Friedrich Schiller
ANTHOLOGIE auf das Jahr 1782
LAURA AM KLAVIER
Wenn dein Finger durch die Saiten meistert -
Laura, itzt zur Statue entgeistert,
Itzt entkörpert steh ich da.
Du gebietest über Tod und Leben,
Mächtig wie von tausend Nervgeweben
Seelen fordert Philadelphia; -
Ehrerbietig leiser rauschen
Dann die Lüfte, dir zu lauschen -
Hingeschmiedet zum Gesang
Stehn im ewgen Wirbelgang,
Einzuziehn die Wonnefülle,
Lauschende Naturen stille,
Zauberin! mit Tönen, wie
Mich mit Blicken, zwingst du sie.
Seelenvolle Harmonieen wimmeln,
Ein wollüstig Ungestüm,
Aus den Saiten, wie aus ihren Himmeln
Neugeborne Seraphim;
Wie des Chaos Riesenarm entronnen,
Aufgejagt vom Schöpfungssturm die Sonnen
Funkend fuhren aus der Finsternus,
Strömt der goldne Saitenguß.
Lieblich itzt wie über bunten Kieseln
Silberhelle Fluten rieseln, -
Majestätisch prächtig nun
Wie des Donners Orgelton,
Stürmend von hinnen itzt wie sich von Felsen
Rauschende schäumende Gießbäche wälzen,
Holdes Gesäusel bald,
Schmeichlerisch linde,
Wie durch den Espenwald
Buhlende Winde,
Schwerer nun und melankolisch düster
Wie durch toter Wüsten Schauernachtgeflüster,
Wo verlornes Heulen schweift,
Tränenwellen der Kozytus schleift.
Mädchen sprich! Ich frage, gib mir Kunde:
Stehst mit höhern Geistern du im Bunde?
Ists die Sprache, lüg mir nicht,
Die man in Elysen spricht?
Von dem Auge weg der Schleier!
Starre Riegel von dem Ohr!
Mädchen ! Ha ! schon atm ich freier,
Läutert mich ätherisch Feuer?
Tragen Wirbel mich empor? - -
Neuer Geister Sonnensitze
Winken durch zerrissner Himmel Ritze -
Oberm Grabe Morgenrot!
Weg, ihr Spötter, mit Insektenwitze!
Weg! Es ist ein Gott - - - -