Knöchel No. 4404 muss weg - ein Hilferuf

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15. Dez. 2009
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Liebe Leute, vor allem liebe Fachkollegen/innen,
vor ein paar Jahren habe ich mir interessehalber etwas ans Bein gebunden, was ich nun weggeben oder entsorgen muss:
ein Konzertklavier der meinerseits erfahrungsbedingt hoch geachteten Firma Ad. Knöchel aus Berlin. Es muss komplett generalrenoviert werden - das wird aber unter meiner Federführung nicht erfolgen können, denn es steht an einem Platz, von dem es nun weichen muss. Und das bedeutet: Entweder, es holt sich jemand ab, oder ich muss es demontieren und auf dem Sperrmüll entsorgen.
Dieses letztere wäre allerdings ein Jammer historisch bedenklichen Ausmaßes.

1) Adolf Knöchel stand m. W. eng in Verbindung mit Bechstein und Duysen in Berlin, sowie mit Meyer in München. Seine Klaviere, soweit ich sie kenne (ca. 6-8 verschiedene Exemplare), wirken sehr gut durchdacht und klingen sehr gut. Eigenwilligkeiten, wie z. B. der stets horizontale Faserverlauf des Resonanzbodens, sind dabei ganz gewiss kein Zufall.

2) Das Klavier, das ich euch hier präsentiere, ist mit ca. 140 cm zzgl. Rollen (derzeit nicht vorhanden) das größte mir bekannte von Knöchel. Es dürfte aus den 1890er Jahren stammen und hat 88 Tasten. Die (m. E. unkaputtbare) Gussplatte ist angestemmt. Der Stimmstock ist leider teilweise losgeleimt und muss komplett saniert oder neu gefertigt werden.

3) Das Klavier hat eine Unterdämpfer-Mechanik, und die ist allerdings etwas sehr Besonderes. Sie funktioniert ohne Rückholfedern an den Hammernüssen und ohne Rückhol-Litzenbändchen! Die Gegenfänger stehen nicht rechtwinklig zu den Hammerstielen, sondern ragen abwärts, die Fänger kommen von unten und sind mit einer Stellschraube regulierbar. Die Stoßzungen greifen in eine spezielle Nut der Hammernuss, wo sie den Hammer sowohl aufwärts/vorwärts gegen die Saiten treiben, als auch beim Rückfallen des Hammers zurück/abwärts ziehen. Bei perfekter Garnierung und Regulierung dürfte das beachtlich gut funktionieren. In jedem Fall wäre es wohl wirklich bejammernswert, wenn diese Mechanik der Vernichtung anheimfiele.

4) Ich halte es im Hinblick auf konstruktive Intelligenz und gealterte Holzmaterialien für recht wahrscheinlich, dass bei umfassender Restaurierung aus diesem Klavier eines der tollsten Pianos wird, die es überhaupt gibt. Mindestens aber eines von historisch-musealem Wert, sofern es das nicht sogar jetzt schon ist.

Ich würde mich sehr freuen, wenn sich jemand Engagiertes findet, der/die mir das schöne Teil hier wegholt. Es steht in Bad Pyrmont im Weserbergland. Bitte per PN melden. Bis Ende August muss ich das irgendwie regeln...

Hier schon mal zwei Bilder, es kommen noch weitere für Details.
Ihr könnt auch diesem Link zu einer Collage folgen, aber für die braucht ihr einen Editor, der vergrößern und durch den Bildschirm scrollen kann.

knoechel4404-zu.jpg
knoechel4404-nackt.jpg


Ich hoffe auf euch...
Gruß
Martin


(Hier ohne Signatur - es geht hier um Wehmut und nicht um Werbung oder PR)
 
Wäre echt schade drum, wenn's nicht wenigstens ein gescheites Plätzchen finden würde, wo es gedultig auf seine Wiederbelebung warten kann.

Ich kann mich von meiner Klaviersuche an ein Knlöchel erinnern, welches mir klanglich wirklich gut ferallen hat.

Wie ist der derzeitige Zustand? Ist es wie es ist stimmbar und einigermaßen spielbar oder ist es ohne eine umfassende Sanierung völlig unbrauchbar?

Grüße.
 
Ja, HoeHue, das weiße Knöchel in Wetzlar habe ich auch schon seit Langem im Web-Blick, und schon oft wenn ich von Py nach Ka gefahren bin, fiel mir hinterher ein: Mensch, schon wieder keinen Abstecher gemacht um das Ding anzuschauen... Ein technisch baugleiches Exemplar (in Hamburg) war meine Knöchel-Initialzündung.

Mein Exemplar ist so leider nicht stimmbar. Wie gesagt: Der Stimmstock muss saniert werden. Aber in dem Zuge, so meine ich sachlich sinnvollerweise alles andere Substanzielle auch. Das ist natürlich sehr aufwändig - aber am Ende wird daraus eine neue Lebenserwartung von vielen Jahrzehnten erwachsen. Und ein vermutlich ziemlich high-endiges Produkt.

Gruß
Martin
PianoCandle
 
Wenn da bloß die enorme Entfernung nicht wäre...das Teil würd ich mir sofort holen, aber Transport bis nach München kann ich mir beim besten Willen nicht leisten :(

Wenn der Stimmstock lediglich losgelöst ist, muß nicht unbedingt ein neuer Stimmstock rein, ordentlich verleimen und eventuell zusätzlich verschrauben brachte erfahrungsgemäß immer den gewünschten Erfolg.

Viele Grüße

Styx
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Na, die Entsorgung würde ja auch was kosten... vielleicht kann man sich irgendwie einigen ;) Ich hoffe auf ein Weiterleben des Klaviers :D
 
Na, die Entsorgung würde ja auch was kosten...

naa ja, Entsorgung ist für Klavierbauer nicht so kostenaufwendig -Metallteile zum Schrotthändler, Holz und Filzteile in den Kohleofen (riecht bloß etwas nach Krematorium), und aus dem Blei Zinnfiguren gegossen und verkauft; in so fern fallen bei einer Entsorgung immer noch ein schön geheiztes Zimmer und ein paar Flaschen Glühwein ab. :D

Viele Grüße

Styx
 
Stoß-Zieh-Zunge und Waagrecht-Fang

Hallo.
Hier zeige ich noch weitere Details der besonderen Mechanik des Knöchel-Klavieres 4404.

Im ersten Bild sieht man die gekröpfte Spitze der "Stoß-Zieh-Zunge" und die Nut, in die sie an der Hammernuss greift, um den Hammer nach dem Anschlag mit dem Fallgewicht des Hebeglieds (incl. Abstrakte) zurückzuziehen.

Im zweiten Bild sieht man die Fang-Konstruktion. Etwas oberhalb der Mitte sieht man im Halbhintergrund den liegenden Fänger, sowie den herabhängenden Gegenfänger (der nach oben fest mit der Hammernuss verbunden ist). Der Fänger ruht auf einem regulierbaren Schenkel, der durch Federkraft hochgehalten wird. Die Regulierschraube sieht man vorn. Die Stoßzungenkapsel hat demgemäß zwei Achsungen, eine für die Stoßzunge und eine für den Fänger-Schenkel.

Gruß
Martin

knoechel4404-stossnut.jpg


knoechel4404-fg-ggfg-ausl.jpg
 
Hallo Martin,

Hast Du schon ein Plätzchen gefunden? Klavierretter wäre ne mögliche Adresse ;-)

Übrigens - schöne Bilder und gut erklärt.
Mach vielleicht mal ein kleines Video von der Mechanik in Aktion - das wäre toll zu sehen!:p

LG
Michael
 
Angekommen!

So, nun gibt es keinen Zweifel mehr.
Knöchel 4404 hat eine neue Bleibe.
Er wurde übernommen von Christoph Schreiber in Berlin
in seinen "Pianosalon Christophori" , und das is ja nun ganz sicher eine wirklich würdige Adresse. Eine große Freude ist mir das!

Inzwischen bin ich dort gewesen und hatte auch die schöne Möglichkeit, Christoph Schreiber selbst in seinen Räumlichkeiten zu begegnen und viele seiner Schätze zu sehen zu bekommen. Im Bild unten sieht man im Hintergrund einen Erard-Konzertflügel, der für Hauskonzerte genutzt wird. Dahinter, quasi als Strich zu erahnen, einen Förster Quattrochord, und neben beiden (nur anhand des aufgestellten Deckels zu erahnen) einen Duysen-Konzertflügel.

knoe4404-chrphori.jpg


Dank an alle, die dieser Transaktion zu einem schönen Ergebnis verholfen haben!

Gruß
Martin
 

...und ich mach mir die Arbeit und entsorge jede Woche welche.
 
@90JKB

Stell doch auch mal ein paar Bilder des Westermanns ein, vielleicht findet sich ja auch hierfür ein Liebhaber oder Bastler, da wir ja gerade in einem anderen Faden auch über Geradesaiter debattierten. Wenn ich nur Platz hätte...

Gruß Ka8
 
Hallo,

Westermayer produziert in Berlin erst seit 1863, Westermann dagegen von 1844-1887
 
Oh Wunder!

Kürzlich sah ich sie wieder, diese sonderbare Mechanik mit den Stoß-Zieh-Zungen und den hängenden Gegenfängern. Zweifellos die gleiche Bauart und auch das gleiche Fabrikat, wie ich an einer Einstempelung feststellen konnte, nur geringfügig weniger aufwändig im Detail.
Hier ein Foto:

sondermechanik.jpg


Allerdings gehört sie diesmal nicht zu einem Knöchel-Klavier, sondern zu diesem hier:

sonderklavier.jpg


Was das für eines ist?
Vielleicht kommt es ja jemandem hier bekannt vor...
Sonst Auflösung morgen
;)

Gruß
Martin
 
Okeeokeeokee,
niemand hat sich als Ratende/r versucht. Schade. Vielleicht war auch gerade niemand da, der/die einen entsprechenden Kenntnis-Hintergrund hat...

Also:
Das abgebildete Klavier ist zweifellos geradsaitig, und es hat eine angestemmte Gussplatte, wird also wohl von deutlich vor 1900 sein.
Die Linienführung der Bewirbelung hätte ganz bestimmt bei Personen mit profunder Kenntnis alter Klaviere die Erinnerung klingeln lassen.
Und dann kommt noch etwas dazu, was in der zu vermutenden Bauzeit ziemlich außergewöhnlich war: dieses Klavier hat 88 Tasten!
Und damit liegt eine Vermutung mehr als nahe, die letztlich auch zutrifft.
Dieses Klavier ist ein BECHSTEIN. Und nach der Seriennummer etwa von 1878.

Und ich frage mich verwundert: Hat wirklich außer mir hier auf clavio noch niemand ein Klavier mit so einer Mechanik gesehen? Oder jemand anders irgendwo mal was darüber geschrieben? - Wie dem auch sei: Ich kenne sie jetzt doppelt...
:)

bech10240.jpg


Gruß
Martin
 
Hallo Freunde. Ich bin durch Zufall in eurem Forum gelandet, als mir der Beitrag auffiel, das ihr von einem Knöchel Klavier in Wetzlar geschrieben habt. Nun, ich arbeite in Wetzlar im Pianocentrum Franke und arbeite dort in der Werkstatt. Ich habe das weiße Knöchel gerade für meine Frau erstanden. Sie leitet ein paar Chöre und benötigte einmal ein wirklich gutes Instrument. Das Yamaha aus den 70ern fliegt jetzt erst mal raus. Sollte immer noch Bedarf bestehen, dieses von Grund auf restaurierte Schätzchen in Augenschein zu nehmen dann kann man gern auf dem Weg von Py nach Ka mal einen Abstecher zu uns machen. Es ist immer ein Kaffee da. Gern kann man mich auch unter erik-trense @web.de kontaktieren. Ich wünsche euch was.
 

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