quo vadis nach dem Zenit

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als wir nach dem denkwürdigen Konzert von Trifonov zusammen saßen schüttelte ein befreundeter Pianist , der uns begleitet hatte, den Kopf und meinte, "was soll der jetzt den Rest seines Lebens machen ? Besser kann man nicht mehr Klavierspielen, intensiver nicht mehr gestalten, erst 23 und alles erreicht , was man in diesem Beruf erreichen kann, Carnegie Hall, Albert Hall, Musikvereinssaal, alle großen Konzertsäle der Welt liegen ihm zu Füßen, Steigerung gibt es jetzt keine mehr...."

Bleibt sehr zu hoffen, dass so jemand uns als Pianist erhalten bleibt, aber viele Große schlitterten nach dem frühen Triumph in eine Krise, zogen sich vom Konzertleben zurück, Cliburn, Gould, Horowitz (der erst im Alter wieder begann aufzutreten). Liszt war kaum 40, als er am Zenit seines Ruhms "abdankte".

"was ist das doch für eine widerliche Notwendigkeit in dem Virtuosenberuf - dieses unausgesetzte Wiederkäuen derselben Sachen! Wie oftmals habe ich nicht die Erlkönig.Stute besteigen müssen!" schreib Liszt überdrüssig nach seinem Rückzug aus dem Konzertleben.

Freilich, ein Lang Lang wird nie in so eine Krise kommen, dazu ist er zu sehr Showman, aber für einen ernsthaften Musiker wie Trifonov könnte so früher Triumph gefährlich werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn wir vernünftigerweise annehmen, daß er um der Musik willen und um seiner selbst willen spielt und erst in zweiter Linie wegen des Broterwerbs, dann mag es vielleicht sein, daß es keine virtuose Steigerung mehr für ihn gibt, aber es gibt ein Feld der Vertiefung, dessen Grenzen noch gar nicht überschaubar sind. Er wird sein Repertoire erweitern und bei diesem Prozeß wird er Relationen zu dem bestehenden entdecken, die dessen (teilweise) Revision erfordern. Und er wird mit zunehmendem Alter die Erfahrung machen, die wir alle machen, nämlich das man Bekanntes neu und anders hört und er wird es neu und anders spielen. So er sich denn nicht vom Konzertbetrieb verheizen läßt, hat er noch eine große Entwicklung vor sich, und uns wird mit ihm nicht langweilig werden.
 

[...]Liszt war kaum 40, als er am Zenit seines Rums "abdankte".

"was ist das doch für eine widerliche Notwendigkeit in dem Virtuosenberuf - dieses unausgesetzte Wiederkäuen derselben Sachen! Wie oftmals habe ich nicht die Erlkönig.Stute besteigen müssen!" schreib Liszt überdrüssig nach seinem Rückzug aus dem Konzertleben.

Freilich, ein Lang Lang wird nie in so eine Krise kommen, dazu ist er zu sehr Showman, aber für einen ernsthaften Musiker wie Trifonov könnte so früher Triumph gefährlich werden.

Vielleicht. Aber vielleicht auch nicht. Um im Latein zu bleiben heißt es ja - mit wenigen Ausnahmen:

"post coitum omne animal triste est". Traurig, matt, niedergeschlagen, melancholisch, oder auch uninteressiert ist man also nach einem Höhepunkt... . Das könnte schon gefährlich werden, aber die ernsthaften Künstler von heute haben sicher auch psychologischen Beistand, so dass sie solche Gefühle meistern. Diese Unterstützung geht m.E. mit der Zeit und mit der Forschung. Heutzutage gibts neuere Erkenntnisse als zu Liszts Zeit, wie man negative Gedanken usw. ausschaltet.

LG, Olli
 
Ich denke er wird sich irgendwann etwas zurück ziehen und seine Herausforderung in anderen Werken suchen... Mozart, Schubert, Bach....
 
Man kann dirigieren, komponieren, unterrichten. Also Musik noch auf anderen Kanaelen kommunizieren als nur durch Klavierabende in groszen Konzerthaeusern. Auch laengere Pausen gehoeren zu einer solchen Karriere, warum nicht? Liszt, Schumann, sie haben sich anderer als nur Klaviermusik zugewandt. Man kann auch die Menschheit durch ein Mysterium retten wollen wie Skrjabin, die Musik war dann nur noch Teil einer uebergeordneten Idee. Lassen wir uns ueberraschen was Herrn Trifonov einfaellt, das ist ja auch das Spannende. Aber Herr Trifonov wird uns sicher noch eine ganze Reihe Jahre mit gelungenen Konzerten begeistern.
Jannis
 
Ich kann mir kaum Vorstellen, dass er es auch so sieht, dass er schon ganz oben angekommen ist.

Wenn man von unten hoch schaut, sind alle Berge hoch, aber wenn man oben ist, ist man noch lang nicht im Himmel.
Außerdem hat man nur eine begrenzte Blickweite, und was abseits davon liegt, kann man nicht mehr wahrnehmen. Sehr gute Musiker (da gibts ja noch andere in seinem Alter, z.B. Kit Armstrong) sind schon soviel weiter oben, dass sie auch noch deutlich höher sehen oder "erahnen" können und Ansprüche und Ideen entwickeln, die man als Anfänger, Amateur oder Feldwaldwiesen-Profi eben (noch) nicht wahrnimmt.

Dass das so ist, beweisen viele Anekdoten und Zitate von verstorbenen und lebenden Musikern, auch teilweise welche, die ich kenne.

Schubert hat wenige Jahre vor seinem Tod, als er schon Weltliteratur Komponiert hatte, nochmal Unterricht in Kontrapunktik genommen (bzw. hatte es vor, kam nicht mehr wirklich dazu).

Argerich, Horowitz, Gould, Richter, auch z.B. Chopin wurden von großer Auftrittsangst geplagt und / oder waren extrem unzufrieden mit sich selbst.

Ich kenne auch einen sehr erfolgreichen Pianist der im Liedduo spielt, hat Echopreise gewonnen, CDs herausgegeben etc., aber kurz vorm Konzert dann "Ich kanns ja net"...

Falls doch mal jemandem langweilig werden sollte, kann man ja Hamelins Tradition fortführen und eine Quadruple-Chopin-Etüde schreiben.
Oder alle 24 kombinieren, das wär doch mal eine lohnenswerte Fleißaufgabe :-D:heilig:
 
T ist dreiundzwanzig Jahre alt. Sich jetzt schon Gedanken über das anscheinend unausweichliche Ende seiner Karriere zu machen halte ich für etwas übertrieben.

Lasst den Jungen doch erstmal ein paar Jahre klimpern.

CW
 
Dem Problem widme ich mich gerne, wenn du sie komponierst :D
 
Ich schaue was sich machen lässt...
 

Einer, der die Musik liebt und innig und stark am Klavier hängt, wird eher nicht das Problem haben, was er im Rest seines Lebens nun anstellen solle... Man erinnere sich: bis zu den Zeiten des späten Liszt war ein Klaviervirtuose nur dann voll akzeptiert, wenn er mit seinen eigenen Kompositionen auf die Bühne ging.
NB ... Was komponiert Lang Lang? ;-)

Liszt hat dann später dirigiert, und sich um einen großen Pulk junger Menschen als Klavierschüler gekümmert.

Aber Liszt wollte davor Bühne, wollte auch (...) auf der Bühne glänzen, andererseits aber (eitel...) keinesfalls gegen andere verglichen werden und hierbei eventuell schlechter abschneiden... Das zeigt seine Auseinandersetzung, sein notorisches Reiben an Sigismund Thalberg, wer denn nun der anerkannt größere Held der Klavierbühne sei. Also hörte er "rechtzeitig" auf - als Solovirtuose, auf dem Höhepunkt seines Ruhmes.

Dass es Liszt auch um Musik gegangen ist, will ich ihm da nicht absprechen.

Einem 23-jährigen Ausnahmepinaisten heute aber zu unterstellen, er könne sich nicht mehr weiter-entwickeln, zeugt doch eher von mangelnder Vorstellungskraft des Urteilenden. Und lässt völlig außer acht, dass so ein junger Mensch mal, wie Mozart, Beethoven, Chopin, Musik schaffen könnte, die die Menschheit bisher weder kennt noch sich vorstellen kann oder mag.
 

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