Schöneres Spiel durch Verinnerlichung der Musik. Warum?

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newbie123

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Hallo,

ich habe eine grundsätzliche Frage.
Meine Klavierlehrerin hat mich darum gebeten die Stücke die ich spiele mitzusingen. Beide Hände jeweils für sich. Damit ich die Töne/Melodien besser verstehe. Ich habe bisher einfach immer die Noten abgespielt und kann zwar natürlich alle Stücke "korrekt" spielen, jedoch muss ich selbst sagen, das mein Spiel etwas maschinenartig klingt, da ich u.A. auch viel mit dem Metronom übe.
Nun ist mir aufgefallen, dass, wenn ich mitsinge, ich dadurch auch gezwungen bin, die Noten bzw. Notenabfolgen viel mehr zu verinnerlichen. Das passiert natürlich nur, wenn ich wirklich die richtigen Töne treffe beim Singen. Und das wiederum schaffe ich teils nur, wenn ich wirklich Note für Note langsam singe, da ja Stücke nicht immer nur einfache Melodien haben.
Das Ergebnis ist ein schöneres Spiel des Stückes.

Meine Frage ist nun aber. Warum ist das so? Rein technisch kann man ja bei einer Klaviertaste nur die Länge des Drucks bestimmen, also die Tonlänge, und die Stärke, also die Tonlautstärke. Ich sehe rein technisch nur zwei Variablen. Warum also wird das Klavierspiel schöner, wenn man die Musik verinnerlicht hat? Weil ich meiner Meinung nach die jeweilige Tonlänge der Töne kaum verändere und auch nicht die Lautstärke. Trotzdem klingt das Spiel nach "Gesangsverinnerlichung" besser, als wenn ich es "nur" "maschinenartig" spiele. Ich frage mich welche weitere Variablen dazu kommen (die man auch rein technisch erklären kann) dass das Stück auf einmal anders klingt. Ich frage mich halt, ob dass schönere Spiel dann nicht nur Einbildung ist.
Also kann mir jemand weitere, außer den zwei von mir genannten, technisch erklärbaren (mit technisch erklärbar meine ich anhand des Klaviers, also Taste/Hammer/Saite, an sich) Variablen nennen, welche das Hörerlebnis bestimmen.

Grüße

Andreas
 
Mitsingen ist immer gut :001: Schon alleine durch die Atmung beim Singen bekommst du i.d.R. einen natürlichen Rhythmus und zwar besser als mit dem Metronom. Ich -als Anfänger- singe meistens mit, auch wenn ich die Melodie vorher noch nicht gekannt habe. Durch das Mitsingen der Noten bekomme ich ein besseres Gespür für das Stück und die Finger flutschten dann auch leichter über Tastatur :007:
 
als absoluter Laie, was das Klavierspiel anbelangt, erlaube ich mir trotzdem eine Antwort:
eine zusätzliche Variable wäre z. B. das Pedal bzw. die Pedale. Zeitpunkt, Dauer, Schnelligkeit beeinflussen das Spiel enorm.
Was vielleicht auch noch dazu kommt:
Wenn Du mitsingst, werden andere Areale des Gehirns aktiviert, nämlich diejenigen, die für das Gefühl, für die Stimmung verantwortlich sind. Im Zusammenspiel mit den rein mechanischen Komponenten ergibt sich dann ein gefälligeres, musikalischeres Ergebnis. Es sind manchmal nur Nuancen, aber genau das macht den Unterschied. Und wenn dann noch eine jahrelange Erfahrung ins Spiel kommt, wird das Erlebnis Klavierspielen zu einer Tätigkeit mit extremer Suchtgefahr!

Blöder Vergleich:
moderne Sportautos besitzen i.d.R. zwei Pedale und ein Lenkrad. Die Anzahl der aktiv beeinflussbaren Variablen ist also überschaubar. Wenn ich z.B. damit hantiere bewegt sich das Auto (meist) in eine gewünschte Richtung. Punkt!
Wenn ein gewisser Herr Röhrl mit Pedalen und Lenkrad spielt und dabei noch mit Händen und Füßen aus dem reichhaltigen Erfahrungsschatz seiner Karriere erzählt, während Fahrer und Beifahrer durch die Seitenscheibe nach vorne sehen, resultiert daraus ein unvergessliches Ereignis. Selbst erlebt mit einem Derivat eines schwäbischen Schrauber-(Zauber)kastens und mehr als 600 PS.
 
Schön Klavier spielen heißt eben nicht nur, zur richtigen Zeit die richtige Taste anschlagen. Das merkst du gerade selbst. Kann sein, dein Tempo variiert unmerklich, die Phrasierung gelingt besser als vorher, die Lautstärke regulierst du feiner etc. , kurz gesagt: Dein Vortrag wird "beseelt". So wie man einen Text vorlesen kann, ganz korrekt, ohne innerlich beteiligt zu sein - oder eben "ganz nah dran".

Statt das mechanisch erklären zu wollen ("Nuancen" ist da das passende Stichwort), würde ich dir eher raten, dir unterschiedliche Interpretationen derselben Stücke anzuhören. Auch wenn man es sich nicht erklären kann: Die Unterschiede hört man. Dafür muss man nicht jahrzehntelang Musik studiert haben.

Der nächste Schritt wäre, die blumigen Bezeichnungen für den musikalischen Vortrag umzusetzen. Wie spielt man "dolce"? Schwer zu erklären, aber zu erspüren. Trotzdem wird dir deine Klavierlehrerin auch hierfür technische Tipps geben.
 
Singen ist auf jeden Fall ein guter Rat! Man muss lernen, mit dem Körper Klavier zu spielen, der Hinweis auf das Atmen ist gerade auch bei Liedern und cantablen Werken sehr wichtig, z.B. für die Phrasierungen. Letztlich geht es darum, die innere Klangvorstellung auf das Instrument zu übertragen, und mit ihm so etwas wie eine Symbiose einzugehen. Hilfreich ist es dazu übrigens auch, sehr viel und sehr unterschiedliche Klavierwerke zu hören, gespielt von verschiedenen Meistern, damit sich in dir das ganze Spektrum an Klangmöglichkeiten des Klaviers verinnerlicht.
Ein weiteres Beispiel wäre es, Fugenthemen zu singen, um sie nicht achtlos einzuführen, oder bei Bachs polyphonierender Homophonie ( u.A. in den Chorälen) immer auch Alt, Tenor und Bass allein zu spielen/singen, um die Horizontalität und Schönheit dieser quasi selbständigen Stimmen wahzunehmen und zu gestalten. Es geht da nicht darum, unter die Melodie noch Akkorde "zu klatschen". Es gäbe 1000 Beispiele.
Als Übung kann man auch einmal eine Tonleiter singen und gestalten, als ob es eine Arie wäre. Du stellst fest: der Grundton ist vielleicht etwas länger, dann folgt ein stufenloses crescendo, im letzten Viertel noch ein leichtes ritardando, und der Schlusston als Höhepunkt wird mit leichtem Rubato verzögert eingesungen. Dann spiel diese Folge mal auf dem Klavier, damit es genauso gesanglich zum Ausdruck kommt...
 
Es gibt beim Klavierspiel tatsächlich auf jeden einzelnen Anschlag bezogen nur eine Variable, nämlich die Geschwindigkeit des Hammers beim Auftreffen auf die Saite. Und dann kann man durch Loslassen der Taste noch den Ton beenden, wenn er nicht sowieso schon verklungen ist.
ABER: gutes Klavierspiel wird durch eine Vielzahl von Komplexparametern bestimmt. Also nicht Lautstärke als einziger Parameter, sondern Lautstärke im Verhältnis zu den vorangehenden und nachfolgenden Tönen, dazu wirken Artikulation, Mikroagogik und eventuell die Balance der Hände zusammen. Es ist völlig ausgeschlossen, selbst bei einer einfachen einstimmigen Linie alle diese Elemente in ihrem hochkomplizierten Wechselspiel zu beschreiben oder zu beherrschen. Das Selbstsingen bietet einen Weg ein selbserzeugtes Vorbild zu finden, das uns hilft diese unlösbare Aufgabe zu lösen!
Wenn wir dann wirklich schwierigere Aufgaben bewältigen müssen oder wollen, muss immer wieder eine Möglichkeit gefunden werden in einer unentwirrbaren Kombination von bewusstem und unbewusstem Vorgehen diese künstlerische Arbeit zu tun!
Das macht das Ganze auch nach vielen Jahren noch spannend!
 
Rein technisch kann man ja bei einer Klaviertaste nur die Länge des Drucks bestimmen, also die Tonlänge, und die Stärke, also die Tonlautstärke. Ich sehe rein technisch nur zwei Variablen. Warum also wird das Klavierspiel schöner, wenn man die Musik verinnerlicht hat?
Du hast den Zeitpunkt des Anschlages vergessen und damit die sogenannte Agogik: (etwas) verlangsamen, beschleunigen in der Tonabfolge, (etwas) innehalten /verspätet, (etwas) vorzeitig.

Wie Stephan schon beschrieben hat, fordert die Musik selbst es heraus, z.B. einen (in den Tonhöhen) steigenden Lauf, der in einem prägnanten gehaltenen Schlusston (akkord) endet. Durch Beschleunigung der Tonabfolge (und(oder) Anschwellen der Lautstärke) wird Spannung erzeugt, dann kurz vor dem jetzt sehnlichst erwarteten krönenden Abschluss leicht innehalten (verzögern) und dann je nach Beseelung schmettern oder entgegengesetzt der Erwartung Lautstärke zurücknehmen.

In einem anderen Faden hatte ich angedeutet, dass man aus Profiaufnahmen mal heraushört, was die da in dieser Beziehung (also Agogik und Dynamik bzw. in punkto Tempoänderungen (Päuschen) und Lautstärkenänderungen ) da machen , am besten beim Mitlesen in die Noten eintragen.

Das Singen ist nur die Vorstufe vom innerlichen mitsingen, dass man mit der Zeit eigentlich automatisch macht, also man hört sich nicht selbst zu, sondern ist innerlich stimmführend, wie ein Chorsänger, er singt mit, muss aber auch die anderen Stimmen "mitfühlen") Bei einem mehrstimmigen Stück wird man auch mal die Stimme wechseln, und damit das Stück gestalten.
 
@newbie123

Hast Du schon mal Kindern zugehört, die einen Text ablesen? Sie lesen, sprechen, atmen, machen technisch also nichts anderes als beim normalen Sprechen auch - aber der Text "fließt nicht". Kein Sprechen von innen heraus, sondern nach äußerer Vorgabe. Es ist ein "fremder" Text (sogar wenn er selbst verfasst wurde!).

Übertragen auf die Musik: Der Notentext wird korrekt wiedergegeben, aber er bleibt in letzter Konsequenz fremd, eine "äußere Vorgabe".

Das Mitsingen funktioniert nicht ohne eine innere Vorstellung dessen, was man singen wird. Diese innere Vorstellung IST die Musik und muss später nicht mehr durch Singen unterstützt werden. Anfängliches Mitsingen erleichtert den Aneignungsprozess, also das Überwinden der unsichtbaren Barriere Noten + Instrument: dort, ich: hier, dazwischen: ein Gap.
 
Steh auf der Leitung: was ist denn ein "Gap"?
 

Hallo Newbie, wie viele Anfänger glaubst auch Du, dass die Noten die Musik sind …. völlig falsch!
Noten sind der unvollkommene Versuch, Musik (also ein Hörerlebnis) in ein optisches Gerüst zu zwingen. Dabei geht Musikalität zweimal verloren: Jedes mal wenn diese Umwandlung erfolgt! Der Komponist hat Musik im Kopf und versucht diese Musik irgendwie authentisch aufzuschreiben, der Musiker, der das geschriebene wieder in Musik verwandeln will. Hier nun beginnt die Schwierigkeit: Dem Laien wird diese Transformation immer nur ungenügend gelingen. Aber es hilft, ein Musikstück zu "verinnerlichen" … das heisst Rhythmik und Harmonik zu begreifen, den Hintergrund des Stücks zu erforschen (was bewegt den Komponisten, wie ist das Stück in der Musikgeschichte einzuordnen, Stilananlyse und vieles mehr …). Hilfreich ist auch, durch Gesang ein Klangbild im Kopf zu erzeugen, das dann wieder auf den Tasten umgesetzt (jedenfalls - je nach Fertigkeit - mehr oder weniger) werden kann. Heraus kommt: Der Unterschied zwischen dem Abarbeiten eines Noten-Programms und Musik.
 
Hallo Newbie, wie viele Anfänger glaubst auch Du, dass die Noten die Musik sind …. völlig falsch!
Noten sind der unvollkommene Versuch, Musik (also ein Hörerlebnis) in ein optisches Gerüst zu zwingen. Dabei geht Musikalität zweimal verloren: Jedes mal wenn diese Umwandlung erfolgt! Der Komponist hat Musik im Kopf und versucht diese Musik irgendwie authentisch aufzuschreiben, der Musiker, der das geschriebene wieder in Musik verwandeln will.
Nein @hyp408
deine Erklärung ist nicht ok, du solltest einiges daran korrigieren!
Die Notenschrift als Zeichensystem ist nicht weniger praktikabel, als die Schrift als Zeichensystem, mittels welchem wir hier kommunizieren! Du hast beim lesen keine Probleme damit, lange und kurze Vokale zu erkennen, du radebrechst nicht lesend über sch und chs, liest "liest" mit langem i und nicht li-est usw usw
Der Musiker hat kein Problem damit, die tradierten Nuancen in einer Partitur zu erkennen (in keiner Partitur steht "Begleitung leiser als Melodie", in keinem Roman steht "ie ist langes i, nicht i-e zu sprechen")
Der Komponist hat gar keine andere Möglichkeit, als seine Klangvorstellungen auf Notenpapier zu fixieren: oder wie hätte Bach seine Matthäuspassion, Wagner seine Opern, Mahler seine Sinfonien darstellen sollen? Bach, Wagner, Mahler: die konnten nicht einmal alle Instrumente ihrer Orchester spielen, geschweige denn alle Stimmlagen von Bass bis Koloratursopran singen.
Bitte verabschiede dich von der Fehlinformation, dass die Notation nur ein vager Notbehelf sei: sie ist nicht weniger praktikabel, als etwa die Schrift für ein Drama - dass beides aufgeführt werden soll, ist eine Binsenweisheit, aber eine Aufführung ohne Schrift und ohne Noten...

Allerdings wäre das wirkliche verstehen einer Notenvorlage primär zu empfehlen, bevor etwas fehlerbehaftetes (evtl. mit falschem Rhythmus etc) "verinnerlicht" wird ;-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Rolf, bin mit Deiner Argumentation einverstanden. Und natürlich sind die Noten das einzige (und bisher beste) System Musik "aufzuschreiben". Aber ähnlich wie die Schrift den Vortrag nur unvollständig umsetzen kann, so sind auch Noten nur ein Hilfsmittel, Musik zu beschreiben … und stellen nicht die "Musik" als solche dar. Deswegen glaube ich, dass es falsch ist, die Noten (ohne ergänzendes Studium der Musikstücke) als einzige Quelle der musikalischen Interpretation zu verwenden.

Beispiel: Was mir meine (russische) Klavierlehrerin alleine ergänzend zu einer Brahms-Ballade erklärt hat …. Die Noten sind immer noch die selben … aber das Stück wird jetzt ganz anders interpretiert und klingt auch nicht mehr wie vorher. Ich denke, Profis erarbeiten sich so etwas, dass über den Notentext hinausgeht. Eine erste, einfache Stufe ist m.E. ein Stück gesanglich zu erfassen … Das habe ich gemeint (vielleicht etwas missverständlich) ...
 
@hyp408 Profis haben eigentlich keine anderen Noten - aber kennen musikalische Zusammenhänge, welche allerdings in den Noten impliziert sind (!!) und welche nicht minutiös immer wieder dazugedruckt werden müssen (sonst wäre ein kurzes Prelude ein dickes Buch) und eigentlich wird nichts erarbeitet, was über den Notentext hinaus geht.
Ohne lesen, schreiben und ergo ohne Schrift kein Wallensteins Lager - ohne notenlesen, musikverstehen und Instrument beherrschen kein Neujahrskonzert ;-)
 
Hallo,

habe mir alles durchgelesen. Hat mir sehr geholfen.
Ich merke jetzt (nach 3 Tagen) schon einen extremen Unterschied, wenn ich mitsinge.
Das ist ein ganz neues Gebiet für mich und, ich glaube, eine Chance von meinem mechanischen Spiel zu einem schönen Spiel zu kommen.

Grüße
 
Nein @hyp408
deine Erklärung ist nicht ok, du solltest einiges daran korrigieren!
Die Notenschrift als Zeichensystem ist nicht weniger praktikabel, als die Schrift als Zeichensystem, mittels welchem wir hier kommunizieren! Du hast beim lesen keine Probleme damit, lange und kurze Vokale zu erkennen, du radebrechst nicht lesend über sch und chs, liest "liest" mit langem i und nicht li-est usw usw
Der Musiker hat kein Problem damit, die tradierten Nuancen in einer Partitur zu erkennen (in keiner Partitur steht "Begleitung leiser als Melodie", in keinem Roman steht "ie ist langes i, nicht i-e zu sprechen")
Der Komponist hat gar keine andere Möglichkeit, als seine Klangvorstellungen auf Notenpapier zu fixieren: oder wie hätte Bach seine Matthäuspassion, Wagner seine Opern, Mahler seine Sinfonien darstellen sollen? Bach, Wagner, Mahler: die konnten nicht einmal alle Instrumente ihrer Orchester spielen, geschweige denn alle Stimmlagen von Bass bis Koloratursopran singen.
Bitte verabschiede dich von der Fehlinformation, dass die Notation nur ein vager Notbehelf sei: sie ist nicht weniger praktikabel, als etwa die Schrift für ein Drama - dass beides aufgeführt werden soll, ist eine Binsenweisheit, aber eine Aufführung ohne Schrift und ohne Noten...

Allerdings wäre das wirkliche verstehen einer Notenvorlage primär zu empfehlen, bevor etwas fehlerbehaftetes (evtl. mit falschem Rhythmus etc) "verinnerlicht" wird ;-)

Könnte ja auch ein Legastheniker sein, der die Schrift für "nur einen Notbehelf" hält...;-)
 

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