Klavierlehrer wie verbrauchen?

Stuemperle

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Unter Frauen (natürlich nicht unseren!) gibt's den Spruch: "Männer kann man nicht ändern, die muß man so verbrauchen wie sie sind". Auf KlavierlehrerInnen trifft das bestimmt noch viel mehr zu ;-)

Ich hatte mir früher schon mal Gedanken drüber gemacht und hänge die unten noch dran. Momentan interessiert mich das Thema, weil ich zukünftig nicht mehr ausgelaugt nach Feierabend sondern vormittags Unterricht haben werde (kann zum Glück mit meiner Arbeitszeit etwas jonglieren) und in diesem Zusammenhang zu einer Klavierlehrerin wechselte.

Mein voriger Klavierlehrer war ein sehr engagierter Klassik-Musiker, ernsthaft und anspruchsvoll, bevorzugt von Schülern, die ehrgeizige Ziele erreichen wollen. Ich hingegen war zwar motiviert aber will erstens nur zum (hauptsächlich) eigenen Spaß musizieren und kann zweitens von den Umständen her (zu denen auch das Alter zählt) nicht so viel Üben und solche Lernfortschritte machen wie jemand auf dem Weg zum Profi. Resultat war (auch, etwas) Verkrampfung und Frustration, beiderseits, denke ich.

Bei der neuen Lehrerin ("Jazz": Akkordspiel, lockeres Improvisieren) ist plötzlich wie früher die Motivation nach dem Unterricht wieder größer als vorher (war zuletzt eher anders). Ich bin froh, daß ich gewechselt hab' und überrascht, weil ich nicht solchen Einfluß des Lehrers vermutet hatte.

Nene, jetzt bitte nicht die Schublade alter Mann und jüngere Lehrerin - obwohl ich vermute, dass bei "gegengeschlechtlichem Lehrer" (boah!) ein unterschwelliges, spielerisches Element dazukommt ("Flirt" wäre ein viel zu ernsthaftes Wort dafür), das dem Unterricht zusätzlich förderlich ist - meine Frau (hat Lehrer) bestätigt's (gab's hier eigentlich schon eine Umfrage dazu?).

Ne, ich denke es ist neben den anderen Lehrinhalten eher eine ähnliche Einstellung zum Musizieren - oder (kenne sie noch nicht so gut) zumindest Toleranz gegenüber der Einstellung des Schülers zum Musizieren - die ich in dem Thread der "Gegenseite" ;-) https://www.clavio.de/forum/klavier...er-perfektionsanspruch-die-schueler-sein.html übrigens stellenweise ernsthaft vermißt habe.

Also, wie sind eure Erfahrungen, Erwartungen an den/die KlavierlehrerIn?

Und hier nun der eingangs erwähnte, früher geplante Beitrag mit dem Schwerpunkt "Klavierlehrer für Oldies":

---schnipp---
Nach verschiedenen Forumsbeiträgen scheinen die "älteren" (Wieder-)einsteiger gar nicht mal so selten, aber manchmal denke ich, die Lehrer sind evtl. nicht auf diese spezielle Klientel vorbereitet. Vermutlich erwartete ich anfangs aber auch zu viel, denn bei 30 Unterrichtsminuten/Woche kann man wohl kaum erwarten, ein "pädagogisches Objekt" zu sein. Andererseits kann man sich ja auch selber ein paar Gedanken machen und Ideen austauschen, wie diese 30 Minuten optimal zu nutzen sind, also:

Ziel ist nicht der professionelle Pianist in der Zukunft ("ist unser Kind begabt"?), sondern aktueller (baldiger) Spaß am Musizieren bevor Tinnitus und Gicht zuschlagen ;-)
Im Gegensatz zu manchen jungen Schülern ist wohl "Motivation" kaum ein Thema, meist ist wohl auch Bereitschaft zu Eigeninitiative vorhanden, dieser muß jedoch der Weg gezeigt werden - von einem Profi, aber was für einen?

Am wenigsten von einem professionellen Klavierspieler.

Dann eher von einem professionellen Klavierlerner. Aber das reicht nicht: so wie es für ihn gut ist zu lernen muß es nicht für mich sein. Wir haben unterschiedliche Stärken und Schwächen. Im Idealfall erkennt er die meinigen und kann mich individuell optimal fördern. Ich denke da an die individuellen neurophysiologischen Besonderheiten (visuelles, motorisches, audiodingens Gedächtnis), Lerninhalte (Fingerfertigkeit, Harmonielehre, Interpretation, Fehlerreaktion, ...) sicher gibt's noch mehr Aspekte. Aber dieser Anspruch ist für 0,5 h / Woche zu hoch, oder?

Andererseits gibt's da ja Bücher, die man dazu lesen könnte....
Vielleicht steht da drin (Übemethodik, Lernpsychologie...) was der Klavierlehrer uns sagen würde wenn er es wüßte, uns kennen würde, mehr (bezahlte) Zeit für uns hätte? Aber Lesen können wir auch selber...
<<hab' das gekürzt, zu "Bücher" gibt's hier einges per Suchfunktion zu finden>>

Was kann also ein Oldie von einem Klavierlehrer wollen?

Spontan fällt mir ein:
- Literaturkenntnis: welche Notenliteratur entspricht ungefähr dem aktuellen/nächsten Leistungsstand des Schülers, welches Lehrbuch, ... - und dies für verschiedene Richtungen: Klassik, Jazz, Improvisation, ...
- Wissender: "das ist eine Zweierbindung, die wird gespielt wie ein Kind hüpft, das steht so nicht in den Noten aber das wußten damals alle Musiker"
- Information: was einem so manchmal für Fragen aufstoßen für die es keine Antwort in wikipedia gibt, "z.B. hier in Takt 13"...
- Erzeugen von Vorspielstreß: um zu Üben, nicht nur für sich zu spielen, sondern auch vor Zuhörern was brauchbares zu produzieren
- Qualitätskontrolle: von "der richtige Ton zur richtigen Zeit" bis zur Beurteilung des Vortrags

Ist das jetzt ähnlich wie mit Kindern oder anders?
---schnapp---

Liegrü,
Manfred
 
Ich kann deinem ersten Satz nur zustimmen. Gleiches gilt natürlich für erwachsene Klavierschüler, die lassen sich auch nicht mehr so leicht formen, wie Kinder. Von Musikerziehung kann also nicht mehr die Rede sein.

Das Hauptproblem für erwachsene Schüler ist wohl, daß Lernen weniger eine Routinehandlung ist, wie man sie aus der Arbeit kennt, sondern eher eine Lebensweise, mit der viele bereits am letzten Schul- / Uni- / Ausbildungstag mehr oder weniger abgeschlossen haben.

Womit die Lehrer vermutlich zu kämpfen haben ist die Tatsache, das der erwachsene Schüler sich natürlich schon gewissenhaft informiert hat, welcher Lerntyp er ist, welche didaktischen Methoden die besten sind und warum man Bach auch ohne Pedal spielen darf.

Sicherlich gibt es noch mehr Aspekte, aber wenn man diese beiden Punkte erfolgreich unter einen Hut bekommt, hat man wohl einen geeigneten Lehrer gefunden ;)
 
Ich habe zahlreiche erwachsene Schüler (also Menschen, die sich nach ihrer Schul- und Berufsausbildung mit dem Klavierspielen beschäftigen). Sie sind so verschieden, daß es fast schon schwierig ist, eine Typologie zu erstellen. Viele haben große Schwierigkeiten, ihre Zeit so zu organisieren, daß neben Beruf, Privat-/Familienleben und sonstigen Aktivitäten genügend Raum bleibt für regelmäßiges Klavierspielen. Dementsprechend mühselig sind denn auch Fortschritte, Erfolgserlebnisse etc.

Aber auch bei den Engagierten und Avancierten beobachte ich immer wieder ein Phänomen, das mich verwundert: Es genügt ihnen offensichtlich der Klavierklang an sich. Wer der Komponist ist, in welcher Zeit das Stück entstanden ist, die Konsequenzen, die sich daraus für das eigene Spielen und Interpretieren ergeben könnten – sie lassen sich gerne alles von mir erzählen und vorführen, fragen dann, wie sie das Stück nun spielen sollen und versuchen (hoffentlich), es zu Hause zu reproduzieren. Was ich jedoch vermisse, ist die aktive Neugier, sich selber auf die Suche zu begeben und eine eigene Position zu entwickeln. Letztlich herrscht auch hier eine eher passiv-bequeme Konsumhaltung vor.

Es bleiben unter dem Strich nur wenige Erwachsene, die eine "erwachsene", eigenverantwortliche Haltung mitbringen und mit denen man gemeinsam eine Interpretation und Musizierhaltung entwickeln kann, die nicht einfach eine Imitation der Lehrermeinung ist.

Und dann gibt es immer noch das Problem, wenn bei erwachsenen Anfängern die feinmotorische Sensibilität und Steuerung wenig entwickelt ist. Die Computermaus und Bildschirmarbeit tun ihr übriges, und auf der Cherry-Tastatur wird mit verspanntem Handgelenk im Zweifingersystem gespielt. Da zweifelt man als Pädagoge bisweilen an seinen didaktischen Fähigkeiten ...
 
Mein voriger Klavierlehrer war ein sehr engagierter Klassik-Musiker, ernsthaft und anspruchsvoll, bevorzugt von Schülern, die ehrgeizige Ziele erreichen wollen. Ich hingegen war zwar motiviert aber will erstens nur zum (hauptsächlich) eigenen Spaß musizieren und kann zweitens von den Umständen her (zu denen auch das Alter zählt) nicht so viel Üben und solche Lernfortschritte machen wie jemand auf dem Weg zum Profi.


Bei dieser (verbreiteten) Art der Argumentation kriege ich immer einen Knoten in mein Gehirn. Ich verstehe einfach nicht, wieso begabte, ehrgeizige, motivierte Klavierschüler keinen Spaß am Klavierspielen haben und warum Leute, die sich für nicht so begabt halten, dann meinen, sie müßten nun auch weniger üben, und mit weniger üben würde es dann mehr Spaß machen.

Es ist mir einfach zu hoch... :rolleyes:

PS: Daß sich ein Lehrerwechsel oft positiv auf die Motivation auswirkt, ist eine bekannte Tatsache.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
... warum Leute, die sich für nicht so begabt halten, dann meinen, sie müßten nun auch weniger üben, und mit weniger üben würde es dann mehr Spaß machen.
Wenn Du das aus meinem Text verstanden hast, habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt.

Wieviel Zeit ich mit Üben verbringe (Werktags 0,5 h, Sa+So je 2 h möglichst) hängt nicht vom vermuteten Maß meiner Begabung ab sondern von Faktoren, die ich leider kaum beeinflussen kann. Logischerweise ist das sehr viel weniger als bei jemandem, der Klavierspiel als Berufziel gewählt hat und hoffentlich genug Zeit für seine Berufsausbildung hat. Das meinte ich mit meinem "nur zum Spaß" lernen.

Ich denke, Spaß oder besser Freude am Musizieren bedingt Zufriedenheit mit dem eigenen Spiel und weil die Ansprüche/Wünsche und die Strenge der Qualitätskontrolle steigen, je länger man es betreibt, muß man lernen und üben, um (vermeintlich ;-) ) Hörenswertes produzieren zu können. Dass man ab und zu eine Kosten/Nutzen-Analyse macht und prüft, ob es der Mühe wert ist und ob eine zufriedenstellende Restmenge von Spaß übrig bleibt, wenn man die Mühe aufgibt, halte ich für legitim.

Nur sollte man - und da liegt vielleicht der Hase im Pfeffer - dann auch keinen engagierten Lehrer mehr frustrieren bzw. dieser, wenn er denn mag, seine Tätigkeit anders auffassen. Ich gebe ja zu, daß es ein anderes Selbstbild ist, ob man einem Schüler hilft, sich die Welt der hehren Kunst zu erschließen, oder jemanden gegen Geld als Animateur bespaßt - wobei ich letzteres auch nicht als unehrenhaften Broterwerb ansehe und beides Extrema der Realität sind, die bei den meist "Lehrverhältnissen für Hobbypianisten" wohl irgendwo dazwischen liegt.

Einen Teil des Knotens aufgedröselt?

Gruß,
Manfred
 

Zum Teil - ja :)

Es ist mir natürlich klar, daß man als berufstätiger Mensch nicht so viel Zeit ins Klavierspielen investieren kann, wie eigentlich wünschenswert wäre. Daß man deshalb aber seine Ansprüche runterschrauben / aufgeben müßte, das will mir nicht einleuchten. Man braucht eben statt 2 4 oder 6 Wochen, bis das man dasselbe Ziel erreicht, das sollte doch kein Hindernis darstellen. Der Selbstanspruch, ein Stück so gut wie möglich zu lernen, sollte aber schon da sein. Wenn man immer das Gefühl hat "eigentlich könnte ich es besser", dann ist das ja nicht unbedingt spaßfördernd. Genauso wie dauernde Überforderung zu Frust führt kann auch dauerndes unter-seinen-Möglichkeiten-bleiben frustrieren. Hier den goldenen Mittelweg zu finden wäre sowohl im Sinne des Lehrers als auch des Schülers.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Der Selbstanspruch, ein Stück so gut wie möglich zu lernen, sollte aber schon da sein. Wenn man immer das Gefühl hat "eigentlich könnte ich es besser", dann ist das ja nicht unbedingt spaßfördernd. Genauso wie dauernde Überforderung zu Frust führt kann auch dauerndes unter-seinen-Möglichkeiten-bleiben frustrieren. Hier den goldenen Mittelweg zu finden wäre sowohl im Sinne des Lehrers als auch des Schülers.

Das wichtigste ist wohl, daß sich Schüler und Lehrer über den aktuellen Anspruch einig sind und sich damit wohl fühlen. In Bezug auf Musik bin ich zwar auch perfektionistisch veranlagt, wenn ich aber merke, daß ein Stück eben nicht so gelingt, wie ich es gerne hätte und das nur noch an allgemeinen Schwächen liegt, dann lege ich es als "quasi fertig" beiseite und hole es wieder hervor, wenn die allgemeine Schwäche beseitigt ist. Es macht aber auch Spaß, mal durch irgendwelche Noten zu stümpern, ohne die Stücke wirklich zu lernen. Die Vorstellung gleicht die Fehler problemlos aus. Auf diese Weise bin ich aber auch schon auf einige Stücke gestossen, die ich dann doch einüben will.

Wie gesagt, man darf die Vorstellungskraft nicht unterschätzen. Brutalstes Beispiel: Klingeltöne für Handys der älteren Generation (MIDI). Die klingen objektiv einfach grottenschlecht aber man kennt das Original und freut sich möglicherweise trotzdem. Das setzt natürlich eine enorme emotionale Bindung zu dem jeweiligen Stück voraus, oder komplette Amusikalität - aber es ist halt ein Extrembeispiel.

Und "eigentlich könnte ich es ja besser" ist das Resultat des eigenen Anspruchs. Das denkt man nur, wenn man eigentlich nicht zufrieden ist. Ob man darauf reagiert, ist dann wieder ein anderer Selbstanspruch.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Aber auch bei den Engagierten und Avancierten beobachte ich immer wieder ein Phänomen, das mich verwundert: Es genügt ihnen offensichtlich der Klavierklang an sich. Wer der Komponist ist, in welcher Zeit das Stück entstanden ist, die Konsequenzen, die sich daraus für das eigene Spielen und Interpretieren ergeben könnten – sie lassen sich gerne alles von mir erzählen und vorführen, fragen dann, wie sie das Stück nun spielen sollen und versuchen (hoffentlich), es zu Hause zu reproduzieren. Was ich jedoch vermisse, ist die aktive Neugier, sich selber auf die Suche zu begeben und eine eigene Position zu entwickeln. Letztlich herrscht auch hier eine eher passiv-bequeme Konsumhaltung vor.

Das ist natürlich nicht nur eine Frage des Klavierspiels sondern überhaupt des Umgangs mit Musik. Wenn man von Radio / Fernsehen oder CD halt immer nur "the best of ..." kennt, wo wahllos irgendwelche Highlights der Musikgeschichte nebeneinander präsentiert werden - meistens auch nur einzelne Sätze aus größeren Werken - ist es sicher schwer, ohne Anleitung zu einer differenzierteren Sichtweise zu kommen.

Obwohl ich einige Kenntnisse über Komponisten und Epochen aus langjähriger Chorpraxis habe (oder vielleicht gerade deshalb), lese ich gerne Biographien von Komponisten, die mir nicht so vertraut sind. Außerdem versuche ich, nicht mit jedem Stück, das ich erarbeite, zu "springen", sondern immer mehrere Stücke von einem Komponisten oder aus einer Epoche zu erarbeiten. Das ist aber nicht unbedingt etwas, das ich im Unterricht gelernt hätte.

Was den Perfektionismus anbelangt: Da hat eigentlich immer ein klärendes Gespräch mit dem Lehrer geholfen.

und sonst kann ich diesem ...
Zitat von Guendola:
wenn ich aber merke, daß ein Stück eben nicht so gelingt, wie ich es gerne hätte und das nur noch an allgemeinen Schwächen liegt, dann lege ich es als "quasi fertig" beiseite und hole es wieder hervor, wenn die allgemeine Schwäche beseitigt ist.
nur voll zustimmen.

lg vom Ibächlein
 
Das wichtigste ist wohl, daß sich Schüler und Lehrer über den aktuellen Anspruch einig sind und sich damit wohl fühlen.
Volle Zustimmung, Guendola. Diesbezüglich aber noch zwei Anmerkungen:
- erstens muß man drüber sprechen und nicht glauben, daß man Gedanken lesen könne. Ich habe den Fehler gemacht, nicht mal klar auf den Tisch zu bringen, dass ich Ansprüche vermute, die mich überfordern würden. Vielleicht war dem gar nicht so oder wir hätten es korrigieren können oder schon früher Konsequenzen gezogen, ohne uns zu frusten (aber, sooo schlimm war's auch wieder nicht).
- zweitens sind auch Konstellationen denkbar, wo der Lehrer die Ansprüche des Schülers herunterschrauben muß, damit dieser sich nicht versteigt und wieder zum unverkrampften, konstruktiven Spiel zurückfindet.

Ansonsten Danke für die Beiträge und dass ihr den fehlenden Ironie-Smiley hinter dem Fadenthema mir verziehen habt ;-) Leider haben sich bisher kaum Anfänger geäußert, für die das Thema wichtiges Neuland zu sein ich vermutete (hä? Wenn da schon so'n Schreibstil herrscht!...).

Wie's der Zufall will, beim vorweihnachtlichen Aufräumen des Papierstapels auf dem Nachtisch, was alles lesenswert ist oder zwar gelesen aber dahindämmernd nicht verstanden wurde, fast ganz unten:
"Erwachsenen-Instrumentalunterricht am Beispiel Klavier"
http://www.musikschulen.de/medien/doks/mk03/referat_ag03.pdf
Konkret wird's auf Seite 5. Davor ist viel Theorie mit Hirnhälften und Problemlösungsstrategien von Erwachsenen und arg verkürzt: Spiel nach Noten findet in der bei denen sowieso entwickelten linken Gehirnhälfte statt, ganzheitliche musikalische Bildung erfordert daher speziell bei Erwachsenen die Förderung der rechten durch Klangerleben und Improvisaton und... Lest selber :-)

Grüße, Manfred
 
Beim Überfliegen des geposteten Wiedemann-Artikels kamen mir noch ein paar Gedanken, die bei der Frage "Unterricht mit Erwachsenen" viel zu wenig berücksichtigt werden.

Kinder sind weitgehend vorurteilslos, wenn sie mit dem Klavier in Berührung kommen. Erwachsene hingegen haben klare Vorstellungen: z.B. "Ich möchte improvisieren können ..." Dann geht der Satz meistens weiter mit "improvisieren wie ..." und es fällt irgendein bedeutender Name. Da heißt es dann erst einmal die Ansprüche des Schülers zurückzuschrauben. Der Frust beginnt dann häufig mit der Erfahrung, daß zum Improvisieren Geduld gehört, daß das Prinzip "Trial and Error" nicht nur Glücksgefühle erzeugt, daß man nicht einfach "mit links mal eben ein bißchen improvisiert", daß man nichts "in den Händen hat, was man vorweisen kann."

Auf neuen Wunsch des Schülers also dann doch "notierte" Musik (für die rechte Hirnhälfte). "Keine ollen Kamellen, bitte. Nicht das, was alle spielen." Es ist leider nicht die Wahrheit. In Wirklichkeit wollen sie spielen, was alle anderen auch spielen: Ein paar Beatles-Melodien, "Für Elise", "Freude schöner Götterfunken", Eurovisionshymne" (wie, so alt ist das schon?), Claydermann und "Amélie". Nichts dagegen einzuwenden, ich bin ja Dienstleister - und arrangiere alles auf jedes gewünschte Niveau herunter! Gespielt wird dann, wie man es (mehr schlecht als recht) aus Werbung und Kino im Ohr hat. Daß es auf diese Weise mit dem Notenlesen nie so recht klappen will, daß sich das Rhythmus-Empfinden im Ungefähren stattfindet ... - von motorischen Problemen ganz zu schweigen.

Ich übertreibe wahrscheinlich maßlos. Aber für Didaktik-Koryphäen wie Wiedemann oder Meister/Schaper ("Klavierschule für Erwachsene") scheinen sich solche banalen Probleme nicht zu stellen. Hier sehe ich die großen pädagogischen Herausforderungen. Wie gestalte ich mit solchen Erwachsenen Unterricht, die doch auch von sich sagen, sie möchten Musik machen?

Wie schon gesagt, es gibt zum Glück auch andere Schüler, die Balsam für meine geschundene Musikerseele sind ...
 
Der Selbstanspruch, ein Stück so gut wie möglich zu lernen, sollte aber schon da sein. Wenn man immer das Gefühl hat "eigentlich könnte ich es besser", dann ist das ja nicht unbedingt spaßfördernd.

Da ich aufgrund dieser Bemerkung des "Perfektionismus" bezichtigt werde, ausgerechnet ich, doch noch ein klärendes Wort dazu:

natürlich geht es mir nicht um Perfektionismus, sondern um das Verhältnis zwischen den eigenen (latenten) Fähigkeiten und dem, was dann tatsächlich realisiert wird. Dieser Unterschied ist mir häufig viel zu groß. Wenn die Leute die Sache ernstnehmen würden, könnte so viel mehr dabei herauskommen, aber da man ja immer fürchtet, es mache dann keinen Spaß mehr (wenn man zu gut spielt), köchelt man immer so auf 35 Grad vor sich hin. Das bezieht sich jetzt natürlich nicht auf den Eingangsbeitrag dieses Themas, sondern allgemein auf Schüler, die immer sehr viel von "Hauptsache es macht Spaß" reden, wo man aber nicht das Gefühl hat, daß der Spaß tatsächlich sehr groß ist. Es klingt eher nach "Hauptsache, es macht keine Arbeit".
 

Da ich aufgrund dieser Bemerkung des "Perfektionismus" bezichtigt werde, ausgerechnet ich, doch noch ein klärendes Wort dazu:

natürlich geht es mir nicht um Perfektionismus, sondern um das Verhältnis zwischen den eigenen (latenten) Fähigkeiten und dem, was dann tatsächlich realisiert wird. Dieser Unterschied ist mir häufig viel zu groß. Wenn die Leute die Sache ernstnehmen würden, könnte so viel mehr dabei herauskommen, aber da man ja immer fürchtet, es mache dann keinen Spaß mehr (wenn man zu gut spielt), köchelt man immer so auf 35 Grad vor sich hin. Das bezieht sich jetzt natürlich nicht auf den Eingangsbeitrag dieses Themas, sondern allgemein auf Schüler, die immer sehr viel von "Hauptsache es macht Spaß" reden, wo man aber nicht das Gefühl hat, daß der Spaß tatsächlich sehr groß ist. Es klingt eher nach "Hauptsache, es macht keine Arbeit".

Warum soll Klavier Arbeit machen müssen? Warum soll jemand, der 40 oder mehr Stunden pro Woche hart arbeitet und sich zu hause möglicherweise noch um die Familie kümmern muß, nicht das Recht haben, spaßeshalber etwas ohne großes Engagement aber mit viel Spaß zu machen? Hobbies sind dazu da, Spaß zu haben. Arbeit steckt man da nur rein, wenn es einen packt und man mehr erreichen will. Etwas anderes kann und sollte man auch niemandem vorschreiben.

Und bezüglich "bezichtigen": Ich hatte den Eindruck, daß du ein Perfektionist bist, so kann man sich täuschen. Das war aber keine Bezichtigung sondern eine wertfreie Aussage. Ich habe mich ja selbst als "perfektionistisch" dargestellt, und zwar ohne jede Scham.

Ich bezichtige dich allerdings einer blühenden Phantasie oder du hast einfach Pech, daß du dauernd mit Leuten zusammentriffst, auf die deine Vermutungen zutreffen (in dem Falle nehme ich das zurück und bitte dich, einzusehen, daß nicht alle Hobbypianisten so sind).
 
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Also, wie sind eure Erfahrungen, Erwartungen an den/die KlavierlehrerIn?

Ich möchte so gut Klavier spielen lernen, wie es mir möglich ist, und zwar klassische Musik. Ich erwarte vom Klavierlehrer, dass der Unterricht entsprechend gründlich ist. Dass Stücke und Übungen so ausgesucht sind, dass sie in sinnvoller Reihenfolge Fähigkeiten entwickeln und dass wir NICHT über die eine oder andere Technik hinweghuddeln oder nach Ausweichmöglichkeiten suchen, "weil es sich in dem Alter nicht lohnt". Dazu gehört Technik, Interpretation, Hintergrund (soweit ich das nicht selbst erarbeiten kann), Theorie, usw. Es ist mir wichtig, dass der Unterricht arbeits-/leistungsorientiert ist. Ich habe zwei Lehrer, beide Instrumentalpädagogen mit Konzertexamen, einer unterrichtet hauptsächlich, der andere konzertiert überwiegend, und ich empfinde die Erfahrung aus dem Konzertieren für den Unterricht auch als sehr wertvoll und wichtig.
 
natürlich geht es mir nicht um Perfektionismus, sondern um das Verhältnis zwischen den eigenen (latenten) Fähigkeiten und dem, was dann tatsächlich realisiert wird. Dieser Unterschied ist mir häufig viel zu groß.

Ist das nicht ein Gradmesser für Perfektionismus, die Lücke zwischen dem was man könnte, und dem was man tut zu verringern? Ich glaube, je länger und gründlicher man nach den eigenen latenten Fähigkeiten aktiv sucht, desto fündiger wird man. Will sagen, es ist ein Fass ohne Boden, solange man Zeit und Lust hat, tiefgründig zu suchen.

Ich glaube, alle Musiker sind im Grunde Perfektionisten, ob man es wahrhaben will oder nicht. Man ist dann glücklich, wenn man dem nahekommt, alles so ausgedrückt zu haben auf dem Klavier, wie man es möchte. Ohne den Idealzustand je zu erreichen...
 
Ist das nicht ein Gradmesser für Perfektionismus, die Lücke zwischen dem was man könnte, und dem was man tut zu verringern?

So gesehen ist es durchaus das, was ich unter Üben verstehe. Ich würde mich nur gegen den extremen Perfektionismus wehren, der das absolut fehlerfreie, überkontrollierte und damit unspontane Spiel zum Ziel hat. Perfektion auf die Spitze getrieben ist tödlich für die Musik. Mein Ziel ist die größtmögliche Freiheit beim Spielen, das heißt, daß man beim Üben alles aus dem Weg räumt, was diese Freiheit behindert, insbesondere mentale und bewegungstechnische Blockaden, und daß man dann innerhalb der vom Komponisten gesetzten Grenzen so fantasievoll und frei wie möglich gestaltet.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
hallo, wo bin ich?

...uuups; das artet hier ja wirklich in hochgeistige Diskussionen aus. Bin schon etwas überrascht, so etwas auf der Anfängerseite zu sehen - vielleicht sollten wir das mal ins Klavierlehrer-Forum schaufeln :floet:

aber - um auch meinen unwürdigen Senf dazuzugeben: Mit 47 Jahren und so etwa 5-7 "Stunden" Unterricht bislang, erwarte ich mir nur zwei Dinge: Einfühlungsvermögen und permanenten Dialog! Der/die Lehrende sollte mit dem Schüler die Ziele erarbeiten oder gar "erfühlen" ;) und kraft ihrer/seiner musikalisch/pädagogischen Erfahrung den für den jeweiligen Schüler besten Weg beschreiten.

Das kann nicht nur, das MUSS höchst individuell sein. Dass hierbei permanent justiert und "geschraubt" werden muss, liegt doch auf der Hand. Der Novize weiß doch noch nichts! Er startet mit einem nebulösen Ziel und je mehr er lernt, desto stärker verändert sich dieses gegenüber der ursprünglichen Absicht (Ausnahmen gibts natürlich).

Das merke ich doch bereits jetzt: Von der Phase, wo der bloße selbsterzeugte (Drei-)Klang bereits Wonneschauer auslöst über die vermessensten Wünsche wieder retour zum Ziel, das eine oder andere Stück (baldmöglichst) lieber einfach, aber dafür so spielen zu können, dass Seele mit einfließen kann, habe ich bereits alle Stufen durchlaufen.

Und wenn ihr mich jetzt fragt, wohin, dann wird (heute) meine Schlussantwort lauten, dass ein jeder Lehrender seine Schüler dahin bringen sollte, dass sie Ihr Herz, Ihre Seele, Ihr Gefühl, ja, Ihre Sorgen und Nöte im wahrsten Sinne des Wortes "verarbeiten" können. Dies gilt, wie meine Wortwahl andeutet, nicht nur fürs Klavier, sondern für jegliche Tätigkeit.

Würden alle Lehrer/innen dies als Ziel sehen, wäre es besser bestellt um vieles, was "da draussen" krummläuft, oder?

Mein Gott, was bin ich heute wieder für ein Weltverbesserer;-)
Habt Nachsicht!
 
Hallo wo bin ich

...uuups; das artet hier ja wirklich in hochgeistige Diskussionen aus. Bin schon etwas überrascht, so etwas auf der Anfängerseite zu sehen - vielleicht sollten wir das mal ins Klavierlehrer-Forum schaufeln :floet:

So hochgeistig ist das garnicht, was Mindenblues und ich geschrieben haben. :)

Es gibt immer eine Aufgabe, vor der man steht, und die man versucht so gut wie möglich zu lösen. Ob das nun ein Klavierschüler in der ersten Unterrichtsstunde ist oder ein "Supervirtuose", der sich ein neues "unspielbares" Stück vornimmt. Die Unterschiede sind nur graduell :cool:
 
hallo haydnspass;

So hochgeistig ist das garnicht, was Mindenblues und ich geschrieben haben. :)

erst mal: Klasse Nickname - Gratulation!
So bierernst war das auch nicht, was ich geschrieben habe. Nur - wie schon gesagt - wir sind auf der Anfängerseite...

Ich bin immer schon ein Freund von "keep-it-simple" gewesen und sehe (frei nach Schiller (oder wars der andere?) in der Einfachheit "die höchste Kunst der Vollendung". Daher ein zweiter Versuch:

Der KL hat die Aufgabe (dafür wird er/sie bezahlt), dem KS auf kürzestmöglichem Weg das höchste Maß an Selbstverwirklichung, Erfüllung und dauerhafter (!) Freude zu verschaffen.

und duck und weg...:D

(ps. Wer gequält werden will, gehe besser zu einer domina oder einem - wie heißt das in männlicher Form? Dominator??)
 

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