Klavierklang - Eine Frage an die Physiker

Romeo

Gesperrt
Dabei seit
18. Feb. 2011
Beiträge
1.609
Reaktionen
448
Staccato-Passagen im Bassbereich klingen für meine Ohren oft unsauber, irgendwie. Jetzt habe ich mal in meinem Kopf nach längst verschütteten Zusammenhängen gekramt und folgendes überlegt. Die Fouriertransformation müsste uns ja aus dem akustischen Zeitsignal schön das jeweilige Spektrum jedes Tons liefern, also einen hohen Dirac bei der Grundfrequenz und niedrigere bei den Vielfachen, also den Obertönen, und die Amplitudenverhältnisse der Peaks sind charakteristisch für den Klang. Die Fouriertransformation ist aber auf dem Zeitintervall +/-unendlich definiert, wenn also der Ton nur kurz gehalten wird, wie beim Staccato, entspricht dies ja einer Multiplikation mit einem Rechteckfenster im Zeitbereich. Dessen Spektrum ist aber von der Form sin(x)/x, und im Frequenzbereich wird dieses dann mit dem Dirac-Kamm der Obertöne gefaltet., und durch die Faltungsoperation entsteht das sinx/x dann an jeder Stelle eines Grund- und Obertons, und die Breite bis zu den ersten Nullstellen rechts und links ist umgekehrt proportional zur Tondauer, bei Staccato also sehr breit !

Der absolute Frequenzabstand zwischen 2 aufeinanderfolgenden Halbtönen bildet bekanntlich eine geometrische Reihe mit dem Reihenfaktor (12. Wurzel aus 2), also etwa 1,06. Der absolute Frequenzabstand wird also von links nach rechts immer grösser, im Bass ist er gering. So könnte es kommen, dass die Schwänze der sinx/x-Funktion bei kurzem Staccato schon die nahe Frequenzgrenze zum Nachbarhalbton überschreiten, und daher eine Unsauberheit im Klang hörbar wird ?

Puh, anstrengend, und vielleicht auch falsch oder unkomplett, aber so hab ichs mir mal zusammengereimt. Kann einer der Physiker vielleicht mal ne kostenlose Nachhilfestunde geben ? Ich danke euch schon mal dafür !
 
Zuletzt bearbeitet:
In Deiner Überlegung ist ein Denkfehler: Mit einer Fouriertransformation kann man einen Klang, der sich aus mehreren Schwingungen zusammensetzt, darstellen. Das geht aber (zumindest zweidimensional) nur, so lange die einzelnen Teilschwingungen sich nicht ändern – der Klang also gleich bleibt.

Ein Staccato auf dem Klavier (und auf jedem anderen akustischen Instrument) erfüllt diese Voraussetzungen aber nicht: Je kürzer eine Note, umso weniger statisch ist der Klang, weil Geräuschanteile und das Einschwingverhalten der Saite (und mitschwingender Saiten) dann eine bedeutende Rolle spielen.

Da die Saiten im Bass wesentlich mehr Masse haben als Diskantsaiten, dauert hier das Einschwingen länger – daher mag der Eindruck des Unsauberen kommen. Ein weiterer Faktor ist sicher, dass die Basssaiten durch die hohe Masse (im Verhältnis zur Länge) kein harmonisches Schwingungsverhalten haben. Das ist umso gravierender, je kürzer die Saiten bauartbedingt sind. An einem großen Konzertflügel klingen die Basstöne deshalb immer viel besser als an einem Stutzflügel.

Ich bin zwar kein Physiker, habe aber als Ingenieur über (allerdings mehrachsige) Spannungszustände promoviert. Das Gebiet ist mir deshalb nicht ganz fremd, auch wenn man bei mehrachsigen Spannungszuständen mit der Fourier-Transformation nicht mehr weit kommt ...

Grüße, Jörg
 
In Deiner Überlegung ist ein Denkfehler: Mit einer Fouriertransformation kann man einen Klang, der sich aus mehreren Schwingungen zusammensetzt, darstellen. Das geht aber (zumindest zweidimensional) nur, so lange die einzelnen Teilschwingungen sich nicht ändern – der Klang also gleich bleibt.

Ein Staccato auf dem Klavier (und auf jedem anderen akustischen Instrument) erfüllt diese Voraussetzungen aber nicht: Je kürzer eine Note, umso weniger statisch ist der Klang, weil Geräuschanteile und das Einschwingverhalten der Saite (und mitschwingender Saiten) dann eine bedeutende Rolle spielen.

Da die Saiten im Bass wesentlich mehr Masse haben als Diskantsaiten, dauert hier das Einschwingen länger – daher mag der Eindruck des Unsauberen kommen. Ein weiterer Faktor ist sicher, dass die Basssaiten durch die hohe Masse (im Verhältnis zur Länge) kein harmonisches Schwingungsverhalten haben. Das ist umso gravierender, je kürzer die Saiten bauartbedingt sind. An einem großen Konzertflügel klingen die Basstöne deshalb immer viel besser als an einem Stutzflügel.

Ich bin zwar kein Physiker, habe aber als Ingenieur über (allerdings mehrachsige) Spannungszustände promoviert. Das Gebiet ist mir deshalb nicht ganz fremd, auch wenn man bei mehrachsigen Spannungszuständen mit der Fourier-Transformation nicht mehr weit kommt ...

Grüße, Jörg

Sicher hast du recht, was Einschwingverhalten und Geräusche angeht, und wahrscheinlich dominieren diese tatsächlich. Meine Überlegung ging eher dahin, ob die Unsauberkeit nicht ein grundsätzliches Problem ist, das auch bei einem idealen Instrument ohne Einschwingung etc auftreten muss.

Nicht, dass ich etwas davon verstehen würde, aber was sind denn mehrachsige Spannungszustände, und mit welchen Methoden lassen die sich knacken ?
 
Sicher hast du recht, was Einschwingverhalten und Geräusche angeht, und wahrscheinlich dominieren diese tatsächlich. Meine Überlegung ging eher dahin, ob die Unsauberkeit nicht ein grundsätzliches Problem ist, das auch bei einem idealen Instrument ohne Einschwingung etc auftreten muss.

Nicht, dass ich etwas davon verstehen würde, aber was sind denn mehrachsige Spannungszustände, und mit welchen Methoden lassen die sich knacken ?

Mehrachsige Spannungszustände sind solche, bei denen sich Spannungen in einer Ebene (zweiachsig) oder im Raum (dreiachsig) überlagern. "Knacken" mit mathematischen Modellen lassen sich nur wenige Spezialfälle; alle anderen berechnet man näherungsweise mit Finite-Elemente-Methoden. Das im Einzelnen zu erklären, führt aber hier entschieden zu weit ...

Grüße, Jörg
 
Mehrachsige Spannungszustände sind solche, bei denen sich Spannungen in einer Ebene (zweiachsig) oder im Raum (dreiachsig) überlagern. "Knacken" mit mathematischen Modellen lassen sich nur wenige Spezialfälle; alle anderen berechnet man näherungsweise mit Finite-Elemente-Methoden. Das im Einzelnen zu erklären, führt aber hier entschieden zu weit ...

Grüße, Jörg
Ah, danke, ja, FEM sagt mir was. Sicher ein spannendes Thema ! Fur mich gilt da allerdings "wir müssen leider draussen bleiben", vielleicht dann ja im nächsten Leben !
 
Staccato-Passagen im Bassbereich klingen für meine Ohren oft unsauber, irgendwie. Jetzt habe ich mal in meinem Kopf nach längst verschütteten Zusammenhängen gekramt und folgendes überlegt. Die Fouriertransformation müsste uns ja aus dem akustischen Zeitsignal schön das jeweilige Spektrum jedes Tons liefern, also einen hohen Dirac bei der Grundfrequenz und niedrigere bei den Vielfachen, also den Obertönen, und die Amplitudenverhältnisse der Peaks sind charakteristisch für den Klang. Die Fouriertransformation ist aber auf dem Zeitintervall +/-unendlich definiert, wenn also der Ton nur kurz gehalten wird, wie beim Staccato, entspricht dies ja einer Multiplikation mit einem Rechteckfenster im Zeitbereich. Dessen Spektrum ist aber von der Form sin(x)/x, und im Frequenzbereich wird dieses dann mit dem Dirac-Kamm der Obertöne gefaltet., und durch die Faltungsoperation entsteht das sinx/x dann an jeder Stelle eines Grund- und Obertons, und die Breite bis zu den ersten Nullstellen rechts und links ist umgekehrt proportional zur Tondauer, bei Staccato also sehr breit !

Der absolute Frequenzabstand zwischen 2 aufeinanderfolgenden Halbtönen bildet bekanntlich eine geometrische Reihe mit dem Reihenfaktor (12. Wurzel aus 2), also etwa 1,06. Der absolute Frequenzabstand wird also von links nach rechts immer grösser, im Bass ist er gering. So könnte es kommen, dass die Schwänze der sinx/x-Funktion bei kurzem Staccato schon die nahe Frequenzgrenze zum Nachbarhalbton überschreiten, und daher eine Unsauberheit im Klang hörbar wird ?

Puh, anstrengend, und vielleicht auch falsch oder unkomplett, aber so hab ichs mir mal zusammengereimt. Kann einer der Physiker vielleicht mal ne kostenlose Nachhilfestunde geben ? Ich danke euch schon mal dafür !
Sag mal, Romeo, bist du jetzt die - nicht ganz unsymphatische, manchmal drollige - Esoteriktante oder ein verkappter Wissenschaftler ? Oder ist diese Aneinanderreihung von Fachausdrücken nur ein Glosse, deren Sinn sich mir gerade nicht erschließen will ?

Gruß
Rubato
 

Das war mal wieder tief unter der Gürtellinie, womit hab ich das nur verdient ?
Das sehe ich wie Rolf. Du bist hier sehr sympatisch rüber gekommen, auch wegen der "sonderbaren" Themen. Sie sind nicht unwichtig, auch wenn mancher es so empfindet. Allerdings verbindet man mit Dir nun eine ganz bestimmte Vorstellung, ob selbst verschuldet oder nicht ist dabei nicht wichtig - und die wurde von jk82 mit viel Zwinkern auf den Punkt gebracht. Das wird schwer wieder aus den Köpfen zu bekommen sein. ;-) Ich glaub die meisten mögen Dich.

Zum Thema kann ich nichts sagen, ich bin Klaviermacher! :-D

LG
Michael
 
Sag mal, Romeo, bist du jetzt die - nicht ganz unsymphatische, manchmal drollige - Esoteriktante oder ein verkappter Wissenschaftler ? Oder ist diese Aneinanderreihung von Fachausdrücken nur ein Glosse, deren Sinn sich mir gerade nicht erschließen will ?

Gruß
Rubato
Lieber Rubato, wenn es eine Glosse ist, dann eine unfreiwillige, ich hoffe nicht. Man kann doch mehrere Leben haben, manche machen nur den Fehler, die gleichzeitig haben zu wollen, und schon ein Doppelleben zb ist ganz schön anstrengend, puh ! Aber manchmal erinnert man sich an Dinge, die einem einmal wichtig waren, und dann merkt man gelegentlich, dass man dabei Hilfe braucht, und zum Glück wird die einem dann gegeben !
 
warte... du meinst... da könnte ein nächstes Leben als intimrasierter Pornograph drohen? Also das macht das universelle Konzept der Wiedergeburt nun doch recht spannend :-D:-D:-D

(@Marlene und jetzt bin ich sicher, dass @Romeo die Neckerei nicht mit Geheule quittiert) :-):drink:
Ja, nur, das nächste Leben kann auch in diesem Leben sein, es ist ein verbreiteter Irrglaube, dass man zwischendrin tot sein muss. Die das aber glauben, sterben eher, als dass sie neue Dinge aufkommen lassen, schade !

Jk hat doch bald einen neuen Job, wo er auch wieder sehr wichtig ist, der erste Mann im Unternehmen, wie er schreibt, Gratulation ! Wir wollen ja nicht hoffen, dass es jetzt schon losgeht und er gleich die Nachfolge der alten Beate antritt, Beate Ushe meine ich, hihi.
 
Na ja, Rolf, das scheint sich irgendwie zu verselbstständigen. ;-)

Hier etwas "besonderes" für die "Klang-Physiker" (und wohl der Albtraum jedes Klaviertechnikers):

 
Eine sehr kurze Erwiderung noch auf den Ursprungsbeitrag, wider besseres Wissen. Erstens: zwischen den Tönen bestehen (genähert) konstante Frequenzverhältnisse. Das heißt, die gesamte Geschichte mit den Frequenzspektren (abgesehen davon, dass sie mathematisch nicht korrekt war) wäre in einer tiefen Oktave und einer hohen Oktave identisch, da der Abstand des nächsten Tons immer ein Frequenzverhältnis darstellt, das sich im Großen und Ganzen auch nicht ändert. Im Gegenteil: dass sich alle Schwingungsverhältnisse in der nächsten Oktave im Prinzip genau so identisch wiederholen, ist einer der zentralen Aspekte unseres Notensystems.

@jk82 hat schon auf den eigentlich zentralen Aspekt hingewiesen: Inharmonizität durch Spannung und Steifigkeit der Saiten. Diese verändert das Verhältnis der Obertöne zueinander und bewirkt außerdem eine gewisse "Verschiebung" des Obertonspektrums (Obertöne erscheinen nicht genau als Vielfache des Basistons), weshalb beim Stimmen eines Klaviers die Oktaven meines Wissens leicht "gestreckt" werden. Die Praxis dazu wird dir z.B. @klaviermacher erklären können.

Die Inharmonizität steigt bei Verkürzung der Saiten deutlich an, weshalb beim Konzertflügel der Klang insgesamt, aber tatsächlich insbesondere der Bass "reiner" ist als beim Stutzflügel, und beim Flügel allgemein reiner als beim Klavier (ausgenommen sehr kurze Stutzflügel verglichen mit sehr großen Konzertklavieren).

@Marlene: das Video ist... Körperverletzung. :angst:
 

Das empfinde ich auch so und besonders gilt das für Videos in denen Flügel aus dem Fenster geworfen werden oder für dieses grauenhafte Video dieses Mannes, der mit allerlei Gerätschaften auf den Flügel losgegangen ist. Ich konnte mir das nur kurz ansehen, weil es mir körperlich weh getan hat.
 

Zurück
Top Bottom