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Angeregt durch eine Diskussion in einem anderen Thread, wo darüber diskutiert wird, ob Beethoven ein Klassiker oder ein Romantiker ist - will ich zum Thema musikalische Epochen mal allgemein einen Thread eröffnen.
Ich erlebe nämlich sehr oft, daß es gewisse Vorstellungen über die Epochen gibt, die mir sehr befremdlich vorkommen. Wo diese Vorstellungen herkommen, kann ich manchmal nur erahnen.
Die befremdlichste Vorstellung von allen ist die, daß Gefühle in der Musik erst in der Romantik eine Rolle spielen. Fast so etwas wie "Romantik=Gefühl".
Oder die Sicht der Barockmusik (ausgerechnet die!) als mechanisch und streng. Auch die Klassik wird oft noch als gefühlsverklemmt betrachtet.
Also: wo kommen diese Vorstellungen her? Was sind die wahren Charakteristika der verschiedenen Epochen, soweit man das überhaupt sagen kann. Oder die grundsätzliche Frage nach der Einteilung in Epochen. Schließlich hat meines Wissens kein Komponist sich selber als Vertreter einer Epoche betrachtet. Es sind jeweils von den Musikwissenschaftlern nachträglich erfundene Etiketten, mit welchen Musik kategorisiert wird, damit man sie in Büchereien und Plattenläden besser einsortieren kann.
Noch eines meiner Lieblingszitate von Carl Friedrich Zelter über Haydn:
Über Haydns Symphonien und Quartette schreibt Carl Friedrich Zelter 1802 in der Leipziger Musikalischen Zeitung:
"Die letzten Allegri oder Rondeaus, wo sich Haydn aller Formen
und Mittel bedient, die der Rhythmus, das Zeitmaß und die Harmonie
nur gewähren, bestehen im Ganzen mehrentheils aus kurzen, leichten
Sätzen, die durch eine oft sehr ernsthafte und fleißige Bearbeitung
den höchsten Grad des Komischen gewinnen, den kein Begriff durch
Worte so vollkommen erreicht, als er hier mit der größten Schnelligkeit
mitgetheilt und angenommen wird. In der Mitte und gegen das Ende
sind sie voller Leben, Geist und Würze, und haben eine Freiheit,
Kühnheit und Stärke, wodurch das gewandteste Ohr bezaubert
und berückt wird. Jener Schein von Ernsthaftigkeit ist nur da, um uns die
Leichtfertigkeit des angenehmen Tonspiels recht unerwartet zu machen
und uns von allen Seiten zu necken, bis wir müde zu erraten,
was kommen wird, und zu begehren, was wir wünschen, und zu
fordern, was billig ist, uns auf Diskretion ergeben und dafür von dem Meister
in eine geistreiche Stimmung des Wohlwollens und der heiteren, wohltätigen
Laune versetzt werden, die nicht beglückender sein kann.
Diesen hier entwickelten Elementargeist haben bis jetzt alle Haydnschen
Werke mehr oder weniger offenbart, und das Resultat desselben ist:
daß alle Haydnschen Instrumentalkompositionen
eine ganz neue, von ihm allein erschaffene Art romantischer Gemälde für das Ohr sind,
die sich ebensowenig in Worte und Begriffe übersetzen lassen wie Verstand
und Empfindung ihren angenehmen Eindrücken widerstehen können..."
Und Johann Kuhnau (1660-1722) schreibt im Vorwort zum Ablauf seiner Cembalo-Sonate "Der todtkranke und wieder gesunde Hiskias":
1. Das betrübte Herz des Königes Hiskias über der Todes-Post und das sehnliche Bitten umb seine Gesundheit in einem Lamento mit dem Vers: Heil du mich, lieber Herre...
2. Sein Vertrauen, daß GOTT sein Gebet schon erhöret habe...
3. Die Freude über seiner Genesung, dabey er denn manchmahl an das vorige Übel dencket, dasselbe aber bald wieder vergisset.
Ich erlebe nämlich sehr oft, daß es gewisse Vorstellungen über die Epochen gibt, die mir sehr befremdlich vorkommen. Wo diese Vorstellungen herkommen, kann ich manchmal nur erahnen.
Die befremdlichste Vorstellung von allen ist die, daß Gefühle in der Musik erst in der Romantik eine Rolle spielen. Fast so etwas wie "Romantik=Gefühl".
Oder die Sicht der Barockmusik (ausgerechnet die!) als mechanisch und streng. Auch die Klassik wird oft noch als gefühlsverklemmt betrachtet.
Also: wo kommen diese Vorstellungen her? Was sind die wahren Charakteristika der verschiedenen Epochen, soweit man das überhaupt sagen kann. Oder die grundsätzliche Frage nach der Einteilung in Epochen. Schließlich hat meines Wissens kein Komponist sich selber als Vertreter einer Epoche betrachtet. Es sind jeweils von den Musikwissenschaftlern nachträglich erfundene Etiketten, mit welchen Musik kategorisiert wird, damit man sie in Büchereien und Plattenläden besser einsortieren kann.
Noch eines meiner Lieblingszitate von Carl Friedrich Zelter über Haydn:
Über Haydns Symphonien und Quartette schreibt Carl Friedrich Zelter 1802 in der Leipziger Musikalischen Zeitung:
"Die letzten Allegri oder Rondeaus, wo sich Haydn aller Formen
und Mittel bedient, die der Rhythmus, das Zeitmaß und die Harmonie
nur gewähren, bestehen im Ganzen mehrentheils aus kurzen, leichten
Sätzen, die durch eine oft sehr ernsthafte und fleißige Bearbeitung
den höchsten Grad des Komischen gewinnen, den kein Begriff durch
Worte so vollkommen erreicht, als er hier mit der größten Schnelligkeit
mitgetheilt und angenommen wird. In der Mitte und gegen das Ende
sind sie voller Leben, Geist und Würze, und haben eine Freiheit,
Kühnheit und Stärke, wodurch das gewandteste Ohr bezaubert
und berückt wird. Jener Schein von Ernsthaftigkeit ist nur da, um uns die
Leichtfertigkeit des angenehmen Tonspiels recht unerwartet zu machen
und uns von allen Seiten zu necken, bis wir müde zu erraten,
was kommen wird, und zu begehren, was wir wünschen, und zu
fordern, was billig ist, uns auf Diskretion ergeben und dafür von dem Meister
in eine geistreiche Stimmung des Wohlwollens und der heiteren, wohltätigen
Laune versetzt werden, die nicht beglückender sein kann.
Diesen hier entwickelten Elementargeist haben bis jetzt alle Haydnschen
Werke mehr oder weniger offenbart, und das Resultat desselben ist:
daß alle Haydnschen Instrumentalkompositionen
eine ganz neue, von ihm allein erschaffene Art romantischer Gemälde für das Ohr sind,
die sich ebensowenig in Worte und Begriffe übersetzen lassen wie Verstand
und Empfindung ihren angenehmen Eindrücken widerstehen können..."
Und Johann Kuhnau (1660-1722) schreibt im Vorwort zum Ablauf seiner Cembalo-Sonate "Der todtkranke und wieder gesunde Hiskias":
1. Das betrübte Herz des Königes Hiskias über der Todes-Post und das sehnliche Bitten umb seine Gesundheit in einem Lamento mit dem Vers: Heil du mich, lieber Herre...
2. Sein Vertrauen, daß GOTT sein Gebet schon erhöret habe...
3. Die Freude über seiner Genesung, dabey er denn manchmahl an das vorige Übel dencket, dasselbe aber bald wieder vergisset.
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