Klavier abzugeben

...Viele Auftraggeber beschäftigen keine Handwerker, sondern "finden", "nehmen" oder "holen" ... sich Handwerker. ...
Es ist wirklich so!
Man kann sehr froh sein, wenn man für jedes Gewerk und für jedes Anliegen jemanden findet. Noch besser ist es, wenn man jemanden findet dem man vertrauen kann. Ich habe lange nach einem guten Mechaniker gesucht. Eine sehr gute Zahnärztin habe ich durch Zufall gefunden. Und wenn Du einen Installateur brauchst, wirst Du einen bitten, zu Dir zu kommen. Aber das kannst Du erst machen wenn Du einen gefunden hast.

Dieser Sprachgebrauch beinhaltet die Bezahlung der Dienstleistung nicht - das muß auch nicht extra erwähnt werden, weil es eine Selbstverständlichkeit ist.
 
Die Einstellung hatte ich auch mal. Die hat sich völlig verändert, als ich mal ein Interview eines Sprachwissenschaftlers gelesen hatte.

Als Linguist kann ich Dir da natürlich in keiner Weise widersprechen.

Allerdings transportieren Sprachveränderungen auf der Lexemebene oft auch einen reziproken Kausalzusammenhang mit einer Denkveränderung. Und das stößt gerade bei den genannten Beispielen unangenehm auf.


"Bei die Aldi" ... würde ich als harmlose soziolektale Variante begreifen. "Abgreifen" hingegen ... dahinter steckt nach meinem Sprachgefühl eine bestimmte Grundhaltung.

Ebenso bei "abgeben" im synonymischen Gebrauch von "verkaufen". Klingt nicht so herzlos. "Süße Welpen zu verkaufen" ... "Süße Welpen abzugeben" bedeutet zwar das Gleiche, aber der süße Welpe wird solchergestalt nicht sprachlich zur Sache (Handelsobjekt) degradiert.
 
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Ich finde das alles gar nicht schlimm. Ist halt Sprache und die verändert sich ständig, gerade in der heutigen Zeit.
Finde ich schon schlimm, denn damit schmeißt man unsere Kultur einfach in den Papierkorb. Man kann /darf /soll und muss alles mögliche ändern auf dieser Welt, nicht aber die Sprache, die es ermöglicht Verstehen zu erreichen und Wissen zu sammeln und zu größerem Wissen zu vereinen. Dein Ururgroßvater ist heute noch verständlich. Was werden dereinst Deine Ururenkel von Deinem Leben noch verstehen?

LG
Michael
 
Finde ich schon schlimm, denn damit schmeißt man unsere Kultur einfach in den Papierkorb
Nein, aber man verändert Kultur, wie schon immer. Heute wird ja auch keine barocke Musik mehr geschrieben und es wird auch nicht mehr so gesprochen,getanzt, sich gekleidet... wie zur damaligen Zeit. Trotzdem pflegen wir nach wie vor die alte Kultur.
Ich habe übrigens nicht mal meine Oma verstanden. :-D
Dein zweites Beispiel ist Quatsch, da offensichtlich nicht von einem Deutschen. Wenn ich russisch inseriere, kommt Ähnliches raus.
 
Stell Dir vor, der Supermarkt um die Ecke schreibt in die Werbung "1 kg Rindfleisch abzugeben" .. dann gehste rein und kostet das Teil 15 Euro...

Aber Micha, ist doch ganz normal, dass die im Supermarkt was abgeben. In meinem tauchen immer mehr Produkte auf, wo man "15 % Gratis", "Das fünfte Steak umsonst" "Sonderaktion 20 % extra" bekommt. Das hab ich neulich alles mal eingesammelt, war ein ganzer Wagen voll. Nur wollten sie mich mit dem losen Zeugs nicht wieder rauslassen.... :-D

Es grüßt
Die Drahtkommode
 
Naja, das schönste..ich war bei einem Kunden und an dessen Flügel mußte so einiges gerichtet werden - sagte ich ihm auch, er daraufhin, er hätte ja den Flügel quasi geschenkt bekommen, so für 8000 € :konfus:

Viele Grüße

Styx
 
Aber Micha, ist doch ganz normal, dass die im Supermarkt was abgeben. In meinem tauchen immer mehr Produkte auf, wo man "15 % Gratis", "Das fünfte Steak umsonst" "Sonderaktion 20 % extra" bekommt. Das hab ich neulich alles mal eingesammelt, war ein ganzer Wagen voll. Nur wollten sie mich mit dem losen Zeugs nicht wieder rauslassen.... :-D

Es grüßt
Die Drahtkommode
Oder so:

IMG_4091.JPG

Wer rechnen kann, ist klar im Vorteil! :-D

LG
Michael
 

Die Einstellung hatte ich auch mal. Die hat sich völlig verändert, als ich mal ein Interview eines Sprachwissenschaftlers gelesen hatte.
Veränderungen in der Sprache sind eigentlich niemals negativ. Es gibt überhaupt keinen Grund, Sprache negativ zu verändern. Das macht keiner. Es ist natürlich völlig ungewohnt, wenn jemand sagt "ich geh zu Aldi" und klingt für mich (und vermutlich für Dich) erst mal völlig Sch.... Ist es aber eigentlich gar nicht.
[...]
In 100 Jahren oder früher wird das Deutsch, so wie wir es jetzt kennen, vermutlich ähnlich veraltet klingen wie das Deutsch, was wir aus dem Mittelalter kennen.

Sprachästhetik und Konstatierung von Sprachwandel sind zwei Dinge, die man auseinanderhalten muß. Im ersteren Falle geht es um die Artikulation stilistischer Vorstellungen, die uns veranlassen, etwa einen "Seite drei" - Text aus der SZ für ästhetisch befriedigender zu halten als einen von Seite drei der Bildzeitung. Oft, wenn auch nicht immer, hat das damit zu tun, daß sich der Text an den Konventionen der klassischen Rhetorik orientiert, wogegen der Bildzeitungsautor weiß, daß sich seine Leserschaft "nen" Muckenschiß um derlei Dinge kümmert. Sprachästhetik ist also in erster Linie bewußte Auseinandersetzung mit Texten der eigenen Lebenswelt und individuelle Entscheidung für oder gegen *) bestimmte Register und damit synchron orientiert.

*)
Wow... noch geschraubter ging es wohl echt nicht?

Bei der Beobachtung des Sprachwandels geht es um die Analyse der Motive, welche die Sprachbenutzer dazu bringen, ihre Sprache zu verändern, d.h. sie ist diachron orientiert. Beim Sprachwandel spielen bewußte ästhetische Überlegungen die geringste Rolle, viel wichtiger sind unbewußte wie Okönomie ("Schlamperei-Prinzip"), Expressivität ("Mega-geil-Prinzip") und Sprachkontakt / Prestigesprachen-Orientierung (aus "das wird schon wieder" wird dann "das resetted sich").

Das "'nen Klavier" **) könnte unter das Ökonomieprinzip fallen: viele Sprachen neigen zum Abbau des Neutrums, wenn nicht des grammatischen Genus überhaupt (vgl. etwa das dem Dt. nächstverwandte Niederländische). Wenn dieser nicht wie in den romanischen Sprachen durch lautlichen Zusammenfall von Mask. und Neutr. herbeigeführt wird (lat. hortus / templum -> roman. orto / tempio), kann er durch andere Ansatzpunkte wie z.B. Wörter mit unsicherem Genus (z.B. der / das Gummi) erfolgen und dann allmählich generalisiert werden. Expressive Bildung unterliegen wegen ihrer schnellen Abnutzung besonderem Neuerungsdruck: Ausdrücke wie "das ist doch wurst" waren einmal vulgär und sind heute allenfalls colloquial; die Negation "nicht" war einmal expressives "ni wiht" ("kein Zwerg"), wovon keine Spur geblieben ist, außer im Schwäbischen - wenn mich der Werkstattmensch fragt: "ham sie mir koi Serviceheftl it", dann ist das "it" der Rest vom Zwerg. Prestigesprachenorientierung ist im Deutschen natürlich an den allgegenwärtigen lexikalischen Anglizismen greifbar, aber nachhaltiger sind subtile morphologische und syntaktische Änderungen, die sich weitgehend unbewußt vollziehen. Hierher gehören z.B. das Plural-s ("die Jungs, die Mädels"), oder syntaktische Phänomene wie: "die Regierung warnte, daß ...", statt "... davor, daß".

In hundert Jahren wird Deutsch natürlich anders klingen als heute, ebenso wie es vor 100 Jahren anders geklungen hat, wie man aktuell ja leicht überprüfen kann, da zum 100jährigen "Jubiläum" des 1. Weltkrieges haufenweise zeitgenössische Zeitungsausschnitte verfügbar sind. Deutschlehrer und Verleger wirken dieser Erkenntnis dadurch entgegen, daß sie, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven, sprachlich angepaßte Literaturausgaben verwenden bzw. verkaufen. Man greife einmal zu Goethes Wahlverwandtschaften im Original, oder gar zur Lutherbibel von 1545 (http://www.bibel-online.net/buch/luther_1545_letzte_hand/1_mose/1/#1), um einen gewaltigen sprachlichen Schock zu erleben.

Grüße,

Friedrich

**) "'nen Klavier" etc. existiert in den süddt. Varianten übrigens nicht. Das Analogon müßte "an Klavier" lauten, wofür ich einen Beleg im Kopf habe (entrüstete Oma): "Jetzt verdient der noch nix und kauft sich schon an Telefon"
 
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Kleine Anmerkung: 'ham' ist wohl eher im Bayrischen zu finden, im Schwäbischen hieße das 'hont' und 'Serviceheftle'.

Grüße

Toni

Ja, danke für den Hinweis, Toni. Du hörst jetzt aber wahrscheinlich auf Deine muttersprachliche Kompetenz. Ich habe aufgeschrieben, was ich als fränkischer Eremit im östl. Bayerisch-Schwaben (Datschiburg, früher mal - Achtung "Sprachwandel" - Augusta Vindelicorum) höre, wo das Bairische schon ein bisserl (im nächsten Dorf nach Westen allerdings schon: bissle) über den Lech herüberlappt.
 
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"Das fünfte Steak umsonst" "Sonderaktion 20 % extra" bekommt.

Stand doch einmal an einer Wirtschaft "jedes 12 Bier gratis"....zum einen sollte man da eine durchtrainierte Leber haben und zum anderen weiß man schon nach dem 9, Hellen nimmer genau wie viel man nun eigendlich getrunken hat - es ist mir also nicht bekannt wie viele Gäste dieses Angebot noch relativ klar nutzen konnten :lol:


Viele Grüße

Styx
 
**) "'nen Klavier" etc. ist in den süddt. Varianten übrigens nicht existent. Das Analogon müßte "an Klavier" lauten, wofür ich einen Beleg im Kopf habe (entrüstete Oma): "Jetzt verdient der noch nix und kauft sich schon an Telefon"
lübeckisch "an Böase" für an die Börse, Buddenbrooks

derzeit aktuell sind Varianten wie "ey Alder, gehst du Aldi?" "ich geh Aldi, ich schwör" etc
 

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