"Knickfinger"

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pianomobile

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Einige der häufigen Anfänger-Probleme bei Kindern sind "Knickfinger" oder "steife Finger", d.h. der Schüler ist nicht in der Lage, seine Finger gekrümmt zu halten bzw. zu "stützen". Eine Kollegin von mir verweigert die Arbeit mit Kindern, die ihre Finger nicht von Anfang an
in die richtige Position kriegen ("da wird nichts draus..."). Könnt ihr diese Einstellung nachvollziehen (für mich klingt das eher nach Bequemlichkeit)?
Wie geht ihr an das Problem heran?
 
Ich versteh das noch nicht so ganz. Wenn die Fingerspitzen auf den Tasten aufliegen - und man geht dann mit der Hand etwas vor(!) - sind die die Finger doch automatisch gekrümmt. Knicken könnten sie ja nur, wenn man die Fingerkuppe flach auflegt und dann mit Gewalt den Pflatschfinger ausquetscht. :p

Aber so viel Kraftanstrenung ist ja eh nicht gut beim Klavierspielen.
 
Die Stützmuskulatur der Finger ist bei Kindern eh' noch nicht soweit entwickelt, daß die lieben Kleinen ihre vorderes Fingerglied stabilisieren können. Wenn ich also die Kinder zwinge, mit gebeugten Fingern zu spielen, werden die Fingerglieder in aller Regel abknicken. Aus orthopädischer Sicht ist dies ein "Verbrechen", weil es die falsche Richtung für die "Scharnierfunktion" des Fingergelenks ist und eine erhebliche Belastung der Gelenkkapseln bedeutet.

Zum anderen habe ich die Erfahrung gemacht, daß Kinder, die frühzeitig (und wohl auch ausschließlich) mit gekrümmten Fingern spielen müssen, eher im Handbereich zur Festigkeit neigen und einen harten, unerbittlichen Anschlag besitzen.

Ich bin der Meinung, daß jeder Mensch seine individuelle Handhaltung finden muß. Die individuelle optimale Haltung wird auch in jungen Jahren anders aussehen als bei der ausgewachsenen (oder gar zur Arthrose neigenden) Hand. Deswegen lasse ich meinen Schülern sehr viel Freiheit bei der Hand- und Fingerhaltung und greife eher behutsam korrigierend ein.
 
Ich erinnere mich, dass bei mir immer die Rede von der "Wassertropfenstelle" war, als ich als Siebenjähriger mit Unterricht begann. In einer der ersten Stunden ging meine Lehrerin mit mir zum Waschbecken und ließ mich meine Hand nass machen. Dann sollte ich meine Finger so bequem als möglich halten, als würde ich sie ganz bequem auf die Klaviatur legen wollen. In der bequemsten Position sollte ich beobachten, an welcher Stelle meiner Finger nun die Wassertropfen hängen. Und diese "Wassertropfenstelle" sollte dann laut meiner Lehrerin die ideale Stelle der Finger sein, mit der ich die Tasten anschlagen sollte. Noch vor wir anfingen wirkliche Lieder zu spielen, wurde diese Anschlagart eine Weile lang im Zwei- bis Fünftonraum geübt mit teilweise einfachsten stupiden Übungen (z.B. ausschließlich Wechsel zwischen Fingern 2 und 3 auf den Tasten d und e in langsamem Tempo - Ziel: Gleichmäßigkeit und sauberer Anschlag), die meine Lehrerin aber mit netten Gedichten und Geschichten von Igeln und Hasen und weiß Gott was sonst noch so unterlegte und mir so irgendwie schmackhaft machen konnte. Im Nachhinein bin ich mit diesem Vorgehen auch heute noch sehr zufrieden.
 
Ich erinnere mich, dass bei mir immer die Rede von der "Wassertropfenstelle" war, als ich als Siebenjähriger mit Unterricht begann. In einer der ersten Stunden ging meine Lehrerin mit mir zum Waschbecken und ließ mich meine Hand nass machen. Dann sollte ich meine Finger so bequem als möglich halten, als würde ich sie ganz bequem auf die Klaviatur legen wollen. In der bequemsten Position sollte ich beobachten, an welcher Stelle meiner Finger nun die Wassertropfen hängen. Und diese "Wassertropfenstelle" sollte dann laut meiner Lehrerin die ideale Stelle der Finger sein, mit der ich die Tasten anschlagen sollte.

Wow, hast du eine tolle Lehrerin gehabt...

Da kann man ja echt nur ehrfürchtig staunen!
 
Deswegen lasse ich meinen Schülern sehr viel Freiheit bei der Hand- und Fingerhaltung und greife eher behutsam korrigierend ein.

Genau das würde mich interessieren. Ich versuche das anfangs mit "Trockentraining" auf dem Klavierdeckel und mittlerweile auch mit einem Luftballon, den man mit den Fingerspitzen festhalten soll, aber:
Es gibt Schüler, die das von Anfang an schaffen (auch ohne dabei zu verkrampfen), und es gibt welche, die sich wirklich plagen. Soll ich in letzterem Fall solche Übungen penetrant durchziehen oder einfach die individuelle Entwicklung abwarten? Ist da nicht die Gefahr, dass man z.B. einen "flachen" 5. Finger nicht mehr wegbekommt?
 
Ich erinnere mich, dass bei mir immer die Rede von der "Wassertropfenstelle" war, als ich als Siebenjähriger mit Unterricht begann. In einer der ersten Stunden ging meine Lehrerin mit mir zum Waschbecken und ließ mich meine Hand nass machen. Dann sollte ich meine Finger so bequem als möglich halten, als würde ich sie ganz bequem auf die Klaviatur legen wollen. In der bequemsten Position sollte ich beobachten, an welcher Stelle meiner Finger nun die Wassertropfen hängen. Und diese "Wassertropfenstelle" sollte dann laut meiner Lehrerin die ideale Stelle der Finger sein, mit der ich die Tasten anschlagen sollte. Noch vor wir anfingen wirkliche Lieder zu spielen, wurde diese Anschlagart eine Weile lang im Zwei- bis Fünftonraum geübt mit teilweise einfachsten stupiden Übungen (z.B. ausschließlich Wechsel zwischen Fingern 2 und 3 auf den Tasten d und e in langsamem Tempo - Ziel: Gleichmäßigkeit und sauberer Anschlag), die meine Lehrerin aber mit netten Gedichten und Geschichten von Igeln und Hasen und weiß Gott was sonst noch so unterlegte und mir so irgendwie schmackhaft machen konnte. Im Nachhinein bin ich mit diesem Vorgehen auch heute noch sehr zufrieden.

Hallo DonBos,
da hast Du aber eine ganz tolle Klavierlehrerin gehabt. Igeln und Hasen:kuss:
Wunderbar!
Das einzige was mir in Erinnerung blieb von meiner uralten Klavierlehrerin als 7jähriger: Ihre Brille vergrößerten die kreisrunden Augen etwa auf das Doppelte. Das faszinierte mich. Sie hatte auch eine Eselsgeduld, zählte stets laut mit (1+2+3+4+) und war nie böse.

LG
Klaviermacher
 
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Hallo DonBos,
da hast Du aber eine ganz tolle Klavierlehrerin gehabt.

Dann habe ich wohl auch eine tolle Lehrerin. Die hat das mit den Wassertropfen auch gemacht, um mir zu zeigen, wo die Fingerspitzen die Tasten berühren. (Ich meine an welcher Stelle der Fingerspitze, nicht der Taste :))

lg
8 Wassertropfen-Finger. Bei den 2 Daumen ist's eh anders, die liegen ja quer auf.
 
Einige der häufigen Anfänger-Probleme bei Kindern sind "Knickfinger" oder "steife Finger", d.h. der Schüler ist nicht in der Lage, seine Finger gekrümmt zu halten bzw. zu "stützen". Eine Kollegin von mir verweigert die Arbeit mit Kindern, die ihre Finger nicht von Anfang an
in die richtige Position kriegen ("da wird nichts draus..."). Könnt ihr diese Einstellung nachvollziehen (für mich klingt das eher nach Bequemlichkeit)?
Wie geht ihr an das Problem heran?

Hallo Pianomobile,

die Kollegin, die die Arbeit mit Kindern verweigert, weil sie von Anfang an die Finger nicht in die richtige Position kriegen, finde ich sehr witzig! :-)

Folglich: Hat sie also keine kleinen Kinder als Anfänger. :-)

Man sollte es den Kindern spielerisch beibringen. Einem fünfjährigen Mädchen zu sagen: Du mußt die Finger gekrümmt halten und darfst nicht einknicken, versteht es so, wie es die Börsennachrichten im Radio versteht.

Meinen fünfjährgien Schülern erkläre ich es so z. B.: Die Finger bilden ein Haus (gekrümmte Figner), darunter wohnt eine Maus, die darf nicht zerquetscht werden (nicht mit flachen Finger). usw...kleinen Kindern es einfach spielerisch erklären.

Außerdem darf man bei 5- Jährigen auf keinen Fall mit Fingerspiel bzw. Legatospiel beginnen, sondern mit reinem Armspiel. Der Fingeranschlag erfolgt durch den Armfall. 5- jährige schaffen unmöglich ein Fingerspiel!!!!

Dies sollte allerdings nicht länger als 3 bis 4 Monate durchgeführt werden, und danach sollte dann schon mit dem Fingerspiel begonnen werden.

Die korrekte Finger- und Handhaltung sollte schon immer wieder angesprochen werden. Doch wird es kein 5- jähriger sofort schaffen einen sauberen Fingeranschlag des vierten oder fünften Fingers zu haben.

Liebe Grüße, Mario
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Keine Äpfel oder Hämmer

... Wenn beim Unterrichten von Kindern darauf geachtet würde, daß sie ihren Körper von Anfang an richtig benutzen und man ihnen nicht solche lächerlichen Unwahrheiten erzählen würde, wie: "Du mußt Klavierspielen, als ob du ein Äpfelchen in der Hand hältst" oder "Benutze deine Finger so, als ob sie kleine Hämmer sind", dann würden sie nicht so oft jene schmerzhaften Leiden entwickeln, die sie im späteren Leben plagen. ...

http://www.peter-feuchtwanger.de/deutsch/sitzen.html
 
Erstaunlicherweise (oder doch nicht? :confused:) entwickeln die meisten Kinder die von Feuchtwanger beschriebenen Bewegungsabläufe fast von selbst, wenn man nicht versucht, sie in in strenges Bewegungskonzept zu pressen. Feuchtwanger gebraucht den Begriff der "Durchlässigkeit", der vielleicht etwas esoterisch klingt, aber doch treffend den Zustand beschreibt, in dem sich Körper und Geist beim Klavierspielen befinden sollten. Feuchtwanger an anderer Stelle: "Man darf das Klavier nicht als feindliches Gegenüber ansehen". Ich versuche, meinen Kindern das Klavier als ein Wesen zu vermitteln, das auf den Menschen reagiert - wie eine Katze, die ich streichle, kraule, necke oder ärgere, unterschiedliche Reaktionen zeigt. (Wobei die Bilder von Kind zu Kind variieren können.) Und dann in Ruhe abwarten und hören/betrachten, was sich entwickelt.

Das Problem scheint mir zu sein, daß die meisten Lehrer (bei Kindern wie bei Erwachsenen) zu schnell zu "pianistischen" Resultaten gelangen wollen. Ich möchte auf keinem Fall einem belanglosen Klimpern" das Wort reden, aber ob Schnelligkeit und Lautstärke das Nonplusultra im Anfängerunterricht sind, wage ich zu bezweifeln. Bei Erwachsenen tauchen da schon eher Probleme auf, weil sie meist schon feste Zielvorgaben (und Wunschstücke) im Kopf haben.
 

meine pädagogische Erfahrung:
"Knickfinger" verschwinden, wenn man legato-Schritte als "ziehen an der Taste" begreift, und das kann man klarmachen, indem man sich quasi mit zwei-drei Fingerspitzen irgendwo festhält. Später dann arbeiten Stütz- und Greifreflexe automatisch.
Nebenbei: niemand auf dieser Welt "trommelt" bei Ungeduld vom 5. Finger zum Daumen mit geknickten oder plattgedrückten Fingern!! Ergo: "Knickfinger" kommen aus der falschen Haltung, man müsse Tasten "herunter DRÜCKEN" und den Druck halten. Wir "ziehen" die Töne wie mit einem Gummiband aus den Tasten heraus (Tsimon Baro), ansonsten sind die Bewegungen natürlich (Analogie zu "gehen, tanzen, springen, schreiten" etc.)
 

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