Unordentliches Ouevre

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Alter Tastendrücker

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31. Aug. 2018
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Im Zusammenhang mit einigen verlorenen Sonaten von Haydn ergab sich die Erkenntnis, dass nicht bei allen Komponisten Ordnung in den Werkkatalogen herrscht.
Bei Haydn gibt es zwar das Hoboken Verzeichnis, aber daneben noch weitere Anordnungen der Klaviersonaten. Albeniz verkaufte seine Werke nicht selten mehrfach unter verschiedenen Opusnummern. Bei den gängigeren Scarlatti Sonaten hilft Kirkpatrick weiter, was aber wenn plötzlich L dasteht.
Chopins Werke sind meist brav nach opus-Zahlen geordnet, aber das meiste, was Freunde nach seinem Tod unter den opera 66 - 74 herausgaben ist viel früher entstanden als die Cello-Sonate. Sollte man den BI oder das neue polnische Verzeichnis wählen? Liszt, bei dem von vielen Werken mehrere Fassungen mit ossia und anderen Veränderungen existieren ist trotz Searle auch nicht gerade ein Vorbild an Ordnung Clementi ist ein Fall wie Albeniz und so weiter ad infinitum.
Wollen wir überhaupt Ordnung?
Wäre es nicht nützlich sich da auszutauschen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Mich treiben ja die Ungereimtheiten bei Chopin um und um ...

Das, was als op 1 firmiert, war mit Sicherheit nicht sein erstes Werk.
Die Klavierkonzerte 1 und 2 - ablauftechnisch falsch herum benummert?
Das, was hinterher versenkt, verbrannt werden sollte gemäß Anweisung des Meisters, wurde weitenteils erhalten.
Die Familie beschäftigte dann mehrere Editoren nacheinander, erst Fontana, den einstigen Freund und Sekretarius, der um 1855 einiges editierte, und später noch wen anderen.

Und der Hammer überhaupt, diese sh... Familie in Paris, die ein originales Werk als Manuskript hat, aber seit den 1840er Jahren nicht rausrückt - nur Famillich, nur Tresor. Bei sowas kann man die Wut kriegen.

NB - Was für ein Glück, dass ich nicht hinterm Liszt Franzl her bin ... bei dem solle das ja noch chaotischer sein.
 
Bei den gängigeren Scarlatti Sonaten hilft Kirkpatrick weiter, was aber wenn plötzlich L dasteht.
Bei den Scarlatti-Sonaten hat sich mein KL die Mühe gemacht, eine Excel-Liste zu erstellen: (Tonart) Longo, Kirkpatrick, und welche Sonaten in welchen Sammelbänden zu finden sind (bei Bedarf bitte PN). Die 10bändige Gesamtausgabe von Gilbert (Pupitre/Heugel) ist vergriffen, aber auf IMSLP verfügbar. Die Kritische Gesamtausgabe von Ricordi (nicht die alte Longo-Ausgabe!) dümpelt schon seit Jahrzehnten vor sich hin …
 
Wollen wir überhaupt Ordnung?
Wäre es nicht nützlich sich da auszutauschen?
Dieser Blog-Beitrag könnte eine Antwort darstellen: https://susanne-wosnitzka.de/wab-g-bwv-l-b-hwv-d-hwv-hlv-hegdl/2023/10/16/. Auch das Durcheinander rund um das Lebenswerk von Chopin ist in dieser Abkürzungsliste vertreten. Im Einzelfall dürfte sie nur eingeschränkt befriedigen, da auch die Arbeit mit Opuszahlen etwa im Falle der sogenannten Zweiten Wiener Schule entweder durch den Komponisten aufgegeben wurde (Alban Berg) oder Neben- und Frühwerke unberücksichtigt lässt (Arnold Schönberg) oder mindestens lange vor dem Opus 1 bereits begonnen hat (Anton Webern). Bei der Ersten Wiener Schule herrscht noch viel mehr Verwirrung als Klarheit etwa im Falle Beethovens, wo es gefühlt fast ebensoviel Opuszahlen mit ohne Nummer wie mit mit Nummer gibt.

Meine persönliche Antwort auf die beiden Fragen: Beidesmal ja, sofern es um den Ausschluss von Verwechslungen und Unauffindbarkeit tatsächlich zur Aufführung gelangender Werke geht. Nun gibt es auch bei den etablierten Tonkünstlern Stücke, die häufiger, und Stücke, die seltener zu hören sind. Manchmal helfen bekanntlich auch Beinamen bei der Einordnung, wie im Falle von Beethovens "Kurfürstensonaten" oder im Falle von Chopins "neuen Etüden" - dann findet man sich trotz fehlender Opuszahlen irgendwie zurecht...!

LG von Rheinkultur
 
:puh:
Da bin ich ja mit meinem Chaos in richtig guter Gesellschaft.
 
Wäre ich Komponist würde ich selber ordentlich durchnummerieren. Warum machen das anscheinend so viele Komponisten nicht?

Ansonsten erwähnt ihr verschiedene Arten von Unordung. Ich liste sie mal auf, da könnte man nach Unordungstypen klassifizieren (Reihenfolge unwichtig):

Unordnung weil Stücke keine Opusnummern haben.

Unordnung weil es mehrere Zählweisen (Werkverzeichnisse) gibt.

Unordnung weil die Opusnummern nicht mit der zeitlichen Entstehung paralell gehen. Z.B. OP 5 entstand eher als OP 4 usf.
 
Unordnung, weil mehrfach die opus-Nummerierung neu begonnen und dann aufgegeben wurde (Busoni).
 
Wäre ich Komponist würde ich selber ordentlich durchnummerieren. Warum machen das anscheinend so viele Komponisten nicht?
Ich antworte als Komponist, der nie Opuszahlen benutzt hat: zu viele Stücke verworfen, zu viele Gelegenheitsarbeiten, Arbeit in sehr unterschiedlichen Genres, später endgültige Abkehr aus der Neuen Musik - wie will man da Werke zählen?

LG von Rheinkultur
 
Wäre ich Komponist würde ich selber ordentlich durchnummerieren. Warum machen das anscheinend so viele Komponisten nicht?
Meine Antwort als Komponistin:
Ordnung ist der Feind jeder Kreativität - das kann für Andere anders sein.
Ich habe persönlich überhaupt kein Interesse daran, meine Stücke zu nummerieren. Sie sind einfach da und erscheinen dann, wenn sie gebraucht werden.
Für mich ist das wie ein wilder Garten. Hier blüht was und da, dazwischen gibt es Wildkräuter, Ungewünschtes, Verworfenes, wie @Rheinkultur schon geschrieben hat.
Meine Seele fühlt sich in einem wilden, üppigen Garten sehr viel wohler als in einer pflegeleichten Steinwüste mit säuberlich geordneten Sukkulenten und Zäunchen...
Da würde mir kein einziger Ton einfallen.
Noch nichteinmal ein Sechzehntel.
Es ist mir gerade so, als würde ich beim Komponieren die Unordnung suchen: Hier eine Skizze, da etwas schnell niedergeschrieben...und irgendwann wächst es zusammen, oder manchmal rutscht es einfach so heraus.
Aber Sammelzahlen?...Urrgs... :008:
 
Ich vermute, daß das existente Werk für einen Komponisten ähnlich viel Bedeutung hat wie ein vollständig gelöstes Kreuzworträtsel (abgesehen vom ökonomischen Ertrag). Wichtig ist wohl eher der Schaffensprozeß. Warum also nach Vollendung noch Zeit aufwenden. In der Zeit, in der ich „buchhalterisch“ meinen Bestand verwalte, kann ich schon wieder Neues schaffen. Da die meisten von uns aber nicht sonderlich kreativ sind, klammern wir uns an das, was wir haben. „Man muß auch loslassen können“, sagt nur derjenige, der Alles (auch Einfälle) im Überfluß hat.
 
Im Einzelfall dürfte sie nur eingeschränkt befriedigen, da auch die Arbeit mit Opuszahlen etwa im Falle der sogenannten Zweiten Wiener Schule entweder durch den Komponisten aufgegeben wurde (Alban Berg) oder Neben- und Frühwerke unberücksichtigt lässt (Arnold Schönberg) oder mindestens lange vor dem Opus 1 bereits begonnen hat (Anton Webern).
Nach dieser versuchten Definition könnte man fragen, in welche Schublade die gigantisch angelegten Gurre-Lieder ohne Opuszahl eingelegt werden sollten, während Schönberg ansonsten seine gewohnte Werkzählung nach Opuszahlen ja fortgesetzt hat. Schönberg arbeitete mit Riesenunterbrechungen zwischen den Jahren 1900 und 1911 an diesem Projekt, also kurz nach der Fertigstellung der "Verklärten Nacht" op. 4 und die skandalumwitterte Premiere des "Pierrot Lunaire" op. 21 folgte nur wenige Tage nach der überaus erfolgreichen Uraufführung der Gurre-Lieder. Schon ein oberflächliches Überblicken der dazugehörigen Partituren zeugt von einer sehr schnellen stilistischen Weiterentwicklung des Komponisten innerhalb dieses ausgedehnten Schöpfungsvorgangs, wobei die Hauptarbeitszeit zwischen 1900 und 1903 stattfand. Nach 1910 musste Schönberg dieses riesige Projekt als stilistischen Rückschritt ansehen angesichts seiner aktuellen Arbeiten, wobei er bei den Gurre-Liedern auf Augenhöhe mit dem noch lebenden Gustav Mahler (8. Sinfonie, "Das Lied von der Erde") tonalitätsgebunden schrieb. Vermutlich sah er dieses großdimensionierte Opus als Frühwerk - und diese Aufnahme aus der Zeit der amerikanischen Premiere war wohl die einzige, die noch zu Lebzeiten des Komponisten eingespielt wurde:





LG von Rheinkultur
 

Möchte mal OT darauf hinweisen, dass mein Oeuvre sich in einer der beiden Ordnungsmaxima befindet.

Ab zwei Kompositionen besteht Verwechselungsgefahr betreffs der korrekten Reihenfolge. Bei der Anzahl "Eins" besteht sie nicht.

Und auch nicht bei der Anzahl "null".
 
Wäre ich Komponist würde ich selber ordentlich durchnummerieren. Warum machen das anscheinend so viele Komponisten nicht?

Ich muss das zurücknehmen. So habe ich durchaus ein kleines "Oeuvre" an Kalligraphien geschaffen, und ich bin bis jetzt nicht auf die Idee gekommen diese "durchzunummerieren". Wozu auch?

Aber ich könnte ihr Entstehen mit den Skizzenbüchern leicht nachvollziehen und zeitlich zuordnen. Es kann interessant sein im Nachhinein sich anzusehen, woraus manches entstanden ist.

Man könnte ja zu den Noten das vollständige Datum schreiben. So ließen sie sich später leichter einordnen, falls man das wünscht. Denn manchmal weiß man nicht was einem später wichtig.
 
Bei vielen meiner Ideen kann ich nichtmal mehr sicher sagen, welche zuerst war ... das geht erst mit einem fertigen Stück ... aber ist es wirklich schon fertig?
Ich finde in meinem "oevre" nur 3 Stücke, die ich wirklich als "fertig" betrachte (an denen ich also nichts mehr zu ändern gedenke), aber hunderte Ideen nebst verschiedenen Ausführungen, bei denen ich nur angeben kann, dass sie vor dem heutigen Tag entstanden sind.

Wenn ich eitel wäre, dann würde ich mich wohl mit 75 hinsetzen, und meine Stücke "nach Anspruch" sortieren, um eine fließende Entwicklung zu suggerieren ... ich würde Entwürfe und Misslungenes vernichten, um den Nimbus der "Genialität" zu schaffen.
Kurz: Ich würde wohl einen Komponisten konstruieren, den ich der Nachwelt hinterlassen will ... und dieser hätte wohl wenig mit dem echten Menschen zu tun, der diese Musik schrieb.
Zum Glück bin ich nicht eitel ... da kann ich mir diese Arbeit sparen und mich stattdessen auf die Musik konzentrieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Man kann seine Sachen mit V-Nummern versionieren - und natürlich auch mit Datum versehen. Zur Versionsverwaltung gibt es mittlerweile sogar ausgefeilte Software.

Ich mache das täglich, indem ich Tagesnotizen mit diversem IT-Stuff anlege, die stets ein Datum tragen, weil es mittels eines kleinen Word-Macros automatico eingefügt wird.


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=== 1 === Montag, 12. Februar 2024 10:42 Uhr ===

Man kann seine Sachen mit V-Nummern versionieren - und natürlich auch mit Datum versehen. Zur Versionsverwaltung gibt es mittlerweile sogar ausgefeilte Software.

Ich mache das täglich, indem ich Tagesnotizen mit diversem IT-Stuff anlege, die stets ein Datum tragen, weil es mittels eines kleinen Word-Macros automatico eingefügt wird.

Tscha. Man darf durchaus chaot... pardon creativ sein, man sollte sich nur zu helfen wissen.

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=== 2 === Montag, 12. Februar 2024 10:43 Uhr ===

Tscha. Man darf durchaus chaot... pardon creativ sein, man sollte sich nur zu helfen wissen.

Vermittels des autom. Eingetragenen Datums, das obenan steht, wird auch sofort der Speicher-Algo von WORD mit den passigen Daten versehen – ich brauche so gar nicht erst nachzudenken, was ich als Filenamen eingebe, ich lasse einfach den von WORD (aus dem Makro vorgeschlagenen) Dateinamen stehen, speichere ab, feddich.
Dann unterm selben Tag immer nur druff uff die Diskette. (Was machen Bill Gates‘ Mannen eigentlich, wenn von den nerdigen Kids keines mehr eine Diskette kennt?)

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=== 3 === Montag, 12. Februar 2024 10:46 Uhr ===

(Was machen Bill Gates‘ Mannen eigentlich, wenn von den nerdigen Kids keines mehr eine Diskette kennt?)

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=== 4 === Montag, 12. Februar 2024 10:48 Uhr ===

Sollte ich tatsaftig mal anfangen zu komponieren, mache ich mir eine Makrokopie, die statt „DIV“ dann „MUS“ einträgt, einen Knopp dafür gemacht in die oberste Line neben dem Knopp DIV, unn feddich.

Alaaf, helau, rummskedie (Schlachtruf in Beckum).
 
Ich zähle meine opera rückwärts. opus 1 wird ein Requiem...
[Und bevor sich jemand sorgt: ich bin zum Glück erst bei aleph_0 minus eins und meine Komponiergeschwindigkeit ist exakt Null.]
 

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