Es ist doch erschreckend, wie "dumm" 5-jährige Kinder dargestellt werden. Ich bin nun mittlerweile gute 18 Jahre alt und kann mich noch sehr gut an meine Zeit zwischen 6-8 Jahren erinnern.
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Wenn sie selber Klavier lernen wollen, dann sollte man zumindest immer versuchen soviel wie möglich zu übermitteln und nicht so wenig wie möglich. Auch denke ich nicht, dass man nicht gleich ein bisschen Theorie herbeizitieren sollte.
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Es gibt doch auch Individualfälle.
Hallo Christian,
zu deinem letzten Satz kann ich dir absolut zustimmen!!! Ich erweitere sogar: es gibt
nur Individualfälle! :D
Es ist immer so, dass man als Lehrer einen großen Topf voller didaktischer und methodischer Ziele sowie Tipps und Strategien zu ihrer Umsetzung hat. Mein obiger Post hat sehr kurz umrissen Grundzüge eines Klavierunterrichts für 5-jährige aufgezeigt. Da wirklich jeder Schüler wunderbarerweise völlig verschieden ist, geht jeder auch in seiner pianistischen Entwicklung ganz andere Wege. Was bei einem gut ist, ist es beim anderen noch lange nicht. Dabei wird der Topf des Lehrers mit immer neuen Ideen gefüllt, zu denen die Schüler selbst dank ihrer Kreativität etc. ständig und ganz kostenlos :p beitragen. Ich lerne viel von meinen Schülern!
Vielleicht hättest du dich aufgrund deines technischen Interesses sehr intensiv mit der Funktionsweise und der Klangerzeugung des Klaviers befasst. Wer weiß?
Die Aufgabe des Lehrers ist u.a., einfühlsam den Schüler zu beobachten, damit er auf das eingehen kann, was der Schüler möchte und was er braucht. Man sagt manchmal: der Lehrer sollte den Schüler da abholen, wo er steht.
Nun zu deinem Vorwurf, 5-jährige als dumm hinzustellen und ihre Intelligenz mit lächerlichen Kinderspielchen zu traktieren (ich sag's jetzt einfach mal so :) )
5-jährige sind wirklich nicht mit 6-8-jährigen Kindern zu verwechseln (Don Bos sagte es auch schon). Du ahnst nicht, welchen Unterschied es macht, ob ein Kind zur Schule geht oder noch in den Kindergarten. Und zwischen 5 und 8 Jahren klaffen wirklich Welten. Im Alter von etwa 7 Jahren erst wird die Verbindung zwischen den beiden Gehirnhälften intensiviert und verstärkt. Selbstverständlich gibt es auch hier individuelle Unterschiede.
Kinder lernen zudem vollkommen anders als Erwachsene. Sie lernen im Spiel, sie lernen mit allen Sinnen, also ganzheitlich. Je mehr Sinne man beansprucht, desto besser haftet der Lerneindruck. Wenn man ihnen abstrakt etwas erzählt und dies nicht mit einer von ihnen schon gemachten Erfahrung verbindet, kann man das in der Regel auch bleiben lassen. Deshalb ist es bei ihnen wunderbar und macht auch noch Spaß (auch in einem fröhlichen "Arbeitsklima" lernt es sich besser ), das Medium in den Lernprozess miteinzubringen, mit dem sie bisher
alles gelernt haben - das Spiel. Quasi nebenbei erlernen sie z.B. folgende didaktische Ziele, die ich aus meinem obigen Post zitiert habe:
"Der ganze Unterricht zielt also erstmal in sehr spielerischer Form darauf ab, ohne Noten das Gehör zu schulen mit Nachspielen von Liedern nach Gehör, transponieren etc., mit der Orientierung auf dem Klavier, mit einer sinnlichen Erfahrung des Instruments ( wie entsteht ein Klang; was passiert mit dem Ton, wenn ich ihn angeschlagen habe; was tue ich, um lauter/leiser zu spielen etc. ), mit Klangimprovisationen wie Wettergeschichten etc., mit kleinen Improvisationen im 5-Ton-Raum."
Wenn das kein anspruchsvoller Unterricht ist, dann fresse ich einen Besen!!! :D
Ich finde es außerordentlich anspruchsvoll, dass ein 5-jähriges Kind (und von dem habe ich ja die ganze Zeit gesprochen) aus dem Gehör heraus ein Stück auf dem Klavier nachspielt, dann dieses transponiert, später dazu Quinten als Begleitung spielt und auch noch hört, welche denn dazu passen. Dazu muss es eine Vorstellung von dunklen und hellen Tönen (mit hoch/tief können die in der Regel nichts anfangen) haben, es muss Dissonanzen und Konsonanzen hören können, es muss rhythmische Vorstellungen haben ........... . Dies ist nur ein Mini-Ausschnitt, denn würde ich alles schreiben, sitze ich noch in einer Woche hier.
Musik
hört man in erster Linie, erst kommt das Hören, dann das Aufschreiben (erst lernt man sprechen, dann lernt man schreiben) - deshalb steht zumindest in meinem Unterricht die Schulung des Gehörs an erster Stelle. Das hat natürlich alles andere dann automatisch zur Folge (Noten lesen, Klangerzeugung, Technik ........).
Die Lernfähigleit der 5-jährigen ist unglaublich. Wie ihre Spontanität, ihre guten Ideen, ihre Energie, ihre Entdeckerfreude, ihre Kreativität. Aber abstrakt ihnen irgendwelche Theorie zu vermitteln, geht an ihrem Erleben und ihrer Art zu lernen in der Regel völlig vorbei.
Zum Schluss noch ein Beispiel, warum Bilder zur Vermittlung von Lerninhalten für diese Altersgruppe so geeignet sind:
Wenn ich in der ersten Stunde das Kind die Anordnung der schwarzen Tasten entdecken lasse, kann es die Zweier-Gruppen mit zwei Fingern spielen. Wenn ich nun möchte, dass es diese auch mal staccato spielt, kann ich das Bild eines Kängurus oder Hasens verwenden - jedes Kind weiß, wie diese hüpfen. Eine gemachte Erfahrung - die des hüpfenden Kängurus - verbindet sich mir etwas Neuem - dem Klavier - und das Kind kann das tierische Bewegungsmuster auf das Klavier übertragen - voila! Abstrakte Erklärungen helfen hier wenig. Übrigens sind auch bei Erwachsenen Bilder als Vorstellungshilfe oft sehr nützlich - es gibt aber auch Leute, die können gar nichts damit anfangen.
Ich hoffe, ich habe einen ganz kleinen Einblick dahinen geben können, wieso ich finde, dass ein spielerischer, ganzheitlich orientierter Klavierunterricht für 5-jährige genau da ansetzt, wo er ansetzen sollte. Es gibt übrigens dazu haufenweise Literatur. Als aufmerksamer Lehrer bekommt man immer sowieso eine Rückkopplung vom Kind. Vielleicht wäre ein Unterricht bei dir ja anders verlaufen.
Liebe Grüße
chiarina