Was sind musikalische Erlebnisse wert?

Ich glaube, die haben sich einfach gar keine Gedanken darüber gemacht.

Das glaube ich auch. Und wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich bis vor meinem Wiedereinstieg im Klavier trotz großen Interesses für klassische Musik auch nicht im Ansatz ahnte, wie anspruchsvoll oft die Klavierparts in der Kammermusik sind.

Auch übrigens: Das Projekt-Kammerorchester, das ich gestern hörte, war mit seinen Spendeneinnahmen sehr zufrieden. Ich fand es - nach einem Überschlag, wie viele Besucher es gewesen sein könnten - immer noch zu wenig. (Circa 6 Euro pro Besucher. Ein paar Kinder haben allerdings auch zugehört.)
 
Ich habe auch mal von einem Kollegen eine Schülerin vermittelt bekommen: Tochter aus sehr reichem Haus, Vater ist der größte Händler in D in seiner Branche mit 16 Filialen und das Kind sehr faul. (Hat mir der Kollege schon gesagt und das war auch der Grund, warum er sie abgeben wollte)

Erste Stunde: Eltern waren nicht da
2. Stunde: Eltern waren nicht da
3. Stunde: Mutter war da. „Was kriegen Sie denn?“ Da ich ein wenig weiter fahren musste (als Student hätte ich den Job gemacht, aber nur für den doppelten Preis meines Vorgängers), wollte ich pokern.
4. Stunde: Gab es nicht mehr, da sich die Herrschaften den Unterricht bei mir anscheinend nicht leisten konnten :-)

Aus Sicht eines "Normalos" scheint es ja so, dass Reiche (oder gar Stinkreiche) so drauf sein müssten: "Vielen Dank, Eure Darbietung hat mir sehr gut gefallen, hier habt Ihr nicht nur die vereinbarte Gage, sondern ich leg mal einfach noch kräftig was drauf."
Zumal wenn es ein besonderer Anlass ist, z.B. Auftritt bei deren Geburtstag oder Jubiläum.
Denn für die ist das ja quasi, was für unsereiner "aus der Portokasse" ist.

Tatsache ist aber, dass dies fast immer NICHT so ist. Sondern deren Verhalten und Zahlungsbereitschaft unterscheidet sich nicht von Mäßig-Verdienern.

Zwei Beispiele aus dem Nähkästchen: Ein Unternehmenschef - sehr netter Typ - hat uns schon 3x zu seiner Sommerparty engagiert. Immer für erstmal 5 Stunden, 100 Euro pro Mann und Stunde. Verlängerung aber, so war seine Bedingung stets am Telefon, nur 60 Euro pro Mann und Stunde. (Wir haben da immer 9-10 Stunden gespielt.)

Er war jedesmal völlig begeistert von uns, und auf der Party gab's nur das Feinste vom Feinsten, und der Schampus floss in Strömen. Für uns "Normalos" würde das heißen, dass man natürlich auf diese bescheuerte Einschränkung auf nur noch 60 Euro ab der 6. Stunde verzichtet und 100 Euro durchbezahlt, eventuell wegen Begeisterung noch ein schönes Trinkgeld obendrauf.

Aber nein, so sind diese Reichen nicht. Da wird alles sorgfältigst abgezählt.

Und dann war da noch die Millionärsgattin (Mann Inhaber eines sehr bekannten Unternehmens, von dem viele von Euch auch Produkte besitzen), die bei mir Klavierstunden genommen hat. Wirklich nette Person. Wollte meinen Preis wissen, ich nannte ihn (meinen üblichen günstigen Preis!!), und daraufhin kam: "Ja... (zöger)... OK, das nehmen Ihre Kollegen ja wahrscheinlich auch mindestens, ne?"

Reich wirst Du nur, wenn Du Geben vermeidest und NIMMST, NIMMST, NIMMST.

Weil die Reichen aber oft innendrin merken, was sie für Arschlöcher sind, gründen sie zur Gewissensberuhigung so Pseudo-Organisationen wie Stiftungen, mit denen sie sich ganz ostentativ als "wohltätig" gerieren. Dass das oft nur Steuersparmodelle sind bzw. das Ganze genutzt wird, um sehr teure "Charity-Events" mit großer Fresserei und Sauferei zu veranstalten (bei denen dann z.B. niedrigbezahlte Musiker spielen, denn "es ist ja ein Charity-Event"...), wird dabei natürlich nicht erwähnt.

Ein tatsächlich wohltätiger Reicher, so es ihn denn gäbe, würde einfach die Leute, die für ihn arbeiten oder mit denen er zu tun hat, großzügig entlohnen.
 
Das ist die traurige Einstellung, die viele Künstler ins Prekariat getrieben hat und treibt.
Das betrifft aber jegliche Art der Selbstständigkeit. Das gehört dazu, wenn man in einen Markt einsteigen will und es ist auch klar, dass das nicht jeder schafft. Was glaubst Du, wie es in den ersten Jahren im Handwerk aussieht?
Es gibt ne Faustregel: Nach 5 Jahren* sollte man anfangen, Gewinn zu machen, sonst muss man sein Konzept überdenken.

* Bei z.B. KfZ-Schlossern sieht das wegen der enormen Investitionen noch mal ganz anders aus. Man verspekuliert schnell seine gesamte Existenz.
 
Arbeitet ihr dann fünf Jahre lang umsonst, bis ihr euch einen guten Ruf aufgebaut habt?
 
Arbeitet ihr dann fünf Jahre lang umsonst, bis ihr euch einen guten Ruf aufgebaut habt?

Ich habe nicht geschrieben, dass man umsonst arbeitet. Man macht halt eine Mischrechnung und wurstelt sich durch (mal unterdurch, mal mit kleinem gewinn). Jeder Start-up Unternehmer und auch Künstler machen diese Phase durch ….. ausser man hat viel Glück mit dem Produkt oder ausserordentlichen Talent.

So wie Mick schreibt mal 1000 Euro pro Abend, mal halt nur 100 dafür viele gute Kontakte.
 
Ja, das stimmt wohl. Aber diese Einstellung brauchen die Künstler - nicht Diejenigen, die sie engagieren.
Von "guten Kontakten" und "Auftrittsmöglichkeiten" allein kann man nicht satt werden.
 
Ja sicher, aber mit hundert Euro pro Abend wird man wohl nicht verhungern:-) Abgesehen davon, weisst du was ein Profimusiker in einem guten Orchester verdient?..... soviel ich weiss sind es ca. 2'500-3'000 Euro pro Monat.
 
Arbeitet ihr dann fünf Jahre lang umsonst, bis ihr euch einen guten Ruf aufgebaut habt?
Da gibt es unterschiedlichste Ansätze und Konzepte und Du praktizierst das ja selbst schon seit geraumer Zeit. Nimm als Beispiel Deine CD. Ich glaube nicht, dass die nennenswerten Gewinn einfährt, von dem Du irgend wie leben könntest (korrigiere mich). Aber "umsonst" ist sie nicht.

Überall gilt halt die alte, viel zu überstrapazierte aber dennoch nicht von allen kapierte Regel, dass man Früchte erst ernten kann, wenn die Saat aufgeht. Als Neueinsteiger hat man gerade mal das Saatgut. Dann muss man arbeiten und man muss Glück mit dem Wetter haben. Kann gut aber auch schief gehen.
 
Es gibt ne Faustregel: Nach 5 Jahren* sollte man anfangen, Gewinn zu machen, sonst muss man sein Konzept überdenken

Wenn man als Musiker überhaupt anfängt, für Auftritte Geld zu bekommen (von Gewinn braucht man da noch gar nicht zu reden), hat man üblicherweise nicht 5 Jahre hinter sich, in denen man nur Verlust gemacht hat, sondern mindestens 10, meistens sogar mehr.
 
Ja sicher, aber mit hundert Euro pro Abend wird man wohl nicht verhungern:-) Abgesehen davon, weisst du was ein Profimusiker in einem guten Orchester verdient?..... soviel ich weiss sind es ca. 2'500-3'000 Euro pro Monat.

Es ist erheblich mehr. Aber man sollte nicht außer Acht lassen, dass man in ein gutes Orchester (A oder besser) nur hineinkommt, wenn man weit überdurchschnittlich gut ist. Das ist vergleichbar mit Spitzenkräften in anderen Bereichen.
 

Es ist erheblich mehr. Aber man sollte nicht außer Acht lassen, dass man in ein gutes Orchester (A oder besser) nur hineinkommt, wenn man weit überdurchschnittlich gut ist. Das ist vergleichbar mit Spitzenkräften in anderen Bereichen.
Und vor allem kann man sich da nicht hineinmogeln, indem man labert und blendet wie so manche Männer, und auch mit Frauenbonus oder den üblichen Frauentricks kommt man nicht weit. Sondern man muss einfach tatsächlich richtig was können.
Und für tatsächlich in seltenem Ausmaß hochqualifizierte Arbeit ist es gerechtfertigt, dementsprechend viel zu verdienen, völlig klar.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ab wann rechnest Du diese 5 bzw. 10 Jahre?

Ab dem Zeitpunkt, an dem man zielgerichtet an einer Musikerkarriere arbeitet, d.h. mehrere Stunden pro Tag übt und hoch qualifizierten Unterricht nimmt. Wenn man vom Konzerte spielen leben will (ohne zu unterrichten), wird man spätestens mit 12 Jahren sehr ernsthaft einsteigen müssen, meist sogar schon früher.
 
Deshalb sollte die erste Investition eines jeden Künstlers ein Hungertuch sein.
Zur Not tut´s auch ein Hut. :-)
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Ab dem Zeitpunkt, an dem man zielgerichtet an einer Musikerkarriere arbeitet, d.h. mehrere Stunden pro Tag übt und hoch qualifizierten Unterricht nimmt. Wenn man vom Konzerte spielen leben will (ohne zu unterrichten), wird man spätestens mit 12 Jahren sehr ernsthaft einsteigen müssen, meist sogar schon früher.
Ok, dann verstehe ich, wie Du auf die von Dir genannten Zahlen kommst. Danke für die Erläuterung.

Aber es ist ja nun auch nicht so, dass andere hoch qualifizierte Berufe nicht auch eine nennenswerte Vorlaufzeit bis zum Break even hätten. Wenn ich überlege, was ich in der Zeit von 16 bis 26 in einem Ausbildungsberuf hätte verdienen können (und was meine Eltern gespart hätten), wenn ich mich nicht mit Abitur und Studium (unterbrochen von zwei Jahren Zivildienst) beschäftigt hätte ...

Wobei ich mir nicht anmaße, meine Aufwände mit denen gleichzusetzen, die für eine Musiker-Karriere nötig sind. Dazu fehlt mir jegliche Qualifikation.
 
Moin!

Ich spiele in einer Big Band und wir versuchen jetzt mal, mehr Gigs an Land zu ziehen.

Ein sehr aktives Mitglied hat weit über 100 Veranstalter gefragt. Weit über 90% würden uns nicht mal für lau spielen lassen, weil uns keiner kennt. (Aus der Abteilung "sollen wir vielleicht noch ein bisschen Geld mitbringen?")

Grüße
Häretiker
 
Irgendeine Art von Reaktion, auch eine Absage, kann schon als Erfolg gewertet werden.
 

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