Müssen Flügel/Klaviere der Spitzenklasse so teuer sein?

C

Castati

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Hallo,

die Frage habe ich mir schon ein paar Mal gestellt. Klingt vielleicht erstmal doof, ist sie aber nicht unbedingt.
Die Frage ist: Müssen Flügel der Spitzenklasse (z.b. Steinway/Bösendorfer) so teuer sein, weil ihre Fertigung und die Materialien viel teurer sind als bei günstigeren Herstellern (z.b. Yamaha) oder kommt der größte Teil des Preisunterschieds durch Fertigungstechnikvorteile, auf die die Konkurrenten noch nicht gekommen sind?

Ich kann es mir eigentlich nicht anders erklären, denn selbst bei Materialien kommt man doch nie auf einen Preisunterschied von bis zu mehreren Hundert Prozent?

Freue mich auf eure Meinungen,
Castati.
 
Oh, ich denke, daß man sehr schnell auf dies Preise kommen kann:
1. wahl der Materialien: Steinway verwendet nur einen Bruchteil der eingekauften Hochqualitätsmaterialien, der Rest wird verworfen (zum Bau von Resonanzböden, Stimmstöcken etc....). Bei anderen Klavierfirmen ist die Qualitätskontrolle weniger streng. Nimm z.B. Yamaha: Da sitzt die Toleranzschwelle bei den trotzdem sehr guten C-Instrumenten viel niedriger. Bei den S-Instrumenten hingegen wird ähnlich gearbeitet wie bei Steinway, die liegen dann auch in einem ähnlichen Preissegment.

2. Anteil der Handarbeit: Bei Steinway sehr hoch: ich habe die genauen Fertigungszeiten jetzt nicht im Kopf, sind aber sehr lange (mehrer Monate).
Bei Yamaha kann man das wieder gut sehen: C-Serie wird in wenigen Wochen gefertigt, die S-Serie hat ähnliche Fertigungszeiten wie bei Steinway. Wenn man sich allein die Personalkosten anschaut, wird schnell klar, warum die Instrumente dann so teuer sind. Ehrlich gesagt sind sie sogar eher billig, wenn man das mal mit dem Material- und Personalaufwand und den Stückzahlen vergleicht, die man im Automobilbau erreicht. Da wundert man sich eigentlich, daß so ein (kleiner) Steinway NUR 50.000 Euro kostet. Letztlich ist das auch der GRund, warum Chinesische Instrumente so günstig sind. Leider (oder Gott sei Dank) klappt es bei denen noch nicht so mit der Qualitätskontrolle.
 
Ich finde bei einem Klavier / Flügel ist der Preis wesentlich gerechtfertigter als bei Autos. Wenn ich mir vorstelle, dass ich für den billigsten Kleinwagen, die letzte Reisschleuder schon mindestens 8000 Euro bezahlen muss (neu), dreht sich mir der Magen um. Hinzukommt der Verschleiß und der immense Wertverlust.
Das Gleiche bei Technik wie Fernsehern oder Computern oder Kleidern. Ein Bekannter hat sich einen Computer für 4000 Euro (!) gekauft, der in 1 Jahr allerhöchstens noch 800 Euro Wert ist.

Man kann auf einem Klavier zwar nicht durch die Gegend fahren, aber ich denke man erhält einen wesentlich höheren Gegenwert der wertstabil ist.

Inwiefern der Preis bei Klavieren nun gerechtfertigt ist, ist immer die Frage.

Insofern finde ich Leute die sich einen Flügel für 100.000 Euro kaufen für weniger verrückt oder abgehoben
als jemand der sich ein Auto für 100.000 Euro kauft.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Insofern finde ich Leute die sich einen Flügel für 100.000 Euro kaufen für weniger verrückt oder abgehoben
als jemand der sich ein Auto für 100.000 Euro kauft.

Da kann ich dir nur voll zustimmen.

Ich selbst hab mir vor 2 Wochen ein neues Schimmel C124 um ca. 8.000,-
gekauft. Wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke wie lange ich vor dem Kauf überlegt habe, ob es nicht doch zu teuer ist und ob´s nicht ein Wendl & Lung um 3.000,- auch täte, ich aber für mein Mittelklasseauto hemmungslos 35.000,- auf den Tisch geblätter habe ....

Es ist schon verrückt welchen hohen Stellenwert ein Auto im Leben hat, daß nach ein paar Jahren nur einen Bruchteil wert ist, im Vergleich zu einem Klavier, mit dem man locker mehrere Jahrzehnte Freude hat.

So gesehen hätte ich mir doch das Steingräber für 18.000,- kaufen sollen.

Hab mir vor Jahren eine WERSI-Orgel um 12.000,- gekauft. Jeder, dem ich das erzählt habe, staunte, daß ich soooo viel Geld für ein Musikinstrument ausgebe
und viele dachten sich auch - na der ist aber verrückt.

Bei meinem Auto war das für alle aber überhaupt kein Thema.......
 
Siehste, mir gehts umgekehrt.

Ich würde jetzt nie für ein Auto absolut mehr als nur nötig ausgeben.
Ein Auto ist dafür da, dass man schnell und bequem von A nach B kommt. Punkt.
Muss jetzt ein neues Auto haben.
Werde keins leasen oder so, sondern kauf mir einen sehr guten Gebrauchten um die 30'000km, dann ist nämlich der 1. Abschreiber längst runter und ich hole mächtig viel raus aus dem Teil.
Mir sind Sicherheit, Zuverlässigkeit und lange Lebensdauer (nebst tiefen Betriebskosten) die wichtigsten Kriterien.

Für meinen Flügel hab ich fast das 3fache bezahlt... :cool:
 
Wie bei allen "Premium" Produkten, zahlt man eben auch bei Musikinstrumenten den Namen des Herstellers mit.
Also genau wie bei den Autos eben auch, oder Uhren, Schmuck, Möbel, ..........
 
Aber der gute Name kommt ja nicht von irgendwo... Dafür haben diese Firmen über Jahrzehnte gearbeitet, entwickelt und ihr Produktion darauf eingestellt.
 
Stimmt, war auch absolut nicht Negativ gemeint.
 
Ich habe keine genauen Angaben zur Preiskalkulation der Klavier-/Fluegelhersteller, koennte mir aber vorstellen, dass die Haelfte des Preises fuers Vertrieb und Marketing draufgeht.
 
Hat auch was mit den Absatzzahlen zu tun.

Würde sich jeder Autobesitzer einen Steinway kaufen,
dann könnten die auch sehr viel günstiger produziert werden.
 
Und ein wesentlicher Teil des Preises macht vorallem die Handarbeit aus.

Während beim Auto niemand mehr selbst Hand anlegt sondern größtenteils automatisch zusammengebaut wird (in einer VW-Autohalle kann man vom Boden essen und die Overalls der Arbeiter sind alle reinweiss), werden die teuren Flügel alle sicher noch mit viel Handarbeit gefertigt und alles nicht elektronische unterliegt sowieso enormen Preissteigerungen, da elektronische Bauteile spottbillig sind und nicht elektronische Bauteile nur noch wenig verbaut werden (deswegen sind die Digipianos auch vergleichsweise billig).

Worin genau der Unterschied zwischen günstigen Flügeln und sehr teuren Flügeln liegt, kann ich auch nicht sagen, aber könnte mir vorstellen das es da hauptsächlich die Verwendung unterschiedlicher Materialien ist (anderes Holz, anderer Guss)

Bzgl. Autokauf würde ich es auch so halten wie ThePianist73, kann verliebte Autoheinis sowieso net leiden :D
 

Materialauswahl, Handarbeit und Fertigungsorte sind wohl die entscheidenden Faktoren. Außerdem ist ein Flügel ja nicht fertig, wenn alles zusammengeschraubt, geklebt und gesteckt ist. Meines Wissens steckt ein großer Qualitätsuntersschied auch darin, wieviel Arbeit danach noch geleistet wird, durch Intonation, Einstellung und so weiter - und auch die Lagerung bis zum Verkauf und der Transport kann auf unterschiedlichste Weise erfolgen. Ich habe z.B. von einem Flügeltransport gelesen, wo das Instrument zwischendurch zwei Tage lang auf einem Hof im Regen gestanden hat. Wenn man einen billigeren Flügel kauft, kann man noch einiges an Geld an den Stimmer zahlen, wenn er freie Hand darin bekommt, das beste aus dem Teil zu machen.

Steinway und Bösendorfer sind natürlich Namen, bei denen man automatisch einen höheren Preis und excellente Qualität erwartet. Aber ob sich das im Preis niederschlägt ist meiner Meinung nach fraglich. In dem Preissegment spielen Kosten vermutlich die kleinste Rolle.
 
Steinway ist auch so Teuer weil 30 bis 40 Prozent nur den für Namen bezahlt.
 
Betreffs Gemeinsamkeiten Autos und Klaviere. Es gibt drei frühe Exemplare des Porsche 911 - gepresst in Edelstahl. Einer steht im Porsche-Museum. Einer im Deutschen Museum München. Und einer - seit der Fertigung um 1972/73 - auf dem Hof in Zuffenhausen, ganz ohne Lack, einfach silbrig glänzend, im Regen, bei Wind und Wetter, seit nun 50 Jahren ma-kel-los.

Porsche entschied sich, solch ein Auto nicht... zu bauen.
Sie würden heute nichts mehr zu verkaufen haben, alle Menschen, die bisschen was arbeiten und das haben wollen, würden Edelstahl-911er kaufen und dann 50-60-80 Jahre lang fahren, und sie vererben, und ein Erbe würde niemals Neuwagenkäufer.

Steinway entschied sich anders.
Das haben sie nun davon - die größten Konkurrenten beim Abverkauf neuer Flügel sind die Zehntausende guter alter Flügel.

Das ist aber nicht das schlimmste. Ich bin Allergiker, brauche nicht nur wg. Pollenfluch, sondern auch wg. Hausstaub rund ums Jahr Cetirizin und diese Kombipacks, Augentropfen, Nasenspray. Letzter preis, den ich kannte: 13 euro. Vorgestern: 20 komma was Euro. In Venlo (NL) kostet all das nur die Hälfte. Und die EU macht was? Nichts. Die EU ist ein Eliten-Projekt. In Brüssel wird - lobbygetrieben - zuvorderst das entschieden, was den Kapitalhaltern in die Karten spielt.

Bei einem Symposium zum Thema Kalkulation an der Wuppertler Akademie referierte ein Pharma-Mann (Leverkusen) das Eingangsstatement. Man löse sich von der Vorstellung, dass der Verkaufspreis der Produkte auch nur irgendeine relevante Ankoppelung an die Herstellkosten habe. ... ... Kurze Pause, dann großes Raunen, dann donnernder Applaus.

Schlussfolgerungen eines Konsumenten? Man kaufe NICHT billig... Man kaufe lang Haltbares. Und weigere sich dann konsequent und konstant, Neues zu kaufen.
Ich nutze einen 2.7 Meter kurzen Flügel aus dem Jahr 1877.
 
Steinway ist auch so Teuer weil 30 bis 40 Prozent nur den für Namen bezahlt.

Das kommt eher bei Gebrauchtinstrumenten vor. Ein Neuinstrument wie z.B. ein August Förster ist auch ein Topinstrument, aber meist nicht ganz so gut wie ein Steinway und auch nicht ganz so teuer.
Wenn etwas viel teurer ist, als es die Produktionskosten alleine rechtfertigen, liegt das meist an:
1. hohen Ausgaben für Marketing
2. Nichtverfügbarkeit ähnlicher Produkte (Quasi-Monopol)
3. Sehr hohen Entwicklungskosten

Für 1. sind Designerkamotten wohl die besten Beispiele. In geringerem Maße aber auch Produkte wie Luxusuhren (so eine Rolex ist auch in der Produktion teuer, aber nicht so teuer, dass es den Preis rechtfertigt).
Für 2. wäre Steinway kurz nach dem letzten Weltkrieg ein Beispiel oder ein iPhone im Jahr 2007.
Für 3. wären die meisten Elektronikgeräte ein gutes Beispiel.

Steinway wird sicherlich mehr für Marketing ausgeben als August Förster oder Steingräber, aber insgesamt im Vergleich zu den Produktionskosten noch verhältnismäßig wenig.
Mit Bösendorfer, Fazioli oder vielleicht auch den Topinstrumenten von Yamaha oder Shigeru-Kawai oder eventuell auch Steingräber etc. gibt es auch ähnlich gute Konkurrenzprodukte.
Die Entwicklungskosten dürften sich auch sehr in Grenzen halten.

Ich würde dementsprechend auf jeden Fall sagen, dass man verhältnismäßig wenig für den Namen zahlt. Das heißt nicht, dass man beim Neukauf unbedingt einen Steinway kaufen muss, wenn man das Geld übrig hat. Vielleicht ist auch ein Bösendorfer, Fazioli, Yamaha, Shigeru, Steingräber, Blüthner - vielleicht im Einzelfall auch ein Bechstein, August Förster, Mason & Hamlin, Grotrian-Steinweg, Pfeiffer oder was auch immer die bessere Wahl.
Beim Gebrauchtkauf ist es nochmal viel komplexer, da wird eher schon mal für ein verbasteltes, schlecht gepflegtes Instrument ein zu hoher Preis fällig, weil Steinway oder Bösendorfer drauf steht.
 
Das erklärt aber nicht, wieso ein Steinway im Vergleich mit einem Yamaha SX doppelt so teuer ist. Rein klanglich und von der Mechanik sehe ich wenig Unterschied… ich denke es ist schon der Name, der zieht…
 
Ich habe keine genauen Angaben zur Preiskalkulation der Klavier-/Fluegelhersteller, koennte mir aber vorstellen, dass die Haelfte des Preises fuers Vertrieb und Marketing draufgeht.
Ich würde auch einen Großteil der Kosten, wenn auch nicht die Hälfte, im Vertrieb verorten. Die großen Hersteller wie Kawai und Yamaha verkaufen über viele tausend Händler und online Shops. Steinway und Bechstein haben einige wenige aber eigene Läden mit qualifiziertem Personal. Das ist sicher nicht billig.

Dazu kommt, dass sich Kosten für Investitionen in der Produktion und Forschung auf wesentlich weniger Instrumente verteilen als bei den Massenherstellern.
 
Steinway gibt sehr viel Geld für Marketing aus, vermutlich pro verkauftem Instrument mehr als alle anderen Hersteller. Und nein, der Verkaufspreis hat mit den reinen Herstellungskosten nichts zu tun. Man verlangt, was man (noch?) verlangen kann.
 
vermutlich pro verkauftem Instrument mehr als alle anderen Hersteller.
und vor allem - ähnlich wie Coca-Cola – schon seit Gründung! Für die Käufer ist/war das nahezu kostenneutral, da sie ihrerseits beim Wiederverkauf davon profitieren (s.a. Harley-Davidson, Porsche u.s.w.). Problematisch für den Kunden wird es erst, wenn der Ruf mangels Qualität, Spirit und auch Marketing verlorengeht und weder der Service noch der Wiederverkauf dem alten Markenimage entspricht.
 

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