Sind Pianisten eigentlich häufig arrogant?

P

Presto

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8. Okt. 2019
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Liebe Forengemeinde,
mit dem Titel möchte ich eine Frage stellen, die möglicherweise gar nicht zu beantworten ist - dennoch interessiert mich Eure Sichtweise und Eure Erfahrungen dazu.
Pinisten sind ja häufig musikalische Einzelkämpfer und beschäftigen sich zwangsläufig mit sich selbst. Hat das Auswirkungen auf das Sozialverhalten?
Auch hier im Forum wurde dem ein oder anderen ein gewisses arrogantes Verhalten attestiert? Sind Pianisten in dieser Hinsicht vielleicht sehr speziell?
Was denkt ihr?

Sonnige Grüße,
Presto
 
Ich habe noch keinen arroganten Musiker erlebt, wenn es darum ging, sein Dach zu reparieren. Im Gegenteil: Sehr bescheiden, respektvoll und schreiben sich selbst Defizite zu ("sorry, ich habe gar keine Ahnung, zwei linke Hände, weiß nicht mal wie man nen Hammer anfasst"...die üblichen Sprüche halt).
Dass man Pianisten in einem Klavierforum, welches zu 90% aus Anfängern und Amateuren besteht, nicht auf Augenhöhe begegnet, liegt in der Natur der Sache. Mit Arroganz hat das wenig zu tun, sondern eher damit, dass sich immer wieder Anfänger darin verirren, die fehlende Augenhöhe zu ignorieren.
Oder anders: Arroganz ist Niveau von unten betrachtet.

Würde sich mit mir ein Musiker darüber streiten, wie man ein Dach deckt, dem würde ich aber sowas von arrogant daherkommen. :-D

Ja, Pianisten sind speziell. Dachdecker aber auch. Und Du bestimmt auch. :-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein arrogantes Verhalten liegt ja immer dann vor oder wird zumindest attestiert, wenn sich Angesprochene oder Dritte herabgesetzt fühlen. Ob wirklich Arroganz vorliegt, könnte eine unbeteiligte, aber empathische Person beurteilen. Ein Alltägliches Arroganz-Attest (AAA, nicht zu verwechseln mit dem Batterietyp) ist billiger zu haben, etwa auf der Stufe mit dem Gemecker, den Führschein im Lotto gewonnen zu haben. Dabei hab ich nicht mal nen Führerschein. Pianist bin ich auch nicht, sonst hätte ich ja keinen Durchblick über das Notenblatt hinaus. Das war beispielhaft arrogant. So ein Satz ist mir zumindest noch nicht auf clavio.de untergekommen

Ferner sollte man Pianisten vielleicht nicht verwechseln mit dem gemeinen Forenbesucher. Tendenziell sind Besucher "sozialer Medien"* wie clavio.de, im weiteren Sinne alle Plattformen, wo man Beiträge posten und fremde bewerten kann, statistisch häufiger/länger allein als solche, die den Unterschied zwischen 88 Tasten und 105 Tasten relevant finden und ersteres bevorzugen.
 
Das geschriebene Wort kommt völlig anders rüber als das Gesprochene. Kann deswegen anders verstanden werden, als es gemeint ist. Auch fehlt dabei die Mimik, an der man ablesen kann, wie der andere das jetzt eigentlich meinte.
Vielleicht komme ich hier arrogant rüber, aber das bin ich nicht. Eher im Gegenteil. Aber ich bin kein Freund vierziger Worte, und da kann manche Bemerkung harsch rüberkommen, obwohl das überhaupt nicht beabsichtigt war.
Im RL bin ich zurückhaltend, aber im Unterricht weiß ich, was ich kann, und äußere das auch entsprechend selbstbewusst, dabei aber immer dabei dem Schüler "zugewandt".
 
Warum sollten sich Pianisten zwangsläufig stark mit sich selbst beschäftigen? Und welche Pianisten sind das denn? Vielleicht Keith Jarrett, der ja als arrogant gilt. Mir fallen ansonsten nur die ca. 10 Weltstars ein, wie z.B. Lang, und selbst die müssen in der Lage sein, mit Agenturen und Veranstalterin auf Augenhöhe zu kommunizieren. Alle anderen sind entweder Solopianisten, die auch unterrichten und deshalb natürlich mit anderen Menschen klarkommen müssen, und Teamworker wie Band- und Kammermusik-Pianisten.
 
Die Wahl des Instruments und der Musikrichtung ist auch Charaktersache.
Jemand, der Klavier in einer Jazzband spielt hat sicher einen anderen Charakter als ein Solopianist, der "klassische" (man verzeihe mit den Oberbegriff) Musik zum Besten gibt.
 
Arroganz gibt es in jeder Berufsgruppe, da nehme ich mich garnicht bei aus.

Wenn ein Kunde meint alles besser zu wissen, drück ich dem des Werkzeug in die Hand und sag: "ja, dann machen Sie des doch am besten selber"
 
Arrogant ist jemand ja nicht gegen jeden, den er antrifft, sondern nur selektiv.

Ein Arroganter sucht sich aus, mit wem er auf Augenhöhe kommuniziert und mit wem definitiv nicht.

Ein Gesprächspartner, der mit einem arroganten Menschen gerne sprechen würde, kann bei ihm gar nichts ausrichten; es wird passiv kurz beäugt, geprüft und abgeurteilt.

Nach welchen Maßstäben ein Arroganter sein Gegenüber erstmal auscheckt, ist übrigens immer ganz unterschiedlich - sei es geschäftlicher Nutzen, seien es Vorurteile aufgrund des Aussehens usw.

Dochdoch, es gibt schon so "Berufsgruppen", die Arroganz fördern - oder auch nicht.

Meine persönliche Hitliste wird angeführt von (Achtung! nein, nicht Konzertgeigern...): Sänger von professionellen Kammerchören. - Mir echt ein Rätsel, wie ausgerechnet die sich etwas einbilden...

Gibt es eigentlich arrogante Bratscher? :dizzy:
 
Meine Erfahrung dahingehend war bisher: die wirklich guten Leute haben keine Arroganz nötig. Die wissen was sie können, ruhen in sich und begegnen anderen respektvoll. Wie ein guter Prof, der seine Studenten fördert und nicht erniedrigt. Arrogant und herablassend waren in meinem Umfeld immer diejenigen, die krankhaft Angst hatten das Wenige was sie hatten zu verlieren oder enttarnt zu wissen. Die Blender und Hochstapler so zusagen. Drum klingelts bei mir mittlerweile Alarm, wenn das „Profi Image“ so sorgsam gepflegt wird. Da lohnt sich oft kein Blick hinter die Fassade. Das gilt aber für alle Berufsgruppen.
 

Wenn jemand arrogant herüberkommt, dann pflege ich mit ihm keinen Umgang. Hier gibt es u.a. dafür die Ignorier-Taste. Ansonsten kommuniziert sich Arroganz von einzelnen Prominenten nur über den TV-Monitor. Hat man beruflich damit zu tun, z.B. einen arroganten Kollegen oder gar Vorgesetzten, dann herzlichen Glückwunsch. Aber auch der muss sich dann an gewisse Spielregeln halten. Allerdings gibt es abgestufte Qualitätslevel dieses Charakterzugs. Vornehm dekadente Arroganz kann im Film sehr erheiternd daherkommen. Ich kenne keinen ausgesprochen arroganten Vertreter unter den pianistischen Vertretern der klassischen Zunft. Aber sehr wohl viele, die keine oder sehr selten Interviews geben und zurückgezogen leben. Ob aus eigenem Antrieb oder der dringenden Empfehlung ihrer Agenturen, bleibt dabei aber offen.
Aggressive Arroganz subsummiert man unter den gesammelten Hatern, die - glaubt man der TV-Werbung gegen Hetze im Web - 5% der Social Media-Konsumenten ausmachen. 5% benehmen sich auch im Straßenverkehr rücksichtslos. Diese Leute haben ihr Sozialverhalten sich von einem Mülleimer abgeguckt. 5% - das bedeutet, man begegnet regelmäßig irgendeinem dieser Kotzbrocken.
 
Arroganz gibt es in jeder Berufsgruppe, da nehme ich mich garnicht bei aus.

Arroganz hat nichts mit dem Beruf zu tun, sondern mit dem Selbstwertgefühl. Wer sich für etwas besseres hält und andere möglicherweise abwertet, hat häufig irgendwo Defizite (die mit überheblichem Gehabe überspielt werden sollen).

Anlässlich meiner Treffen habe ich über ein Dutzend Pianist:innen/Profis kennengelernt. Alle halte ich für bodenständig, bescheiden und empathisch, aber keinesfalls für arrogant. Beim Jubiläumstreffen Ende Oktober werde ich das sicherlich nicht anders wahrnehmen.
 
An alle,
vielen Dank für Eure wirklich erhellenden Beiträge.
Ich finde es einfach spannend - und was tatsächlich flapsig daher gesagt wurde, dass es keine arroganten Bratscher gebe - ich kenne ausnahmlos liebenswerte Bratscher. Bei Pianisten hingegen sieht das zumindest bei mir etwas anders aus.

Obgleich es wahrscheinlich nur wenige sind.
 
Meine Erfahrung dahingehend war bisher: die wirklich guten Leute haben keine Arroganz nötig.
Arroganz hat nichts mit dem Beruf zu tun, sondern mit dem Selbstwertgefühl.

So habe ich das auch bisher erlebt. Mit dem Spielniveau (oder sonstigen Fähigkeiten) hat Arroganz nicht unbedingt zu tun.

Bevor ich an der Musikhochschule studiert habe, dachte ich: Wenn ich erst die Schule verlassen habe und dort unter "Meinesgleichen" weile, werden mich alle endlich verstehen und wir sind alle auf einer Wellenlänge.

Nun, die junge Stilblüte wurde gleichermaßen belohnt und enttäuscht. Einerseits hatte ich Recht mit meiner Hoffnung. Die gemeinsame Leidenschaft und das Interesse sind so groß, dass eine gewisse Kommunikationsbasis und Gemeinschaftsgefühl sofort da ist (übrigens auch hier im Forum bzw. bei einschlägigen Treffen). Gleichzeitig habe ich aber schnell gemerkt: Die Persönlichkeitsbandbreite ist unter Musikern genauso verteilt wie unter Nichtmusikern. Kluge, weniger kluge, Nerds und eher naive, Kreative und Einfältige, Fleißige und Faule, Arrogante und Bescheidene, Extrovertierte und Introvertierte. Man kann ohne Abitur und mit Doktortitel Klavier studieren, man kann das mit 16 oder 25 tun.

Es gibt gewisse Klischees unter Musikern, die auch oft zutreffen. Die depressiven arbeitswütigen Geiger, die dummen Bratscher, die Bläser sind die (männlichen) Säufer, die Jazzer nehmen Drogen, die Gitarristen können nix, die Tenöre haben keine Ahnung, die Altistinnen sind beleidigt, die Sopräne sind Diven, die Dirigenten wollen nur das Eine, die Organisten haben einen an der Waffel, die Schulmusiker kommen vom bayerischen Kaff und schwafeln besserwisserisch daher, die Pianisten leben in ihrer Übekabine und gönnen sich nix, die Holzbläser sind mit ihren Holzblättchen beschäftigt... :lol: Ähnlich wie die Klischees über Landsleute oft zutreffen, für den Einzelnen aber gar nix bedeuten, sind auch die Instrumentalistenklischees lustig und enthalten einen wahren Kern. Ob ein einzelner Pianist nun arrogant ist oder nicht, ist schwer zu sagen.
 
So habe ich das auch bisher erlebt. Mit dem Spielniveau (oder sonstigen Fähigkeiten) hat Arroganz nicht unbedingt zu tun.

Bevor ich an der Musikhochschule studiert habe, dachte ich: Wenn ich erst die Schule verlassen habe und dort unter "Meinesgleichen" weile, werden mich alle endlich verstehen und wir sind alle auf einer Wellenlänge.

Nun, die junge Stilblüte wurde gleichermaßen belohnt und enttäuscht. Einerseits hatte ich Recht mit meiner Hoffnung. Die gemeinsame Leidenschaft und das Interesse sind so groß, dass eine gewisse Kommunikationsbasis und Gemeinschaftsgefühl sofort da ist (übrigens auch hier im Forum bzw. bei einschlägigen Treffen). Gleichzeitig habe ich aber schnell gemerkt: Die Persönlichkeitsbandbreite ist unter Musikern genauso verteilt wie unter Nichtmusikern. Kluge, weniger kluge, Nerds und eher naive, Kreative und Einfältige, Fleißige und Faule, Arrogante und Bescheidene, Extrovertierte und Introvertierte. Man kann ohne Abitur und mit Doktortitel Klavier studieren, man kann das mit 16 oder 25 tun.

Es gibt gewisse Klischees unter Musikern, die auch oft zutreffen. Die depressiven arbeitswütigen Geiger, die dummen Bratscher, die Bläser sind die (männlichen) Säufer, die Jazzer nehmen Drogen, die Gitarristen können nix, die Tenöre haben keine Ahnung, die Altistinnen sind beleidigt, die Sopräne sind Diven, die Dirigenten wollen nur das Eine, die Organisten haben einen an der Waffel, die Schulmusiker kommen vom bayerischen Kaff und schwafeln besserwisserisch daher, die Pianisten leben in ihrer Übekabine und gönnen sich nix, die Holzbläser sind mit ihren Holzblättchen beschäftigt... :lol: Ähnlich wie die Klischees über Landsleute oft zutreffen, für den Einzelnen aber gar nix bedeuten, sind auch die Instrumentalistenklischees lustig und enthalten einen wahren Kern. Ob ein einzelner Pianist nun arrogant ist oder nicht, ist schwer zu sagen.
Göttlich !!!! 😁😁😁😁😁🤗🤗🤗🤗🤗👍🏻👍🏻👍🏻
 
Menschen, mit elitärem Hochmut sind nicht nur bei Musikern zu finden, aber :007: .auch da vielleicht nicht selten.
 
Goethe rechtfertigt Klavierspielers (etc.) Arroganz:

Ein Mensch, der Musik nciht mag, ist kein Mensch.
Ein Mensch, der Musik mag, ist ein halber Mensch.
Ein Mensch, der musiziert, ist ein ganzer Mensch.

Ich habe auch diesen Fehler. Gehe niemals zu Fußballspielen, bin ungern in Menschenmengen, in der Straßenbahn, in Discos. Dort laufen mir viel zu viele Menschen herum, die ich für vollkommen uninteressant (für mich...) halte. Das Gegröhle in der Straßenbahn zum Futzbohlspiel ist mir eine Qual. Es ist eine Perversion von Musik.
Dass ich das so sehe, ist mein Ding. Meine Freiheit.

Wenn ich das herauslasse..., dann BIN ich nicht arrogant, ich VERHALTE mich arrogant - und das ist ein Fehler, denn der andere hat vielleicht eine Knarre, ein Messer...., oder die besser trainierten Fäuste.

Klavierspieler sind in der Regel nicht die dümmsten Mitmenschen. Sie sind sich großenteils bewusst, insofern "etwas Besonderes" zu sein, WEIL sie sich der Mühen unterzogen hatten, es in der Musik zu etwas zu bringen, zu üben..., jahrelang, eine Mühe, die sich andere Menschen nicht gaben. Daher sprießt dann teils ... (nicht immer) arrogantes Verhalten. Was beim Zeigen ein Fehler ist.

Da aber viele Menschen mit Arroganz gelegentlich konfrontiert sind, gibt es auch vielerlei antrainiertes Verhalten der anderen GEGEN Arroganz.
 

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