Kann ich Bach (und co.) lieben lernen?

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Emma

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Hallo,

stelle mal wieder eine Frage, die hoffentlich nicht nur mich interessiert: also ich mag so einige Komponisten, Beethoven, Mozart, Schumann, Clementi, Kuhlau, also alles was ich mit meinem noch niedrigen Niveau spielen kann, Chopin hat ja leider nichts für Anfänger gemacht:?
Meine KL meint, demnächst könnten wir mit Bach (Inventionen) anfangen, ich sei auf gutem Wege dahin. Also ich sag es ganz ehrlich: Mit Bach tue ich mich schwer, habe mir -zig Aufnahmen angehört von dem Gould (den ich übrigens ganz faszinierend finde, die Art wie er spielt), habe die Augen geschlossen und darauf gewartet, dass ich ergriffen davon werde. Aber: der große Gefühlssturm mag sich nicht einstellen, ich empfinde Bach als sehr "technisch", kann es nicht anders beschreiben. Habe aber mit anderen Komponisten und Werken die Erfahrung gemacht, dass man viele Stücke einfach öfter hören muss, manche sogar sehr oft, bevor man sie mag. Von Bach mag ich die Siciliana, die Toccata (Orgelfassung), aber die Goldberg-Variationen z.B. finde ich (noch) gar nicht so toll, aber alle hier schwärmen davon. Meine KL meint immer: "Werd erst mal 70, dann liebst du Bach" . Ist das so? Brauch man dafür die "Reife", oder war das bei euch beim ersten Hören klar, dass ihr ihn toll findet?
LG
 
Hallo Emma; ich fürchte, aus "Romantikern" werden selten Bach-Fans. Ich selbst habe Bach & Co. früher nur als Hintergrundmusik zum Sonntagsfrühstück konsumiert. Und war da nach 10-15 Minuten meist etwas abgenervt.

Dann habe ich das "Musikalische Opfer", eingespielt von C. Lifschitz geschenkt bekommen, aufmerksam gelauscht und es hat mich glatt aus den Pantoffeln gehauen:D. Selbst spiele ich Bach (noch) nicht - der Start mit den Inventionen ist, ähnlich wie bei Dir, angedacht. Was ich jedoch bereits spiele, sind Corelli und Scarlatti als Vertreter "dieser Gattung". Und da habe ich gemerkt, das mir das zunehmend Spass macht, die Freude wächst wirklich nahezu tagtäglich. Der Corelli "sitzt blind" und wenn ich einen sclechten Tag habe, holt er mich in zwei Minuten aus der Versenkung.

Gerade heute habe ich erst mit meiner KL über genau diese Thematik gesprochen. Wir sind beide überein gekommen, dass Bach & Co. i.d.R. virtuos, allerdings exakt metrisch und auch relativ schnell gespielt werden, wie es wohl historisch begründet sein mag (war ja alles für Cembalo!) und auch meist gefordert wird. Beim Selberspielen habe ich gemerkt, welche Freude es machen kann, Barockmusik auch mal ganz weich und auch deutlich langsamer, dafür mit mehr Betonung (aber ohne Pedal:D) zu spielen. Sogar ein Rubato erlaube ich mir (schlagt mich!).

Meine Kl hat mir erzählt, dass ich nicht der einzige sei, der in diese Richtung denkt. Sie habe soeben gelesen, dass Helene Grimaud (ganz bestimmt keine "echte" Bach-Interpretin) nun eine Platte eingespielt habe,bei der sie Bach deutlich langsamer spielt. Infos zu dieser Platte bekomme ich noch.

Ich kann Dich nur zu einem Versuch ermuntern und würde die Wahl eines Largo/Larghettos anraten. Irgendwas langsames, in das Du Deine "Seele" einfliessen lassen kannst. Und wenn Du das tust, wird es alles andere als technisch, mechanisch oder gar steril werden. Versprochen!

PS. Die Goldberg-Variationen hauen mich auch nicht um.
 
PS. Die Goldberg-Variationen hauen mich auch nicht um.
Da sind wir dann schon zu dritt.

Allgemein aber kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass es manchmal bestimmt dauern kann, bis man sich mit Bach anfreundet. Ich spiele selber sehr gerne Bach - und das obwohl ich eigentlich allgemein auch eher ein Romantiker bin. Aber das war nicht immer so.

Als mir meine Klavierlehrerin zum ersten Mal Bach vorgelegt hat, konnte ich ihn sowas von überhaupt nicht leiden. Die Musik war für mich langweilig und schwer zu spielen. Also für mich nicht der Mühe wert zu üben. Da habe ich doch lieber eine Sonate von Scarlatti schön schlampig halb gelernt, oder total unfertige Beethovensonaten runtergedonnert, als mich mal durch Bach durchzukämpfen.

Irgendwann hat sich das aber irgendwie von selbst geändert (zu diesem Zeitpunkt habe ich aber bestimmt schon 6 oder 7 Jahre Klavier gespielt), als ich die grundlegende harmonische Theorie hinter der Musik instinktiv verstanden hatte. Mittlerweile ist mir Bach wesentlich lieber als Beethoven. Von dem bin ich die letzten Jahre über irgendwie etwas abgekommen.

Also zu deiner Ausgangsfrage: Ja, man kann Bach lieben lernen. Aber man sollte es nicht mit aller Gewalt forcieren, ihn lieben zu wollen. Es wird irgendwann von selbst dazu kommen, dass man ihn liebt - oder halt nicht, und dann fehlt dir persönlich ja auch nichts, was somit nicht weiter schlimm ist.
 
Zitat von Emma:
Mit Bach tue ich mich schwer, habe mir -zig Aufnahmen angehört von dem Gould [...]

Ich kann mir Bach auch nicht lange anhören; kommt mir auch ziemlich langweilig vor. Aber selber spielen, macht unheimlich viel Spaß! :)

Das geht mir bei keinem anderen Komponisten so, aber Bach muss ich spielen; da reicht anhören nicht.

Gib ihm ne Chance, Emma ;)

lg marcus
 
Ich bin regelrecht vernarrt in Bach. Nicht nur in den, aber seine Musik ist so genial, da habe ich einen riesen Spaß dran.

Glenn Gould ist nicht jedermans Sache, vllt hör dir doch auch mal andere Interpreten an. Oder auch Orchesterwerke und Oratorien. Jetzt ist ja auch Weihnachtsoratoriumszeit!

Und Goldberg Variationen, die liebe ich heiß und innig, Vielleicht kann ich sie in 10 Jahren irgendwann mal spielen......:p
 
Bach ist ja der größte Romantiker.... (stammt bekanntlich nicht von mir)... Man muß nur gut hinhören . Zugegeben: Es gibt viele "langweilige" Klaviereinspielungen. Schon auf dem Cembalo - gut gespielt- hört es sich oft ganz anders (besser) an.
Man sollte nicht nur das "Klavier"werk sehen, sondern auch die vielen anderen Bereiche (Orgel!!, die großen Chor- u. Orchesterwerke.......)
 
Wirklich interessant für mich, dass ich ganz ähnliche Empfindungen habe wie z.B. DonBos und fisherman - mich hauen die Goldberg-Variationen auch nicht um. Und ja, als Teenager fand ich Beethoven auch spannender als Bach. Heute ist es umgekehrt.

Für mich ist Bach zeitlose Musik. Z.B. die Brandenburgischen Konzerte, gespielt auf historischen Instrumenten und mit dem heutzutage so angesagten Drive und frischer Artikulation, das ist schon ganz große Musik. Bei den Chorälen der Matthäus- oder Johannespassion kommen mir regelmäßig die Tränen, weil mir die Harmonien direkt in die Magengrube fahren, genauso bei der h-moll-Messe. Und die Bachwerke für Orgel sind sowieso das Grösste.

Im übrigen schliessen sich Bach als Barockvertreter und Chopin als Romantiker überhaupt nicht aus. Ich liebe beide Richtungen, auch auf dem Klavier.

Was Bach-Fugen angeht, geht es mir regelmäßig so, dass sich mir deren Gehalt erst richtig erschließt, wenn ich sie selber übe und spiele, und dann kommt die Erkenntnis auch erst kleckerweise - das parallele Hören und Nachvollziehen der einzelnen Stimmen. Es erschließt sich für mich nie beim ersten Hören. Aber das ist auch der Reiz der Fugen - es wird nie langweilig, auch nach dem -zigsten Spielen. Sondern das aha-Erlebnis wird jedesmal größer...
 
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Ich mag Bach auch nicht. Sicherlich muss man seine enormen Leistungen respektieren und vielleicht verstehe ich ihn auch nicht. Für mich ist seine Musik eher "beiläufiges Geplänkel" ganz nett zum Sonntagsfrühstück oder beim Aufräumen. Natürlich gibt es Bachstücke die wirklich toll sind
, aber dennoch ...
Ich habe neulich bei einer Bahnfahrt das Wohltemperierte Klavier gehört und obwohl es anfänglich gut gefällt und man gute Laune bekommt, nürvte es mich es schnell.
Mir fehlt bei Bach die Lyrik, die Dramatik und die Fantasie der romantischen Komponisten, die ich weitaus lieber höre. Bach ist mir zu sauber, glatt, aufgelöst und technisch. Aber Geschmäcker ändern sich, was sicherlich auch mit dem zunehmenden musiktheoretischen Wissen zu tun und vielleicht mag man Bach dann eines Tages. Hinzukommt, dass Bach ja immer für seine Messen komponieren musste und dazu verpflichtet war. Daher verwehrt sich mir der Eindruck auch nicht, dass Bach auf Masse getrimmt war ... wie ein Akkordarbeiter. Meine Klavierlehrerin will auch Bach spielen, auch wenn ich es nicht mag, aber sie sagt Bach sei enorm wichtig für Musiktheorie und auch für die Technik.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Veto,
nein, ganz und gar nicht auf Masse getrimmt.:confused:

Er hatte ein enormes Arbeitspesum und eine riesige Produktivität. Das kan man gut nachlesen, wenn man mal in Leipzig war oder in Eisenach im Bach-Museum.
Das würde ich euch dringend empfehlen, lohnt sich sehr.

In meinen Augen gibt es in der Barockzeit keinen genialeren Komponisten als Bach. Der trotz seiner Produktivität stets tolle Musik geschrieben hat.
 
Bach "sauber, glatt, aufgelöst, technisch... auf Masse getrimmt... zum Frühstück oder beim Aufräumen...":confused:

Lieber play, was hast Du von Bach bisher gehört????

Ich würde nie drauf kommen, Bach zum Frühstück oder beim Aufräumen zu hören. Das kann nix werden....:rolleyes:

Musik "nebenbei" hören - außer simpler Dudelmusi, die ich aber selten anhöre(n muss)- kann und mache ich sowieso nicht...
 
Hm, das ist eine Frage die mich sehr bewegt, warum Musik die mich wie keine Andere bis ins Mark erschüttert , von vielen nur als "eher "beiläufiges Geplänkel", ganz nett zum Sonntagsfrühstück oder beim Aufräumen" empfunden wird.
Sehe ich was in dieser Musik was sie nicht sehen (sehen können?), oder muss ich zum Seelendoktor?
Bachs Musik ist wohl wegen ihrer wahnsinnig hohen Abstraktheit für manche schwer zugänglich. Sie wird nicht getragen von handfesten, messbaren, "menschlich nachvollziehbaren" Gestalltungsmitteln wie Tempo, Lautstärke, Klang, sondern es bleibt bei einer instrumentenunabhängigen, klanglich dünnen Melodie, zu der fast immer noch ein paar Andere dazu kommen.
Dass die nachbachische Musik eingänglicherer ist, ist kein Wunder. Sie Imitiert ja direkt, durch ihre Gestaltungsmittel die klangliche Gestik der menschlichen Emotionen. Das ist dann jetzt das phantastische an Bach, dass, obwohl dem eig. nicht so sein sollte, man im Abstrakten, "Mathematischen", "rein Gestigen" das ganze Spektrum der Emotionen und noch etwas darüber hinaus finden kann. Kann! Warum manche nicht? Hm.
Vielleicht helfen die schon genannten Tipps, z.B. ein Fuge einfach öfters anzuhöhren, sich voll darauf einlassen. Das manche Bach gerne spielen, aber nicht hören, zeigt meiner Meinung nach eindeutig, dass dem "Nichtmögen" von Bach einfach ein Verständnissproblem zu Grunde liegt. Das Gefallen der Musik in ihrer Abstraktheit und Objektivität, kann meiner Meinung nach gar nicht vom Geschmack abhängig sein, weil sie einfach "objektiv schön" ist.
 

Mir fehlt bei Bach die Lyrik, die Dramatik und die Fantasie der romantischen Komponisten, die ich weitaus lieber höre. Bach ist mir zu sauber, glatt, aufgelöst und technisch.

Ist es nicht erstaunlich, wie unterschiedlich man Musik empfinden kann...? :)

Mir gefällt an Bachs Musik besonders die Lyrik, die Dramatik und die romantische Fantasie :D

Auch wenn immer behauptet wird, Bachs Musik sei abstrakt, mathematisch, konstruiert - für mich ist es das genaue Gegenteil davon.

Kommt natürlich darauf an, wie es gespielt wird.
 
Hallo zusammen,

boah, soviele Antworten/Anregungen hier, find ich ja klasse. Aber ich dachte mir schon, dass es über Bach eine kontroverse Diskussion geben könnte, da sind die Liebhaber und Gegner ja gleichmäßig verteilt. Meine KL möchte auch hauptsächlich für's weitere Lernen gerne Bach anfangen, und ich möchte ja nicht mein Leben lang bei Kuhlau und Clementi verweilen, die Stücke sind nämlich so langsam auch immer mehr vorhersehbar, also nicht mehr so spannend, weil oft die gleichen Abläufe/Tonleitern vorkommen. Also ich werde auf jeden Fall noch mehr Bach hören, die Orgelkonzerte jedenfalls mag ich alle sehr gern, aber da ist man ja in der Kirche und darauf ganz anders konzentriert.
Vielleicht höre ich ja doch mal irgendwann die Romantik und Lyrik heraus? Oder aber vielleicht hat Fisherman recht, und das wird nix mehr (hörst du nicht gerne, aber ich bin ja auch nicht so ein Jazz-Freund:)?
LG
 
Dass bei Bach so gegensätzliche Meinungen autreten von wegen mathematisch/abstrakt oder lyrisch/romantisch, liegt wohl daran, dass das Reden über Musik meist bloß ein "Labern" ist.
Um hier sachlich voranzukommen, müsste man eben definieren was "mathematisch" in diesem Zusammenhang meint und dann Belegstellen aufzeigen, an denen Bachs Musik nach dieser Definition mathematisch ist. Bei lyrisch/dramatisch genauso. Dann könnte man auch konkret diskutieren und einer "Lösung" näherkommen.
Da sich hier aber wahrscheinlich niemand seine einmal gefasste Position durch schnöde wissenschaftliche Arbeitsweise wird nehmen lassen wollen, muss das wohl ein unfruchtbarer Streit bis in alle Ewigkeit bleiben :-)

lg marcus
 
... und es kommt noch erschwerend hinzu, dass gerade bei Bach die Wahl des Instruments und die Interpretation ein ganz große Rolle spielen: Man vergleiche nur die beiden tollen Einspielungen der Invent#9 von Klavirus und Sesam.
Gleiches Stück - völlig verschiedene Empfindungen...
 
Ich spiele nun seit etwas über einem Jahr Klavier. Habe vor ca. 1 Monat angefangen mit meinen ersten Bach-Werken. Es sind viele kleine Fugen und Präludien. Am Anfang hab ich gedacht, das wird ne schlimme Zeit ;)
Die vielen benötigten Techniken haben mich sehr abgeschreckt, aber nachdem ich ein wenig gefallen gefunden hatte, gefielen mir die Werke von Tag zu Tag besser. Es machte richtig Spaß ein wenig "dran rumzuwerkeln". Bestimme Passagen mal mit Pedal, oder einfach mal langsam spielen, weil eigentlich fast alles sehr schnell und laut gespielt werden sollte. Also ich kann nur sagen, dass er mich zuerst auch nicht vom Hocker gerissen hat, aber sich meine Meinung schnell gewendet hat.
Ich glaub das Problem bei seinen vielen kleinen Werken ist, dass er sie größtenteils für seine Schüler schrieb und er deswegen sehr viel "Technikübungen" einbaute. Das empfinden vielleicht manche Leute als langweilig.
 

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