Mißverständnisse über musikalische Epochen

Rolf,

...Ich hab aber meine eigene Definition dafür, was ich unter "romantische" Musik verstehe. Es ist eine Musik, die den Hörer emotional anspricht oder besser gesagt vereinnahmt. Eine Musik, die man nicht rein verstandesmäßig und technisch verstehen kann, sondern die über das Unbewußte wirkt...

du mußt mal lernen, zwischen den Zeilen zu lesen (bei diesem Zitat ausnahmsweise nicht). Ich habe nicht mit dieser von Haydnspaß gegebenen Erklärung gerechnet aber daß er nicht die Epoche "Romantik" meinte, war mir klar und nun haben wir die Lösung :)

Haydnspaß, du scheinst ja ein musikalischer Agnostiker zu sein ;)
 
Romantik ist ein Begriff, der gerne und häufig benutzt wird - nur eine klare Definition gibts dafür nicht.

Ich hab aber meine eigene Definition dafür, was ich unter "romantische" Musik verstehe. Es ist eine Musik, die den Hörer emotional anspricht oder besser gesagt vereinnahmt. Eine Musik, die man nicht rein verstandesmäßig und technisch verstehen kann, sondern die über das Unbewußte wirkt. (...)

stimmt, es gibt nicht eine - es gibt mehrere Definitionen für "Romantik". da wir hier, wenn ich´s richtig verstanden habe, über Mißerständnisse über musikalische Epochen reden (recte: schreiben/tippen), wäre es recht sinnvoll, sich auf "musikalische Romantik" (als Epoche, grob gesagt im 19. Jh. angesoedelt) zu einigen, wenn man von romantisch spricht.

was Deine Definition dessen betrifft, was Du unter "romantische" musik verstehst: ich halte es für verständlicher, stattdessen gute Musik zu schreiben (im Sinne von ganz außerordentlich; man wird emotional vereinnahmt usw.) - "romantisch" im Sinne eines solchen Qualitätsbegriffs zu tippen ist wirklich arg mißverständlich.

und derart gute Musik gibts lange vor und auch nach dem 19. Jh. (wie ich hier schon ganz zu Anfang geschrieben hatte: das 19. Jh. bzw. "die musikalische Romantik" hat nun wirklich nicht alles Gefühl etc für sich gepachtet) :)

Gruß, Rolf

(nebenbei: ich halte es für unpraktisch, der Musik von ca. 1810 bis zu Rachmaninov etc nicht mehr die Epochenbezeichnungen Romantik / Spätromantik zu erteilen - hat sich doch nicht ganz grundlos so eingebürgert)
 
stimmt, es gibt nicht eine - es gibt mehrere Definitionen für "Romantik". da wir hier, wenn ich´s richtig verstanden habe, über Mißerständnisse über musikalische Epochen reden (recte: schreiben/tippen), wäre es recht sinnvoll, sich auf "musikalische Romantik" (als Epoche, grob gesagt im 19. Jh. angesoedelt) zu einigen, wenn man von romantisch spricht.

Ich will darauf hinaus, daß es romantische Musik schon lange vorher gegeben hat, bevor irgendjemand - keine Ahnung, wer das war - die "Musikalische Romantik" als Epoche erfunden hat.

Das Mißverständnis ist, daß das Gefühl erst im Laufe des 19. Jahrhunderts zur treibenden Kraft der Musik geworden sei.



was Deine Definition dessen betrifft, was Du unter "romantische" musik verstehst: ich halte es für verständlicher, stattdessen gute Musik zu schreiben

Das geht schon deshalb schon nicht, weil man dann automatisch jede nicht ans Gefühl appellierende Musik als schlechte Musik diskreditieren würde.

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Für alle, die am Thema Romantik jenseits wissenschaftlicher Kategorisierung interessiert sind, hier noch ein schönes Interview mit Rüdiger Safranski:

Romantik verzaubert die Wirklichkeit
 
Das geht schon deshalb schon nicht, weil man dann automatisch jede nicht ans Gefühl appellierende Musik als schlechte Musik diskreditieren würde.

das würde ich jetzt nicht so streng sehen - allerdings fällt mir jetzt ad hoc abgesehen von seriellen Sachen (z.B. die Sonaten von Boulez) oder strikt "anti-romantische" Abschnitten aus dem Pierrot Lunaire nicht eben viel ein, was ganz auf den Appell ans pauschal gesagt Gefühl verzichtet. wie dem auch sei: in jeder Stilrichtung und Epoche gibt es sehr gute Musik (was nicht heisst, dass sie auch jedem gefällt - übrigens ein 12-Ton Werk mit in jedem Sinn sehr romantischer Gestik und Gefühlsgeladenheit ist das Violinkonzert von Berg)

dass es romantische Musik vor dem 19. Jh. gegeben haben soll, legt den Verdacht nahe, dass es vor dem Impressionismus auch schon impressionistische Bilder gegeben habe, vor der realistischen Literatur (Fontane) auch schon realistische Romane -- das erscheint mir verworren... freilich nach Deiner privaten Definition hat es "romantische" Musik natürlich auch vor dem 19. jh. gegeben :) - ich würde halt anders formulieren, nämlich dass es sehr wohl sehr gute Musik sowohl davor als auch danach gegeben hat.

ich kenne die Zwistigkeiten der Barockmusik um das "affetuoso", den Affekt, italienischer Stil usw - selbstredend war da Musik enorm gefühlsbetont (man denke nur an das Gezänk um das recitativo accompagnato)

und der "Klassik" wird man auch nicht unterstellen können, sie sei gefühls- und affektarm im Vergleich zum 19. Jh. (ich hab jetzt mal stur "19. Jh." als Ersatz für "musikalische Epoche der Romantik" verwendet) - aber bestimmte musikalische Verfahrensweisen scheinen sich gelegentlich überlebt zu haben (weshalb man ja nie eklektisch stehen geblieben ist); auffallend ist, was Beethoven in den 20er jahren des 19. Jh. über seine viel früher komponierte "Sturmsonate" mitgeteilt hatte: dass in den früheren poetischeren Zeiten der Hinweis auf Shakespears King Lear nicht nötig gewesen wäre - also später offenbar doch. Wahrnehmungen, Empfindungen, Wertungen scheinen sich also auch gelegentlich zu verändern.

ach ja: es gab ja auch mal - lange vor der Romantik / dem 19. Jh. - die so genannte "Empfindsamkeit", z.B. Sternes Romane "Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman" oder "a sentimental journey through italy and france" ---- allein der Name "Empfindsamkeit" für diese literarische Richtung des 18. Jh. spricht Bände

allerdings sollte nicht der Eindruck entstehen, im 19. Jh. sei nun gar nichts entstanden, was nicht direkte "Vorfahren" gehabt hätte :) - - einen auffallenden Unterschied zwischen dem "19. Jh." und der "Klassik" und dem "Barock" gibt es, und er zeigt sich ganz besonders deutlich in der Musik: die zunehmende Subjektivisierung (auch in der Philosophie bzw. Ästhetik nachzulesen, Hegel, Fichte etc). es muss nun nicht zu hageln beginnen: einen ausgeprägten subjektiven personalen Stil wird man in der Barockmusik nicht so deutlich finden, in der Klassik auch noch nicht (mal etwas plan gesagt: Mozart, früher Haydn, früher Beethoven, Salieri, Dittersdorf - das klingt sehr ähnlich) - italienische, deutsche, französische, spanische Barockmusik: der Musikstil war quasi internationaler. Typisch "nationale Schulen" aber auch typisch personalen Stil (Chopin kann man nicht mit Schumann oder Tschikowski verwechseln) findet man erst im 19. Jh. --- und hier, im ausgeprägten persönlichen, subjektiven Stil: hier ist nun auch Beethoven, genauer gesagt der späte Beethoven, in der stilistischen Romantik angelangt: ab op.101 ein unverwechselbarer subjektiver Stil.

natürlich hat das alles nichts damit zu tun, dass man diese oder jene Epoche für besser oder schlechter halten sollte - sie unterscheiden sich halt in manchen typischen Eigenarten.
 
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Epochen - Stile - Moden

erstaunlich, welch intensiven Verlauf die Diskussion über "vergangene" Epochen nehmen kann.

So als Einwurf: mache doch jeder mal das Experiment und frage in der CD-Abteilung eines Tevi-/Media-/Saturn- oder sonstigen Marktes nach "romatnischer Musik". In mehr als 90% der Fälle wird er zu einer Auswahl geführt werden, die gar nichts mit einer EPOCHE zu tun hat oder im 19.Jahrhundert komponiert wurde - angeboten wird vielmehr eine Auswahl so rund um den Begriff "Kuschel-Rock".......

Natürlich kann man unter einem Begriff (romantische Musik) sehr Unterschiedliches verstehen. In einem "Fachforum" für Klavierspielen mit erfahrungsgemäß deutlichem Schwerpunkt auf "Klassische Stilrichtung" gehe ich wie Rolf eigentlich schon davon aus, dass der Begriff in der Hauptsache zur Umschreibung der Musik aus der "Romatik" benannten Epoche verwendet wird. Sonst wird einfach die Diskussion sehr schwierig, wenn jeder noch seine eigene Interpretation jedes einzelnen Begriffs mit einfließen lässt.

Mich persönlich würde aber folgende Frage interessieren:
die Musik "früherer Epochen" erlebe ich auch als "in etwa" identisch mit einer Stilrichtung (Barok, Wiener Klassik, Romantik...). Irgendwann fängt sich das an aufzusplitten und es existieren viele bis sehr viele Stilrichtungen nebeneinander. Ragtime und Scott Joplin existieren neben ganz anderen Richtungen. Jazz, Blues, Boogie entwickeln sich bis heute und auch Teile der sogenannten und oft geschmähten "Popmusik" werden wohl ins geschichtlich von unserer Zeit überlieferte Kulturgut eingehen. Wie definiert man die Musik des Jahres 2009 mit unzähligen Stilrichtungen, bei denen in den meisten auch "gute Musik" gemacht wird ????

Am meisten Mißverständnisse bestehen für mich über den Begriff "Popmusik", eigentlich viel mehr als über Romantik. Sollte es dort tatsächlich keine "gute Musik" geben?? (aber das ist auch schon fast provozierend gefragt)

Martin
 
Ich hab aber meine eigene Definition dafür, was ich unter "romantische" Musik verstehe. Es ist eine Musik, die den Hörer emotional anspricht oder besser gesagt vereinnahmt. Eine Musik, die man nicht rein verstandesmäßig und technisch verstehen kann, sondern die über das Unbewußte wirkt.

Also, wenn man den Romantik-Begriff für alles verwenden will, was einen emotional anspricht, dann wäre für mich in der Tat alle Musik, die ich gut finde, romantische Musik: insofern gebe ich Rolf recht - wenn eine Musik mich nicht emotional anspricht, ist es für mich keine gute Musik - weil einfach eine wichtige Dimension fehlt.

Ich will darauf hinaus, daß es romantische Musik schon lange vorher gegeben hat, bevor irgendjemand - keine Ahnung, wer das war - die "Musikalische Romantik" als Epoche erfunden hat.

Das Mißverständnis ist, daß das Gefühl erst im Laufe des 19. Jahrhunderts zur treibenden Kraft der Musik geworden sei.

Ich finde, das Mißverständnis liegt eher darin, dass Haydnspaß jedwede Musik, die irgendeine emotionale Komponente enthält und jegliches Gefühl beim Hörer auslöst, als romantisch bezeichnet.

Für mich ist eine Musik noch lange nicht romantisch in dem Sinne des Zeitgeists, der sich in der Musik der Romantik-Epoche ausdrückt, nur weil sie eine emotionale Komponente hat.

Ein Beispiel dazu: Wenn Bach z.B. in seinen Orgelchorälen bestimmten Worten bestimmte Klangstrukturen zuordnet (Schweitzer spricht von "Klangrede" !), z.B. kann man Seufzer/Schluchzer-Motive oder Jauchzer-Motive feststellen, so werden damit auch Gefühle angesprochen. Dies ist aber eine ganz andere Art der musikalischen Darstellung von Gefühlen, als sie in der Musik der Romantik-Epoche dargestellt wird.

Der springende Punkt ist nämlich die Konsequenz, die sich aus der persönlichen Auslegung des "Romantik"-Begriffs ergibt für die Interpretation entsprechender Klavierwerke aus den verschiedenen Epochen. Wenn man der Meinung ist, dass jedwede Musik, die emotional anspricht, romantische Musik sei, könnte man auf die Idee kommen, alle Musikstile interpretativ über einen Kamm zu scheren. Dies fände ich sehr einseitig, da die Gefühle eben je nach Musikstil durch unterschiedliche Kompositionsweisen (die auch unterschiedlichen Instrumenten geschuldet sein können) vom Komponisten zu Papier gebracht wurden. Dasselbe Gefühl, z.B. Traurigkeit, kann unterschiedlich kompositorisch verarbeitet worden sein, und trotzdem dasselbe Gefühl hervorrufen. Und entsprechend nach unterschiedlicher Interpretation verlangen, eben der unterschiedlichen kompositorischen Struktur geschuldet.
 
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Natürlich kann man unter einem Begriff (romantische Musik) sehr Unterschiedliches verstehen. In einem "Fachforum" für Klavierspielen mit erfahrungsgemäß deutlichem Schwerpunkt auf "Klassische Stilrichtung" gehe ich wie Rolf eigentlich schon davon aus, dass der Begriff in der Hauptsache zur Umschreibung der Musik aus der "Romatik" benannten Epoche verwendet wird. Sonst wird einfach die Diskussion sehr schwierig, wenn jeder noch seine eigene Interpretation jedes einzelnen Begriffs mit einfließen lässt.

Ich darf mal kurz das Metzler Musiklexikon zitieren:

Erst durch die deutsche R. (das Substantiv begegnet
erstmals bei Novalis), deren Repräsentanten bald als
»Romantiker« bezeichnet wurden, war die Voraussetzung
dafür gegeben, in Analogie dazu von einer musikalischen
R. zu sprechen. Ihre Physiognomie tritt jedoch erst seit
den 1830er Jahren deutlicher hervor, und sie endet als
Epoche im strengen Sinn bereits um 1850.


Ob Rolf damit einverstanden ist, daß die Epoche der Romantik bereits 1850 zu Ende ist, weiß ich nicht.

(Das Zitat ist übrigens nur ein winziger Teil eines ellenlangen Artikels, der die ganze Problematik des Romantikbegriffs unter verschiedensten Aspekten beleuchtet)


Es ist natürlich ein grundsätzlicher Unterschied, ob ich als Plattenverkäufer eine CD in ein Regal einsortiere, ob ich dies als Bibliothekar mache oder ob ich die Noten eines Musikstücks vor mir habe und mich frage "wie ist das zu verstehen?" und "wie spiele ich das?"

Mich persönlich würde aber folgende Frage interessieren:
die Musik "früherer Epochen" erlebe ich auch als "in etwa" identisch mit einer Stilrichtung (Barok, Wiener Klassik, Romantik...).

Dieses "identisch mit einer Stilrichtung" ist aber sehr wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß Musik eben oft so interpretiert wird, daß sie zur vermeintlichen Stilrichtung paßt. Die INterpretation richtet sich nach der Stilrichtung, nicht nach dem konkreten Musikstück. Und ich hatte ja bereits weiter oben geschrieben, daß ich die Unterschiede im Ausdruck einzelner Werke des selben Komponisten für weit größer halte als die Unterschiede der "Stilrichtungen".


Also, wenn man den Romantik-Begriff für alles verwenden will, was einen emotional anspricht, dann wäre für mich in der Tat alle Musik, die ich gut finde, romantische Musik:

Für mich ist eben nicht alle Musik die ich gut finde romantische Musik. Ich finde auch ganz andere Musik gut. Und nicht jede romantische Musik finde ich gut.

Ich finde, das Mißverständnis liegt eher darin, dass Haydnspaß jedwede Musik, die irgendeine emotionale Komponente enthält und jegliches Gefühl beim Hörer auslöst, als romantisch bezeichnet.

"Jedwede" nun auch wieder nicht. Aber Musik, bei der die Emotionalität im Vordergrund steht schon. Ein paar Beispiele: Bach Goldberg-Variation 25, Präludium b-moll, Mozart Fantasie d-moll, Sonate a-moll 1.Satz, Beethoven Mondscheinsonate 1. und 3. Satz, Schubert fast alle Lieder etc.

Und noch ein Zitat von jemandem, der eigentlich wissen sollte, was Romantik ist:

"Den 29.September saßen wir, xxx und ich, beim Klavier und spielten vierhändig Bachsche Präludien und Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier.Freunde! Das war nicht der alte Zopf, nicht der Fugen- und Kontrapunkt-Vater! Nein - das war das Urbild der c-moll Symphonie von Beethoven; das waren die Werke des größten Tondichters, des Gründers deutscher Musik! Wie klang das ganz anders als ich es gewohnt war zu hören... Es läßt sich nicht beschreiben, welche dämonische Gewalt in diesen Werken liegt, wenn sie nach des erhabenen Meisters Auffassung gespielt werden. Als wir bei der cis-moll-Phantasie ankamen, da konnte ich mich nicht mehr halten, die Tränen stürzten mir aus den Augen. Auch xxx war stark ergriffen von der Macht Bachscher Töne. Einmal über das andere rief er aus: "Ist doch der größte Meister!"


Der springende Punkt ist nämlich die Konsequenz, die sich aus der persönlichen Auslegung des "Romantik"-Begriffs ergibt für die Interpretation entsprechender Klavierwerke aus den verschiedenen Epochen. Wenn man der Meinung ist, dass jedwede Musik, die emotional anspricht, romantische Musik sei, könnte man auf die Idee kommen, alle Musikstile interpretativ über einen Kamm zu scheren.

Andererseits könnte man aber auch, wenn man die Idee von "Musikstilen" zu sehr übertreibt, auch auf die Idee kommen, alle Werke eines Komponisten nach dem selben Strickmuster zu häkeln.
 
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Andererseits könnte man aber auch, wenn man die Idee von "Musikstilen" zu sehr übertreibt, auch auf die Idee kommen, alle Werke eines Komponisten nach dem selben Strickmuster zu häkeln.

dass ein Musikstück Bestandteil wenn nicht manchmal sogar typisch repräsentativer Bestandteil einer musikalischen Stilepoche ist, hat mit der künstlerischen Qualität des Musiktstücks zunächst nicht viel zu tun.

dass ein Musikstück, egal aus welcher Zeit, möglichst gut gespielt werden sollte, dürfte auch relativ selbstverständlich sein.

wenn man allerdings einer gesamten Epoche eine spezielle Spiel- oder Interpretationsweise dogmatisch überstülpt, dann geht man an der Sache vorbei - - etwas in dieser Richtung scheinst Du zu meinen, jedenfalls habe ich Dich so verstanden. z.B. dogmatisch streng am Klavier Mozart immer leise, kaum bis kein Pedal, möglichst spieldosenartig: das wäre so ein dogmatisches Ungetüm, welches z.B. an KV 331 kläglich scheitern müsste.

(das Zitat hört sich nach Liszts Tochter an, deren Gatte Bachs Fugen, Beethovens späte Sonaten, vieles von Chopin und vieles von seinem Schwiegervater mochte)

weil ich sie sehr mag, nehme ich nochmals die Aria für Bass "mache dich, mein Herze rein, ich will Jesum selbst begraben" aus der Matthäus-Passion von Bach:
- ohne jeden Zweifel, ohne jeden Abstrich ein ungeheuer komplexes und ungeheuer emotionales Stück
- die damals gern geschmähte (Musikerstreit) affektvolle Koloratur findet Anwendung, ohne ins Unverständliche oder nur Effektvolle abzugleiten
- die Musik ist fast tänzerisch, mild bewegt, geschmeidig, zugleich sehr sehr melodiös (was für Arien durchaus conditio ist)
- und zugleich ist diese mehr in Dur-Harmonien klingende und beschwingte Musik voller Traurigkeit, Wehmut, Klagegesten
schier unbegreiflich: wie kann heiter bewegte, tänzerische Musik zugleich todtraurig sein? -- aber BACH konnte sowas. und mindestens ich verneige mich davor.
ok - gefühlvoll, affektvoll, melodiös usw ist das in höchstem Maße - aber es wäre unpassend, deswegen eher typische Interpretationsweisen des romantischen 19. Jh. auf diese Arie anzuwenden: ein in Rubato alles übertreibendes Orchester, das quasi a la Chopin accompagniert, würde hier eher komisch wirken :)

manche zu ihren jeweiligen Epochen gehörenden Gepflogenheiten müssen nicht in Bausch und Bogen abgelehnt werden. Zumal es auch (nicht nur) diese Gepflogenheiten sind, welche zu den typischen Stilmerkmalen und Eigentümlichkeiten der jeweiligen Epoche gehören.

dass hierbei nicht stur dogmatisch verfahren werden darf, ist klar.

dass Komponisten, die in Übergangszeiten lebten, durchaus auch Vertreter von zwei Epochen sein können, sollte nicht zu sehr wundern. Skrjabin oder Beethoven wären zwei solche Beispiele (zuvor erklärt, muss ich nicht wiederholen)

Gruß, Rolf

dass Du den 2. Satz der Mondscheinsonate ausnimmst, wundert mich - ich finde, dass auch bei dem "die Emotionalität im Vordergrund steht" (es sind ja nicht einzig die düsteren, traurigen, tragischen Stücke emotional)
 
Wenn ich das richtig verstehe bewegt sich diese Diskussion auf zwei ebenen, auf der einen wird hier von den meisten die einfache Einteilung "Romantik fängt so knapp mit knapp nach Beethoven an und hört mehr oder minder mit der Auflösung der Tonalität auf" zurückgewiesen. Zu vielschichtig ist bei genauerem Blick die Musik und ihre Geschichte.

Auf der anderen Ebene gibts dann den Versuch "Romantik" selbst zu definieren, entweder in einschränkender oder verallgemeinernder Form. Das Resultat ist, dass keiner dem anderen mehr zustimmen kann. Eine Definition über die Emotionen gefällt mir am wenigsten, Monteverdi's Orfeo bzw. Lamento d'Arianna halten mit den Romantikern an Emotionalität locker mit.

Ich denke dass man den Begriff wirklich sehr allgemein Fassen muss, als "Entwicklungsprozess in den Künsten in der Epoche vom Ende des 18. Jhd. bis Ende 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit großen gesellschaftlichen Umwälzungen". Gut, an dem Satz kann man sicher noch feilen, aber man merkt schon wie sich in den Werken aufkeimende Individualisierung, Demokratisierung bzw. Emanzipation der Bürger/Freiheitskampf thematisiert werden bzw. wie mit diesen umgegangen wird (träumerische Rückbesinnung auf die Vergangenheit/Mittelalter/"das natürliche, einfache Volk" oder Perfektionierung,Virtuosität,akribisches überwinden der künstlerischen Grenzen). Dass sich bei genauerem hinschauen Literatur und Musik nicht synchron entwickeln ist klar. Das ist auch garnicht der Punkt (für mich).

Bevor ich jetzt auseinandergepflückt werde noch eine kleine Frage, kann man heutzutage Romantische Stücke komponieren? Orchestrierte Filmmusik steht doch irgendwie in der Tradition der spätromantischen Orchesterwerke. Zu Schulzeiten haben wir im Deutschunterricht auch mal die These Diskutiert, dass außerhalb des Kunstbetriebes die Gesellschaft in gewisser Weise nie aus der Romantik herausgetreten ist.
 
dass ein Musikstück Bestandteil wenn nicht manchmal sogar typisch repräsentativer Bestandteil einer musikalischen Stilepoche ist, hat mit der künstlerischen Qualität des Musiktstücks zunächst nicht viel zu tun.

Da stimme ich dir zu. Ich verstehe allerdings nicht, warum du jetzt eine Qualitätsdiskussion beginnst. Das wäre ja wieder ganz ein anderes Thema.

dass ein Musikstück, egal aus welcher Zeit, möglichst gut gespielt werden sollte, dürfte auch relativ selbstverständlich sein.

Und das ist der Knackpunkt: was heißt "möglichst gut gespielt"

wenn man allerdings einer gesamten Epoche eine spezielle Spiel- oder Interpretationsweise dogmatisch überstülpt, dann geht man an der Sache vorbei - - etwas in dieser Richtung scheinst Du zu meinen, jedenfalls habe ich Dich so verstanden. z.B. dogmatisch streng am Klavier Mozart immer leise, kaum bis kein Pedal, möglichst spieldosenartig: das wäre so ein dogmatisches Ungetüm, welches z.B. an KV 331 kläglich scheitern müsste.

Ganz genau. Es gibt so bestimmte Vorstellungen, von denen eigentlich keiner weiß, wo sie herkommen, die aber im Denken vieler Musiker zu einer Verkrustung geführt haben, daß kein unbefangener Blick auf das jeweilige Werk mehr möglich ist.

(das Zitat hört sich nach Liszts Tochter an, deren Gatte Bachs Fugen, Beethovens späte Sonaten, vieles von Chopin und vieles von seinem Schwiegervater mochte)

Das Zitat stammt von dem Wagner-Dirigenten Hans Richter, der mit Wagner 1867 gemeinsam Bach Fugen gespielt hat.

weil ich sie sehr mag, nehme ich nochmals die Aria für Bass "mache dich, mein Herze rein, ich will Jesum selbst begraben" aus der Matthäus-Passion von Bach:
- ohne jeden Zweifel, ohne jeden Abstrich ein ungeheuer komplexes und ungeheuer emotionales Stück
- die damals gern geschmähte (Musikerstreit) affektvolle Koloratur findet Anwendung, ohne ins Unverständliche oder nur Effektvolle abzugleiten
- die Musik ist fast tänzerisch, mild bewegt, geschmeidig, zugleich sehr sehr melodiös (was für Arien durchaus conditio ist)
- und zugleich ist diese mehr in Dur-Harmonien klingende und beschwingte Musik voller Traurigkeit, Wehmut, Klagegesten
schier unbegreiflich: wie kann heiter bewegte, tänzerische Musik zugleich todtraurig sein? -- aber BACH konnte sowas. und mindestens ich verneige mich davor.
ok - gefühlvoll, affektvoll, melodiös usw ist das in höchstem Maße - aber es wäre unpassend, deswegen eher typische Interpretationsweisen des romantischen 19. Jh. auf diese Arie anzuwenden: ein in Rubato alles übertreibendes Orchester, das quasi a la Chopin accompagniert, würde hier eher komisch wirken :)

Ich dachte, rubato sei sogar bei Chopin verpönt... ?

Da soll sich noch jemand auskennen...

Zu der Arie kann ich jetzt leider nichts sagen, weil meine Kenntnisse der Orchester und Chormusik in vielen Bereichen etwas unterentwickelt sind.

Ganz sicher muß man nicht jedes Musikstück in ein Seelendrama verwandeln, noch nicht einmal jedes Musikstück der romantischen Epoche. Andererseits soll man aber auch nicht alle frühere Musik künstlich vermechanisieren. Daß mechanisches Spiel zu einer bestimmten Zeit (im 20.Jahrhunderts) in Mode kam, und daß man diese Mode dan Neoklassizismus nannte, ist Tatsache, hat aber mit der Musik von Bach, Haydn, Mozert, Beethoven überhaupt nichts zu tun.

manche zu ihren jeweiligen Epochen gehörenden Gepflogenheiten müssen nicht in Bausch und Bogen abgelehnt werden. Zumal es auch (nicht nur) diese Gepflogenheiten sind, welche zu den typischen Stilmerkmalen und Eigentümlichkeiten der jeweiligen Epoche gehören.

Von welchen Gepflogenheiten redest du da?
Hast du Insider-Informationen...?

dass Du den 2. Satz der Mondscheinsonate ausnimmst, wundert mich - ich finde, dass auch bei dem "die Emotionalität im Vordergrund steht" (es sind ja nicht einzig die düsteren, traurigen, tragischen Stücke emotional)

Den 2.Satz der "Mondschein"-Sonate sehe ich als einen typisch beethovenschen grotesken Scherz. Ich finde, den muß man sehr trocken und unsentimental spielen, sozusagen anti-emotional.
 
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(1)
Und das ist der Knackpunkt: was heißt "möglichst gut gespielt"
Ganz genau. Es gibt so bestimmte Vorstellungen, von denen eigentlich keiner weiß, wo sie herkommen, die aber im Denken vieler Musiker zu einer Verkrustung geführt haben, daß kein unbefangener Blick auf das jeweilige Werk mehr möglich ist.
(2)
Das Zitat stammt von dem Wagner-Dirigenten Hans Richter, der mit Wagner 1867 gemeinsam Bach Fugen gespielt hat.
(3)
Ich dachte, rubato sei sogar bei Chopin verpönt... ?
Da soll sich noch jemand auskennen...
(4)
Ganz sicher muß man nicht jedes Musikstück in ein Seelendrama verwandeln, noch nicht einmal jedes Musikstück der romantischen Epoche. Andererseits soll man aber auch nicht alle frühere Musik künstlich vermechanisieren. Daß mechanisches Spiel zu einer bestimmten Zeit (im 20.Jahrhunderts) in Mode kam, und daß man diese Mode dan Neoklassizismus nannte, ist Tatsache, hat aber mit der Musik von Bach, Haydn, Mozert, Beethoven überhaupt nichts zu tun.
Von welchen Gepflogenheiten redest du da?
Hast du Insider-Informationen...?
(5)
Den 2.Satz der "Mondschein"-Sonate sehe ich als einen typisch beethovenschen grotesken Scherz. Ich finde, den muß man sehr trocken und unsentimental spielen, sozusagen anti-emotional.

hallo,
der Reihe nach ein paar Anmerkungen:
(1)
möglichst angemessen und ausdrucksvoll - z.b. ein Bach´sche Fuge nicht wie eine Liszt´sche Bravouretüde, oder eine Invention nicht wie Chopin´sches Nocturne ;) -- die "Verkrustungen" muss man nicht allzu ernst nehmen, sie fallen ja nur bei ganz eklatant dogmatischen Vertetern auf - es waren halt gelegentlich übertriebene Interpretationsmoden. Der unbefangene Blick ist zwar eine schöne Formulierung, aber auf was wendet man ihn an? nur auf die Noten oder auch auf die Traditionen der jeweiligen Zeit, in der sie aufgeschrieben wurden??
(2)
na immerhin stimmt Wagner :p - irgendwo in den ellenlangen Tagebüchern der Cosima steht ähnliches über das spielen von Bachs Fugen, insofern kams mir inhaltlich (auch bzgl. der Attidüde des lehrreichen Blicks auf den "Meister) sehr bekannt vor (aber frag mich nicht, wo in den Tagebüchern - dieses riesige, zu mehr als 75 % salbadernde Konglomerat habe ich nie komplett gelesen, sondern mir nur übers Register die interessanten Stellen heusgepickt)
(3)
;) wenn absolut kein (angemessenes) Rubato bei Chopin mehr sein darf, tja, dann irrte halt der Frederic, als er´s gelegentlich in seine Noten schrieb
(molto scherzando! : da hätten wir schon eine zweite Fehlerquelle bei den Komponisten: die erste wären manche Tempovorgaben, die zweite wären solche Anweisungen wie rubato, acc.-rall. etc -- eines Tages wird man noch die Noten selbst auswischen und korrigern - bzw. verschlimmbessern)
(4)
stimme Dir völlig zu!
die Gepflogenheiten: da werde ich Dir gewiß keine Neuigkeiten mitteilen können - Noten sind oft recht vage Stenografie für Klänge, sind oft nicht wissenschaftlich hyperexakt notiert: z.B. steht nur selten bei Mozart etwa mf für die Melodie, und abgetrennt davon etwa p (mit dem Zusatz: diskret und geschmackvoll) für irgendeine gerade mal nicht weltbewegende Alberti-Baß Begleitung. Das alles kennst Du doch: wie artilkulieren, wie und wo und warum etwas cresc. und etwas dimin., auch wenns nicht extra hingeschrieben ist. Und da - also bei Noten mit wenig Zusatzinformation - unterscheidet es sich halt doch: man wird barockes anders als klassisches und anders als romantisches spielen. Kurzum: die etwas ungeschickt ironische gemeinte Frage nach Insider-Informationen hättest Du uns ersparen können... ;)
(5)
und das ist das schöne an Musik solcher Qualität (natürlich: die Mondscheinsonate ist nicht irgendwas, die hat sehr hohe musikalische Qualität), dass man sie innerhalb angemessener Relationen eben auch unterschiedlich wahrnehmen und deuten kann. etwas grotesk, etwas pittoresk, manche nennen´s auch Beethovens grimmigen Humor: das steckt zweifelsohne im 2. Satz - meiner Ansicht nach eher im Trio, der insgesamt heitere oder freundliche Hauptteil dagegen neigt sogar zum sehr gefühligen (die melodische Sequenz nach dem ersten Wiederholungszeichen), und das macht den Kontrast zum grotesken Trio mit seinen jähen Sforzati und dynamischen Schreckmomenten umso sinnfälliger.
allerdings: beides passt zum 2. Satz, man kann ihn auch insgesamt trockener spielen - so viel Freiheit gibt es natürlich. Schwachsinn wäre, ihn zu rasen oder ein largo lamento daraus zu machen. ---- aber auch das, hier am Exmpel des 2. Satzes, betrifft ja die Gepflogenheiten - und Du selber bist auch keineswegs total frei von diesen oder unbefangen: wo kommt denn Dein Ausdruck "typisch beethovenscher grotesker Scherz" her?

Gruß, Rolf
 
Bevor ich jetzt auseinandergepflückt werde

also von mir nicht!

die Filmmusik: ja, die bedient sich (oft in tränenseliger Weise) bei den Vorbildern aus Romantik, Spätromantik und gemäßiger Moderne - z.B. die sehr an Grieg, Wagner, Tschaikowski erinnernden wuchernden musikalischen Untermalungen in den drei "Herr der Ringe" Filmen, oder enorm wagnerianisch die Star Wars Musik und die Musik zu den jurassic park Filmen :)
ich habe den Eindruck, dass man manchmal (in den 50er & 60er Jahren) in der Filmmusik etwas mehr an die Moderne angeknüpft hatte, dazu zähle ich auch manche etwas agressiv auftrumpfende Anleihe an Free Jazz

und nicht vergessen: es gibt Filmmusik von Prokovev, Copeland, Glass !!

Gruß, Rolf
 
hallo,
der Reihe nach ein paar Anmerkungen:
(1)
möglichst angemessen und ausdrucksvoll - z.b. ein Bach´sche Fuge nicht wie eine Liszt´sche Bravouretüde, oder eine Invention nicht wie Chopin´sches Nocturne ; )

Ich bin mir da absolut nicht sicher. Den 2.Satz des italienischen Konzerts spiele ich schon in der Art eines "Chopin Nocturnes", da hält mich niemand davon ab. Natürlich mit weniger Pedal - aber nicht ohne.

Und die chromatische Fantasie spiele ich wie eine Liszt-Etüde - aber auf jeden Fall. : )

Wo haben Chopin und Liszt ihre Ideen denn her...

-- die "Verkrustungen" muss man nicht allzu ernst nehmen, sie fallen ja nur bei ganz eklatant dogmatischen Vertetern auf

Auf Schritt und Tritt fallen sie einem, ähm, nein, mir auf.
Wenn ein Stück der Bachzeit gespielt wird, dann weiß ja jeder aha-Barock, und mit dieser Erwartungshaltung wird dann alles unifor ähm interpretiert

Die großen Komponisten waren ja gerade deshalb so groß, weil sie dem Einfluß der gerade gängigen Mode nicht so hinterherhechelten, sondern ihr ganz eigenes Süppchen gekocht haben. Manchmal haben sie sich in ihren Kompositionen sogar über modische Floskeln lustig gemacht.

- es waren halt gelegentlich übertriebene Interpretationsmoden. Der unbefangene Blick ist zwar eine schöne Formulierung, aber auf was wendet man ihn an? nur auf die Noten oder auch auf die Traditionen der jeweiligen Zeit, in der sie aufgeschrieben wurden??

Tradition ist ein Begriff, der mich immer sehr bestürzt macht 8)

Sein Leben lang kämpft der Komponist gegen die Tradition, und sobald er das Zeitliche gesegnet hat, heißt es: da schau her: das ist Tradition!


Das alles kennst Du doch: wie artilkulieren, wie und wo und warum etwas cresc. und etwas dimin., auch wenns nicht extra hingeschrieben ist. Und da - also bei Noten mit wenig Zusatzinformation - unterscheidet es sich halt doch: man wird barockes anders als klassisches und anders als romantisches spielen. Kurzum: die etwas ungeschickt ironische gemeinte Frage nach Insider-Informationen hättest Du uns ersparen können... ;)

Von wegen! Diese Frage ist mir ein zentrales Anliegen.
Ständig trifft man auf Leute, die behaupten, sie wüßten, wie man es richtig macht. Und leider stellt sich dann praktisch immer heraus, daß sie es genausowenig wissen wie alle anderen auch. Niemand weiß, wie man die Musik der Bachzeit oder Beethovenzeit oder Schumannzeit richtig spielt. Wir können nur Vermutungen anstellen aufgrund von schriftlichen Äußerungen, die es von den Komponisten oder ihren Zeitgenossen gibt. Aber auch wenn solche schriftlichen Dokumente vorliegen, waren auch damals die Worte schon mißverständlich, nicht erst heute.

---- aber auch das, hier am Exmpel des 2. Satzes, betrifft ja die Gepflogenheiten - und Du selber bist auch keineswegs total frei von diesen oder unbefangen: wo kommt denn Dein Ausdruck "typisch beethovenscher grotesker Scherz" her?

Ich will hier ja nicht den Eindruck erwecken, als hätte ich den Stein der Weisen gefunden, womöglich sei ich der einzige, der die Wahrheit kennt :D
Den "typisch beethovenschen grotesken Scherz". kennt jeder der Beethovens Bagatellen, die Diabelli-Variationen, diverse Klaviertrios und Streichquartette etc. schonmal bewußt gehört hat.
Mit Konventionen hat das eben gerade nichts zu tun. Eher mit der Sprengung von Konventionen.
 
Igitt - Bach ist doch nicht so ein Sentimentalist wie Chopin... ;)

:D

Ach! wer doch schon im Himmel wär!
wie dränget mich nicht die böse Welt!
Mit Weinen steh ich auf, mit Weinen leg ich mich zu Bette,
wie trüglich wird mir nachgestellt!
Herr! merke, schaue drauf!
Sie hassen mich, und ohne Schuld,
als wenn die Welt die Macht
mich gar zu töten hätte.
Und leb ich dann mit Seufzen und Geduld verlassen und vernicht't
so hat sie noch an meinem Leide die größte Freude.
Mein Gott, das fällt mir schwer.
Ach, wenn ich doch, mein Jesu, heute noch bei dir im Himmel wär!


Ich säe meine Zähren (Tränen)
mit bangem Herzen aus,
Jedoch mein Herzeleid
wird mir die Herrlichkeit
am Tage der seligen
Ernte gebären.


:D
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Von wegen! Diese Frage ist mir ein zentrales Anliegen.
Ständig trifft man auf Leute, die behaupten, sie wüßten, wie man es richtig macht. Und leider stellt sich dann praktisch immer heraus, daß sie es genausowenig wissen wie alle anderen auch. Niemand weiß, wie man die Musik der Bachzeit oder Beethovenzeit oder Schumannzeit richtig spielt. Wir können nur Vermutungen anstellen aufgrund von schriftlichen Äußerungen, die es von den Komponisten oder ihren Zeitgenossen gibt. Aber auch wenn solche schriftlichen Dokumente vorliegen, waren auch damals die Worte schon mißverständlich, nicht erst heute.
.

denkt man das mal streng weiter... so für Bach bis Liszt:

es gibt primäre Quellen: Handschriften, Erstausgaben, Urtextausgaben

es gibt sekundäre Quellen: unscharfes verwaschenes Sprachzeugs, mal vom Komponisten, mal von seinen Freunden, Feinden oder sonstigen Beobachtern :D

und dann die Ernüchterung: "Niemand weiß, wie man die Musik der Bachzeit oder Beethovenzeit oder Schumannzeit richtig spielt."
erste Konsequenz: wenn´s niemand weiß, merkt man man nichtmal, wenn´s zufällig doch richtig war :D
zweite Konsequenz: unter solchen Prämissen ist´s eigentlich völlig wurscht, wie irgendwer irgendwas spielt - wird eh meistens falsch sein.

... ... das sind die lähmenden Folgen, wenn man solche apodiktischen Sätze mal spaßeshalber ernst nimmt... :D
 
Auf Schritt und Tritt fallen sie einem, ähm, nein, mir auf.
Wenn ein Stück der Bachzeit gespielt wird, dann weiß ja jeder aha-Barock, und mit dieser Erwartungshaltung wird dann alles unifor ähm interpretiert
.

soll witzig, belehrend und geistreich sein - ich gestehe, mir wäre unwohl, hätte ich das geschrieben...

warum? ein Stück der Bachzeit wird man eher am Stil und der Kompositionsweise erkennen, als an eventuell mehr oder weniger falschen Interpretationsweisen!
 

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