Regulation Flügelmechanik, Renner Baujahr 1984

  • Ersteller des Themas daydreamer0815
  • Erstellungsdatum

D

daydreamer0815

Dabei seit
11. Aug. 2010
Beiträge
178
Reaktionen
17
Ich habe heute einen Flügel besichtigt (Feurich) der eigentlich in einem hervorragenden Zustand ist, er hatte jedoch an einigen Tasten den Fehler, dass sich der Ton anschlagen ließ, die Taste dann losgelassen wurde und ein erneutes anschlagen nicht möglich ist. Die Taste blockierte dann ca. bei 1 mm Tiefgang und es wurde kein Ton angeschlagen. Wartete man dann eine Weile, ca. 15 Sekunden, dann ließ sich der Ton wieder anschlagen.
Kann da eine aufwendige Nachregulation notwendig sein? Oder ist der Fehler eher gering. Der Flügel an sich ist in sehr gutem, wenig gespieltem Zustand. Die Raumtemperatur war etwas niedrig und er hat schon einige Tage dort in einem Haus gestanden in dem niemand war. Wird wohl wegen eines Erbfalles veräußert. Oder sind die Gründe in unsachgemäßem Gebrauch zu suchen?
 
Hallo Daydreamer0ß15,

Am ehesten liegt das beschriebene Phänomen an festgefressenen Stoßzungenachsen.
Wenn der Fehler wo anders liegt ist er wahrscheinlich mit weniger Aufwand zu beheben. Im allerschlimmsten Fall müsste man die Hebeglieder ausbauen und die Garnierungen ausreiben, Stoßzungenachsen ersetzen - und das womöglich bei allen 88 ...
Wenn man Glück hat betrifft es wirklich nur ein paar wenige Achsen. Aber ich würde alle durchkontrollieren und wenn zwischen drinnen immer wieder ein paar zaghaft gehen, gar nicht lange Fackeln und alle ersetzen. Nichts ist blöder, als ein paar Achsen zu ersetzen und 2 Wochen später streiken die Nächsten.
Zeitaufwand der Arbeit aller Stoßzungenachsen ersetzen etwa 4-5 Stunden , Materialkosten ein paar Euro.
Manchmal geht es auch einfacher mit Schmier- bzw. Gleitmittel. Dann dauert die Aktion höchstens 15 Minuten.

LG
Michael
 
Vielen Dank für die fachkundige Antwort, genau von dir hätte ich auch so eine erwartet.
Kann da noch etwas die Standzeit eine Rolle spielen, seit 5 Jahren stand der Flügel ungenutzt und wurde nicht gespielt.
Talkum als Schmier und Gleitmittel?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hi Daydreamer,

das Problem ist bei Renner und speziell bei Mechaniken für Feurich aus dieser Zeit bekannt. (Mein Vater hatte die Vertretung von Feurich). Mit Talkum oder Protec usw. kommt man hier nicht besonders weit, da das Probelm immer wieder auftauchen wird. Ich rate zu einem Komplettaustausch der Achsen und wenn möglich der Garnierungen - so haben wir es jedenfalls immer gemacht.....

LG
 
Was würde der Komplettaustausch der Stoßzungenachsen kosten?
Was würde eine vollständige Überarbeitung der Garnierungen (Mechanik) kosten?
Nur als Richtwert, weil die Preise bei unterschiedlichen Geschäften unterschiedlich sind.
 
Weißt du, worin genau das Problem lag? Warum auch die Garnierung tauschen? War die mit irgendwas behandelt??

Die Achsen wurden einfach steif mit der Zeit. Ich denke - nur eine Vermutung von mir - es liegt am Kaschmir, denn die Achse an sich, kann sich ja eigentlich nicht verändern - außer sie korrodiert - aber dafür waren es zu viele Mechaniken und auch zu neu...........

Letztendlich denke ich, ist es aus Sicherheitsgründen besser die Garnierung neu zu machen, dann hat man wenigstes Ruhe !

LG
 
Der Grund, weshalb die Achsen mit der Zeit (und manchmal sogar superschnell) zu streng wurden ist mir so erklärt worden: Nach dem Einleimen der Garnierungen verging zuwenig Zeit (vielleicht hatte einer der Mitarbeiter das nicht beachtet) und die Achsstifte vorzeitig eingedrückt bzw. die Maschine die das macht zu schnell angeworfen ;-) . Was dann passierte, dass in der restlichen Trocknungsphase der Feuchtigkeits-Dampf durch die Garnierung hindurch am Achstift einwirkt statt an der Zulage. Es gab eine chemische Reaktion am Metall - durchaus mit haftender Wirkung. Bewegung und dadurch Reibung und entstehende Wärme verschärft die Schwergängigkeit statt des üblichen Lockerungseffektes. Dieses Problem führte bei Bösendorfer (während meiner Zeit im Werk) zu einem partiellen Produktionsstillstand. :rolleyes:

Die Garnierungen musste ich bei Mechaniken dieser Serie nie tauschen. Es reichte stets ein Aufreiben der Garnierung (Putzen) und neu Achsen.

@daydreamer0815 - Es muss nicht der Fall sein, aber ich gucke mir bei Verdacht alle Achsen (Gliederachsen, Hammerkapselachsen und Stoßzungenachsen) genau an und versuche auch gut gehende Achsen zu lockern. Werden sie bei schneller Bewegung und Malträtierung strenger, ist es am sinnvollsten alle Achsen zu tauschen.

LG
Michael
 
Nach dieser Theorie müßten doch die Garnierungen hart geworden sein und machen sie nach dem Aufreiben dann nicht zu viele Geräusche ?
Sahen die Achsen irgendwie verändert aus ?
Wenns ohne Neugarnierung geht ist das natürlich günstiger....

Fragen über Fragen.... ;)
 
Die Achsen sind dann etwas verfärbt, mehr nicht. Vielleicht fühlen sie sich nicht ganz glatt an. Jedenfalls hab ich sonst nichts entdecken können und mit dem Mikroskop hab ich sie nicht untersucht ;) . Es kann auch sein, dass sich winzige Metallspuren im Kasimir einlagern, daher ausreiben auf jeden Fall. Verhärtet sind die Garnierungen nicht. Sie werden ja nur hart, wenn mit zuviel Leim gearbeitet wurde. Das kann ich nicht bestätigen und trifft eher auf sehr alte weniger bekannte Mechanikhersteller zu. Der Test ist, eine etwas kleinere - z.b. 1,325er Achse und eine größere 1,35er im selben Loch zu vergleichen - der gefühlte Unterschied in der Gängigkeit soll nicht extrem sein, dann ist die Garnierung OK.

Edit: Dieser August Förster Flügel hat diese "Spezialbehandlung" erhalten. ;)
LG
Michael
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Der Test ist, eine etwas kleinere - z.b. 1,325er Achse und eine größere 1,35er im selben Loch zu vergleichen - der gefühlte Unterschied in der Gängigkeit soll nicht extrem sein, dann ist die Garnierung OK.

Das verstehe ich nicht so ganz. Wofür ist das denn ein Test? Und wofür spräche es, wenn die Gängigkeit extrem unterschiedlich wäre?

Was ich auch erstaunlich finde: durch die Reibung erwärmt sich die Achse (und die Garnierung). Dadurch zieht sich das Metall zusammen und müsste ja eigentlich dann gängiger in der Garnierung sein. Das einzige, was ich mir vorstellen könnte: es gibt eine chemische Reaktion an der Achse wie von Michael beschrieben. Kein Flugrost, sondern etwas anderes Chemisches. Bei Wärmeeinwirkung verstärkt sich dann dieser chemische Effekt. Aber was genau das sein soll, leuchtet mir nicht ein.

Und noch eine Frage drängt sich da auf: wie garniert man richtig? Ich garniere eigentlich nur alle 5 Jahre mal eine einzelne Kapsel, wenn es irgendwo nötig ist. Deswegen bin ich mir gar nicht sicher, wie das richtig geht. Aber ich nehme wenig Leim (um Durchschlag zu vermeiden) und nehme dann eine Achse als Zulage. Nach der Trocknung Achse raus und Filzreste mit Skalpell wegschneiden. Nach obiger Theorie dürfte ich ja dann die als Zulage verwendete Achse nicht nochmal als Achse nehmen, oder?
 

Ähem,

Metall dehnt sich bei Erwärmung aus ...
Nehmen wir also in erster Näherung den Wärmeausdehnungskoeffizienten von Stahl (ca. 13*10^-6/Grad Kelvin), und nehmen wir an, die entstehende Reibungswärme beim Spielen erhöht die Temperatur um 10 Grad (was sehr viel wäre), und nehmen wir an, der Achsendurchmesser sei vor der Erwärmung 1mm, dann ergibt sich ein neuer Durchmesser von
1mm*(1+10*13*10^-6) = 1mm*(1,00013)= 1,00013 mm

Fazit: die thermische Längenausdehnung kann man als Ursache für schwergängige Achsen vergessen.
 
Andersherum, schmickus, nehmen wir mal an, dass eine typische 1,3 mm Achse um wenigstens 0,01 mm dicker werden muss, um wesentlich strammer zu sitzen. Immerhin werden Achsen typisch nur in Größen bzw. Abständen von 0,025 mm verkauft. Eine Ausdehnung von 1,300 auf 1,310 mm entspräche dann, laut deinen Berechnungen, einem Temperaturanstieg von

(0,01/1,3) / (13x10^-6/°C) = 592°C. Die Kaschmirgarnierung wäre vermutlich schon längst versengt. Die Kapsel müsste, ohne Scherz, nach einem Triller förmlich rauchen!

Um 0,025 mm, also die nächste Größe, zu erreichen, müsste die Achse sogar um 1479°C erhitzt werden - die Achse, die Kapsel und vermutlich das ganze Klavier wären schon längst Schutt und Asche - bzw. vaporisiert.

Nur: warum aber liest man immer wieder von Reibungswärme als Ursache für stramme Achsen? Ist das ein Urban Legend?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Das verstehe ich nicht so ganz. Wofür ist das denn ein Test? Und wofür spräche es, wenn die Gängigkeit extrem unterschiedlich wäre?

Dass eine gesunde Garnierung sich ohne großen Kraftaufwand (sprich: Gängigkeitsunterschied) von 1,325 auf 1,35 mm aufweiten lässt? Bzw. dass eine verhärtete Garnierung das eben nicht tut, sondern nach 0,025 mm Aufweitung stramm sitzt?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Nur: warum aber liest man immer wieder von Reibungswärme als Ursache für stramme Achsen? Ist das ein Urban Legend?

Weil es eine Legende ist. Tatsächlich ist es eben völlig unklar woran es genau liegt, dass die Achsen bei diesen Mechaniken steif geworden sind.
Zwar schreibt Klaviermacher, dass es an einer chemischen Reaktion mit der Achse und dem Leim/Kleber geben könnte - tatsächlich - so glaube ich, ist dass aber auch nur eine Vermutung.

LG
 
Das verstehe ich nicht so ganz. Wofür ist das denn ein Test?
Der Test ist für die Härte der Garnierung. Ist sie verhärtet, geht die etwas dickere Achse kaum rein und die etwas dünnere ist schon fast zu locker. Der Test zeigt, ob eine durch Leim verhärtete Garnierung vorliegt oder nicht.

Zwar schreibt Klaviermacher, dass es an einer chemischen Reaktion mit der Achse und dem Leim/Kleber geben könnte - tatsächlich - so glaube ich, ist dass aber auch nur eine Vermutung.
LG
Jedenfalls hatte es mit der Wartezeit zu tun, nachdem die Garnierung eingeklebt worden ist - so die Erklärung von Renner lt. dem Werkstattleiter bei Bösendorfer. Der Leim muss trocken sein, bevor weiter gearbeitet wird.

LG
Michael
 
Könnte es bei den Renner-Mechaniken dieser Baujahre nicht "einfach" daran liegen, dass das Metall der Achsen, der Stahl, nicht korrosionsfest ist wie man es von anderen Baujahren und Firmen gewohnt ist? Die Achse rostet etwas und es ergibt sich zusätzliche Reibung, die dann dazu führt das das Hebeglied nicht zurückklappt, sondern erst langsam zurückgleitet.
 

Zurück
Top Bottom