Ungeduld - der grosse "Killer"

Ja, was war das Hauptproblem? Unzufriedenheit, Ungeduld, das auf jeden Fall. Ich habe viel zu viel von mir erwartet, habe mich überschätzt. Ich bin musikalisch - würde ich mal behaupten - und deshalb habe ich erwartet, dass mir alles zufliegt. Vom Kopf her, von der Vernunft her habe ich mir immer gesagt, um ein Instrument zu lernen, muss man üben. Das braucht Zeit. Aber vom Gefühl her wollte ich alles sofort können, war frustriert, wenn das nicht ging.

Die Zeit zum Üben hatte ich in meinem Leben auch meistens nicht, weshalb es auch nie was geworden ist. Und ich hatte vor allem als Kind kein Geld. Meine Familie hatte kein Geld, konnte sich kein Instrument und keinen Unterricht leisten. Später dann hatte ich zu viel Arbeit, um das Geld zu verdienen, das ich dann wegen Zeitmangel doch nicht für Musikunterricht verwenden konnte. Wenn man immer erst um Mitternacht von der Arbeit nach Hause kommt, unterrichtet einen kein Klavierlehrer mehr. Das kann man wirklich nicht verlangen. :003: Und so was wie Onlinekurse oder Videokurse gab es vor Jahrzehnten noch nicht. Aber ich hätte eben auch keine Zeit dafür gehabt, selbst wenn es das gegeben hätte. Selbst am Wochenende habe ich meistens gearbeitet.

Das C-Präludium habe ich ziemlich schnell gelernt, aber da war dann Schluss. Mehr konnte ich nicht.

Deshalb will ich es jetzt anders angehen. Ganz von vorn anfangen. Ja, die Schmerzen, das ist wohl ein Handycap, das ich nie loswerde. Ich hatte schon in jungen Jahren Rheuma und immer wieder Schmerzen in den Armen. Dann kamen die Schmerzen beim Klavierspielen auch in den Händen. Und ich wusste nicht, was ich dagegen machen sollte. Ich wollte doch so gern Klavier lernen. Dann habe ich geübt und versucht, die Schmerzen zu ignorieren, ging aber nicht. Ich habe gar nicht so viel geübt, aber immer zu lange am Stück. Jetzt versuche ich deshalb, in nur ganz kleinen Zeitabschnitten zu üben. 10, 15 Minuten, dann aufhören. Warten, bis die Schmerzen nachgelassen haben. Noch mal 10 Minuten spielen. Das ist wesentlich besser. Außerdem ist meine Körperhaltung am Klavier katastrophal. Möglicherweise verstärkt das die Schmerzen noch. Also will ich jetzt daran arbeiten, gerader und entspannter am Klavier zu sitzen. Vielleicht kann ich dann auch mal länger als 15 Minuten üben.


Interessant. Das muss ich mir merken. Sehr guter Ratschlag. Das mit dem langsamer Spielen fällt mir auch schwer. Ich bin mehr von der schnellen Truppe. :003: Wie wahrscheinlich alle ungeduldigen Menschen. Aber ich arbeite jetzt daran, wirklich sehr langsam zu spielen. 4 Schläge auf jede Achtel, wenn es sein muss. Ist nicht einfach, aber ich habe das Gefühl, es hilft mir.

Disziplin ist nicht das Problem. Ich habe das Gefühl, das wird oft verwechselt. Ich habe so viel Disziplin in meinem Leben beweisen müssen, daran mangelt es mir nicht. Aber das war eben beruflich. Beim Hobby soll alles schnell-schnell gehen. Da will man sich sozusagen auf Befehl erholen. Die kurze Freizeit möglichst intensiv nutzen. Aber natürlich mit Spielen, nicht mit Üben. Man will sich ans Klavier setzen und loslegen wie Horowitz. Oder wer auch immer das eigene Idol ist. Und das geht eben nicht. Wenn man dann ein geduldiger Mensch ist, arbeitet man sich langsam voran und kommt irgendwann wenigstens zu einem brauchbaren Ergebnis. Auch wenn man kein Horowitz mehr wird. Wenn man ein ungeduldiger Mensch ist, bricht man ab und kommt zu gar nichts. Gut, ohne die Schmerzen hätte ich nicht abgebrochen, aber trotzdem kam ich nicht in der Form weiter, wie ich mir das vorgestellt und gewünscht hatte. Das hat mich frustriert.


Sehr schöne Beschreibung. Du hast eine sehr gute Klavierlehrerin. Das wäre natürlich hilfreich. Auch für mich. Aber leider ...


Lesen allein nützt mir da nichts. Ich müsste Meditation machen, mich da richtig reinfühlen, die Geduld erfahren. Und das habe ich bisher noch nie geschafft.


Sehr guter Ansatz, finde ich. Das muss ich mir auch mal sagen.

Empfehlenswert sind auch die Vorträge von Herrn Professor Altenmüller!



Hier die Vorträge:




 
Das mit dem langsamer Spielen fällt mir auch schwer.
Das geht mir auch so. Seit kurzem hab ich dafür das Metronom für mich entdeckt (fand ich bisher gruselich und hat meine Ehre als Schlagzeugerin irgendwie angekratzt). Aber es hilft mir dabei, das Üben einer schwierigeren Passage langsam genug zu starten und Fortschritte "messbar" zu machen.
 
Mit dem Metronom merkt man natürlich, wenn man schneller wird, aber ich habe festgestellt, dass ich das Metronom ziemlich gut ausblenden kann. Irgendwann fällt mir dann auf, dass ich nicht mehr synchron bin, aber da habe ich dann schon eine Weile nicht mehr auf der gleichen 1 mit dem Metronom gespielt. Trotzdem ist das Metronom eine große Hilfe, und es zeigt mir immer wieder, dass ich mir nur einbilde, ein gleichmäßiges Rhythmusgefühl zu haben. :003: Ich muss es auf jeden Fall mehr benutzen.

Empfehlenswert sind auch die Vorträge von Herrn Professor Altenmüller!
Über den bin ich sogar vor ein paar Jahren schon mal gestolpert. Hatte ich aber völlig wieder vergessen. Die Vorträge werde ich mir ansehen. Danke!
 
... Trotzdem ist das Metronom eine große Hilfe, und es zeigt mir immer wieder, dass ich mir nur einbilde, ein gleichmäßiges Rhythmusgefühl zu haben. :003: Ich muss es auf jeden Fall mehr benutzen.

Lass das nur nicht @Dreiklang hören! Der hat mit seiner DKMM (DreiKlang MetronomMethode) eine todsichere Methode entwickelt, um am Klavier schwierige Stücke in Höchstgeschwindigkeit zu spielen. :schweigen:
Im Forum gibt es dazu hunderte Beiträge.
 
Die werde ich mir jetzt sicher nicht alle ansehen, aber danke für den Hinweis. :002: Es gibt eben verschiedene Herangehensweisen, da würde ich mich nicht drüber streiten. Jeder muss das tun, was ihm am besten gefällt, was ihm am meisten bringt. Ich habe auch schon einiges ausprobiert, dachte, ich hätte das richtige gefunden, habe dann nach einer Weile festgestellt, dass es nicht optimal war und noch andere Methoden ausprobiert. Also jetzt nicht unbedingt auf Metronom bezogen, mehr so allgemein. Aber in Höchstgeschwindigkeit will ich auf keinen Fall spielen, das ist gar nicht mein Ziel. Mein Ziel ist erstmal, überhaupt spielen zu können.

Geschwindigkeit ist nur eine Illusion, habe ich mal irgendwo gelesen. Was soll das bringen? Sicherlich, wenn man ganz toll spielen kann, will man sicher auch schnell spielen. Und dann gibt es auch Stücke, wo das verlangt wird. Aber das sind virtuose Stücke, zu denen ich in meinem Leben sicherlich nicht mehr kommen werde. Weil ich darauf auch nicht hinarbeite. Mir liegen langsame, romantische Stücke mehr.
 
Noch ein anderer Ungeduldsaspekt, mehr so ein Externer...
Geht euch das auch so, dass ihr natürlich zur Klavierstunde was zum Vorzeigen haben wollt und deshalb besonders fix machen wollt? Oft würde ich mich eigentlich gern in einem Detail verkünsteln, experimentieren oder so, aber oh Schreck, übermorgen ist Klavierstunde, bis dahin muss was vorläufig vorspielbar sein, also husch, husch effizient das Stück üben ohne nach links und rechts zu schauen...

Ist das bei euch auch so oder seid ihr mutig, zuckt mit den Schulterm und sagt dann z.B. in der Stunde: also das Stück kann ich nicht, dafür hab ich mir die Akkorde da drin mal ganz genau angesehen und erkenne die jetzt auf einen Blick? Oder: ich hab die ganze Zeit versucht, die drei Takte wie einen Vogel klingen zu lassen. Habs leider nicht besonders gut geschafft (und war vielleicht auch ne blöde Idee) und das Stück kann ich deswegen auch noch nicht besonders, weil ich damit zu viel Zeit verplempert habe...

Ich hab eigentlich manchmal Lust auf so Exkurse, auch wenn die sich dann manchmal auch nicht als der Brüller rausstellen, aber ich verkneife es mir dann, um "lehrplangemäss" ungeduldig vorwärts zu kommen. Die Zeit ist ja eh immer zu knapp.
 
Zum Glück hab ich da keinen Stress, wir machen an den Sachen so lang rum, wie es dauert. Und wenn es zu viele Wochen sind schleichen sich andere Stück ein,

Neulich haben wir mal ein Zeitziel gesetzt für eine Etüde. Daran wollen wir nicht zu lang basteln. Aber ich kenne das, dass ich an den "Hauptstücken" wenig gemacht habe, aber weiter kommen wollte bis zu nächsten Stunde und dann aufholen muss. Und komischer Weise da bin ich dann viel konzentrierter und detailierte bei der Sache um es doch hinbekommen bis zur nächsten Stunde.

Externe Ungeduld- Was mich total nervt an mir ist meine Ungeduld i m Unterricht, weil Die Zeit rennt. Ich verhaspel mich oder spiele zu hektisch oder zu oft falsch hintereinander. Dann werde ich gebremst und wir beruhigen uns erstmal. Sich dort konzentriert einzulassen und zu sagen alles auf einmal schaffen wir heute nicht FOCUS auf das eine jetzt, da hätt ich gern mehr Geduld.
 
Geht euch das auch so, dass ihr natürlich zur Klavierstunde was zum Vorzeigen haben wollt und deshalb besonders fix machen wollt?
:015:

Ich kann nicht für andere sprechen, aber bei mir ein klares: Nein.;-)

Stücke dauern so lange wie sie halt dauern. Fortschritte gibt es i.d.R. immer, manchmal macht man bis zum Ziel halt kleine Umwege.

Ist das bei euch auch so oder seid ihr mutig, zuckt mit den Schulterm und sagt dann z.B. in der Stunde: also das Stück kann ich nicht, dafür hab ich mir die Akkorde da drin mal ganz genau angesehen und erkenne die jetzt auf einen Blick?

Dafür brauche ich keinen Mut, meinen KL freut es, wenn ich mich ganzheitlich mit den Stücken beschäftige. Es geht doch darum Musik zu machen und auch sie verstehen zu lernen und nicht darum, stur Stücke in Rekordzeit abzuarbeiten.

ich hab die ganze Zeit versucht, die drei Takte wie einen Vogel klingen zu lassen. Habs leider nicht besonders gut geschafft (und war vielleicht auch ne blöde Idee) und das Stück kann ich deswegen auch noch nicht besonders, weil ich damit zu viel Zeit verplempert habe...

Das ist für mich absolut keine Zeitverschwendung. Ich werde von meinem KL geradewegs dazu aufgefordert mit Klängen zu spielen, auch mal die Begleitungen abzuwandeln, der Melodie Intervalle hinzuzufügen oder mir aus ein paar Takten des zu übenden Stückes eigene Übungen zu basteln und und und. Gerade das macht doch Spaß und das Üben abwechslungsreich.
 
Ich kann mich nicht erinnern, in meinem Klavierspielleben jemals ungeduldig gewesen zu sein. Ich weiß, wie ich an für mich spielbare Stellen und Stücke herangehe und brauche nur zu warten - dass ich sie kann, passiert mit den richtigen Übestrategien automatisch.

Bei sehr schwierigen Stellen, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob ich sie knacken kann, habe ich geradezu eine Engelsgeduld , denn dann ist eine äußerst behutsame, gründliche und strukturierte Herangehensweise unerlässlich. Der Weg führt grob gesagt vom Verständnis dessen, was geschrieben steht, zu einer differenzierten Klangvorstellung über Ausprobieren, Experimentieren mit Bewegungsmustern und Klängen, wozu eine sehr sensible taktile und auditive Wahrnehmung benötigt wird. Die hat man nicht, wenn man ungeduldig ist!

Wer ungeduldig ist, lebt aus meiner Sicht nicht im Moment, sondern in der Zukunft. Wie @Demian schrieb, ist aber gerade das Hören, Fühlen und Wahrnehmen IM MOMENT so wichtig für den Erfolg des Übens!

Es ist zugegebenermaßen nicht ganz einfach: beim Üben setzen wir uns logischerweise Ziele. Was wollen wir jetzt üben und wie wollen wir dazu vorgehen? Das hat eine strategische Seite, wobei die Ziele natürlich in der Zukunft liegen. Allerdings in der sehr nahen und das könnte den entscheidenden Unterschied ausmachen, ob jemand ungeduldig wird/ist oder nicht!!!

Wenn wir unsere Ziele nämlich so setzen, dass wir bei jedem Üben sofort einen Erfolg wahrnehmen, wird unser Bedürfnis nach einer klanglichen Verbesserung etc. befriedigt und wir brauchen nicht mehr ungeduldig sein.

Wer also als Ziel hat, das ganze Stück möglichst bald in einem Guss fehlerfrei spielen zu können, wird möglicherweise in einer Spirale aus Frust, Enttäuschung, Ungeduld und Selbstzweifeln landen. Wer Step by Step sich kleine Ziele setzt, die SOFORT umgesetzt werden können, wird belohnt werden, wenn er dazu noch sinnvolle Übestrategien kennt und umsetzt.

Und schwuppdiwupp kommen wir zu Punkt 2 :003::

Es gibt eben verschiedene Herangehensweisen, da würde ich mich nicht drüber streiten. Jeder muss das tun, was ihm am besten gefällt, was ihm am meisten bringt. Ich habe auch schon einiges ausprobiert, dachte, ich hätte das richtige gefunden, habe dann nach einer Weile festgestellt, dass es nicht optimal war und noch andere Methoden ausprobiert.
Beim Üben gibt es sehr viele verschiedene Herangehensweisen, das ist absolut richtig. Leider gibt es aber auch welche, die dem gewünschten Ziel kontraproduktiv gegenüberstehen und absolut nicht sinnvoll sind.

Der Laie denkt z.B.: "Na wieso, der Lauf klappt doch mit Metronom schon besser, ich kann es schon etwas schneller, Passagen mit Metronom üben hilft super!"

Der Profi schüttelt z.B. verzweifelt sein schütteres Haupthaar und denkt: "Ja, hörst du nicht, dass es hölzern und hart klingt, dass der Lauf stolpert und wackelt wie ein Hürdenläufer auf hoher See, dass die Bewegungen das Gegenteil von fließend sind? So wird's nichts mit perlenden Glitzerläufen."

Auch auf einem Irrweg kann man das Gefühl haben, sich nach vorn zu bewegen - man bleibt ja nicht auf der Stelle stehen. Und doch entfernt man sich ohne es zu merken immer weiter von dem, was man eigentlich möchte.

Das Gute vom Schlechten zu unterscheiden ist nicht einfach - es lohnt sich, sich darüber zumindest Gedanken zu machen - und vielleicht auch zu streiten. :002:

Liebe Grüße

chiarina
 

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Ich bin im sonstigen Leben oft etwas zu ungeduldig (ADHS oder so), und das merkt man auch irgendwie manchmal beim Klavierüben. Zum Teil fällt es mir etwas schwerer an einer Stelle zu bleiben, und ich muss mich manchmal etwas überwinden. Aber bisher habe ich es meistens geschafft (es sei denn das Stück war mal wieder zu schwer, ich versuche mich halt auch wirklich gerne manchmal an Brechern, die mir eigentlich zu schwer sind). Und wenn ich es geschafft hab meine Ungeduld zu überwinden hab ich mich auch immer gefreut. Klavierspielen ist für mich irgendwie auch so eine Art Therapie, die mir auch irgendwie hilft im sonstigen Leben besser klar zu kommen, weil man da immer gewisse Herausforderungen ganz konzentriert bekämpfen muss, wie etwa auch Ungeduld.
Wer ungeduldig ist, lebt aus meiner Sicht nicht im Moment, sondern in der Zukunft. Wie @Demian schrieb, ist aber gerade das Hören, Fühlen und Wahrnehmen IM MOMENT so wichtig für den Erfolg des Übens!
Ja das stimmt genau! Ich lebe nicht nur beim Klavierspielen oft etwas zu sehr in der Zukunft, und klavierspielen hilft mir halt besser im Moment zu leben, auch wenn es manchmal etwas ungewohnt sein kann.

Mittlerweile achte und freue ich mich auch immer mehr über kleinere Erfolge und bin nicht mehr so fixiert auf das Große Ganze, was unter Umständen auch sehr weit in der Zukunft liegen kann.
 

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