Johann Sebastian Bach

Ach nein, Leon, überlange Unisonopassagen, ein eher dilletantischer Kontrapunkt, der Ton Cis im zweiten Takt und das Verwenden von Arpeggien sind noch lange keine Indizien dafür, dass ein Werk nicht von Bach sein könnte, da gebe ich dir Recht. Ich selbst bin auch viel zu dilletantisch, diesen Beweis führen zu können. Aber ist dieses Werk denn wirklich so umwerfend, dass man ein Sakrileg begänge, würde man an Bachs Urheberschaft zweifeln? Ist Bach so sehr in Heiligkeit erstarrt, dass man selbst in Form eines Gedankenspiels nicht an das BWV rütteln darf? Ich selbst finde die Anmerkungen, die Stephan Emele dazu gemacht hat sehr einleuchtend, und die Vorstellung, dass dieses für meine Begriffe bereits völlig ausgelutschte und bis hin zur Fadheit rauf- und runtergenudelte Werk (Stokowski hat ihm den Rest gegeben) von seinem zweifelhaften Sockel gestoßen wird, erfüllt mich – hmm... wie sag ich’s? – mit diebischer Freude.
Wie ich bereits im oberen Posting schon geschrieben habe, geht für mich nichts über Bach, seine Musik belebt Tag täglich meine Synapsen und sollte ich seine Musik beschreiben, komme ich auf kein anderes Wort als auf das Wort Glück. Von daher habe ich wahrscheinlich eine untergründige Angst, dass Bach hier und da zu Tode geritten oder in all zu leblose Höhen gejubelt wird, und von daher freue ich mich dann auch immer über jeden Herätiker. Ich empfinde es als sehr viel spannender und es hat sehr viel mehr Frische als dieses endlose Aufzählen von favorisierten Musikstücken. Von mir aus können wir gleich das gesamte BWV ins Forum kopieren, dann haben wir das ein für allemal mit einem Posting erledigt...

...räsoniert Nutznießer
 
Hier ging es doch eigentlich darum, zu klären, dass Bach keine Klimperwerke schrieb, die jeder Pianist einfach mal so nebenbei spielen kann, sondern dass er anspruchsvolle Musik schrieb, die eigentlich für fast jeden Gefühlsausdruck in Frage kommt. Gut, ich bin mir auch nicht ganz sicher, was die Urheberschaft Bachs der Toccata und Fuge in d betrifft, genausowenig sicher bin ich, was die acht kleinen Präludien und Fugen angeht, genausowenig sicher bin ich, dass einige Werke von Pachelbel tatsächlich auch von Pachelbel stammen.
Bach war mit Sicherheit kein Heiliger, er war auch nur ein Mensch, wenn auch ein überaus genialer Mensch.
Um deine Frage zu beantworten ob dieses Werk wirklich umwerfend ist... Für mich schon, war es doch das Erste, was ich von Bach zu Gehör bekam. In der Fuge selbst findet man Gegensätze vereint, wie es schöner garnicht sein könnte. Achte doch mal genau darauf: An einer Stelle klingt es (für meine Begriffe zumindest =)) wie ein Wiegenlied, nicht viel später darauf erklingt es aufbrausend und irgendwie zerstörerisch wütend. Aber das nur mal nebenbei dazu, warum ich dieses Werk so schätze. Natürlich klingt dieses Werk sehr viel anders, als andere Bachtoccaten (ich bleibe mal nur bei der Toccata), denn in dieser wird das Pedal nur spärlich eingesetzt, wohingegen in der dorischen eigentlich fast durchgehend das Pedal eingesetzt wird. Aber gut, bleiben wir dabei, dass wir beide nicht zweifelsfrei sagen können, ob 565 tatsächlich von Johann Sebastian ist, oder nicht.
 
wiegenlied... ja ich glaub, ich weiß, was du meinst. gleich nachdem das fugenthema eingeführt und ich glaube eine quinte höher wiederhohlt wird, bekommt es etwas wiegenliedhaftes und ich fand es auch einmal sehr schön. nur leider geht es mir mit diesem, wie mit einigen stücken anderer komponisten so, dass man sie mir einfach zu häufig durch die ohren geblasen hat. in vielen fällen können die stücke nichts dafür, in einigen, wie in diesem, erscheinen sie mir wegen ihres oberflächenreizes dann recht bald als schal. aber lassen wir bwv565 mal bwv565 sein, ich bin jetzt müde wie tausend mann nahe an einer nikotinvergiftung :-)

einen schönen samstag wünsche ich.
 
sollte ich seine Musik beschreiben, komme ich auf kein anderes Wort als auf das Wort Glück

"Ich sprach mir's aus: als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte,
wie sich's etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung, möchte zugetragen
haben, so bewegte sich's auch in meinem Innern, und es war mir, als wenn ich weder
Ohren, am wenigsten Augen und weiter keine übrigen Sinne besäße noch brauchte."
Johann Wolfgang von Goethe an Carl Friedrich Zelter nachdem er Bach hörte

8) 8) 8)
 
@Christoph

Ja, aber am besten ist deine Signatur – zumal Einstein für Musik wahrscheinlich bei weitem mehr Sinn hatte als der Dichterfürst. :wink:
 
Der Fürst hat's aber am schönsten ausgedrückt oder? :wink:

" ...als wenn ich weder Ohren, am wenigsten Augen und weiter keine übrigen Sinne besäße noch brauchte." - einfach wunderbar

dieses Gefühl ist das besondere an Bach. Kenn ich von keinem anderen Komponisten :)
 
Zitate zu Bach:

"Bach ist Anfang und Ende aller Musik."
Max Reger

"Dieser große Mann würde von allen Nationen bewundert, wenn er mehr Anmut hätte
und seine Kompositionen nicht durch so viel Schwulst und Verworrenheit verdürbe;
und wenn er nicht durch ein Übermaß an Künstlichkeit ihre Schönheit verdunkeln
würde."
Johann Adolf Scheibe, "Der critische Musicus", 1737

"Bach sollte nicht Bach, sondern Meer heißen."
Ludwig van Beethoven

"Eine wahrhaft klassische Quälerei"
Peter I. Tschaikowski über Bachs Passionen und Kantaten

"Das ist doch einmal etwas, aus dem sich etwas lernen lässt."
Wolfgang Amadeus Mozart

"Ich breche ab und sage nicht mehr, als dass diejenigen Recht zu haben scheinen,
welche viele Künstler gehört, aber doch alle bekennen, es sei nur ein Bach in der Welt

gewesen."
Jakob Adlung, "Anleitung zur musicalischen Gelahrtheit", 1758

"Es mag sein, dass nicht alle Musiker an Gott glauben; an Bach jedoch alle."
Mauricio Kagel, 1985

"In dieser Woche habe ich drei Mal die Matthäuspassion gehört, jedes Mal mit dem
selben Gefühl der unermesslichen Bewunderung. Wer das Christentum völlig verlernt
hat, der hört es hier wirklich wie ein Evangelium."
Friedrich Nietzsche

"Ist es einer Musik gelungen, uns in unserem ganzen Wesen nach dem Edlen
auszurichten, so hat sie das Beste getan. Hat ein Komponist seine Musik so weit
bezwungen, dass sie dieses Beste tun konnte, so hat er das Höchste erreicht. Bach hat
dieses Höchste erreicht."
Paul Hindemith

"Seine Musik ist einfach zeitlos."
Sting
"Bachs nationale Bedeutung liegt darin, dass er die kirchlichen Fesseln der Musik
sprengte und an die Stelle toter Formeln menschliches Erleben und Empfinden setzte,
dass er, eng mit dem Volk verbunden, Volkslied und Volkstanz in seinem
Melodienschatz verwob und diese Musik verweltlichte."
Pressenotiz aus der DDR

"Urvater der Harmonie."
Ludwig van Beethoven

"Von Klangfülle war er so besessen, dass er - abgesehen von seinem fortwährenden
exzessiven Pedalspiel - diejenigen Tasten mit einem Stöckchen im Mund
herunterdrückte, die er im jeweiligen Augenblick weder mit Händen noch mit Füßen
erreichen konnte."
Charles Burney, 1776

"Wer ihn nicht gehört, hat sehr vieles nicht gehört."
Johann Friedrich Daube in "Generalbass in drei Akkorden", 1756

"Wir sind alle Stümper gegen ihn."
Robert Schumann
 
ich habe schon oft gehört, wie pianisten, die werke von chopin, beethoven u.ä. toll spielen und bei bach und mozart dann kläglich versagen. bei den vorausscheidungen zum busoni-wettbewerb, die ich jedes jahr anhören gehe, ihabe ich das schon öfters bemerkt. meines erachtens erkennt man die wahre bravour eines klavierspielers v.o. beim spielen von werken der genannten komponisten. da muss man aus den noten ganz alleine und ohen hilfe etwas schaffen, etwas aufbauen, eben interpretieren,denn es gibt keine feurigen akkorde, skalen usw. ich werde zwar wiederholen was schon gesagt wurde, doch die goldbergvariationen gehen mir einfach jedesmal ans herz wenn ich sie höre. das mag zwar nicht viel aussagen, wahrscheinlich liegt es daran dass ich mich besser beim bach-spielen als beim über-bach-schreiben ausdrücken kann :)
 
Weiß eigentlich einer von euch genau wie Bach die Musik zu seiner Zeit veränderte? Ich weiß da nicht viel drüber, deshalb würde mich das mal ínteressieren.

Danke =)

lG Mustis
 
Urgh, dazu gibt's ganze Bücher :lol:

Schau halt mal bei wiki
 

danke danke, aber hat das auch einer ein bisschen übersichtlicher oder so? :wink:
 
Nein, Du musst erst alle Bücher durchlesen!

K. 8) :wink:
 
Bach hat die Musik seiner Zeit wahrscheinlich weniger beeinflusst, als wir heute gemeinhin glauben. Der damalige Mainstream hat ihn so ziemlich ignoriert. Vor allem der zweitälteste Sohn (C. Ph. E.) stand weit höher im Kurs. Doch in Äonen wird nur noch einer bleiben ...
 
Und Glenn Gould sorgte durch seine phänomenale Einspielung der "Gouldberg"-Variationen für Popularität der Klavierwerke Bachs...

Klavirus
 
J.S. Bach

Bach ist wie Zähneputzen ein eindeutiges muss.

Präludium und Fugen im Wohltemperierten Klavier


Heinz
 
papillion

Kennste Glen Gould? Ist leider schon tod.

Ich spiele Goldberg Variationen.

Heinz
 
Klavirus

Nun mach aber mal einenen Punkt.
So besonders war Glen Gould nun auch wieder nicht.
Man nannte ihn zwar den MARLO BRANDO der klaviermusik aber was er so mit bach machte war nicht vom feinsten. Höre dir mal seine interpretatin vom wohltemperierten klavier an, da wird dir ganz schlecht.

Heinz
 

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