Versuch einer Rezension:Polina Leschenko

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Konzert beim Liszt Festival in Raiding 25.1.2013:

Schumann C Dur Fantasie
Lizst Mephistowalzer,h-moll Sonate

Zusammenfassung für alle ,die nicht das Glück hatten, DAS zu erleben:

Zweifellos einer der eigenwilligsten,aber auch mitreißendsten und unvergeßlichsten Klavierabende,die ich jemals hören konnte...

Wenn Polina Leschenko die Bühne betritt und man die schmächtige mädchenhafte Statur der jungen Frau mit den nicht allzu großen,feinen Händen sieht,denkt man unwillkürlich,nun sollten eigentlich grazile Menuette,ein wenig Bach,Mozart und Scarlatti folgen,aber doch nicht solch ein brachial-Programm!

Leschenko setzt sich zum Flügel und "schlägt" (durchaus wörtlich zu nehmen) ,ohne das Ende des Auftrittsapplauses abzuwarten, die dramatischen ersten Akkorde der C Dur Fantasie an.
Von diesem Momernt an ist klar,was einen in den kommenden 80 Minuten erwarten wird:dass das kein graziler,braver Klavierabend werden wird mit einem halt sehr virtuosen Programm.

Ich muss zugeben,ich war zielmlich schläfrig bei der Ankunft in dem klenen österreichischen Dorf,nach einem vollen Arbeitstag ,zwei Stunden gähnend im Auto auf zum Tel kleinen Landstraßen sich bis knapp an die ungarische Grenze zu wursteln,dann keine Zeit für einen Kaffee...

Ich kam mir vor wie so eine Comic Figur:eben saß ich noch mit Schlafzimmerblick gähnend im Sessel,im nächsten Moment,
nach dem ersten Takt der Fantasie -als ob ein Knallfrosch neben mir expolodiert wäre- mit weit aufgerissenen Augen ,in die Lehne zurückgepresst ungläubig auf den Flügel starrend.

Also ich kenn ja doch recht viele Einspielungen dieses Werks,aber SO hat das noch kleiner gespielt,waren die ersten Gedanken.
Dieser Eindruck sollte eigentlioch während des ganzen Konzertes bestehen bleiben.

Die Tempi nimmt Leschenko -vorsichtig ausgedrückt- forsch,was in den Noten steht dient ihr zur groben Orientierung,die Interpretation weicht dann aber gehörig davon ab.Stellen wie "im Legendenton" mangelt es an frühromantischer Verklärung,stets drängt Leschenko weiter,zum teil durch aberwitzig schnelle Tempi,der gefürchtete zweite Satz der Fantasie wird in einem derart furiosen Tempo begonnen,dass das Scheitern an der furchtbaren Sprungpassage am Ende vorprogrammiert zu sein scheint...Leschenko scheitert nicht,dank ihrer unglaublichen technischen Fähigkeiten zieht sie auch die Sprungsequenz in furiosem Tempo durch ohne nachzugeben.
Der elegische dritte Satz läßt einen nur teilweise zur Ruhe kommen,Leschenko arbeitet die lyrischen Momente mit souveräner Stimmführung heraus,bringt Schumanns polyphonen Kompositionsstil vollendet zur Geltung,selten hört man Oberstimmen so strahlen ,so aussingen wie bei ihr.Trotzdem mag man den typischen "Schumann-Ton" vermissen.Ihre Interpretation ist absolut nicht "deutsch"-romantisch,man meint eigentlich ständig,der Komponist der Fantasie hieße nicht Robert Schumann,sondern Modest Moussorgsky.

Dass entfesselte Leidenschaftlichkeit Leschenkos Welt ist,woviel ist nach der Fantasie klar,die Ruhelosigkeit kommt nicht nur von der extremen Tempo-Wahl,sondern auch von einem ständigen unbändigen Vorwärtsdrängen im musikalischen Duktus.

Beim Mephistowalzer wiederholt sich der erste Auftritt,die ersten Noten erklingen noch lange bevor der Auftrittsapplaus endigt.

Statt Allegro vivace in mf wählt Leschenko zu Beginn ein Prestissimo in ff,auch sind deutliche Abweichungen zum Notentext ,die aber auch nicht in der Busoni Version zu finden sind,auffällig.Das Problem bei diesem forschen Ansatz ist,dass man das A dur Thema nicht in prestissimo spielen kann,der Kompromiss ist also zwangsläufig,entgegen dem Notentext zuvor das tempo deutlich zu reduzieren.
Überflüssig zun erwähnen,dass sie den Geschwindigkeitsrekord von Ashkenazy gebrochen haben dürfte,auch die lyrischen Passagen des Walzers drängen unbändig weiter,am Auffälligsten in der kurzen dolce espressivo Passage vor dem Finale,die sie in Allegro voller Kanten und Ecken spielt,für ein lyrisches Innehalten vor den Schlußtakten ist das Werk bei ihr bereits zu spannungsgeladen,der Triumph Mephistos lässt bei ihr keine Zeit mehr für Träumereien.
Etwas verwunderlich die Sprungsequenz,nach einem flotten Beginn der gefürchteten Stelle kommt alles immer wieder etwas ins Stocken,ob dies gewollt ist ,bleibt unklar.Das A zum Schluß wird von ihr im Diskant nochmals oktaviert,was eine durchaus effektvolle Wirkung macht.

Nach der Pause geht man natürlich mit entsprechenden Erwartungen zur Liszt Sonate,und diese werden nicht enttäuscht,sondern sogar noch übertroffen.Leidenschaftlicher kann dieses monumentale Werk nicht mehr vorgetragen werden,Leschenko hat die technische Souveränität,auch die schwierigsten Passagen auch in höchstmöglichem Tempo mit scheinbarer Mühelosigkeit zu vermitteln,das Fugenthema dängt geradezu aberwitzig schnell zum Höhepunkt,die grazilen Laufpassagen funkeln und glitzern unter ihren Händen,durch die Wucht ihres Anschlags und das Aufstampfen mit den Beinen auf das rechte Pedal beginnt sich der Klavierhocker auf beängstigende Weise vom Flügel wegzubewegen und für kurze Zeit hat man Angst, Leschenko wird die Sonate im Stehen zu Ende spielen müssen!

Als Zugaben kommt erst die letzte der Paganini Etuden,dann Soiree de Vienne.

Sehr zu meinem Ärgerniß läßt sich das Publikum nicht dazu ermuntern,sie zu einer dritten Zugabe hervorzuklatschen.
Das wundert ja nicht weiters,wenn ich hinter mir einen Herrn im Anzug nach der Schumann Fantasie lautstark monieren hörte,dass ihm diese Liszt Sonate gar nicht gefallen habe:eek:,sein Nachbar macht ihn darauf aufmerksam,dass der Komponist Schumann heißt,was ihn augenblicklich beruhigt,dann ist ja klar,dass ihm das Stück nicht so gefallen habe,meint er sich befriedigt zurück lehnend.....oh mann oh mann....(wenigsten hat er nach dem Mephistowalzer und der Paganini Etude laut "bravo" gerufen,sein Nachbar sogar "brava",der war wohl vom Fach);)

Zur Pianistin,wer sie - wie ich - noch nicht kannte:

1981 in St.Petersburg geboren als Tochter des Pianisten und Klavierpädagogen Sergej Leschenko erhielt sie bei ihrem Vater ab dem 6.Lebensjahr Klavierunterricht,bewältigte jedoch angeblich bereits als Kind jede Schwierigkeit mit spielerischer Leichtigkeit und debütierte bereits nach 2 Jahren im Alter von 8 Jahren mit dem Leningrader Symphonieorchester!Seit ihrem 7.Lebensjahr besuchte sie das St.petersburger Konservatorium.
Für die Eigenwilligkeit ihrer Interpretationen dürfte maßgeblich Sergej Maltsev verantwortlich sein,russische Pianistenschule mit Freiheit der Interpretation,Improvisation,unkonventionelle Zugänge prägten nach ihren Aussagen seinen Unterricht.
Die Vorbilder der seit dem 11. Lebensjahr in Brüssel lebenden Pianisten sind die großen "alten" Meister wie Sofronitsky,Friedman,Horowitz,Rachmaninow ,was man in ihrem Spiel sicher hören kann.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Herzlichen Dank für diese schöne Konzertkritik!
Kleiner Tipp zum Schriftbild: Mach doch bitte nach Kommata ein Leerzeichen, es würde schöner aussehen und wäre leichter zu lesen (hoffe, du nimmst mir diesen Hinweis nicht übel).
 
Danke, lieber kreisleriana, für diese wunderbar geschriebene Rezension (Schumann wäre über so eine Kritik begeistert gewesen, denn er meinte ja immer, dass eine Kritik so geschrieben sein müsse wie das Konzert selbst)!!!

Liebe Grüße

chiarina
 

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