Klang beurteilen für Anfänger

Hallo joeach,

voraus muss man sagen, dass eine Klangempfindung bzw. -bewertung grundsätzlich eine eher subjektive Angelegenheit ist.

Allerdings gibt es schon ein paar objektive Kriterien, nach denen man einen Klavierklang beurteilen kann.

Zum einen ist ein ausgewogenes Klangbild immer das, was angestrebt werden sollte. Das heißt, dass weder Bass, Mittellage oder Diskant zu dominant bzw. zu schwach sind und "fließend" ineinander übergehen.
Gerade bei kleineren Klavieren/Flügeln gibt es Instrumente, die kein homogenes Klangbild besitzen, da dort häufig der Bass zu schwach bzw. zu "undurchsichtig" ist.

Ein zweiter Punkt ist, dass der Klang auch immer mit der Räumlichkeit zusammenhängt. Das heißt, das Instrument muss zu seinem Raum passen. Beispiel: Ein großer Konzertflügel wird in einem kleinen Wohnzimmer nicht gut klingen, da sich der Klang nicht im Raum entfalten kann. Genau so wird ein kleiner Flügel auf einer großen Konzertbühne untergehen, obwohl er in dem vorher genannten Wohnzimmer unglaublich gut klingt!

Als drittes (das geht jetzt aber schon bisschen ins Subjektive) sollte man darauf achten, dass der Klang "lebt". Das Klavier muss mit dir "sprechen" und dich "ansprechen"! Nur dann ist der Klang für dich wirklich perfekt. Und ob das Instrument und sein Klang lebt und zu dir passt, merkst du sofort, wenn du dich ein bisschen auf das Instrument einlässt!

Ich hoffe ich konnte ein wenig helfen, letztendlich merkt man es aber ohnehin, wenn man sein Instrument gefunden hat.

Gruß
Jonathan
 
Hallo,

die Frage, die joearch stellt, treibt mich auch um.

Ich bin seit ca. 1 Jahr unterwegs in den verschiedensten Klaviergeschäften und schaue, wie "mein" Klang eigentlich sein müsste. Und was soll ich sagen, es gibt so unterschiedliche Instrumente wie einen (genau einen) 80jährigen Blüthner (152cm) und einen jungen Boston (156cm) zwischen denen mir eine Entscheidung extrem schwer fiele (wenn sie denn zu treffen wäre). Fast immer begeistert bin ich von alten Bechsteinen. Aber ich tue mich immer noch schwer, genau den von mir gesuchten Klang zu beschreiben. Manchmal denke ich, hier wird zu viel Esoterik zu diesem Thema betrieben, die mich am Ende mehr verunsichert als dass sie mir hilft.

Hilfreich sind hingegen objektive Kriterien wie die von Jonathan genannten. Ich werfe noch die Länge des Tons in die Runde, wobei ich auch nicht sicher bin, wie genau man die beurteilt. Vielleicht mag noch jemand was zur Klanggestaltung sagen, so wie ich es verstehe, geht es dabei darum, wie sich der Ton zwischen "streicheln" und richtig zupacken verändert, wobei das anscheinend auch wieder für jede Lage getrennt zu beurteilen ist.

Und in der Tat kann man noch die klangliche Präzision im Bass hinzuziehen. Das ist für mich ein wichtiges Kriterium, da ich mich noch immer bevorzugt für das Segment von Flügeln unter 160 cm interessiere, die hier immer schwach sind. Also: Wie rein klingt der Bass (häufig klingen Oktaven und Dezimen unrein, was aber nach meinem Verständnis nicht nur am Instrument liegen muss, sondern auch damit, ob der Stimmer die Spreizung vernünftig auf das Instrument abgestimmt hat). Hinzu kommt, ob die Basstöne sich unterscheiden lassen und nicht nur alle gleichmäßig grummeln. Eine Melodie in der zweittiefsten Oktave gespielt sollte immer noch als Melodie erkennbar bleiben.

Am einfachsten lässt sich ein Instrument vermutlich im Vergleich zum gewohnten bisherigen Instrument beurteilen. Bei mir ist das ein Digi, was erklärt, warum mir klanglich sehr viele Flügel gut gefallen. Ich glaube inzwischen, man kann auch einen (teuren) Flügel nicht zwangsläufig für's ganze Leben kaufen, nach einigen Jahren kann es leicht passieren, dass man doch noch merkt, dass dem gekauften Instrument klanglich was fehlt, und dann entsteht der Wunsch nach Verändungen.

Im übrigen spricht mich ein Flügel vornehmlich über das Spielgefühl an, was natürlich für einen Anfänger auch recht schwierig zu bewerten sein dürfte.

Vielleicht hilft mein Beitrag oder regt die Klangfetischisten hier (das Wort ist jetzt hier gar nicht so negativ gemeint, wie es klingt) zu Kommentaren an.

Ciao
- Karsten
 
Das Klangempfinden ist sowas von subjektiv - ich für meinen Teil mag zum Beispiel dominante Bässe, hingegen empfinde ich extrem gläsernen und dominanten Diskant wie beispielsweise bei Schimmel eher als unangenehm. Trotzalledem gibt es ein paar Klangkriterien auf welche man achten sollte: steht der Ton nach dem Anschlagen und liegenlassen der Taste, oder verebbt er relativ schnell - verebbt der Ton rasch, so ist der Resoboden oder der Stegdruck nicht in Ordnung, oder aber von schlechter Qualität.
Auch ist es sinnvoll darauf zu achten ob Töne "jaulen", was durchaus auch daran liegen kann, daß das Instrument ungestimmt ist - in diesem Falle sollte man darum bitten das Instrument noch einmal im gestimmten Zustand anspielen zu können. Jault es nach der Stimmung immer noch, kann man auch wieder von Schäden oder mieser Qualität ausgehen. Auch extrem scharfe nagelnde Töne sollten beachtet werden, hier sind die Hammerköpfe entweder runter oder ebenfalls von minderer Qualität.

Viele Grüße

Styx
 
Hallo,

die Aspekte bzgl. Länge des Tons von dilettant gehören auf jeden Fall auch zur Klangbeurteilung dazu!

Gerade bei Stücken von Bach ist man darauf angewiesen, dass Töne auch ohne Pedal noch lang genug nachklingen. Sonst klingt das ganze zu "gedämpft" und irgendwie kurzatmig!
Natürlich trägt auch eine gute Mechanik dazu bei, dass man den Klang modulieren kann.

@ Styx: Ich weiß nicht an welche Instrumente von Schimmel du genau denkst, aber das mit dem zu dominanten Diskant kann ich eher für unseren Musikschul-Kawai bestätigen. Aber nicht für meine beiden Schimmel-Instrumente...:confused:

Gruß
Jonathan
 
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Lang ist nicht nur subjektiv, sondern auch in großem Maß vom jeweiligen Stück abhängig.
Einzeltöne und "dünne Akkorde" mag ich an meinem Flügel lieber als am Klavier. Fette Akkorde und dichtes Spiel sind am Klavier um Klassen besser.
 
Das Klangempfinden ist sowas von subjektiv

Ebenso wie die Kommunikation darüber. Da könnte man sich die Autoindustrie als Vorbild nehmen. Ich hab mal ein Praktikum bei einem großen deutschen Hersteller gemacht, wo es im Bereich Sound-Design genau darum ging. Im ersten Schritt wurden Adjektive gesammelt, die darauf getestet wurden, ob Versuchpersonen diese überhaupt als geeignet finden um Motorengeräusche adäquat zu beschreiben. Im zweiten Schritt erst wurden die ausgewählten Adjektive dann von Versuchspersonen den Klängen zugeordnet. Auf diese Weise wurde versucht herauszufinden, welche physikalischen Parameter dafür verantwortlich sind, dass ein Motorengeräusch von der Mehrheit der Leute als sagen wir mal sportlich oder elegant beschrieben wird. Oder halt als typisch für einen bestimmten Hersteller. Denn genau darum ging es in dem Projekt: wie klingt eigentlich der typische Sound dieses Herstellers? Besser gesagt: wie wird der beschrieben und welche Parameter sind dafür verantwortlich?

Diesen Aufwand wird man in der Klavierindustrie natürlich nicht betreiben, dafür sind die Absatzzahlen zu gering. Aber das Beispiel zeigt, dass man streng genommern erst mal definieren müsste, was z.B. ein gläserner Diskant ist. Und die Kommunikation zwischen Experten und Laien ist nochmals eine Ecke schwieriger. Wenn man in der Branche tätig ist, unterhält man sich ja ständig mit Kollegen und hat meist ja auch gleich mehrere Instrumente herum stehen, an denen man seine Wortwahl "eichen" kann. So ergibt sich irgendwann ein "Slang", der regional oder auch von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sein kann.

Als treffendes Beispiel fällt mir ein Bassist ein, mit dem ich jetzt schon seit 25 Jahren in verschiedenen Besetzungen zusammen gespielt habe. Irgendwann benutzte er den Begriff "topfig" für den Klang, der aus seiner Bassbox kam (den ich auch kannte und live hören konnte). Seit dem weiß ich, was er mit topfig meint. Jemand, der den Bassisten und seine damalige Anlage nicht kennt, wird womöglich Schwierigkeiten mit dem Begriff haben.

Aber wie auch immer: einen Klang beschreiben ist nicht so häufig wichtig. Vielmehr ist es das subjektive Empfinden: gefällt oder gefällt nicht.
 
Hallo,

die Schwierigkeit bei der Klangbeurteilung liegt in den Vergleichsmöglichkeiten. Nur wenn die Instrumente im gleichen Raum an der exakt gleichen Stelle angespielt werden, kann man sie untereinander vergleichen. Objektiv bewerten nur mit akustischen Messungen in einem Schalltoten Raum. So kann zum Beispiel eine Unausgewogenheit zwischen den Registern (Diskant/Bass) auch von bestimmten Raummoden kommen.

Weiters kann auch der Klangcharakter eines Instruments in großem Maße durch relativ einfache Mittel geändert werden. (Intonation!, Regulation, Position im Raum,...)

Persönlich versuche ich bei Instrumenten, welche ich teste zuerst immer folgende Punkte abzuchecken:

1. Modulationsfähigkeit des Klanges (samtig weich bei leisem Anschlag, nötige Schärfe bei lauten Spiel)

2. bei Crescendo in hohem Diskant: werden die Töne lauter, oder nimmt hauptsächlich das Klopfgeräusch zu?

3. im tiefen Bass: unsystematische Longitutinaltöne (störende Obertöne, schmutziger Klang, Unterschiede zwischen Tönen)

4. Registerbrüche (wahrnehmbarer Klangunterschied z.B. zwischen Blankbezug und umsponnenen Saiten

Ist eine persönliche Checkliste, die möglichst wenige subjektive Kriterien enthält, und die häufigsten konstruktiven Schwächen abcheckt. Natürlich erhebt die Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und setzt ein einwandfrei gestimmtes Instrument voraus.
 
Tastenscherge, natürlich muss man externe Laien in ihrer Begrifflichkeit eichen. Wer aber ein wenig Sinn und Gespür für Musik hat, kann mit Begriffen wie "topfig" oder "gläsern" eigentlich genug anfangen. Was subjektiv bleibt, ist die Wertung - so kann "topfig" je nach Bedürfnis positiv oder negativ besetzt sein.

Und genau daran scheitert m.E. der Wunsch von Joeach. Was ich für das eine Stück perfekt finde, kann beim nächsten katastrophal sein. Also kann man Anfängern eigentlich nur raten, ein vielseitiges Instrument zu suchen, das viele Klangfarben reproduzieren kann, statt dem Wunsch nach dem "Traumklang" zu folgen. Leider ist aber genau diese Vielfältigkeit i.d.R. ein echter Kostenfaktor. ;-)

Nachtrag: Die Fragestellung muss eigentlich dahin gehen, was ein Instrument können sollte und was es keinesfalls darf. Tastenfreaks Post ist für mich der richtige Ansatz.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Natürlich TS, Du hast schon recht - wenn ich jetzt beispielsweise einen Schimmel als "gläsern" bezeichne, so ist dies subjektiv - jemand anders wird es wohl als "glockig" empfinden. So hatt ich auch mal einen Kunden der ein 130iger Förster als "brummig" bezeichnete :D

Viele Grüße

Styx
 

Ich hatte hier mal eine m.E. wunderbare Anleitung von Herrn Steingraeber eingestellt, wie auch Anfänger Klaviere beurteilen können, kann sie aber nicht mehr finden. Wenn das noch jemand weiß - in diesem Faden wär sie gut aufgehoben. Danke.
 
Gefunden! ;-)

Hier also nochmals für Einsteiger (mit Empfehlung von Herrn Steingraeber):

macht bitte bei Klavieren folgendes:

Diskant: streiche mit den Rückseiten der Finger (oder nur Zeigefinger) über die obersten Tasten (Glissando). Sind die Töne klar, perlend, verwaschen? Empfindest Du sie als scharf, unangenehm, angenehm, tun sie gar weh? Reissen sie ab oder stehen sie?

Mittellage: Spiele einen Dreiklang. Einfach 3 Finger auf die weißen Tasten und dazwischen je eine Taste "leer" lassen. Versuche diese drei Tasten wirklich exakt gleichzeitig zu drücken. Kannst Du 3 Töne hören, erahnen? Oder ist es "Brei"? Jetzt das Ganze so leise wie möglich. Ab wann bleiben einzelne Töne weg? Dann mit zunehmendem Druck / lauter. Was passiert mit dem Klang? Nur lauter? Oder verändert er sich (was er sollte!)?
Wie leicht fällt Dir das Ganze? Stell Dir vor, Du musst das rasend schnell 1000ende Mal machen.

Bässe: Zeigefinger. Eine Taste. Ganz leise und zart und dann immer lauter. (Im Idealfall ist der Bass im ppp ganz weich und rund und sollte mit zunehmendem Druck an Kontur gewinnen.) Gleiche Fragestellungen wie Mittellage.
 
Es ist schon immer wieder erstaunlich...

Erwachsene, intelligente Menschen nehmen das Erlernen des Klavierspiels in Angriff. Klavierspielen ist kein Hexenwerk, erfordert aber durchaus das systematische Anwenden von Hirnschmalz in Kombination mit einer gewissen Ausdauer und Disziplin. Und was passiert? Der Hirnschmalz wird damit verbrannt, das als optimal empfundene Instrument zu jagen, zu finden, zu optimieren, damit, wie man als völliger Anfänger die Klangqualitäten des am besten passenden Instrumentes erkennt. Letzteres ist sowieso nur in Grenzen möglich (trotz Anleitung eines Herstellers, der letztendlich auch nur im Sinn hat, seine hochpreisigen Produkte zu verticken), es würde auch niemand auf die Idee kommen vor der ersten Fahrstunde Kriterien zu definieren, wie man die spätere Familienkutsche oder das Spaßauto fürs Rentenalter identifiziert.

Die meisten Anfänger, auch die Spätanfänger haben den ganzen langen Rest ihres Lebens Zeit, am Klavier zu lernen und zu wachsen. Natürlich will man das an einem tollen Instrument tun, und ich finde es auch nachvollziehbar, wenn man sich leidenschaftlich mit dem "Material" beschäftigt. Wenn es aber dabei bleibt und dann die Energie für das eigentlich ausschlaggebende (passenden Lehrer finden, systematisch üben) fehlt, dann ist das voll am Thema vorbei und irgendwie ziemlich traurig. "Oh, wow, da hast Du aber ein fantastisches Instrument gefunden und mensch, das ist ja perfekt reguliert und intoniert und, hey sogar mit Damp-Chaser drin, Du machst ja echt Nägel mit Köpfen. Klasse, wenn ein Spätanfänger so engagiert sein neues Hobby betreibt! Spiel doch mal was?! Äähhh, och, naja... leider kam ich seit drei Wochen nicht zum Üben, der Flügel war nicht perfekt gestimmt, das wollte ich erst richten lassen und davor habe ich viel Zeit in Läden verbracht, einfach um mal zu sehen, wie die verwanten Fabrikate so klingen. Aber nach dem nächsten Urlaub habe ich mir fest vorgenommen, jeden Tag zu Üben..."

Gähn!!! :(
 

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