Richtige Interpretationen gelingen nur, wenn man schonmal verliebt war! -Wirklich?

S

Sabri

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Hallo Sabri,

das erinnert mich an ein Erlebnis aus meiner aktiven Chorsängerzeit.
Wie haben den "Paulus" von Mendelssohn gesungen (übrigens eins meiner Lieblingsstücke), darin gibt es einen Chorsatz: "Sehet, welch eine Liebe".
Und unser Chorleiter hat uns praktisch genau den gleichen Tipp gegeben wie Dir Deine Klavierlehrerin.
Es klang tatsächlich gleich viel, viel schöner...:)

Um welches Stück geht es denn in der Diskussion mit Deiner Lehrerin?

Ich denke, generell ist es schon so, dass eigene "Lebenserfahrungen" und Gefühle, die man selbst erlebt hat (gleich welcher Art) bei der eigenen Gestaltung von Musik helfen.

Wenn man diese Erfahrungen selbst noch nicht hat, kann man natürlich auch versuchen, sie auf andere Weise irgendwie "nachzuvollziehen" (z. B. aus Erzählungen, einem Film, usw.)

Viel Erfolg!:-P
 
"Richtige Interpretationen gelingen nur, wenn man schonmal verliebt war! -Wirklich?"

Also das ist nun wirklich der größte Blödsinn

okay, ich kann nicht schreiben "den ich jemals gehört habe", da einer meiner Musiklehrer am Gymnasium auch der Überzeugung war, aber das ist ein typisches Denken der Kitschromantik. Sorry, ich kann da wirklich nur drüber lachen.
 
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Oder von Liszt Consolation Nr.3: Auch eigentlich ein Stück zum "vom Blatt spielen", aber ich konnte mich interpretatorisch anstrengen wie ich wollte - es war nie ganz so, wie es sein sollte (und wenn dann nur durch Zufall).

Nana, das klingt auch eni bisschen überheblich, sooo einfach ist das nun auch wieder nicht. Und beim Vom-Blatt-Spielen kann man auf die Interpretation ja kaum verzichten (die Dir ja wohl nur schwer gelingt). ;)
Nur am Notenfressen? :(
 
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okay,

natürlich reden wir über das gleiche Stück.
Naja, dann ist das aber doch Tastendrücken und nicht Spielen.
BTW: die Interpretation Rubinsteins gefällt mir nicht gut, v.a. verglichen mit
Horowitz (in Wien).
 
Wenn man ein Gefühl nicht kennt, kann man es schwerlich nachvollziehen. Ein Stück über das Verliebtsein ist also nicht so leicht zu interpretieren, wenn man noch nie verliebt war. Deswegen behaupte ich ja, daß man zum guten Klavierspielen ein einigermaßen funktionierendes Gefühlsleben benötigt.

Aber daß sich verliebt sein auf die Spielfähigkeit im allgemeinen auswirken soll, ist natürlich Blödsinn.

Aber verliebt gewesen ist doch ziemlich jeder schon mal, das geht auch ohne sexuelle Reife - sei es nun der Junge von Nebenan, die erste Katze oder Samson von der Sesamstraße. Sowas passiert schon im Kindergarten!

Aber die Äußerung deiner Klavierlehrin zeigt mal wieder, wie verklärt manche Kunst sehen. Es gibt nämlich auch häßliche und gewalttätige Musik. Um die zu spielen, muß man auch nicht gleich zum Glöckner oder Mörder werden.
 
Ich könnte mir schon vorstellen, dass die gespielte Musik objektiv intensiver interpretiert wird, dass bei einem langsamen, traurigen Satz die Schlusstöne leise wie nie klingen oder dass eine aggressive Musik nach einem Streit deutlich schneller und intensiver aber damit womöglich noch authentischer interpretiert wird.

Die Aussage "Richtige Interpretationen gelingen nur, wenn man schonmal verliebt war" finde ich aber ähnlich wie Haydnspaß dann doch übertrieben. Aber sich in den entsprechenden Gefühlszustand, den man vermitteln will, zumindest ansatzweise zu versetzen (schließlich sollte man sich nicht soweit mitreißen lassen, dass es das eigene Spiel negativ beeinflusst) kann ja doch zu einem gelungenen Vortrag beitragen.
 
Ein Beitrag von 1753:

§. 13. Indem der Musickus nicht anders rühren kan, er sey dann selbst gerührt; so muß er nothwendig sich selbst in alle Affeckten setzen können, welche er bey seinen Zuhörern erregen will; er giebt ihnen seine Empfindungen zu verstehen und bewegt sie solchergestallt am besten zur Mit=Empfindung. Bey matten und traurigen Stellen wird er matt und traurig. Man sieht und hört es ihm an.

Dieses geschieht ebenfals bey heftigen, lustigen, und andern Arten von Gedancken, wo er sich alsdenn in diese Affeckten setzet. Kaum, daß er den einen stillt, so erregt er einen andern, folglich wechselt er beständig mit Leidenschaften ab. Diese Schuldigkeit beobachtet er überhaupt bey Stücken, welche ausdrückend gesetzt sind, sie mögen von ihm selbst oder von jemand anders herrühren; im letzten Fall muß er dieselbe Leidenschaften bey sich empfinden, welche der Urheber des fremden Stückes bey dessen Verfertigung hatte.​
Carl Philipp Emanuel Bach: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen [erster Teil]. Hamburg 1753. S. 122
 

kölnklavier, schönes Zitat!

Es gibt so viele unterschiedliche Gefühlsregungen. Wieso ausgerechnet das Verliebt-gewesen-sein so eine herausragende Stellung einnehmen soll, will mir da schon garnicht einleuchten.

Consolation heißt ja Tröstung. Traurig sein, getröstet werden - darum gehts bei diesen Stücken.
 
Stimmt,

das wäre zu einseitig, sich auf das Verliebt-gewesen-sein zu beschränken.

Prinzipiell finde ich, dass sehr emotionale Erfahrungen schon eine Voraussetzung
zum Musizieren sind - vielleicht ist das mit dem Verliebtsein nur ein Beispiel.
Ich glaube, es funktioniert letztendlich nicht so gut, wenn sich jemand etwas,
das er nicht selbst erlebt hat oder gut nachempfinden kann, nur vorstellt und
darauf eine Interpretation aufbaut. Vor dem Hintergrund wirklich durchlebter Erfahrungen zu interpretieren ist vermutlich in letzter Konsequenz authentischer, glaubhafter.
Vielleicht gefallen die alten Männer am Klavier auch nur besser, weil sie optisch so elegant und weise wirken . Glaub ich aber nicht.
 
die Lebenserfahrung

Musik wird oft als die Sprache bezeichnet, die vieles ausdrücken kann, was mit worten nicht mehr gesagt werden kann.

Dies gilt im Besondern auch für die Gefühlswelt. Musik kann Gefühle ausdrücken und transportieren, die es in der real erlebten Welt garnicht gibt. Dies ist der transzendentale Effekt in der Musik, der über unseren Erfahrungshorizont hinaus reicht.

Kleine geniale Musiker sind vielleicht manchmal näher an solchen Erfahrungen, als der bereits im Abstumpfen begriffene ältere Mensch,, wobei dies nicht zwangsläufig so sein muss.

Alltagsgefühle, wie das Verliebtsein lassen sich wohl kaum in Musik adäquat abbilden.
wollte man sämtliche Affekte beschreiben wollen, die einen beim Studium des Scarbo heimsuchen, würde man sicher einige vergessen und von Interpret zu Interpret käme es zu völlig verschiedenen Wahrnehmungen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass grössere Lebenserfahrung auch in die Interpretation einfliesst, ist gegeben. An derart konkreten Gefühlen wie dem Verliebtsein würde ich allerdings keinen Nutzen in bezug auf stimmige Interpretaion ziehen wollen.

Eine junge Dame - sicherlich aus gutem Haus - äusserte eines Morgens:

" Ach, ich bin heute wieder so verliebt, ich weiss aber nicht in wen"
 
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Hallo Sabri,

da ich das Impromptu auch gerade lerne, ist die Gefühlsdiskussion eine interessante Anregung für mich. Ich werde das mal umgehend beobachten, welchen Einfluß es auf mein Spiel hat.
Es ist nur ein kleines Stück (Schubert Impromptu Nr.2 in As-Dur (das mit den Akkorden am Anfang)). Eigentlich ist es ein "2-mal-durchspielen-und-fertig" Stück, aber dann gibts Kommentare wie "Das ist Schubert und nicht Czerny!"
Oder von Liszt Consolation Nr.3: Auch eigentlich ein Stück zum "vom Blatt spielen" ...
Das ist nicht Dein Ernst, oder? Wie gut kannst Du denn spielen, daß Du es einfach mal so durchspielst? Da würde mich ja mal eine Aufnahme interessieren :D

Spaß beseite; wenn ich mir mal die vielen CD-Einspielungen anhöre, die es so gibt, dann ist doch die Auslegung der Pianisten sehr unterschiedlich. Ich glaub, ganz so trivial ist Schubert nicht.

Hans
 
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lg
 
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Würdet ihr der Aussage nun zustimmen oder seid ihr der Meinung, dass es auch so geht?

LG

Hallo liebe Sabri,

meine Meinung ist, Deine Lehrerin hat Recht!
Für Frédéric Chopin, Franz Liszt und Sergei Rachmaninoff braucht man diese Gefühle auf jeden Fall!
Hängt auch von den verschiedenen Komponisten ab.

Sergei Rachmaninoff sagte mal: Musik soll zunächst vom Herzen kommen und nicht vom Verstand.
Einige Komponisten komponieren über ihr Land, ihrer Religion und ihren Liebschaften.

Gerade in der Musik des 19. Jhts. spielt das "Verliebt sein" in der Musik eine große Rolle. Nur ein Beispiel: Schumann's Dichterliebe. Wie soll jemand solche Musik interpretieren, der noch nie verliebt war?
Und auch in zahlreichen Klavierstücken ist das "Verliebt sein" oder "Liebesleid" enthalten.

Gerade die Musik wird für die Gefühle der Liebe verwendet. Warum? Ganz einfach, weil man diese Gefühle mit Worten nicht beschreiben kann, aber man kann sie mit Musik beschreiben.

Viele verstehen diese Stellen aber nicht, wenn sie noch nie verliebt waren, oder nicht wissen was Liebeskummer ist und können daher logerischweise diese Stellen unmöglich nachvollziehen.

In einem Brahms "Chorsatz mit Klavier" heißt es: Wer da nicht zu seufzen weiß, lernt es unter'm lieben"

Genauso ist es in der Musik: Wer diese Stelle nicht zu interpretieren weiß, lernt es unter'm lieben!

Und das ist meine Meinung
Liebe Grüße, Mario
 
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Um es mal ganz deutlich zu sagen: Ab einem gewissen Alter (schätzungsweise 4-6 Jahre) geht es nicht ohne die Erfahrung gemacht zu haben, verliebt zu sein. Denn das passiert jedem psychisch halbwegs gesunden Menschen!

Das einzige Problem ist, daß es Menschen mit gewissen Lebenseinstellungen (nicht nur Männer!) nicht merken, und dann können sie es natürlich nicht umsetzen.

Nebenbei bemerkt: Lieben und verliebt sein sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Das eine ist eine aktive Handlung, das andere ein undefinierbarer Zustand des Gefühlslebens, den man nahezu überhaupt nicht unter Kontrolle hat. Musik beschäftigt sich natürlich mit beidem.
 
Ich weiß zuallerest mal gar nicht, wie es möglich sein kann, ab einem bestimmten Alter noch nie verliebt gewesen zu sein. Ging bei mir schon im Kindergarten los:D

Nebenbei bemerkt: Lieben und verliebt sein sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Das eine ist eine aktive Handlung, das andere ein undefinierbarer Zustand des Gefühlslebens, den man nahezu überhaupt nicht unter Kontrolle hat. Musik beschäftigt sich natürlich mit beidem.
Allerdings. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es Stücke gibt, die Liebesleid, als verliebt sein ausdrücken (hab selbst erst so eins komponiert), weil man Schmerz sehr gut durch die Musik ausdrücken kann.
Ein Stück, welches allerdings wirklich Liebe ausdrückt will ich doch erst mal hören. Kann mir nicht vorstellen, wie man sowas durch die Musik ausdrücken soll.
 

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