Klavierkonzert zum Anfangen

so gesehen kann ich bzgl. des realen Konzertlebens nicht feststellen, dass Haydn & Mozart unterrepräsentiert oder unterschätzt wären.

Im realen Konzertleben fristen Stücke von Haydn und Mozart oft ein kärgliches Dasein als Aufwäm- bzw. Einspielstücke, bevor dann die eigentlichen Kracher kommen, weswegen die Konzertbesucher im Grunde da sind. Ein Konzert, das einzig aus Stücken von Mozart und Haydn besteht, hätte es denke ich sehr schwer, ein größeres Publikum anzulocken. Und wenn, dann käme das Publikum in erster Linie wegen dem großen Namen des Pianisten und nicht aus Interesse an der Musik selbst. Das ist aber vermutlich sogar bei Virtuosenprogrammen auch nicht viel anders.

Ein anderer Aspekt der Unterschätzung ist der, daß Stücke von Haydn und Mozart im Unterricht gerne als sogenannte "Anfängerliteratur" verwendet werden. Also man "muß" Haydn und Mozart spielen, weil einem die "richtigen" Stücke noch zu schwer sind. Aber wenn man dann endlich mal bei Beethoven-Sonaten angelangt ist, will man von Haydn und Mozart nichts mehr wissen.
Auf dem Gradus ad Parnassum sind Haydn und Mozart eben ganz unten, und man will ja hoch hinaus... 8)
 
hallo,

also angesichts der ganz banalen und allem Wehgeschrei zum Trotz wahren Feststellung, dass Haydn- und Mozartkonzerte bzgl des rein manuellen Schwierigkeitsgrades weniger erfordern als Rachmaninovkonzerte, kann ich weder eine vermeintliche noch eine wirkliche Unterschätzung von Haydn und Mozart feststellen.
dann lies nochmal:wink:

ein wenig problematisch allerdings finde ich wertende Vergleiche, z.B. leuchtet mir nicht ein, wieso Du der "nächsten Epoche" unterstellst, dass sie pompöser sei - provokant gesagt als ob es nach Mozart nur noch Brucknersinfonien gäbe...
Die Musik in der der Wiener Klassik folgenden Epoche, der Romantik, geht es nicht pompöser zu? Keine größeren Orchester, Instrumentierungen, Werke, Klänge, Farben, Sinngebungen etc? Und wieso wertende Vergleiche? Aber es stimmt dass Bruckner nach Mozart kam :)
romantische und spätromantische Musik ist nicht einzig pompös und virtuos - zudem geht es an der Sache vorbei, wenn man eine Mozartsinfonie einer Mahlersinfonie gegenüberstellt und dann entweder dem Wolfgang vorwirft, sein Orchesterchen sei zu klein, oder dem Gustav vorwirft, er könne keinen Ton mit weniger als 100 Instrumenten bringen... Mozartopern werden nicht seltener aufgeführt als Pucciniopern, Dirigenten kümmern sich um Haydn und Mozart ebenso wie um Bruckner und Mahler - - - wenn allerdings bzgl. des Klaviers die Sammelwut der Rezipienten mehr ungar. Rhapsodien als Mozartsonaten bei YouTube reinstellt, dann ändert dass nichts daran, dass sich die meisten Pianisten dennoch um Bach, Haydn, Mozart und Beethoven bemühen - - - ich glaube, es gibt mehr Einspielungen der Sonate KV 331 als von Villa-Lobos "Rudepoema".

so gesehen kann ich bzgl. des realen Konzertlebens nicht feststellen, dass Haydn & Mozart unterrepräsentiert oder unterschätzt wären.

Ich gebe zu dass die Unterstellung einer Unter- oder Überschätzung eine Mutmaßung ist, meine, und die anderer hier in der Runde wie ich es verstanden habe. Durch keine wissenschaftliche Studie belegt meines Wissens nach. Buchbinder sagte "Haydn ist der unterschätzteste Komponist überhaupt" - auch eine Mutmaßung, kann man sofort in der Luft zerfetzen aber auch fruchtbar und angeregt diskutieren...ich finde das Thema interessant. Lass mich doch, wenn das so daneben ist wird schon keiner darauf antworten:rolleyes:

LG S
 
ich finde das Thema interessant. Lass mich doch, wenn das so daneben ist wird schon keiner darauf antworten:rolleyes:

LG S

ich finds auch interessant - gerade weil sich Wertungen, Positionen und Haltungen offenbar ganz von allein einstellen.

und das geschieht auf unterschiedliche Weise:
- Haydnspaß erwähnt völlig zurecht, dass die prinzipiell aus pragmatischen Gründen sinnvolle Praxis, das Klavierspiel nicht gleich anhand der Liszt´schen Sonate zu erlernen :D, gerne dazu verleitet, manuell leichteres als "Anfängerrepertoire" zu missverstehen
- Haydnspaß erwähnt auch die Praxis, dass Solokonzerte gern und oft mit noch nicht gleich ultraschwierigen Sachen einsetzen (wofür auch, nicht nur, Haydn, Mozart, manches von Bach und die "leichteren" der Beethovensonaten herhalten müssen) - hier glaube ich, dass es doch mehr die Perspektive des Publikums ist, wenn man "Warmspiel-Stücke" abwartet und sich auf die "Kracher" freut (Horowitz erzählt, dass er einmal nach einem anstrengenden Programm gehört habe, dass in der 1. Reihe im Publikum jemand gesagt habe "das war noch gar nichts, warte mal was da noch kommt" und er berichtet dazu nur lakonisch "da kam nichts mehr"!!!)
- Dir gefällt es, mit versteckten Provokationen die "böse pompöse und arg virtuöse" Spät/Romantik :D ein wenig in die Ecke des Unseriösen zu manövrieren...

und weil das diskutieren zu diesem Thema 1. Spaß macht und 2. interessant ist, ergreife ich (nebenbei durchaus aus Überzeugung!) für die etwas diskreditierte Spät/Romantik Partei - - wobei ich allerdings diese nicht gegen eine als "vermeintlich hehrer und künstlerisch höher stehende, aber leider aus teils Dummheit teils Marktargumenten unterschätzte" Frühklassik ausspielen will (ja, klar: um der Würze Willen kann ich auch ein wenig provokant formulieren)

ein anderer Gedanke: die (polemische) Polarisierung "unterschätzte Frühklassik - überschätzte Virtuosenmusik" dürfte ihren Vorgänger in der damals sehr scharf geführten Zankerei um "absolute Musik" und "Programmmusik" (19. Jh., Hanslick, Brahms, Joachim & Co contra Wagner, Liszt & Co) haben - - die schon hier in einer Freizeitdiskussion implizierten Wertungen lesen sich teilweise wie paraphrasierte Zitate aus dieser (bis heute nicht wirklich abgeschlossenen) Kontroverse...

liebe Grüße, Rolf

--- und hier, auch wenns jetzt nicht mehr um die Anfangsfrage geht, bin ich gerne und mit Interesse dabei :)
 
Schön zu hören dass du das so siehst, rolf.

Ausser:

- Dir gefällt es, mit versteckten Provokationen die "böse pompöse und arg virtuöse" Spät/Romantik ein wenig in die Ecke des Unseriösen zu manövrieren...

Das ist irgend eine Projektion von dir, vielleicht auch wegen ungeschickter Rhetorik meinerseits, aber ich finde an Romantik/Spätromantik absolut nichts böse oder unseriös, auch nicht ansatzweise, im Gegenteil, keine Ahnung wie du darauf kommst. Dass ich schreibe, die Musik dieser Epoche würde versus der leiseren Klassik überschätzt meint ja nicht die Musik schlechthin sondern die falsche Bewertung die aus Schaulust an Fingerakrobatik entsteht.

Gruß,
S
 
Wenn wir so weiter machen, werden wir nie ein "leichtes " KLavierkonzert für den Fadeneröffner finden.;)

Zu Liszt s Unterricht und die Bemerkung mit der schmutzigen Wäsche. sowas kann man nur in einem solchen Kreis machen. ein Hochschullehrer würde mit derart vorgetragener Arroganz seinen Job gefährden, denn die Studenten lassen sich zum Glück nicht Alles gefallen.

Um die Missverständnisse etwas einzugrenzen betone ich nochmals meine allerhöchste Wertschätzung für hochvirtuose Musik. In allen meinen früheren Beiträgen findet sich das bestätigt.

aber es gibt in der Tat verschiedene Arten "guteer Klaviertechnik"-
das youtube (Scarlatti)Beispiel von Haydnspaß zeigt recht gut, dass Horovitz sehr universell talentiert war. Aber es gibt auch Beispiele, die zeigen, dass nicht jeder gute Pianist für alles taugt.

Ich meinte wirklich in der Hauptsache die Rezipienten, die den Tastenzirkus erwarten und ihn auch meist bekommen. Wie oft habe ich wunderbare Klavierabende gehört, wo der Applaus nach Mozart, Haydn usw. eher verhalten war. Erst bei den Zugaben sind die Zuhöhrer dann wirklich ausgerastet und wollten den Pianisten nicht mehr gehen lassen, bis der dann ganz unerwartet "für Elise" spielte und dabei streng und schelmig den Saal musterte. Und nach dieser Zugabe war dann auch schluss.

the pianist 73 hat eine reihe von Pianisten genannt, die teilweise wirkliche Genies waren. An ihrer Spitze vielleicht Gieseking, der viel zu früh vergessen wurde.

Und niemand möchte diese wundervollen Pianisten gegen andere ausspielen, aber sie hatten teilweise eine andere Technik. Und für mich ist Klaviertechnik eben in der Hauptsache die Kraft des Geistes und der Psyche, die sich die erforderlichen Werkzeuge schafft und der gute Lehrer diese Kräfte zur Entfaltung bringt.

Auch von Andor Foldes spricht kaum noch jemand. Dabei bin ich sicher, dass kaum einer der modernen Virtuosen so einen Mozart spielen kann. Und wer bezweifelt, dass Andor Foldes kein virtuose war, der höre sich seine Paganini Variationen von Brahms an. für mich immer noch die beste Aufführung, die ich kenne.

Ich glaube auch, dass Hamelin ein Genie ist aber auch ein solcher Genius hat seine Grenzen.

Mir geht es sehr darum, dass wir nicht verlernen, wie Mozart und Haydn und natürlich auch Beethoven auf hohem Niveau gespielt werden können. Und dafür ist eben auch eine besonders ausgefeilte Technik notwendig.

Welches Konzert also lässt sich als "Leichtes" verstehen?

Wenn es darauf ankommt, dass man das Tonmaterial einigermaßen spielt, dann wäre das vorher bereits angesprochen Haydn Konzert passend.

Der Spieler sollte sich dann eben bewusst sein, dass da noch viel reifen muss.
 
Zu Liszt s Unterricht und die Bemerkung mit der schmutzigen Wäsche. sowas kann man nur in einem solchen Kreis machen. ein Hochschullehrer würde mit derart vorgetragener Arroganz seinen Job gefährden, denn die Studenten lassen sich zum Glück nicht Alles gefallen.

hallo Klavigen,

ich glaube nicht, dass Liszt als "Lehrer" arrogant war, und ich glaube aúch nicht, dass seine pointierte Äusserung Arroganz demonstriert - vielmehr wird hier eine sinnvolle Richtigstellung sichtbar.

...genügend "leicht anstelle von ultraschwierig spielbare" Konzerte sind schon erwähnt worden - mittlerweile hat sich das "Thema" hier in eine andere Richtung bewegt. Was diese betrifft, so bedauere ich, dass ich auf einmal zu lesen bekomme "oh weh oh weh, ich ja nie nix gegen die spätere Romantik und Virtuosensachen gesagt" und das zugleich mit dem scharfsinnigen Hinweis, ich möge lesen, was so alles mitgeteilt worden ist... weiter kommentiere ich den Verlauf jetzt lieber nicht (nachlesen ist sicher eine gute Idee!...)

Andor Foldes: ich habe noch keine bessere Interpretation von Beethovens op.109 gehört, als von Foldes!!! Und wie er Bartoks "ein Abend auf dem Land" spielt, ist unübertrefflich - obwohl das ein "Anfängerstückchen" ist!!!

seid mir nicht böse: trotz mancher "Rückzieher" hier (s.o.) bin ich mir doch ziemlich sicher, dass hier (vielleicht ungewollt) eine polarisierende Diskussion stattfindet, die verdächtig an die von mir erwähnte Kontroverse aus dem 19. Jh. erinnert.

klar dürfte allen (mittlerweile) sein: Mozart & Haydn sind nicht "leicht" zu interpretieren, aber rein manuell "nicht ultraschwierig" wie manches von Ravel oder Strawinski. (((eigentlich ein unnötig zu erwähnende Binsenweisheit)))

ein wenig Missbehagen bereiten mir die indirekten "Wertungen" trotz ihrer teilweisen Zurücknahme

Gruß, Rolf
 
Das ist irgend eine Projektion von dir, vielleicht auch wegen ungeschickter Rhetorik meinerseits, aber ich finde an Romantik/Spätromantik absolut nichts böse oder unseriös, auch nicht ansatzweise, im Gegenteil, keine Ahnung wie du darauf kommst. Dass ich schreibe, die Musik dieser Epoche würde versus der leiseren Klassik überschätzt meint ja nicht die Musik schlechthin sondern die falsche Bewertung die aus Schaulust an Fingerakrobatik entsteht.

lieber Siloti,

Du rätst mir, zu lesen - sei beruhigt, das tue ich. (und empfehle es Dir auch, nicht zuletzt wegen Deines Verdachts einer evtl. missglückten Rhetorik) Und sei des weiteren beruhigt, dass Du mich nicht zu irgendwelchen "Projektionen" verleitet hast.

Wenn Dir die "Schaulust an Fingerakrobatik" Missbehagen verursacht (und DAS kann nachvollziehen!!!), dann wende Dich gegen diese - nicht gegen eine Sorte Musik, zu deren Ausdrucksrepertoire eben auch die instrumentale Virtuosität gehört. Um das an einem Beispiel klar zu machen: wer Liszts Mephistowalzer einzig als Zirkusnummer begafft, hat von dieser Musik NICHTS begriffen. Das ist aber nicht das Problem dieser genialen Komposition!

Gruß, Rolf

(au, jetzt bin ich neugierig, ob sich Stimmen finden, die den Mephistowalzer nicht für eine brillante und gekonnte Komposition halten :D...)
 
hallo Klavigen,

ich glaube nicht, dass Liszt als "Lehrer" arrogant war, und ich glaube aúch nicht, dass seine pointierte Äusserung Arroganz demonstriert - vielmehr wird hier eine sinnvolle Richtigstellung sichtbar.

Es ist wirklich leicht, hier völlig missverstanden zu werden: Ich sagte doch nicht , dass Liszt arrogant ist, sondern dass ein Hochschullehrer sich das im Unterricht so nicht erlauben könnte, weil das ihm als Arroganz ausgelegt würde

...genügend "leicht anstelle von ultraschwierig spielbare" Konzerte sind schon erwähnt worden - mittlerweile hat sich das "Thema" hier in eine andere Richtung bewegt. Was diese betrifft, so bedauere ich, dass ich auf einmal zu lesen bekomme "oh weh oh weh, ich ja nie nix gegen die spätere Romantik und Virtuosensachen gesagt" und das zugleich mit dem scharfsinnigen Hinweis, ich möge lesen, was so alles mitgeteilt worden ist... weiter kommentiere ich den Verlauf jetzt lieber nicht (nachlesen ist sicher eine gute Idee!...)

Das ist auch eine absolut entstellende Zitierung meiner Positionen. vielleicht erinnert sich ja jemand an meinen Rachmaninow Faden oder an meine Postings zu Hamelin. Das klingt doch erheblich anders und ja, nachlesen iist wirklich gut.

Andor Foldes: ich habe noch keine bessere Interpretation von Beethovens op.109 gehört, als von Foldes!!! Und wie er Bartoks "ein Abend auf dem Land" spielt, ist unübertrefflich - obwohl das ein "Anfängerstückchen" ist!!!

Na wenigstens sind wir hier anscheinend nicht auseinander !


seid mir nicht böse: trotz mancher "Rückzieher" hier (s.o.) bin ich mir doch ziemlich sicher, dass hier (vielleicht ungewollt) eine polarisierende Diskussion stattfindet, die verdächtig an die von mir erwähnte Kontroverse aus dem 19. Jh. erinnert.

Hier wird nicht zurückgezogen und es soll nicht polarisiert werden. Nichts wird gegen etwas anderes ausgespielt. Hier finden nur Betrachtungen statt, wie sich z.b. Musik von Mozart im Klavierabend präsentiert und andererseits Liszt- und da habe ich eben einige Erfahrungen, die ich mitteile.

klar dürfte allen (mittlerweile) sein: Mozart & Haydn sind nicht "leicht" zu interpretieren, aber rein manuell "nicht ultraschwierig" wie manches von Ravel oder Strawinski. (((eigentlich ein unnötig zu erwähnende Binsenweisheit)))

ein wenig Missbehagen bereiten mir die indirekten "Wertungen" trotz ihrer teilweisen Zurücknahme

Gruß, Rolf

Und bei diesem letzten Textblock komme wir direkt zu dem Punkt, wo wir sicher ganz andere Sichtweisen haben. Und die können wir doch austauschen, wie das bei einem akademischen Streit Sitte ist, nämlich mit Sachlichkeit und Respekt.

Du sprichst gerne und häufig über die rein manuellen Schwierigkeiten und ich halte dies eben für einen falschen Denkansatz, wie ich schon in vielen Post herausgearbeitet habe. Ich weiss, dass viele meine Meinung nicht teilen. Aber sie ist in Jahrzehnten gewachsen und hat meinen Studenten immer gute Examina beschert.
für mich machen die Finger, Hände bzw der gesamte Spielapparat genau das, was der kopf vorgibt und plant. Ist die vorstellung genau genug,, wird der mechanische Apparat dies so umsetzen.

Es mag nicht schaden, absoluten Anfängern allerlei Laufübungen aufzugeben. aber so wie sie etwas Klavierspielen können, sollen sie lernen, Musik zu machen und dafür müssen sie lernen, sie zu verstehen.

Warum jemand, der schon BAchs Inventionen spielen oder üben kann auch Hanon oder ähnliches üben sollte kann ich nicht verstehen. Ich sehe absolut keinen Sinn darin.

Wer Bach übt erweitert wunderbar seine Fähigkeiten und lernt gleichzeitig die richtige Literatur. Dies gilt natürlich für alle weiteren Komponisten.
Wenn dann in den Stücken unerwartete Schwierigkeiten auftreten muss ich nachdenken, woher die kommen. Und wenn ich ein Arpeggio z.b. nicht schnell genug hinbekommen, weil ich wie z.b. bei Brahms häufig für 12 Töne weniger als eine Sekunde zur Verfügung habe, dann übe ich genau dieses Arpeggiio am Musikstück und wenn ich verstanden habe, wie das klingen muss, dann kann ich es auch. vorausgesetzt natürlich der Betreffende ist generell reif für dieses Stück.
Und so muss ich mir bei Liszt eben andere Klänge vorstellen als bei Mozart aber immer werden sie erst dann gelingen, wenn meine Kopfarbeit entsprechend klar genug ist.

Was aber schon richtig ist, dass in vielen Stücken der Romantik sich solche stellen zu Hauf finden, die man nicht einfach mit dem herkömmlichen "Klavierwerkzeugkasten", den wir ja alle haben, bewältigen kann.

Da müssen schon mehr Spezialwerkzeuge in Anwendung kommen. Und das braucht Zeit. ein Werk wie der Gaspard erfordert lauter Anwendungen, die man mit einem klassischen Repertoire nicht lösen kann. Insofern ist er tatsächlich wesentlich schwieriger, weil wir auf stereotypische Bewegungsmuster, die wir von Bach und anderen her kennen, nicht zurückgreifen können bzw diese nich ausreichen.
Der Schlüssel zum Erlernen solcher Stück liegt aber ebenfalls in der geistigen Arbeit. Es ist der Begriff "manuell", der mich eben stört.
 
Es ist der Begriff "manuell", der mich eben stört.

Hut ab! eine gewaltige Suada zu später Stunde!

...dass Dich der Begriff "manuell" stört, wundert mich - wir spielen doch meist mit den Händen Klavier ("manuell" abgeleitet von manus, -us [lat.] Hand) - - sei mir nicht böse, aber das musste ich mir jetzt einfach wegen mancher Deiner überscharfen Formulierungen in grüner Schrift (wie macht man denn das?) gönnen :D

ehe irgendwas ausufert: was sonstwo in anderen "Fäden" zu finden ist, sollte außen vor bleiben (das Forum hier ist gewiss kein Fachbuch, welches man auswendig können und kennen muss)

des weiteren: mangelnden Respekt wird man mir in diesem sich thematisch geändert habendem Faden gewiss nicht vorwerfen können, ebensowenig polemische Äusserungen (ausgenommen eigens als solche gekennzeichnete, den Spaß hab ich mir erlaubt)!

---so, genug davon---

die manuellen Schwierigkeiten, über die ich mich andernorts (!) angeblich so gerne äussere (sofern nach diesen gefragt wird): sie wollen und sollen gelöst sein; geschieht das nicht, ist es um die Darstellung/Aufführung eines Klavierstücks, welches solche enthält, eher ungünstig bestellt...

letztlich ist es, wenn das Ergebnis ok ist, völlig gleichgültig, ob man erst die manuellen Tücken meistert und dann eine "Interpretation" überlegt, oder ob man erst ein "Interpretation" konzipiert (Kopfarbeit) und die partiellen Hindernisse danach löst. ALLERDINGS dürfte die zweite Variante eher bei professionellen Musikern Praxis sein als bei Lernenden (denn die Lernenden lernen ja auch das "interpretieren", nicht nur die Bewältigung der manuellen Hindernisse)

dass man gerade im Denkgehäuse auch beim erarbeiten irgendwelcher Passagen beansprucht wird, ist völlig außerhalb jeden Zweifels, ja ganz banal: man muss begreifen und verstehen, was man tut und wie man es tut - und um es zu realisieren, bedarf es eines dafür trainierten Spielapparates. Den erreicht man besser ohne Hanon! da sind wir uns einig!!

ich wende lediglich ein: die noch so klare "Kopfarbeit" wird keinen virtuosen Spielapparat ohne training produzieren können - wäre das so, müssten wir alle nie üben, sondern nur lernen, Musik zu verstehen... -- daran muss man sich jetzt nicht mit Grimm aufhängen, ich habs halt ein wenig überspitzt formuliert. (Beweis: bei weitem nicht alle promovierten Musikwissenschaftler sind virtuose Instrumentalisten :D... obwohl die Musik durchaus verstehen)

immer bessere Kopfarbeit wird parallel zur progressiv erarbeiteten manuellen Fähigkeit sich entwickeln - das dürfte der "normale" Entwicklungsgang sein.

prinzipiell sind wir da gar nicht weit auseinander!... oder doch? ich lege auf spieltechnische Akkuratesse sehr großen Wert, denn sie ist eine wesentliche (wenn auch lästige) Grundlage des Klavierpiels - - so schön die Kunstmusik auch ist (herrliche Sonaten, wundervolle Nocturnes), sie hat bzgl. der Realisierung am Klavier ein paar sehr pragmatische und manuelle (sic!) Anforderungen (Liszt nennt das franz. "difficulte materielle" - sehr schön formuliert ist das!)

Gruß, Rolf
 
rolf Zitat:
ich wende lediglich ein: die noch so klare "Kopfarbeit" wird keinen virtuosen Spielapparat ohne training produzieren können - wäre das so, müssten wir alle nie üben, sondern nur lernen, Musik zu verstehen... -- daran muss man sich jetzt nicht mit Grimm aufhängen, ich habs halt ein wenig überspitzt formuliert. (Beweis: bei weitem nicht alle promovierten Musikwissenschaftler sind virtuose Instrumentalisten ... obwohl die Musik durchaus verstehen)

Nein, so ist das nicht gemeint. Die klare Kopfarbeit am Klavier erfordert ja ständiges Ausprobieren der richtigen Bewegungen, der Fingersätze womöglich und das ist ja das ständige Training. Beim intensiven Üben, was natürlich auch spielen bedeutet, wird es kaum eine Wiederholung einer Linie, Passage usw. geben, die nicht sofort wieder nachgeprüft und mit dem abgeglichen wird, was wir als Vorstellung bislang erarbeitet haben. Im Idealfall des konzentrierten Übens stellt so jede Wiederholung eine Verbesserung dar.

Beim rein mechanischen Üben einer Passage ist oft jeder neue Durchlauf ohne nennneswerte Qualitätssteigerung. Dies bedeutet eine unnötige Verlängerung der Studierzeit für ein Stück. Es wird also ständig gespielt und gedacht und das ist eben Training oder man kann es so nennen und ganz richtig. Das kann sich keiner ersparen. und so wird auch der Gegenbeweis mit den Musikwissenschaftlern geknackt. Denn die können meist nicht so gut spielen, weil sie die praktische Arbeit- also das Umsetzen der denkarbeit auf die Klaviatur - garnicht machen.

Wenn durch genug Training allerdings (bei den Musikwissenschaftlern ist das in der Regel nicht der Fall) schon eine blendende Klaviertechnik gebildet wurde, dann lässt sich ein neues Stück auch durchaus rein im Kopf trainieren. Was auch durch viele Beispiele belegt ist, denn der Pianist spielt ja derartig realitätsnah auch in seiner geistigen vorstellung, wie der Sänger, der die Töne auch genau vorausahnt, die er gleich produzieren wird. sodass ihm auch in gewissem Umfang ein Üben im Kopf möglich ist.

vereinfacht könnte man sagen, dass der Musikwissenschaftler eine erkennde Vorstellung von Musik hat, der Pianist dagegen eine aktiv, creative Vorstellung hat.
 

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