warum gefällt manchen Leuten.....

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kreisleriana

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warum gefallen manchen Leuten hässliche Interpretationen ?

Was noch interessanter ist, warum spielen eigentlich begnadete ( und entsprechend berühmte) Pianisten manche Werke hässlich, ja unmusikalisch, völlig gegen den natürlichen musikalischen Strich? :denken:

Bsp.:
Manche Leute schwärmen allen ernstes für Goulds WTK "Version", obwohl sogar ein Tauber diese Art der Verunstaltung sehr vieler Präludien unerträglich finden müsste ( spätestens nach dem 2.Takt des C Dur Präludiums muss man da eigentlich schon den erlösenden Stopp Knopf drücken)

Viele Musikbegeisterte schwärmen für Afanassiews Schumann CD mit der Kreisleriana, obwohl schon alleine durch die Art der Verunstaltung der herrlichen zweiten Variation die Aufnahme als unzumutbar einzustufen geeignet wäre.

Warum spielte die berühmte Bach Interpretin Tureck manche der Goldbergvariationen einfach abgrund-hässlich, ohne jedes geringste Gespür für die subtilen dynamischen Möglichkeiten eines Flügels, aber auch viel zu derb für ein graziles Cembalo ? (während sie andere z.B Nr 17 genial interpretierte) ?

Gut, über Goulds autistischen Zugang zu vielen Werken mag man als "pathologisch "hinwegsehen, aber nicht so selten passieren auch psychisch "normalen" Pianisten (eben zB Tureck) verstörende Interpretationen, werk-widerstrebende Willkürlichkeiten in Artikulation und Agogik,von völlig überzogener Tempowahl ganz zu schweigen.
Während große Pianisten-Kollegen nicht zögern, ihre Kollegen dann vernichtend zu kritisieren, fällt es zumindest mir schwer zu verstehen, wie jemand der 100x bessere musikalische und pianistische Fähigkeiten als ich besitzt, plötzlich interpretatorisch so völlig daneben liegt. :denken:
 
Ich habe ehrlich gesagt bereits ein Problem mit der Prämisse, dass es quasi eine allgemeingültige Metrik geben soll, was eine "gute" und was eine "schlechte" Interpetation ist, was nun also noch mutig und neu und was nur noch verstümmelnd sei. Das ist, wie so verdammt vieles im Leben und erst recht in der Kunst, Ansichtssache.

Insofern ist deine Frage doch eigentlich eine andere:

"Wieso gefallen dem einen Menschen Dinge, die dem anderen deutlich missfallen?"

Und wenn wir die allgemeingültig beantwortet haben, kümmern wir uns um den restlichen Kleinkram, wie zum Beispiel, warum es immer dann regnet, wenn ich meinen Schirm zu Hause vergessen habe, oder wieso die Schwerkraft gerade so eingerichtet ist, dass das Marmeladenbrot immer mit dem Belag nach unten auf dem Boden landet. :-D
 
ja schon, aber wie man eine berührende Kantilene so in etwa spielen sollte, müsste doch für jeden Musiker, noch dazu einem Berufsmusiker, auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sein, oder?

Wenn dann Meister-Pianist XY daherkommt und bei dieser Kantilene plötzlich mit beinharten Fingern in die Klaviatur drischt, dass sich der Elfenbeinbelag beinahe ablöst , frage ich mich schon, was da los ist.

Oder wenn ein anderer ein Allegro mit der 1/8 auf MM 40 wiedergibt, der andere ein Adagio mit MM 160....

Weils halt noch kein anderer so verrückt gemacht hat und man um jeden Preis originell sein möchte, das Publikum für so dumm hält, dass es Mittelstimmen in normalem Allegro nicht hört und der musikalische Fluß dann eben geopfert werden muss, egal was der Komponist da hingekritzelt hat, oder was ?
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Kreisleriana,

Warum es unschöne Interpretationen historischer Pianisten immer noch auf dem Markt gibt, dafür gibt es sicherlich unterschiedliche Gründe. Bei sagenumworbenen Pianisten ist man sicherlich interessiert daran, "vollständigkeitshalber" auch misslungene Aufnahmen zu konservieren.

Sonst sehe ich das ähnlich wie kalessin. "Schöne" Musik wird von vielen als zu rein, zu puritanisch, zu abgehoben empfunden. Das Leben ist auch nicht immer nur schön. Man sucht dann in der Musik die Provokation, den Schmutz, das Widersprüchliche.(*)

Klassik ist da keine Ausnahme.

(*) Andere wollen sich durch die Musik von den alltäglichen Sorgen befreien und suchen das Reine. Die unterschiedlichen Bedürfnisse lassen sich schwer unter einen Hut bringen.
 
stimmt schon auch, trotzdem: es gibt ja auch lebende bekannte Pianisten (zuletzt so einen in Wien gesehen) die einfach ein Werk bis zur Unsinnigkeit verunstalten (obwohl sie ärgerlicherweise pianistisch in der Lage wären, es sehr gut zu spielen).

Dass das Leben nicht immer schön ist, haben ja gerade die großen Komponisten in ihren Werken herrlich künstlerisch bearbeitet (und meist sogar einen Lösungsvorschlag mitgeliefert) , und in diesen Werken oder Werk-Teilen soll das natürlich auch mit aller Deutlichkeit rausgearbeitet werden, in einer Kantilene (um beim Beispiel zu bleiben) war die kompositorische Intention aber sicher eine völlig andere.
 
Th.W. Adorno hat geschrieben: " Künstler sublimieren nicht." Das widerspricht dem gängigen Klischee, sollen doch Künstler nach allgemeiner Auffassug stets selbst aus einer Mördergrube ein Herz machen.
Allerdings denke ich, Theodor Wiesengrund hat recht. Gould war mit Sicherheit ein Genie. Und ein Neurotiker erster Ordnung und er musste dies gelegentlich akustisch kundtun. Mozart, den er nicht mochte, spielte er mit der Sensibilität einer Drahtwalzmaschine.
Die Plattenindustrie funktioniert zumindest teilweise in der Klassik so wie in der Popmusik: raus damit, gaudium pro plebe, je spektakulärer desto besser.
Allerdings sind mir Extremisten wie Gould allemal lieber als die selbstverliebten Schönspieler ( Lang Lang, Keith Jarrett ( der nicht immer)), von denen es nur so wimmelt.
Eine Frage stellt sich mir: wenn man schon mit den fragilen Begriffen von schön und unschön operieren soll: gibt es eine Ästhetik der Hässlichkeit ?
 
Allerdings sind mir Extremisten wie Gould allemal lieber als die selbstverliebten Schönspieler ( Lang Lang, Keith Jarrett ( der nicht immer)), von denen es nur so wimmelt.

Eine Frage stellt sich mir: wenn man schon mit den fragilen Begriffen von schön und unschön operieren soll: gibt es eine Ästhetik der Hässlichkeit ?

LangLang: selbstverliebt ja, "Schönspieler", weiß nicht, spielt oft sehr unschön und auf seine typische Art übertrieben, also habe ich keineswegs den Eindruck, dass es von "Schönspielern" wimmelt, sondern vielmehr von "Bravspielern", "Sauberspielern" und "Schnellspielern".( und da sind verrückte Exzentriker tatsächlich unterhaltsamer)

Ästhetik der Hässlichkeit hat uns die Malerei ja schon lange vor dem 20.Jh. überzeugend vorgeführt,, nur hat sie in einer Reproduktion der Mona Lisa eben nichts zu suchen.
 
Weils halt noch kein anderer so verrückt gemacht hat und man um jeden Preis originell sein möchte

Das könnte ein Schlüsselsatz in diesem Kontext sein. Sieht man doch immer wieder, in so vielen Bereichen. Ich befasse mich z.B. hobbymäßig mit Fotografie, kenne die Grundregeln für ansprechende Bildgestaltung usw. In vielen Fotoausstellungen berühmter zeitgenössischer Profifotografen hängen dann jedoch Bilder, die ich (wenn sie mir so "passiert" wären) ehrlich gesagt eher gelöscht hätte, geschweige denn sie der Öffentlichkeit präsentiert!

Ich frage mich dann (wie bei den angesprochenen musikalischen Interpretationen von Gould & Co.) immer wieder: bin ICH hier so banausenhaft (könnte ja durchaus sein) und erkenne die Genialität nicht? Oder werde ich hier gerade veräppelt? Oder was steckt sonst dahinter...
 
Allerdings sind mir Extremisten wie Gould allemal lieber als die selbstverliebten Schönspieler ( Lang Lang, Keith Jarrett ( der nicht immer)), von denen es nur so wimmelt.
Eine Frage stellt sich mir: wenn man schon mit den fragilen Begriffen von schön und unschön operieren soll: gibt es eine Ästhetik der Hässlichkeit ?

Es gibt nach meiner Auffassung schon eine Ästhetik der Hässlichkeit. In der Malerei wären das für mich z.B. Picassos kubistische Darstellungen von Frauen, die man ja nicht im klassischen Sinn als schön bezeichnen kann, die jedoch eine ganz eigene Anziehungskraft und Ästhetik besitzen. Auf die Musik übertragen wären das für mich z.B. eine Vielzahl von Dissonanzen oder ein Stück ohne festen Rhythmus, also Werke, die -wie es in einer Passage beim Kunstpfeifer von Loriot heißt- nicht so glatt ins Ohr gehen wie Peter Alexander;-) und sich somit den gängigen Hörgewohnheiten entziehen. Am Schönspieler Keith Jarrett kann ich mich übrigens aufgrund seines unfassbar schönen Tons insbesondere bei Balladen nicht satt hören. Wenn nur nicht immer seine Begleitgeräusche wären:cry2:.
 

warum gefallen manchen Leuten hässliche Interpretationen ?..................:denken:

Ich kenne Leute, die zB. die "Körperwelten" toll und künstlerisch wertvoll finden. Andere (auch ich) finden das einfach nur eklig und voyeuristisch.
Wer hat jetzt "recht"? siehst Du, was ich meine? Alles ist im Auge - oder Ohr - des Betrachters/Hörers. Was der eine gut empfindet, empfindet der andere als schlecht.
Deswegen gibt es eben auch Kastelruther Spatzen, DJ Ötzi, usw.usf.


Und sein stöhnen, grunzen, keuchen....Manchmal glaubt man ja, er würde in den letzten Wehen liegen;-). Das nimmt man aber notgedrungen in Kauf, einer der wirklich großen Pianisten für mich.

Er gebiert großartige Musik, sozusagen!
:-)
 
ja schon, aber wie man eine berührende Kantilene so in etwa spielen sollte, müsste doch für jeden Musiker, noch dazu einem Berufsmusiker, auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sein, oder?
Zum Glück ist das nicht so. Musik wäre nur noch halb so vielfältig.
Jeder Mensch (auch ein Profi) hört und empfindet Musik anders. Und zum Glück machen es die guten Pianisten so, wie es sich gehört: Sie interpretieren auf ihre eigene Weise.
 
Ja, da kann man sich auch manchmal bei Glenn Gould fragen .... ist sowas hässlich, Provokation, Können oder einfach eine Verarsch...

http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/...Woche-Gould-spielt-in-Zeitlupe/story/17360330

Gruss aus CH
Antoine

Nein sowas! Und zu allem Überfluss spielt er die E-Moll-Fuge nicht nur in Zeitlupe, sondern auch noch in E-Dur! Irgendwann ist die Grenze des guten Geschmacks einfach mal erreicht!

:-D:-D:-D

LG, Mick
 
Kreisleriana, es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber wie Du hier argumentierst, ist nichts anderes als das unsägliche "gesunde Volksempfinden" und eines gebildeten Menschen unwürdig.

Ungefähr auf dem Niveau von: "Sagt mal, warum klingt Jazz eigentlich immer so schräg und durcheinander? Können die Jazzmusiker nicht auch mal vernünftig spielen?"

Dass so etwas von Dir kommt, hätte ich echt nicht gedacht.

Du kannst doch nicht einfach Deine Vorstellungen, was "schön" sei, als allgemeingültig und selbstverständlich voraussetzen!

Von solchen Denkweisen hin zu dem, was Diktaturen in bezug auf Künstler gemacht haben, ist es nur ein sehr kleiner Schritt.

Also bitte nächstes Mal vorher nachdenken! Es sei Dir ja völlig unbenommen, bestimmte Interpretationen, Kunstwerke nicht zu mögen oder generell Kunst zu bevorzugen, die auf eine bestimmte, sehr offensichtliche und sehr konsensfähige Weise "schön" ist. Das ist aber zunächst mal DEIN Ding, und eine Bescheidenheit nach dem Motto: "Naja, vermutlich versteh' ich davon halt nix, deswegen gibt mir dieses Kunstwerk nichts - ich muss mich vielleicht mal näher damit beschäftigen" wäre angezeigt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Gerade bei Pianisten sollte man davon ausgehen, dass sie für neue Interpretationen oder Einspielungen offen sind. Ich finde Goulds Interpretation anders, und mir gefällt sie. Habe ich deswegen keinen Geschmack, oder keine Ahnung von Musik?
Warum Altbewährtes immer nur auf altbewährte Weise spielen?
Es gibt kein allgemeingültiges Regelwerk, wie bestimmte Musik zu spielen ist! Zum Glück.
Genau ist doch das schöne an - hier - Klaviermusik. Man kann sie immer wieder neu interpretieren, und sollte das auch.


Ich möchte aber die Gelegenheit ergreifen und mich an dieser Stelle im Namen meiner Generation und in aller Form für Modern Talking entschuldigen. Das konnte wirklich niemand vorhersehen und hat sicherlich niemand gewollt. :dizzy:

Die (Mainstream-)Musik damals war genauso sch**** wie die "Mode" und die "Frisuren". Das Jahrzehnt, in dem man über Geschmack nicht streiten konnte, weil es keinen gab...
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
ich muss mich vielleicht mal näher damit beschäftigen"
Könnte man auch auf die sogenannte historische bzw. historisch informierte Aufführungspraxis anwenden.
Als ich, nachdem ich in meiner Jugend eine Aufnahme der Bachschen Orchestersuiten mit Karl Münchinger mehrfach gehört hatte, das erste Mal dieselben mit dem Bachischen Kollegium mit Max Pommer hörte, erschrak ich dermaßen, wie man diese schöne Musik so verunstalten kann.
Heute erscheint mir diese Interpretation eher 'harmlos'.
Hörgewohnheiten können/müssen sich ändern.
Toni
 

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