Mentale Streßfaktoren im Unterricht

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Hans Borjes

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18. Mai 2008
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Hallo,

gestern hatte ich wieder wie jede Woche eine Stunde Klavierunterricht und habe mich angestellt wie der allerletzte Anfänger. Jedenfalls habe ich das so empfunden beim aktuellen Stück, das wir gerade erarbeiten: Schumann Träumerei. Mit dem Stück haben wir nach den Tonleiterübungen die Stunde begonnen.

Vorwegschicken muß ich fairerweise, daß ich gestern ziemlich platt war und meine Augen nach dem Arbeitstag nicht so recht mitmachen wollten beim Vom-Blatt-Spielen. Trotzdem sind mir gestern einige Dinge besonders aufgefallen.

  • Der Übungsraum meiner Lehrerin war am Anfang schön kalt, weil sie erst kurz vor mir eintraf und die Heizung halt ne Weile braucht, bis es angenehm wird. Auf kalten Möbeln sitzen hasse ich besonders und auch das arme Instrument tut mir dabei immer leid.
  • Meine langen Beine passen nicht so recht unter Ihren Flügel. Japaner sind halt kleiner...
  • Die Lampe ist nicht so toll fürs Klavier geeignet und blendet am Anfang immer, während die Klaviatur im Dunkeln liegt. Ich versuche jedesmal, mich damit abzufinden. Nach fünf Minuten nervt es, ich verstelle die Lampe ein wenig, dann ist es besser, aber immer noch anstrengend für die Augen, wenn man vom Blatt in Größe DIN-A-vierkommafünf spielen will.
  • Am Anfang bringt mich manchmal ihr Yamaha-Flügel völlig durcheinander. Er klingt so dermaßen anders als mein Bösie, daß ich selbst bei richtigen Tönen immer das Gefühl habe, falsch zu spielen. Das führt dann schnell dazu, daß ich aufhöre mit dem Spielen und meine Klavierlehrerin einhakt, um zu helfen. Wenn ich etwas Zeit hätte, den Flügel und mich warmzuspielen (im wahrsten Sinne des Wortes :D), dann wäre das vielleicht besser.
Ich hab mich dann heute morgen mal wieder an mein Yamaha Digitalpiano gesetzt und mich gefragt, ob sich üben darauf lohnen würde. Ich glaubs aber eher nicht. Vielleicht wäre es besser ein, zweimal im Monat ne Übungsstunde im Steinwayhaus einzulegen, um Flexibilität zu trainieren.

Habt Ihr Tips aus Schüler- und Lehrersicht, wie man solchen mentalen Streß am besten bewältigt? Klapp das mit Routine automatisch oder muß man daran gezielt arbeiten?

Hans

P.S.: Analog beim Auto: habe viele Jahre nur ein Motorrad gehabt und deshalb wunderbar gelernt, mich ad hoc auf ein anderes Auto einzustellen. Spaß macht es mir trotzdem nur mit wenigen...
 
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Hallo Hans,
mir geht es oft ähnlich, die Umstellung ist immer etwas problematisch, ich denke, das ist aber auch besonders am Anfang so.

Ich wechsele oft zwischen Flügel und Stagepiano, und man wird tatsächlich flexibler. Dimo hat mich drauf gebracht.
Schließlich ist es ja auch Realität für Pianisten, immer andere Instrumente vorzufinden.

Aber ich denke, dass Problem liegt in einem selbst. Nämlich besteht es in der persönlichen Haltung seiner eigenen Leistung und dem Spielen gegenüber sowie an der Haltung gegenüber dem KL.
Der frisst einen nicht, dass hab ich aber auch noch immer nicht kapiert. Meine KL hat aber schon kapiert, dass ich das nicht kapiere...:):rolleyes: Und versucht mich immer zum Fehelrmachen zu ermutigen, dann fällt eine Menge Stress ab.
Mir hilft es, mir zu erlauben Fehler zu machen.

LG
violapiano
 
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Am Anfang bringt mich manchmal ihr Yamaha-Flügel völlig durcheinander. Er klingt so dermaßen anders als mein Bösie, daß ich selbst bei richtigen Tönen immer das Gefühl habe, falsch zu spielen. Das führt dann schnell dazu, daß ich aufhöre mit dem Spielen und meine Klavierlehrerin einhakt, um zu helfen. Wenn ich etwas Zeit hätte, den Flügel und mich warmzuspielen (im wahrsten Sinne des Wortes ), dann wäre das vielleicht besser

Das nenn ich Jammern auf hohem Niveau:D.

Im Ernst, Hans, mir gehts (auf niedrigerem Level) genauso. Das Yamaha Schulklavier irritiert mich total. Nach peinlichem Gejammere (Anfänger mit S&S-Klavier ...) kann ich mich jetzt 20 min auf dem Y. warmspielen. Das bringt tatsächlich irrsinnig viel.

Scheint so, als ob du auch (noch) die akustische Rückmeldung brauchst. Sicherlich bringt mehr Abwechslung was. Ich merke, dass ich auch etwas resistenter/stabiler bin, wenn ich mehr auf dem Digi spiele. Ich denke, wir haben beide Instrumente, die uns ziemlich verwöhnen :D.

Freun wir uns dran!
 
Schließlich ist es ja auch Realität für Pianisten, immer andere Instrumente vorzufinden.
Das stimmt - leider. Aber der Profi setzt sich auch nicht (wenn es um etwas geht, und das ist im Klavierunterricht halt der Fall) einfach ans Instrument und spielt darauflos. Der Profi wird auf seiner Zeit zum Einspielen bestehen.

Wieso glaubt der Amateur, man solle / müsse / könne einfach drauflosspielen? :confused:
(Wahrscheinlich ist es genauso wie beim Badminton: Der Profi läuft und springt sich warm, dehnt behutsam seine Muskeln und Bänder, während der Amateur schon längst am Spielen ist. Das Resultat: Muskelzerrungen und Sehnenabrisse ...)
 
Guck, da sagst du was. Wohl wahr. Warum sollen wir Amateure das können.*andiestirnklatsch*:)

Aber was fisherman schreibt, da ist was dran. Man möchte gerne so gut abliefern, wie man kann und nicht durch Irritation durchs Instrument daran gehindert werden.

LG
 
Am Einspielen ist sicher was dran. Die Tonleitern waren dafür anscheinend noch nicht hilfreich, vielleicht kommt das ja noch.

Meine spezielle Unterrichtssituation macht das Einspielen auch nicht gerade einfach, weil meine Lehrerin nicht bei ihrem Unterrichtsraum wohnt. Sobald ich dort auftauche, unterbricht sie ihre Übungszeit. Als Pianistin spielt sie immer, wenn ich eintreffe. Eine Unterrichtsstunde ist 60 Minuten lang, mich davon 20 Minuten einzuspielen, kommt mir schon extrem vor.

Im Augenblick schwebt mir vor, meiner KL vorzuschlagen, daß ich mir immer ein Stück zum Warmspielen nehme, das ich schon gut beherrsche. Vielleicht läßt sich ja eine Vereinbarung treffen, daß ich das Stück spontan wählen kann (und auch wechseln, falls es nicht klappt) und sie mich nicht unterbricht, auch wenn ich steckenbleibe.

Mir erscheint es auf jeden Fall als ungünstig, auf dem fremden Instrument gleich mit dem neuesten und damit schwersten Stück zu beginnen.

Hans
 
Im Augenblick schwebt mir vor, meiner KL vorzuschlagen, daß ich mir immer ein Stück zum Warmspielen nehme, das ich schon gut beherrsche. Vielleicht läßt sich ja eine Vereinbarung treffen, daß ich das Stück spontan wählen kann (und auch wechseln, falls es nicht klappt) und sie mich nicht unterbricht, auch wenn ich steckenbleibe.

Genau. Und wenn Du 2 Stücke nimmst, hast Du etwa 10 min verbraucht. Das ist ein geringer Preis dafür, dass es dann besser läuft und der Rest-Unterricht effizienter wird.
 
Ich finde 20 Minuten warmmachen ganz o.k., dann sind die Finger weich und alles läuft wie geschmiert.

Ich mag solche Kaltstarts nicht, hinsetzen und gleich ein Stück....
Aber die Menschen sind bekanntlich verschieden.

LG
violapiano
 
ich hatte diese Probleme auch, weil ich dann nicht besser geworden bin, sobald ich das gemerkt habe, habe ich gewechselt. Ich habe einen hohen Lehrerverschleiß. Bin jetz beim 4. Lehrer. Wenn ich merke, dass die Lehrer sich nicht mehr vorbereiten auf den Unterricht, bringt es nix, noch Geld auszugeben.
 
ich hatte diese Probleme auch, weil ich dann nicht besser geworden bin, sobald ich das gemerkt habe, habe ich gewechselt. Ich habe einen hohen Lehrerverschleiß. Bin jetz beim 4. Lehrer. Wenn ich merke, dass die Lehrer sich nicht mehr vorbereiten auf den Unterricht, bringt es nix, noch Geld auszugeben.

Wenn ich merke, dass ich mich als Schüler nicht mehr auf den Unterricht vorbereite, bringt es nix, noch Geld auszugeben. Mein Lehrer sagt mir nur, wie ich mich vorbereiten soll.
 
ich mache selber immer die erfahrung, dass ich manchmal total fertig von der uni komme und im unterricht dann nicht so gut klarkomme als wenn ich zu hause übe. Mit meinem Klavierlehrer habe ich ausgemacht, dass ich immer 5 Minuten früher komme. Dann können meine Finger warm werden und ich mich mental auf den Untericht vorbereiten.
Mir hilft während des Spielens ebenfalls tiefes Durchatmen an geeigneten Stellen.
Man brauch aber auch ne Weile um auf allen Klavieren gleich gut spielen zu können.
 

HI,
ohhh diese Problem kenne ich nur zu gut, und die meisten anderen bestimmt auch. Ich hatte neulich eine Schnuppernde ^^ im Untgerricht sitzen, die gerade ihren Master an einer anderen HS gemacht hatte und gemeint hat, das sei bei ihr bis zum Schluss so geblieben. Vll auf höherem Niveau ;)
Manchmal hilft es ein bisschen, sich bewusst vorzunehmen, einfach zu akzeptieren und anzuhören, was da gerade kommt. Weghören macht es nämlich schlimmer... Und noch ein Satz, den ich mir gerne auch vor und während Konzerten sage: runterhauen kann ich es eh, also kann ich mich ruhig bemühen, etwas musikalisches abzuleisten.
Ich wünsche euch viel Spaß und Mut! Und warme Finger auf allen Wegen (schön wärs...)
LG
Lalona
 
von stress im unterricht kann ich ein lied mit etlichen strophen singen :(. ich hatte die letzten vier jahre unterricht bei einem lehrer, der sicherlich ein hervorragender pianist ist, der aber für seine schüler nur zynismus und sarkastische sprüche übrig hatte. ein positives feedback habe ich in all der zeit nie bekommen. entsprechend verunsichert war ich (und bin ich auch noch heute). egal wie sicher ich zu hause spiele, im unterricht (oder wenn ich vorspielen soll) herrscht die reine panik. ich male mir während des spielens aus, was alles schief gehen kann (das dann natürlich auch alles schief geht).

autogenes training und yoga haben mir bisher auch nicht richtig weitergeholfen. die panikattacken legen alle guten vorsätze zu atmung und entspannung lahm.

mein jetziger lehrer (seit drei monaten) hat mit mir ein regelrechtes "praxisorientiertes antistress-programm" entwickelt: wenn es sein stundenplan zulässt, darf ich in seinen räumen üben. ich weiss, dass er mich hört, und es braucht geraume zeit, bis ich die hemmschwelle überwunden habe, in seiner anwesenheit lärm zu machen. kommentare gibt es aber nur, wenn ich es ausdrücklich wünsche. letztens hat er mir ein aufnahmegerät zur verfügung gestellt: ich solle damit experimentieren und ihm jeden tag einen take (egal wie lang) zukommen lassen. (aber so ein gerät ist ja noch viel grausamer und unerbittlicher als jeder lehrer! :( bis jetzt habe ich jedenfalls noch nichts wirklich anhörbares zustande gebracht.) im unterricht selbst habe ich glücklicherweise nicht nur eine chance. meist heisst es "zweite", wenn nicht gar "dritte strophe", bevor wir an die besprechung von details und problemen gehen.

mit dem stress im unterricht kann ich mittlerweile ganz gut umgehen. mit dem vorspielen ("hic rhodos, hic salta") hapert es allerdings noch. ich glaube, dass ruhe und gelassenheit ganz wichtige faktoren sind. und natürlich vertrauen zum lehrer, und dass der lehrer zutrauen zum schüler hat.

vielleicht helfen meine erfahrungen ja anderen in ähnlichen situationen.
lg
a.
 
Ruhe und Gelassenheit nützen alles nix, wenn (wie in meiner letzten KStunde) draußen Minusgrade herrschen, Du mit kalten Fingern kommst und im Zimmer 15 Grad sind. Wenn die Finger warm sind, ist der Unterricht rum und nichts hat richtig geklappt.

Mildernd ist nur anzumerken, dass jetzt Ferien sind und ich Nachholestunden bekomme wg. Reha, da sind 3 Stunden zu solchen "Unzeiten" eingeplant.
Das ist auch mal eine Erfahrung- gelernt habe ich aber trotzdem was... nur der Spaß hat gefehlt.

Klavirus
 
hallo zusammen,
es stimmt mich traurig, was ich hier teilweise gelesen habe, ja lesen musste.
ich habe bei schülern (einen nachmittag lang) und bei studenten (zwei tage lang, ggf blockkurse) die erfahrung gemacht, dass alles belastende verschwindet, wenn ich sie auf emotionale inhalte in den zu erarbeitenden stücken aufmerksam mache - oder auf manuelle details, die wir dann gemeinsam "überlegen" (klar, ich steuere das) und in ordnung bringen.
natürlich kann ich unerbittlich streng und gräßlich pingelig sein, aber nur bei denen, die das aushalten, weil sie mich schon länger kennen - und denen macht die akuratesse dann sogar spaß! mal auf den geschmack gebracht, wollen die dann von allein, dass es nach 5sterneküche und nicht nach mac oder burger klingt.
ich glaube, vieles liegt am umgang und an der art der motivation - gute lehrer wecken keinen verkrampften ehrgeiz, sondern liebe zur musik, behandeln schüler nicht arrogant und zynisch, sondern wecken deren (noch) verborgene aufmerksamkeit und aufnahmebereitschaft für musik.
woran erkennt man die? daran, dass sie selber gut und vor allem gerne spielen und alles können auch in eine Tonleiter, ein mini-Menuett oder ein "Trällerliedchen" und "Trauermarsch für eine Puppe" legen
bedauernde grüße, rolf
 

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