Pianisten verändern Klavierstücke

der ist englischer Österreicher
 
@ Stimmt an die d- Moll Invention hate ich gar nicht gedacht.


aja ich hab das Beispiel mit den Editionen angeführt, weil in den Französischen Suiten der Ausgabe Edition Peters, doch Triller und Praller unterschieden Werken.
Bei Haltenbögen steht schon da Triller bei anderen eben ~
 
Ein interessantes Thema...

hm... ich dachte eigentlich immer, dass es genau anders herum ist, dass man in der Romantischen ( und z.T. modernen) Musik viel mehr Freiheiten hat, eigene Ideen mit einzubringen (siehe Chopin), und im Barock eher exakter (natürlich nicht wie ein Computer...) spielen sollte...
anders habe ich das noch nie gesehen-- aber interessant!
Nach den vielen Abschweifungen möchte ich noch etwas zum eigentlichen Thema sagen.
-Barock:
Ich halte es es für absolut legitim, eigene Verzierungen, Minikadenzen auf Fermaten, usw. einzubauen.
-Chopin:
Oft gibt es tatsächlich mehrere Fassungen, z. B. auch beim Fantaisie-Impromptu die (lange unveröffentlichte) Abschrift für die Baronin d'Este, (die sich von allen anderen Fassungen relativ stark unterscheidet). Ich finde, das zeigt, dass Chopin seine Musik (oft) nicht als "unverrückbar" bzw. "endgültig" gesehen hat.
-Dvorak:
Gerade bei ihm habe ich oft den Eindruck, dass er manchmal so schnell komponiert hat, dass an einigen Stellen (unbeabsichtigte?) Inkongruenzen in den Noten stehen, die so gering sind (z. B. im Bass), dass man sie gar nicht hört (aber sie sind mühsam einzustudieren). In diesen Fällen gleiche ich die Passagen dann an, wenn ich den Eindruck habe, dass ein (kritischer) Zuhörer sowieso keinen Unterschied zwischen den Abweichungen hören würde.
 
Da es ja eigentlich um Oktaven und nicht um Pralltriller ging, möchte ich noch hinzufügen, dass sich die Komponisten auch an die Klavierbautechnik ihrer Zeit halten mussten bei ihren Kompositionen. Gerade bei frühen Kompositionen für Cembalo / Klavier ist der Umfang der Klaviatur begrenzt, so dass es u.U. nicht möglich war, eine Oktav-Folge im Bass weiterzuführen, weil einfach die Tasten nicht vorhanden waren. Bei Beethoven z.B. gibt es Stellen, bei denen die Melodieführung normalerweise ein eingestrichenes (tiefes) E erfordern würde - das aber anders notiert wurde, weil das F1 der tiefste Ton auf der Klaviatur war.

Gerade an solchen Stellen halte ich es für mehr als legitim, vom Notenbild abzuweichen.
 
Das Oktavieren war im Barock eine durchaus übliche
Technik . Für das ' Italienische Konzert ' schreibt Bach
übrigens das zwei - manualige Cembalo vor , ebenso bei
den '' Goldberg- Variationen '' , ansonsten rechnete er
eher mit dem einmanualigen Instrument !

Grüße Prinz Eugen
 
Diese Feinheiten alle zu wissen ist sehr lobenswert.

Wenn es jedoch zu der Frage kommt, was wir "dürfen", dann müssen wir uns erst darüber klar werden wer eigentlich die Legislative (oder auch die Exekutive) ist.

Ich bin der festen Überzeugung, wir dürfen alles. Schlechte Pianisten dürfen sogar schlecht spielen...
Wenn meine Ansicht auch etwas philosophisch ist, dann denke ich trotzdem, ich lasse mir von niemandem vorschreiben, wie oder was ich zu spielen habe; alles andere hieße mein Fähnchen in den Wind von Kritikern, Professoren oder einem beliebigen Publikum zu hängen.

Ob mir die Komponisten das erlauben würden, kann ich nur noch bei Lebenden erfragen. Von früheren Komponisten wissen wir, dass sie selten das gleiche eigene Stück zweimal gleich gespielt haben. Auch die Stücke von Kollegen wurden verändert, ohne es jedes mal explizit als Bearbeitung auszuweisen. Dies hat natürlich auch nicht immer für gute Stimmung gesorgt (Chopin über Liszt: "immer muss er allem seinen Stempel aufdrücken")

Wenn ich also den Drang hätte, etwas zu verändern, würde ich es selbstverständlich tun! Ich merke jedoch immer mehr, dass es in den Stücken, so wie sie geschrieben sind, meist so vieles zu entdecken gibt (auch noch nach langer Zeit!), dass ich mich in meinem Leistungsstadium getrost mit möglichst exakter Reproduktion begnügen kann ohne dass es mir langweilig wird.

Jenseits dieser philosophischen Ansicht existieren natürlich für bestimmte Leute Sachzwänge, da Studenten nunmal von Professoren bewertet werden und Pianisten von Kritikern und ihrem Publikum. Und dann gelten die gleichen Gesetze wie überall im Leben:
Man muss sehr feinfühlig dafür sein, was ankommt und was nicht.
Man muss sich genau über die eigene Position bewusst sein (Pianisten, die überall hochgelobt und gefeiert werden, haben natürlich größere Freiheiten auch unkonventionelle Dinge zu tun. Selbstverständlich wird auch das kritisiert, meist von Neidern; aber es gibt oft genau so viele Gegenstimmen, die die Besonderheiten für genial halten).

Insofern sind Profis immer arme Schweine. Viele trauen sich vermutlich nicht sie selbst sein, aus Angst irgendjemand könnte das nicht gut finden. Manche machen sich darüber schon Gedanken, wenn sie noch gar keine fertigen Pianisten sind.

Der Hartmut
 
Man kann die "Texttreue" auch ad absurdum führen. Wenn man alles hundertprozentig exakt so spielt, wie es in den (Urtext-) Noten steht, ist das noch lang keine Garantie für eine musikalisch "richtige" Interpretation. Man muß auch verstehen, was der Sinn und der Zusammenhang ist, der sich hinter den notierten Notenköpfen und Vortragsanweisungen verbirgt. Das ist für mein Gefühl viel wichtiger als die Frage, ob man hier und da ein paar Töne hinzufügen oder weglassen darf (solange es den musikalischen Sinn nicht verändert).
 
Man muß auch verstehen, was der Sinn und der Zusammenhang ist, der sich hinter den notierten Notenköpfen und Vortragsanweisungen verbirgt. Das ist für mein Gefühl viel wichtiger als die Frage, ob man hier und da ein paar Töne hinzufügen oder weglassen darf (solange es den musikalischen Sinn nicht verändert).

Tja, im Prinzip gebe ich dir recht, eine gefühlvolle und sinnentsprechende Interpretation finde ich auch wichtiger, als hier oder dort ein paar Töne wegzulassen oder hinzuzufügen, oder wie man genau einen Triller ausführt. Leider ist es aber eben so, dass im wahren Leben eben doch darauf geguckt wird, ob man texttreu spielt. Und zwar nicht nur bei Prüfungen oder bei "Jugend musiziert", dass geht schon los bei solchen Portalen wie www.pianosociety.com. Ich weiss da, wovon ich spreche - bevor ich dort eine eigene Aufnahme hochlade, prüfe ich lieber nochmal genau bzgl. Texttreue. Es macht nämlich keinen Spaß, wenn ggfs. zwar der musikalische Ausdruck gelobt wird, gleich gefolgt von einem großen ABER: warum in Takt soundso die oder jene Note anders gespielt wurde oder weggelassen wurde. Dann kommt man schnell in die Diskussion, nach welcher Notenvorlage man gespielt hat usw., und in Erklärungsnöte.
Und wenn ich ganz ehrlich bin, muß ich mir danach dann eingestehen, dass es sich dann oft nicht um bewußte interpretatorische Freiheit handelte, sondern schlicht und einfach um nicht richtig gelesene oder weggelassene Noten, z.B. durch die unwillkürlich einsetzende Eigeninterpretation, wenn man sich von den Noten entfernt. Und dass Bach oder Chopin (man ersetze die beiden durch ein beliebiges anderes musikalisches Genie, welches sich durch Perfektion auszeichnet) die Noten wohl bewußt so und nicht anders gesetzt haben. Oft läuft dann nämlich eine Veränderung des Notentextes auf eine Verschlimmbesserung hinaus.

Davon abgesehen, leuchtet mir Axel's Begründung der möglichen Oktavierung von Bach ein, im Hinblick auf die ohnehin gängige Registrierungspraxis beim Orgelspielen. Und ich finde auch, dass man kein Dogma aus dem Notentext machen sollte. Jedoh sollten man oben erwähnten Situationen dabei bedenken...
 
Nörgler gibt es doch überall, nicht nur bei der pianosociety. Man muß halt wissen was man tut und warum man es tut. Dann können einem die Nörgler sowas von egal sein...

Soweit ok; In meinem Fall ist es jedoch so, dass mir schlicht und einfach ab und zu Lesefehler unterlaufen. Das heisst, Abweichungen sind leider nicht immer beabsichtigt. Wenn dir keine Lesefehler unterlaufen, hast du meinen Glückwunsch und Respekt. Der Punkt ist, was ich dann nicht mag: wenn jemandem Lesefehler unterlaufen, und das wird dann hinterher mit mehr oder weniger fadenscheinigen Argumenten musikalisch begründet; sowas habe ich schon mehrfach erlebt. Dann lieber dazu stehen, verbessern, und nochmal aufnehmen.

Wenn es immer so leicht wäre, das man genau weiß, was man tut...
 
Viel stärker als (auch auftretene) Lesefeher würden bei mir schlicht und ergreifend Verspieler ins Gewicht fallen.

Lesefehler kann man übrigens ganz einfach dadurch beheben, dass man sich eine Aufnahme des Stückes anhört.
Da sind (meistens) keine Fehler drin und man hört oft, wenn man sich irgendwo einen falschen Ton angewöhnt hat.
 

Viel stärker als (auch auftretene) Lesefeher würden bei mir schlicht und ergreifend Verspieler ins Gewicht fallen.

Ja, bei mir auch - aber der Unterschied ist, Verspieler merkt man selbst, Lesefehler nicht. Und wenn man sich verspielt hat, kann man das Stück wiederholen (natürlich nur, falls es sich beim Ziel um eine Aufnahme handelt).

Lesefehler kann man übrigens ganz einfach dadurch beheben, dass man sich eine Aufnahme des Stückes anhört.
Da sind (meistens) keine Fehler drin und man hört oft, wenn man sich irgendwo einen falschen Ton angewöhnt hat.

Ja, stimmt - sollte ich wohl öfter tun. Es sei denn, es handelt sich um alte Aufnahmen- noch vor 50 Jahren hat man es nämlich nicht so genau genommen, weder was Lesefehler noch was Verspieler angeht. Habe einige Cortot-CDs von Chopin - unglaublich sanglich und gefühlvoll gespielt, aber es gibt so gut wie kein Chopin-Opus, was von ihm nicht mit Lesefehlern und/oder Verspielern gespickt ist :D
Weiterhin, gerade bei Chopin gibt es oft mehrere Ausgaben, die alle ihre Gültigkeit haben, aber unterschiedlich sind. Daher, manchmal hört man Unterschiede, sieht aber in den Noten nix was man falsch gemacht hat. Da liegt die Versuchung nahe, alle Unterschiede auf unterschiedliche Noten zu schieben - statt die Disziplin aufzubringen, jeden Unterschied anhand der Noten abzuprüfen (sollte ich aber wohl öfter tun, gebe dir recht).
 
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Der Punkt ist, was ich dann nicht mag: wenn jemandem Lesefehler unterlaufen, und das wird dann hinterher mit mehr oder weniger fadenscheinigen Argumenten musikalisch begründet;

Bei Schülern erlebe ich das auch manchmal. Zuerst heißt es "hab ich doch gespielt!!!", wenn man dann aber nachweisen kann, daß es falsch war: "so, wie ich's gespielt habe, klingt es aber viel besser!"

Ich denke nicht, daß man über diese Art der "Argumentation" ernsthaft Worte verlieren muß ;)
 
Bei Schülern erlebe ich das auch manchmal. Zuerst heißt es "hab ich doch gespielt!!!", wenn man dann aber nachweisen kann, daß es falsch war: "so, wie ich's gespielt habe, klingt es aber viel besser!"

Ich denke nicht, daß man über diese Art der "Argumentation" ernsthaft Worte verlieren muß

Och, diese Argumentation kannst du auch bei Pianisten, die ansonsten besser als du und ich zusammen spielen, erleben.

Offenbar gibt es Leute, deren unglaublich riesiges Ego durch keinerlei Selbstkritik angetastet wird, und dann müssen Textfehler als "so gewollt" dargestellt werden, um dem eigenen Unfehlbarkeitsanspruch zu genügen.
Für solche Leute hilft es nicht, einfach zu sagen "man muß halt wissen, was man tut" (um auf ein Zitat von dir in diesem Faden hier zurückzugreifen).

Das Problem ist, manchmal MEINT man nur zu wissen, was man tut. Genau das passiert bei Lesefehlern - und zwar je nach Ego nicht nur bei Schülern, vielleicht auch beim Lehrer oder bei gestandenen Pianisten?
Selbstkritik, so scheint mir, ist eine Tugend, die nicht alle Pianisten haben...;)
 
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Das Problem ist, manchmal MEINT man nur zu wissen, was man tut. Genau das passiert bei Lesefehlern - und zwar je nach Ego nicht nur bei Schülern, vielleicht auch beim Lehrer oder bei gestandenen Pianisten?

Jetzt muß ich doch nochmal was dazu schreiben, so kann man das nicht stehenlassen.

Wenn mich jemand auf einen Lesefehler aufmerksam macht - und niemand hat behauptet, daß mir keine Lesefehler passieren - dann schau ich in den Noten nach, da läßt sich ganz leicht entscheiden, ob es tatsächlich ein Lesefehler ist oder nicht. Vielleicht steht es in meiner Ausgabe.auch so und in einer anderen Ausgabe anders. Auf jeden Fall sind Lesefehler eindeutig zu lokalisieren und wenn man sich geirrt hat ist es doch Schwachsinn sich dummzustellen. Hilft auch für das Ego überhaupt nichts :p

Ich spiele aber manchmal ganz bewußt etwas anderes als in den Noten steht, z.B. in der Fuge Cis-dur (WTC 1) Takt 19 steht in der Mittelstimme in meinen Noten (Urtext!) vor dem a ein Doppelkreuz. Ich spiele da ais. Ich hab keine Ahnung, ob das ein Druckfehler ist, oder wo das Doppelkreuz herkommt. Es ist jedenfalls unlogisch und deshalb spiele ich es nicht.
 
ich denke im berock haben die komponisten alles genauso gemeint, wie sie es aufgeschrieben haben.

Hallo Keyla,

also was Verzierungen betrifft:

In der Barockzeit war bekannt, daß die Verzierungen von den ausführenden Künstlern gemacht wurde, egal um welches Instrument es sich handelt. Das heißt, die Komponisten haben die Verzierungen nicht dazu geschrieben. Das war Aufgabe der Spieler. Und in der Barockzeit hat man viel verziert.

Die Verzierungen, die Du heute in den Ausgaben siehst, stammen nicht vom Komponisten sondern oft vom Herausgeber. Die Frage warum Herausgeber Verzierungen dazu machen, ist der Grund, daß es auch die spielen können, die nicht Barockmusik studiert haben und nicht die Geschicklichkeit haben, gute Verzierungen zu machen.

2. Wusstest Du, daß bei einem Basso Continuo, nur der Generalbaß die Baßstimme mit der Bezifferung) vom Komponisten komponiert wurde? Die restlichen Stimmen wurden von den Musikern improvisiert.

So stammen die Stimmen bei einem Generalbaß nicht vom Komponisten, sondern von verschiedenen Herausgebern, die das machen für diejenigen, die keine Generalbaßkenntnisse haben. Das wird heute nur noch denen gelehrt, die Chembalo spielen. Diese haben nur den Generalbaß des Komponisten und der Chembalist muß die Stimmen improvisieren.

Mehr weiß ich aber auch nicht. Hab mich mit der Barockzeit nicht so intesiv befasst. Ich bin eher Fan der Musik des 19. Jahrhunderts, der Romantik von Chopin und Liszt und der Spätromantik von Skrijabin und Rachmaninoff.

Liebe Grüße, Mario
 
Ich habe übrigens gehört, Liszt hat eine Komposition von Chopin gespielt und Chopin hörte zu. Liszt veränderte ein paar Stellen. Da hat Chopin gesagt, er solle es doch so spielen, wie er es komponiert habe.

Will aber keine Gerüchte verbreiten. Vieleicht hat jemand etwas davon gelesen und kann mehr darüber schreiben.

Ich erinnere mich noch als ich in einem Konzert von Shura Cherkassky war. Das war kurz vor seinem Tod. Das war ein Glück für mich, daß ich ihn noch kurz vor seinem Tod in einem Konzert erleben konnte.

Er machte eine Veränderung am Schluß vom Liebestraum Nr. 3 von Franz Liszt.
Zuerst dachte, er verspielt sich, aber die Veränderung war sehr gut.

Ich denke das ist aber eine Ausnahme, die er am Schluß machte, da er den Liebestraum als Zugabe spielte.

In der Regel sollte man es nicht machen.
Aber so als Ausnahme mal und nur sehr selten finde ich, es ist mal Ok.

Denken wir an Vladimir Horowitz. Am Schluß vom Scherzo h-moll, die chromatische Tonleiter, diese verändert Horowitz in nachgeschlagenen Oktaven, und war nicht so von Chopin geschrieben worden.

Ich persönlich pflege aber getreu nach Chopin zu spielen und verändere nichts.
Obwohl, obwohl nun ja, die nachgeschlagen Oktaven von Horowitz im h-moll Scherzo gefielen mir so, daß ich in einem Konzert, als ich das h-moll Scherzo spielte, sie auch mal so spielte!:D
Das kommt sehr gut an und sieht sehr virituos aus, chromatische Tonleiter in nachgeschlagen Oktaven zu spielen. Also einmal habe ich es gemacht.

Aber in der Regel mache ich es nicht, um nicht die wunderschönen Kompositionen von Chopin zu verletzen. Und meine Meinung hat Chopin jede Stellen so einzigartig und schön komponiert, daß es nichts zu verändern gibt und ich auch nicht daran denke irgend etwas zu verändern (wollen).

Liebe Grüße, Mario
 
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