Klavier totgestimmt ?

Neoman

Neoman

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Auch wenn die Frage sehr provokativ ist,
Kann man ein Klavier korrekt stimmen aber
Den Klang gleichzeitig zerstören ?
Mein Klavier war bis vor paar Tagen verstimmt, aber der Klang war sehr "voll" und schön.
Nun wurde es das erste Mal bei mir zu Hause gestimmt.
Ich empfinde es jetzt einfach flach.
Man hört jetzt kein Schweben der einzelnen Töne mehr aber
Auch der schöner Bechstein Klang ist nicht mehr da.
Muss man sich vielleicht nach der Stimmung daran gewöhnen ?

Leider habe ich keine Erfahrungen damit.

Grüße

Neoman
 
Ich weiß genau was Du meinst. :-)
Ich finde den Klang, wenn die Chöre bei meinem Bechstein nicht absolut rein sind, auch irgend wie faszinierend.
Aber Du wirst Dich schnell daran gewöhnen und dafür andere Schwebungen wahrnehmen.
 
Warte und spiele ein paar Tage, bis die neue Stimmung sich gesetzt hat. Wenn der Klang für dich "flach" bleibt, such eine/n andere/n Stimmer/in.

Ich hab auch manchmal eine neue Stimmung als "rauh" empfunden, ich glaub vor allem deshalb, weil sie extrem gleichschwebend und daher eher leblos war (parallele Terzen z.B., die auf dem Klavier ja eh nie "stimmen", rieben sich alle gleich...). Nur wenige Tage später verliert sich das aber, minimale Variationen kehren zurück... Aber jede/r Stimmerin hat auch so etwas wie eine eigene Signatur, sowohl in den Chören wie in der Temperatur.
 
Noch eine Verständnisfrage,
wodurch entsteht nun der eigentlicher Klang ?
Wenn ich ein Instrument stimme dann sind aufgrund der Referenz alle Frequenzen vorgegeben.
z.B. c auf 440 Hz, d auf... Herz usw.
Wodurch unterscheiden sich die Stimmungen ?
 
Zuletzt bearbeitet:
@Neoman
Eine fachliche Antwort auf Deine Frage kann ich Dir leider nicht geben, nur Dein Empfinden teilen. Nicht jeder Stimmer stimmt "gleich". Eines meiner Instrumente, dessen Erststimmung nach Anlieferung im Preis inkludiert war, klang nach derselben einfach nur traurig. Es hat sich nach einiger Zeit wieder etwas verbessert, aber gut wurde es erst, nachdem es von jemand anderem gestimmt wurde (Michael). Bei einem anderen, sehr sehr guten, war ich regelrecht verzweifelt. Glücklicherweise kam Michael wenige Wochen später und hat es wieder heile gemacht. :herz:

Erklären kann ich es aber leider nicht.
 
Zitat von Neoman:
Wodurch unterscheiden sind die Stimmungen ?
Wie Maurus schon schrieb, bringt jeder Stimmer andere Erfahrungen, Werte, Hörgewohnheiten oder Klangvorstellungen in die Stimmung ein (das betrifft eigentlich alle Handwerksberufe).
Entsprechend individuell ist auch eine Stimmung (wie stark soll die Spreizung sein, wie stark soll eine Quarte schweben, wie stark eine Quinte..., selbst Chöre werden meiner Meinung nach unterschiedlich rein gestimmt).

Aber ein Fachmann kann das sicher besser erklären.
 
Ob eine Stimmung als richtig oder falsch empfunden wird, hat sehr viel mit Gewöhnung zu tun. Wenn man sehr lange Zeit auf einem verstimmten Klavier gespielt hat, gewöhnt man sich an den Klang und empfindet ihn als richtig. Genau so geht es auch Leuten, die bei ihren Verstärkern die Bässe und die Höhen voll aufdrehen. Sie empfinden den Klang dann als richtig und meinen, wenn sie dann mal "echte" Instrumente hören, dass diese zu dünn im Bass oder zu wenig brilliant klingen. Dabei liegt es aber nur an der durch Gewöhnung verzerrten Wahrnehmung.

Relativ häufig höre ich Aussagen von Leuten, wie z.B. "mein Klavier ist schon 10 Jahre nicht gestimmt, aber es stimmt jeder Ton". Wenn ich das Klavier dann höre, stimmt einfach von vorn bis hinten überhaupt nichts. Dennoch wird es von diesen Menschen als richtig klingend empfunden.

Ob die Stimmung des Klavieres "objektiv" richtig ist, lässt sich nicht so einfach beantworten. Theoretisch ist es so, dass sich alle Frequenzen in der temperierten Stimmung von einem Referenzton ableiten lassen, jeder Halbtonschritt ist die zwölfte Wurzel aus zwei. Jedoch sind die Verhältnisse im Klavier komplizierter, so dass sich zwangsläufig Abweichungen ergeben müssen. Da gibt es einen Bereich, in dem man sich beim Stimmen bewegen kann, der unterschiedliche klangliche Ergebnisse liefert, aber dennoch zumindest grob als "richtig" oder "noch richtig" definiert werden müsste. Dies mal vereinfacht gesagt, es ist nicht möglich, die Effekte nur durch Beschreibung zu erklären, man müsste es am Instrument demonstrieren.

Mach doch mal eine Tonaufnahme von dem Klavier und stell sie hier ein, dann kann man zumindest hören, ob die Stimmung in Ordnung ist und nur deinen Geschmack nicht trifft, oder ob es evtl. in der Ausführung der Stimmung Mängel gibt.
 
Passiert das nicht, wenn mit Stimmgerät gestimmt wird? Irgendwo stand (meiner Erinnerung nach), dass das Stimmen nach Gehör solche klanglichen Veränderungen nicht aufkommen lässt, weil das "unsaubere" Stimmen nach Gehör für einen ausgeglicheneren Klang sorgt.
 
Passiert das nicht, wenn mit Stimmgerät gestimmt wird? Irgendwo stand (meiner Erinnerung nach), dass das Stimmen nach Gehör solche klanglichen Veränderungen nicht aufkommen lässt, weil das "unsaubere" Stimmen nach Gehör für einen ausgeglicheneren Klang sorgt.
Das ist nun gar nicht möglich, denn unsauber und tot sind zwei verschiedene Ereignisse, die mit einer guten Stimmung nichts zu tun haben.

Eine "tote" Stimmung ist eine, bei der versucht wird (und das ist möglich) den Ton so zu setzen, dass sich die Chöre auslöschen. Einen gut gestimmten Ton erkennt man daran, dass er zunächst vermeintlich steht und sich langsam öffnet, wenn er länger angehalten wird. Dies erkennt man eigentlich nur daran, dass der Ton lange steht. Ist dieses "öffnen" im Hintergrund nicht da, löscht sich der Ton aus. Ist das "öffnen" zeitlich zu früh da, ist es eine wahrnehmbare Unsauberkeit bzw. störende Schwebung.

Folglich mag der TE recht haben, wenn er von totgestimmt spricht. Es könnte der Ton tot sein. Meistens ist es aber so wie @jensen1 schreibt, dass man sich an Unreinheiten gewöhnt hat. Ich hatte schon Fälle, wo ich nach 3 Jahren zu einem Flügel gerufen wurde und mir der Kunde schon am Telefon versicherte, dass da nur ein Ton zu stimmen sei. Es war der Auftrag, einen Ton zu stimmen. Als ich da war, war dies der einzige Ton, der tatsächlich noch chorrein stimmte. Alle anderen schwebten gewaltig.

Ich würde Neoman anraten, den Stimmer freundlich zu bitten, ob er sich die Stimmung bei Gelegenheit nochmal anguckt und ihm seine Empfindungen schildert und dass er mit der Stimmung unglücklich sei.

LG
Michael
 
Zuletzt bearbeitet:

Eine "tote" Stimmung ist eine, bei der versucht wird (und das ist möglich) den Ton so zu setzen, dass sich die Chöre auslöschen.

Was meinst Du mit "Chöre auslöschen"?
Die Saiten synchronisieren?

Einen gut gestimmten Ton erkennt man daran, dass er zunächst vermeintlich steht und sich langsam öffnet, wenn er länger angehalten wird.


Und wann ist dann ein einchöriger Ton gut gestimmt bzw. wie fügst Du diese Basstöne dann in Deine Stimmung mit sich öffnenden Tönen ein? :konfus:
 
Hallo Neoman, GENAU das gleiche Phänomen hatte ich vor ein paar Jahren auch.

Mir war ein Stimmer als sehr günstig, aber dennoch kompetent empfohlen worden.

Das Instrument war danach auch tatsächlich überaus sauber gestimmt, aber "tot".

Den habe ich nie wieder angerufen.

Leuten, die z.B. ein gurkiges Instrument haben, das sich nur noch für Band-Überäume oder ein bisschen Nebenfach-Geklimper eignet, empfehle ich diesen Stimmer jedoch, weil es da wurscht ist und er insofern ein hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis bietet...
 
Interessant @hasenbein , bei mir exakt das gleiche. Empfehlung, sehr günstig und kompetent, aber im Endeffekt hat er das Klavier totgestimmt. Aber er war von seiner Kompetenz sehr überzeugt und hat diese auch mehrfach angepriesen.
 
Ich werde nächste Woche den Klavierstimmer anrufen.
Vielleicht kann er mich verstehen.

Problem ist, das ich im Grunde ein Anfänger bin und noch keine Erfahrung habe.
Trotzdem empfinde ich den Klang sehr flach und ohne Volumen.
Es macht mir einfach nicht die Freude wie vorher.
Ich muss zugeben dass ich drunter leide weil ich mich in den Klang verguckt habe.
Unter vielen Klavieren war es meiner und es mich immer wieder anzieht es zu spielen.
Auch wenn es nur ein technisches Gerät ist, hat es für mich ein "Eigenleben".

Ich würde gern eine Aufnahme hier einstellen,
wie soll ich es machen ?

Danke für die vielen Antworten

Neoman :-(
 
Was meinst Du mit "Chöre auslöschen"?
Die Saiten synchronisieren?

Und wann ist dann ein einchöriger Ton gut gestimmt bzw. wie fügst Du diese Basstöne dann in Deine Stimmung mit sich öffnenden Tönen ein? :konfus:
Ich verstehe schon, was Klaviermacher da beschreibt. Man kann Chöre so stimmen, dass sie völlig rein sind, alle drei Saiten exakt gleich. Dann klingt der Ton aber schwach. Wenn man den Chor aber nach Gehör stimmt, dann kann man ihn so stimmen, dass er sehr viel kräftiger und offener klingt. Dieser Effekt ist vor allem im Diskant so ab der 5. Oktave deutlich wahrnehmbar und macht aus, dass das Instrument einen langen, tragenden Ton hat.
 
Also ich versuch mal ein paar Sachen anzudeuten... nur die Stimmung betreffend, Intonationsfragen lass ich völlig raus.

1. Chöre. Da sind (je nach Bereich) 2 oder 3 Saiten zu stimmen. Die Vorstellung, dass man sie alle einfach auf die selbe Frequenz stimmt, ist naiv. Das sind reale, nicht ideale Saiten, die immer nur mit einem gewissen Grad an Präzision auf dieselbe Grundfrequenz gestimmt werden KÖNNEN. Selbst 0.01 Hz Unterschied zwischen 2 Saiten würden gehört - nämlich als Schwebung, die dann eben eine Periode von 100s hätte. Nun sind es außerdem in einem großen Bereich drei, nicht zwei Saiten. Also noch mehr Komplexität, dazu gehören schon jeweils drei minimale, paarweise Schwebungen. Und dazu kommt noch, dass jede einzelne Saite ihr minimal anderes Obertonspektrum und ihre andere Inharmonizität hat - einfach deshalb, weil es reale Saiten an real verschiedenen Orten des Klaviers sind, die von real verschiedenen Hämmern angeschlagen werden. Da ist dann auch Schluss mit der Mathematik, und der Stimmer muss - Stimmgerät hin oder her - HÖREN wie der Chor klingt. Das langsame Öffnen etc., das Klaviermacher beschreibt, ist nur eine Weise, darüber zu sprechen.

2. Temperatur. Die Diatonik des modernen Klaviers stellt ein schlechterdings unlösbares Problem des Stimmens von Intervallen in der 12-tönigen Skala dar, das unendlich viele "Lösungen" zulässt. Die Vorstellung, dass man exakt gleichschwebend und ohne Oktavspreizung stimmen würde, ist ebenfalls naiv und würde außerdem schrecklich klingen - wegen der Inharmonizität der Saiten, aber auch weil es extrem langweilig wird, wenn alle Terzen, Quarten, Sekunden usw. jeweils EXAKT gleichschwebend klingen würden. Auch wenn man in ein modernes Klavier keine mitteltönige oder sonstwie alte Stimmung legt, legt man doch jeweils eine spezifische Temperatur (d.h. ein je eigenes Schwebungsmuster) auf die Tonskala, das die/der jeweilige Stimmerin (a) als schön oder (b) als praktisch zu legen oder (c) als stabil - oder in der Tat eine Kombination aus allem - empfindet und kennt. Hier ist wieder eine unübersteigbare Grenze eines "algorithmischen" oder rein technischen (Stimmgerät) Ansatzes und Kunst und Erfahrung beginnen.

Als jemand, der solche Dinge gut hört, aber nicht selbst machen kann (den einen gescheiterten Versuch in meiner Jugend beschweige ich beschämt), beneide ich die Klavierstimmer/innen sehr um diese Kunst und Erfahrung.
 
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