Mit "blind spielen" holprige Stellen meistern?

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brennbaer

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Hallo

momentan reiße ich mir alles an gebrauchten günstigen Noten, was nicht niet-und nagelfest ist und mir interessant und später brauchbar scheint, unter den Nagel. :-D
Neueste Errungenschafft ist das "A Day At The Races" Songbook von Queen.
Nun habe ich vor wenigen Tagen damit begonnen, mir den Good Old Fashioned Loverboy draufzuschaffen.
Und zwar in dieser Version:
http://www.musicnotes.com/sheetmusic/mtd.asp?ppn=MN0065579
Eigentlich ist es für mich vom Gefühl her für mein aktuelles Niveau zu schwer. Die erste Seite wirkt ja noch angesichts der relativ überschaubaren Anzahl von Dreier- und Vierergriffen noch relativ einfach, auf den folgenden Seiten geht es diesbezüglich aber schon mehr zur Sache.
Zumindest die Rechte Hand ist für mich schon eine ziemliche Herausforderung.
Zum Einüben verfahre ich nun zum ersten Mal streng und konsequent nach der Methode der kleinsten Segmente, bei der ich bei schweren Stellen auch mal einen halben Takt unzählige male wiederhole, bis sie in den Fingern sitzen.
Dann füge ich den halben oder viertel Takt davor und/oder dahinter hinzu, bis dann auf diese Weise ein ganzer bis zwei Takte sitzen. Dauert halt zumindest bei mir ewig lang, weil die entsprechende Erfahrung und Fingerfertigkeit natürlich noch fehlt.
Erarbeiten tue ich mir die jeweiligen kurzen Passagen zuerst in einem quälend langsamen Tempo, wobei ich immer wieder mal vom Notenblatt auf die Tasten/Finger schaue. Wobei der Kontrollblick auf die Tasten tatsächlich nicht allzu oft erfolgt, weil ich mich anscheinend auch so einigermaßen gut auf dr Tastatur orientieren kann. Nun, zumindest, wenn keine sehr großen Sprünge vollführt werden müssen.
Je länger ich dann die Passagen übe und sich diese im Verlauf einprägen, schaue ich immer weniger auf die Noten und immer mehr auf die Tastatur und Finger.

Momentan bin ich noch auf der ersten Seite.
Mittlerweile bin ich so weit, dass ich sie vom Blatt recht flüssig spielen kann.
Auch ohne aufs Blatt zu spicken, klappts auch schon einigermaßen.
Nur ist mir da folgendes aufgefallen:
je öfter ich längere Passagen ohne Blick aufs Blatt gespielt habe, haben sich immer häufiger neue, bislang unbekannte Fehler eingeschlichen.
Als ob die Finger plötzlich ein Eigenleben führen würden und somit wahllos falsche Tasten drücken.
Jetzt hätte ich natürlich kurz auf die Noten schauen können, um mich schnell wieder "einzujustieren", wollte aber nicht auf diese Krücke zurückgreifen, sondern die Passage aus dem Gedächtnis meistern.
Doch je stärker ich mich in dieser Situation auf die Finger und die richtige Ausführung konzentrierte, wurde es nicht besser, sondern im Gegenteil noch viel vermurkster und chaotischer.
Dann kam ich auf die Idee, einfach die Augen zu schließen und mich weder auf die Noten noch die Finger bewusst zu konzentrieren, sondern die Finger einfach "laufen zu lassen".
Zu meiner Überraschung konnte ich so die Passage tatsächlich durchspielen, ohne die sich zuvor anhäufenden neuen Fehler zu wiederholen.

Jetzt würde mich mal interessieren, ob Euch dieses Phänomen auch schon mal untergekommen ist.

Ich weiß auch nicht, ob dies eher positiv oder negativ zu bewerten ist.
M.M.n. würde für "positiv" sprechen, dass man sagen könnte, endlich fließt die Musik, ohne den Umweg übers Nachdenken, sondern mehr über das Unterbewußtsein und die Gefühlsebene.
Für "negativ" würde aber genau das gleiche sprechen, nur unter einem umgekehrten Blickwinkel.
Man könnte ja auch sagen, dass die Musik immer noch nicht so verinnerlicht ist, um sie jederzeit bewusst und wiederholbar abrufen zu können.

Wie seht ihr die Sache?
 
@brennbaer du bringst mich ins Grüblen. Ich habe bis heute gedacht, dass ich nichts oder sagen wir mal, fast nichts (ausser einem Stück das ich als Kind gelernt habe: Bach, Menuett in D minor, BWV Anhang 132 ) asuwendig kann und wenn ich mal versucht habe etwas das ich im letzten Jahr gespielt habe auswendig zu spielen habe ich mich noch und noch verheddert.

Nun habe ich deine Methode ausprobiert und versucht mit geschlossenen Augen zu spielen und siehe da es geht:super:. Ich schaue beim Spielen meist nicht auf die Tasten sondern auf die Noten, vielleicht ist mein (Spatzen-) Hirn einfach überfordert visuell auch noch die Bewegung der Hände aufzunehmen anders kann ich mir das grad nicht erklären.
 
@brennbaer du bringst mich ins Grüblen. Ich habe bis heute gedacht, dass ich nichts oder sagen wir mal, fast nichts (ausser einem Stück das ich als Kind gelernt habe: Bach, Menuett in D minor, BWV Anhang 132 ) asuwendig kann und wenn ich mal versucht habe etwas das ich im letzten Jahr gespielt habe auswendig zu spielen habe ich mich noch und noch verheddert.

Nun habe ich deine Methode ausprobiert und versucht mit geschlossenen Augen zu spielen und siehe da es geht:super:. Ich schaue beim Spielen meist nicht auf die Tasten sondern auf die Noten, vielleicht ist mein (Spatzen-) Hirn einfach überfordert visuell auch noch die Bewegung der Hände aufzunehmen anders kann ich mir das grad nicht erklären.

Vielleicht hören wir beim blind spielen intensiver auf die Melodie des Stückes, die wir im Kopf haben.
 
Als ob die Finger plötzlich ein Eigenleben führen würden und somit wahllos falsche Tasten drücken.
Das ist gut. Dann solltest Du anfangen zu improvisieren/komponieren. Mir ging es genau so.

Blindspielen ist sehr gut. Es gibt einen Übergang: Überschutzbrille unten mit Isolierband zu kleben. Das fördert das Vom-Blatt-Spielen, also den haptischen Bezug zwischen Gehirn und Spiel ohne visuelle Kontrolle der Tastatur. Man "spürt" dann die Schwachstellen und wird "blind" besser. Das stabilisiert.
 
Das ist gut. Dann solltest Du anfangen zu improvisieren/komponieren. Mir ging es genau so.
Da bin ich mir ja sehr unsicher, ob das wirklich gut ist.
Es ist ja nicht so, das die falsch gedrückten Tasten annähernd gut klingen würden, wie es bei einer Impro der Fall wäre. Die Fingerchen hauen also keine falschen, aber dennoch harmonisch passenden Noten zwischenrein. Im Gegenteil: es klingt dann einfach nur falsch.

Dadurch, dass ich beim Auswendigspielen anscheinend sehr unbewußt spiele, befürchte ich, dass wenn ich mal bewußt eingreifen muss, weil vielleicht doch mal eine Stelle hängt, ich den Einstieg nicht wiederfinde.
Dass ich die Stücke also nicht wirklich so verinnerliche, dass ich bei Verspielern oder stockenden Stellen einfach die nächste Passage abrufen kann, um trotz der Verspieler flüssig weiterspielen zu können.

Dann habe ich auch noch das Problem, dass egal, ob ich das Stück auswendig kann oder nicht, es mir sehr schwer fällt, dieses Stück "trocken", also mit ausgeschalteten Lautsprechern, auf der Tastatur nachzuspielen. Ich brauche da anscheinend immer die akustische Komponente, damit die Finger wissen, wo sie hin sollen.
Und noch viel schwerer fällt es mir, Stücke einfach so auf einer imaginären Tastatur, bspw. auf einer Tischplatte, nachzuspielen. Wenn mir zur akustischen Komponente auch noch der örtliche oder haptische Bezug zur Tastatur fehlt, komme ich irgendwie total ins Schwimmen.

Geht es anderen auch so?

Bessert sich dies und kommt das alles im Laufer der Zeit von alleine, oder gibt es unterschiedliche Spielerveranlagungen, die von Natur aus unterschiedliche Zugänge zum Spielen von Intrumenten mitbringen?
 
Wenn ich Auswendig spiele dann wissen meine Finger wo sie hin müssen. Wenn ich ein Stück noch nicht lange spiele, dann ist es in dem Moment wo ich mich verspiele vorbei. Irgendwann kann ich es so gut, dass ich die Stellen einfach überspielen kann. Irgendwie bauen meine Finger eine Brücke zum Klang, der Kopf scheint nicht beteiligt.
 
Irgendwie bauen meine Finger eine Brücke zum Klang, der Kopf scheint nicht beteiligt.
Meine KL drückte das so aus, dass ihre Finger schneller spielen konnten, als ihr Gehirn das verfolgen konnte. Es ist auch so, dass das Unterbewusstsein viel viel schneller ist als unser Bewusstsein. Ich kenne das selbst von schnellen Tanzschrittabfolgen und Klavierpassagen. :-D
 
Ich schaue beim Spielen meist nicht auf die Tasten sondern auf die Noten, vielleicht ist mein (Spatzen-) Hirn einfach überfordert visuell auch noch die Bewegung der Hände aufzunehmen anders kann ich mir das grad nicht erklären.
Ich muss leider bei ungewohnten Akkorden (Umkehrungen) oder größeren Sprüngen kurz auf die Tasten schauen. Das führt dazu, dass man zu Beginn wohl leichter auswendig lernt, als die Noten ohne Blick auf die Hände/Tasten (weitgehend) vom Blatt zu spielen. Keine Anhnung, wo das Optimum liegt und wie man das gezielt erreicht.
 

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