eben weil man ja nicht beim Psychologen ist. Aber unterschwellig kannst Du Dir daraus Deine Fragen beantworten.

Das, was man hier zu lesen bekommt, sind ja nur Tröpchen ...

Kulimanauke
 
hatte ich die Befürchtung, mich vor einem Profi mit meinen Fehlern lächerlich zu machen.

Und genau diese Furcht vor Fehlern – so unsinnig sie als Lernender dieser komplizierten manuellen Herausforderung auf dem Pianoforte auch sein mag – verursacht das Unwohlsein im Unterricht. Und das obwohl wir genau wissen, dass die KL schon die schlimmen Töne von Anfängern gehört haben.

Insofern ist die Chemie, also das Gefühl zu haben, dass der Lehrer meine Persönlichkeit akzeptiert, extrem wichtig.

Dass die Chemie etwas damit zu tun hat, dass der Lehrer meine Persönlichkeit akzeptiert, habe ich noch gar nicht in Betracht gezogen.
 
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Dass die Chemie etwas damit zu tun hat, dass der Lehrer meine Persönlichkeit akzeptiert, habe ich noch gar nicht in Betracht gezogen. Insofern stimmt die Chemie bei meinem KL, denn er wirkt auf meine Persönlichkeit positiv ein, z.B. auf meine Ungeduld und meinen Hang zum überzogenen Selbsttadel. Wenn ich bei ihm am Flügel sitze dann fühlt es sich an, als würde er mich „entschleunigen“.

Hi Marlene,
mein erster Lehrer, bei dem ich noch dachte. dass gehöre zur Klavierdidaktik alter Schule, stellte oft "Warum-Fragen!:

- Warum spielen Sie nicht, was auf dem Blatt steht?
- Warum spielen Sie nicht so, wie ich es vorgespielt habe?
- Warum werden Sie jetzt langsamer?

mein dritter Lehrer akzeptierte meine Fehler oder fand sie sogar "interessant" und sagte:
"Oh! da taucht ein Problem auf, das werden wir gleich mal lösen."

Meine Fehler sind in dem Moment des Geschehens ein Teil meiner Persönlichkeit.
Wen ich mich dafür (gefühlt) rechtfertigen muss, selbst wenn es vom Lehrer nur ungeschickt formuliert war, stimmt die Chemie nicht.
Den Begriff Chemie verstehe ich wortwörtlich und sehe darin das Ausschütten vom Botenstoffen in meinem Gehirn, die im mir einen angenehmen oder unangenehmen Lern-Zustand hervorrufen.

Das ist kein absolutes Problem; es mag Menschen geben, die durch Warum-Fragen motiviert werden.
Hier stimmt, dann die Chemie.
Schlechte Chemie bedeutet nicht zwangsläufig: schlechter Lehrer.
Als alleiniges Urteil über die Qualität des Unterrichts sagt es leider wenig.
Dazu gehört auch immer Glück.:p


Lieber Gruß, NewOldie
 
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Ich bin sehr gespannt wie das beim nächsten Mal klappt und hoffe, dass ich die vier kleinen Fünftonraumlieder nicht mehr so diletantisch spielen werde wie das erste, welches ich vorige Woche vermurkst habe. So vermurkst, dass es gar nicht erst dazu gekommen ist das zweite zu spielen. Da kam ich mir dann wirklich ziemlich blöd vor.
 
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Hallo,

meine erste Klavierlehrerin war eine Russin, die frisch aus der Sowjetunion kam, und nach deiner Schilderung war sie genauso wie deine KL. Das erste Wort was sie in Deutsch gelernt hatte war "auswendig". Ja, es war sehr schwierig und anstrengend mit ihr, weil sie so streng war. Aber ich hatte damals sooo viel gelernt, davon zehre ich heute noch !! Ich hatte anschließend noch einen KL, bei Weitem viel lockerer, aber ich hatte eben auch nicht so viel gelernt.

Heute würde ich soo gerne meine alte KL'in wieder zurücknehmen! Ich werde sie vielleicht wieder ausfindig machen... von ihr kann ich richtig was lernen !! Habe es soo bereut, dass ich in der Jugend bei ihr aufgehört hatte.

vlg
 
Ein Plädoyer für Fehler :)

Ich möchte mich mal allen Ernstes bedanken, dass es "Fehler" gibt! :p


- sie zeigen mir, ob/wenn ich etwas noch nicht richtig verstanden habe.

- sie weisen mir den Weg, denn sie zeigen mir, wie es nicht geht

- sie können mich zu Höchstleistungen anspornen, denn mit "Versuch und Irrtum", mit dem Ausprobieren von möglichen Lösungen können mögliche Ursachen, die zu dem Fehler geführt haben, erkannt und behoben werden.

- durch sie lerne ich!


Heute habe ich eine schöne Kritik zu Rubinstein gelesen. Er sei der Pianist gewesen, der ohne "wenn" und "aber" spielte........ .

Und zum Schluss noch eine kleine Anekdote:


„Der Cellist Gregor Piatigorsky über sein erstes Zusammentreffen mit Casals: "Er forderte mich auf, mit Rudolf Serkin eine Beethovensonate zu spielen. Wir waren aufgeregt und pfuschten, und Casals rief immer wieder 'Wundervoll!' und 'Großartig!' Am Schluß umarmte er mich, und ich grübelte tagelang, warum er, der doch jeden Fehler gehört haben mußte, so begeistert tat. Einige Jahre später traf ich ihn in Paris wieder. Da faßte ich mir ein Herz und gestand ihm meinen Zweifel an der Aufrichtigkeit seines Lobes. Casals griff zu seinem Instrument und spielte einige Takte aus jener Sonate. 'Haben Sie diese Stelle nicht mit jenem Fingersatz gespielt? Und das hier: Mit Aufstrich, nicht wahr?' Ich bejahte. 'Sehen Sie', sprach Casals. 'Das war wunderbar, und ich bin Ihnen heute noch dankbar dafür. Die Fehler zu zählen, können Sie den Dummen überlassen.'" (Diese Geschichte sagt das Wichtigste aus, was zum Thema "Motivation" zu sagen ist: Das Gute, das Gelungene, die Erfolge zu bemerken, anzuerkennen, das lässt den anderen mit Freude weiterarbeiten und nicht unsicher werden.)“


Liebe Grüße

chiarina
 

Wunderbar, das ist prima Munition für die Schüler gegen die Klavierlehrer.:D


:p - lieber Moderato, wenn du wüsstest, welch predigumverständnisblablas ich schon auf meine Schüler losgelassen habe, damit sie endlich lernen, dass es darauf ankommt, schön etc. zu spielen..................! :p Und dass man Fehler willkommen heißen soll, wenn sie passieren, denn sie zeigen, dass man vielleicht nicht achtsam genug war, etwas noch nicht kann ..... s.o. .

Üben kann doch nur so funktionieren: ich spiele etwas, höre hin und mir gefällt etwas nicht. Ich nenne es nur nicht Fehler, weil das eine völlig überflüssige und in der Regel negative Bewertung ist, die nichts bringt. Ich nehme nur ganz offen wahr, was ist und was ich gern noch verändern möchte, erfinde Problemlösungsstrategien und freu mich, wenn's dann schöner klingt.

Profis denken nicht in "Fehlern".

Liebe Grüße

chiarina
 
Richtig, Schmickus - selbstverständlich passieren auch Profis Dinge (oder sie nehmen sie bei anderen wahr), die sie ohne Wenn und Aber einfach als Fehler einordnen, peng, aus.

Dieses Herumlavieren um den Fehlerbegriff existiert doch nur, weil zu viele Menschen ihr Selbstwertgefühl in Zusammenhang mit Fehlern bringen! (Ich habe einen Fehler gemacht, also fühle ich mich als Mensch unzulänglicher.)

Diese unsinnigen Denkweisen abzuschaffen gilt es, nicht aber pseudopädagogisch-neusprechartig den Fehler nicht Fehler zu nennen.

LG,
Hasenbein
 
Liszt hat mal gesagt, sinngemäss: Ich mache keine Fehler, ich spiele nur anders weiter.
 
Ich nenne es nur nicht Fehler, weil das eine völlig überflüssige und in der Regel negative Bewertung ist, die nichts bringt. (...) Ich kriege nämlich bei diesem Wort langsam eine Vollkrise

Ich muß gestehen, das gefällt mir... vielleicht könnte man von "suboptimalem Spiel" sprechen, solange irgendwas am Stück noch nicht paßt? Die Arbeit an der Verbesserung wäre dann der Weg zu einem "optimalen" Spiel...?

Ich spreche hier allerdings nur für mich - wie es andere handhaben möchten, darin habe ich keine Aktien...

Schönen Gruß
Dreiklang
 
Alles Käse; wollt Ihr wirklich wie diese dämlichen Politiker sein, die das Arbeitsamt in "Jobcenter" umbenennen, damit das irgendwie moderner und "kundenfreundlicher" klingt?

LG,
Hasenbein
 

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