Kammermusik und Empathie

  • Ersteller des Themas Samira Spiegel
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Samira Spiegel

Samira Spiegel

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15. Jan. 2022
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Hallo :)
Ich beschäftige mich gerade aufgrund von einer Recherche mit dem Thema Zusammenspiel und was gutes Zusammenspiel ausmacht.
Würdet ihr aus euren Erfahrungen sagen, dass Kammermusik mit empathisch veranlagten Menschen grundsätzlich besser klappt oder that das bei euch nie eine Rolle gespielt. Bzw. könntet ihr etwas benennen, das deutlich macht wieso man mit manchen Menschen direkt eine Verbindung hat und mit manchen klappt es auch nach 1 Jahr Proben nicht so richtig?
Ich nehme gern alles an Erfahrungen, was sieht habt. Im Moment habe ich viele wissenschaftliche, psychologische und soziale Aufsätze darüber gelesen, will das aber nun auch mit praktischen Erfahrungen von Musikern vergleichen.
Danke!
 
oh ja, das würde ich unbedingt bejahen! Ein Mensch, der nicht empathiefähig ist, kann deinen Groove nicht spüren, fühlt nicht feinste Verständigungen, die in einem accelerando oder einem crescendo ablaufen.
Kammermusik ist für mich ein wahres Wunder! Es passieren Dinge miteinander und man weiß gar nicht, warum, so fein sind sie.
Ich glaube, einer von vielen Punkten ist die Fähigkeit, bewusst oder unbewusst, Mimik oder Gestik der Partner in Windeseile zu erfassen und Rückschlüsse daraus zu ziehen und das in die eigene Musik einfliessen zu lassen.
Spiele ich mit einem Sänger, von dem ich vielleicht nur den Rücken sehe, so spüre ich doch, wie er atmet und ich kann hundertprozent mit ihm zusammen sein, weil ich mitatme. Dafür braucht man keine deutlichen Zeichen, das weiten des Abendkleides im Rippenbereich, ein leichtes Dehnen des Brustkorbs, die Bewegungen sind so klein und man kann sie nur wahrnehmen, wenn man ganz beim Anderen ist. (um ein Beispiel zu nennen)
Und nur dann, wenn man dies Empathie hat, die Luft britzeln zu hören, kann man im Konzert alles anders machen als in den Proben.
Andernfalls geht das in die Hose.
 
Jedes Feld Wald und Wiesen Frühschoppen Orchester funktioniert als Organismus. Ein spannender Fall weil es mehr in Richtung Pfosten als Stock geht. Gibt's wahrscheinlich auch weniger anlesbare Erfahrung, aber ist sicherlich einen Blick wert. Im Grunde jede Konstellation. Vater Kind, Lehrer Schüler, Oma Opa. Aber ja, petrischalen und reproduzierte/imitierte Natur ist auch spannend.
Ich kann den vorigen Post vollkommen nachvollziehen. Nur finde ich den Gedanken atmender künstlicher Lungen sonderbar. Sicher ist's nicht so schick unkostümierte Laien zu beobachten. Dennoch fände ich die unwillentliche Keimzelle des Theaters spannender zu beobachten wie die gewollte Überzüchtung. Das pikante an diesem Aporem: die einen wissen nicht dass sie was fühlen, und die andern wissen nicht daß sie nichts fühlen. "En Garde, Windmühlen! *rumfuchtel*."
 
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Entscheidender als persönliche Sympathie finde ich die musikalische Qualität meiner Kammermusikpartner. Jemand kann noch so nett und empathisch sein - wenn in der Probe zum dritten Mal nacheinander ein Timing nicht stimmt oder eine Intonation wackelt, dann hört der Spaß an der Sache ziemlich schnell auf. Ideal ist es, wenn Sympathie und Qualität zusammen treffen. Kann ich nur eines von beiden haben, dann nehme ich die Qualität.

Wobei gänzlich empathieunfähige Musiker ohnehin schlechte Kammermusiker sind, denn Kammermusik erfordert immer ein erhebliches Maß an Kompromissfähigkeit.
 
Hallo :)
Ich beschäftige mich gerade aufgrund von einer Recherche mit dem Thema Zusammenspiel und was gutes Zusammenspiel ausmacht.
Würdet ihr aus euren Erfahrungen sagen, dass Kammermusik mit empathisch veranlagten Menschen grundsätzlich besser klappt oder that das bei euch nie eine Rolle gespielt. Bzw. könntet ihr etwas benennen, das deutlich macht wieso man mit manchen Menschen direkt eine Verbindung hat und mit manchen klappt es auch nach 1 Jahr Proben nicht so richtig?
Ich nehme gern alles an Erfahrungen, was sieht habt. Im Moment habe ich viele wissenschaftliche, psychologische und soziale Aufsätze darüber gelesen, will das aber nun auch mit praktischen Erfahrungen von Musikern vergleichen.
Danke!
Ich habe nie Kammermusik betrieben, wohl aber Sänger im Kabarett ausgebildet (Stimmbildung und so).

Wenn Emphatie da war, so ließ es sich leichter mit den Leuten arbeiten, fehlte selbige, wurd ich zum Sadisten.
 
Würdet ihr aus euren Erfahrungen sagen, dass Kammermusik mit empathisch veranlagten Menschen grundsätzlich besser klappt oder that das bei euch nie eine Rolle gespielt. Bzw. könntet ihr etwas benennen, das deutlich macht wieso man mit manchen Menschen direkt eine Verbindung hat und mit manchen klappt es auch nach 1 Jahr Proben nicht so richtig?
Praktische Erfahrungen mit Kammermusik hab ich leider bislang keine; aus meinen praktischen Erfahrungen mit anderen Formen des Zusammenspiels heraus würde ich aber sagen: neben der grundsätzlichen Fähigkeit zur Empathie braucht es auch ein Interesse und eine Bereitschaft, diese Fähigkeit zu nutzen, um sich aufeinander einzustellen - wenn jeder im Grunde nur sein eigenes Ding durchziehen will und es insofern an Resonanz fehlt - auch den Begriff der Person kann man dem lateinischen "personare" nach ja im Sinn eines Hindurchtönens der Stimme des Schauspielers durch seine Maske verstehen -, dürfte jegliches Miteinander, wie schon treffend bemerkt wurde, in die Hose gehen...
 
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Empathie im Sinne von „die Dinge aus den Augen von jemand anderem betrachten, sich in jemanden anders hineinfühlen“ ist beim Zusammenspiel in kleinen Ensembles eine wichtige Voraussetzung für das Schaffen von etwas Gemeinsamem. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile - dies zu erreichen kann nur gelingen, wenn sich jeder seiner eigenen Rolle, aber auch der Rolle der Mitspieler vollkommen bewusst ist. Dafür braucht es unbedingt die Perspektivübernahme durch alle Mitspieler.

Bei Improtheater-Gruppen gibt es zwei wichtige Grundsätze, die sich in gewissem Maße auch auf Kammermusik übertragen lassen: Das Aufnehmen von Impulsen anderer ist mindestens ebenso wichtig wie das Senden. Und es ist für eine erfolgreiche Aufführung entscheidend, dafür zu sorgen, dass die Mitspieler sich im Spiel gut und überzeugend entfalten können. Wie wäre dies ohne Empathie möglich?
 
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Ein Mensch, der nicht empathiefähig ist, ... fühlt nicht feinste Verständigungen, die in einem accelerando oder einem crescendo ablaufen.
Oder er macht einfach nicht jeden Schmarrn mit! Von einem sehr fähigen Begleiter hörte ich nach einer ermüdenden Probe mit einer komplett rhythmusleugnenden Sängerin den Satz: "ich gebe ja gern mal nach... aber nur ein bischen!"
 
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...in der Kammermusik gibt es keinen "Begleiter". Es sind immer einzelnen Stimmen, die sich vornehm zurücknehmen, die keinen eigenen Auftrag spüren. Ansonsten gilt:
Immer! Immer musizieren die Menschen gemeinsam, egal, welches Instrument sie spielen.
Wer das nicht weiß oder fühlt, hat den Sinn des gemeinsamen Musizierens nicht begriffen!
Entscheidender als persönliche Sympathie finde ich die musikalische Qualität meiner Kammermusikpartner.
Von Sympathie war nicht die Rede. Man kann durchaus mit Menschen, die man auf einer Party unsympathisch findet, die wundervollsten Konzerterlebnisse haben...
 
In meiner Jugend ward ich mal in so einem FDJ Singeclub - zum einen das "Küken" zum anderen der einzige Querschläger.

Alles wartete auf den Klavierspieler, welcher allerdings besseres zu tun hatte - nämlich sich am Tresen einen "Obligatorischen" nach dem anderen reinzuziehen.

Nüchtern konnt ich da irgendwie ned spielen :trink191::trink87::trink87::trink87:
 

Naja, die Verzerrung beim Sammeln von Erfahrungswerten fängt ja schon vorher an: Menschen ohne Empathie daten nicht so schnell einen Spielpartner und lassen sich auch nicht so schnell als Spielpartner daten.

(Kammermusik"freundschaften" sind (für mich) so ähnlich wie "Freundschaften" mit WG-Mitgliedern... sehr manchmal bleibt die Bekanntschaft noch für längere Zeit, auch wenn man nicht mehr zusammenspielt/zusammenwohnt.)

Ich hatte mal einen Teufelsgeiger für ca. vier Jahre: wir haben uns persönlich nur wenig zu sagen gehabt, aber haben oft gemuggt und sogar einen öffentlichen Konzertabend bestritten (mit "richtiger" Literatur). Als er nun beruflich wegzog, war der Faden über Nacht komplett gerissen. - So deutlich hatte ich das aber auch nur 1x im Leben.

Empathie ist ein großer Begriff. Ich werfe mal "Narzissmus" hier ein. Können narzisstische Menschen miteinanderspielen?

Und ja, werte Sängerin, Du hörst mir mal zu, wenn ich spiele. Nix Begleiter.
 
Ich frage mich, ob das "passen" nicht zu einem sehr großen Prozentsatz von musikalischer Kompetenz abhängt. Dazu zählt in diesem Fall nicht nur, dass man sich auf seinem Instrument virtuos bewegen kann. Sondern auch die Fähigkeit zur Spontaneität und Flexibilität in der Musik, natürlich zum sehr guten Zuhören und Reagieren, zum Einfühlen in die Musik.

Gleichzeitig ist es vielleicht auch wie in der Zwischenmenschlichkeit: Es kann zwei sehr freundliche, anständige Menschen geben, die sich dennoch nicht sehr mögen und kaum Werte und Interessen teilen. So könnten doch auch zwei sehr anständige Musiker inkompatibel sein, weil sie in verschiedene Richtungen denken.
Inkompatibel natürlich auf einem hohen Niveau, das ein wohlklingendes Konzert keinesfalls ausschließt, ebenso wie sich zwei eher abgeneigte Menschen zivilisiert begegnen können. Aber die tiefe, intuitive Verbindung klappt dann nicht mit jedem.

Ich habe ehrlich gesagt das Gefühl, einen passenden Kammermusikpartner zu finden ist ebenso schwierig, vielleicht schwieriger, wie einen passenden Lebenspartner zu finden.
 
Hallo :)
Ich beschäftige mich gerade aufgrund von einer Recherche mit dem Thema Zusammenspiel und was gutes Zusammenspiel ausmacht.
Würdet ihr aus euren Erfahrungen sagen, dass Kammermusik mit empathisch veranlagten Menschen grundsätzlich besser klappt oder that das bei euch nie eine Rolle gespielt. Bzw. könntet ihr etwas benennen, das deutlich macht wieso man mit manchen Menschen direkt eine Verbindung hat und mit manchen klappt es auch nach 1 Jahr Proben nicht so richtig?
Ich nehme gern alles an Erfahrungen, was sieht habt. Im Moment habe ich viele wissenschaftliche, psychologische und soziale Aufsätze darüber gelesen, will das aber nun auch mit praktischen Erfahrungen von Musikern vergleichen.
Danke!
Geht die Frage an Profis oder auch an Amateure (im fortgeschrittenen Bereich oder im Anfängerbereich)? Klavier obligatorisch dabei oder nicht?
 
konsequenterweise muss dann die Gattung Kunstlied ausgeschlossen werden
warum?

"Begleiter", wie von Tastatula verwendet, klingt ein wenig nach Diener...
Nein, ein Begleiter ist jemand, der mitkommt, quasi ohne eigenes Bedürfnis.
Wenn Du also Angst vorm Zahnarzt hast, dann kommt Deine Freundin mit , um Dir Trost zu spenden, sie begleitet Dich bei dem schwierigen Weg. Sie selbst hat aber keine Zahnschmerzen.
Wenn zwei Musiker miteinander spielen, dann müssen beide ein Bedürfnis haben (also beide haben Zahnschmerzen), und, ja: Beide dienen der Musik.
Hoffentlich...
 
Nein, ich glaube, @Tastatula meinte das anders. Aufgrund ihrer Erklärung deute ich das so, dass man als Liedpianist bei Schubert und auch allen anderen Liedern eben nicht "nur" Begleiter ist, sondern ein gleichberechtigter Spielpartner.
 
...in der Kammermusik gibt es keinen "Begleiter".
konsequenterweise muss dann die Gattung Kunstlied ausgeschlossen werden ;-)
...weil man Kunstliedtamtam in einer Fachrichtung namens Liedbegleitung...
Wenn es deiner kundigen Mitteilung folgend in der Kammermusik keine "Begleitung" gibt, muss logischerweise die Gattung Kunstlied ausgeschlossen werden, wie man schon sehr schön am Begriff wie Studiengang Liedbegleitung schlicht ablesen kann. Solange also eine Singstimme von einem Begleiter (so Leute wie Gerald Moore) begleitet wird, kann das keine Kammermusik sein. Obendrein völlig egal, ob dabei Singstimme und Begleiter emphatisch, sympathisch oder psychopathisch sind...
;-)
 

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