Jean Sibelius (Violinkonzert)

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Ich glaube auch nicht, daß man viele Violinkonzerte kennen muß, um Violinenspiel zu beurteilen. Bei einer Gewichtsklasse wie Chang genügt dazu schon fast dieses einzige Konzert - dann weiß man, was eine Violine (bestenfalls) kann.

Die folgende Aufstellung lässt erahnen, was es so alles auf dem Markt gibt - natürlich auch mit Fehlern (so ist Wolfgang Rihm Jahrgang 1952):
Liste von Violinkonzerten
Übrigens kann ich nicht nachvollziehen, weshalb das konzertante Schaffen des 18. Jahrhunderts (Carl Stamitz, Christian Cannabich, Domenico Cimarosa) praktisch unerwähnt bleibt (neben den bekannten Stücken von Joseph Haydn oder W.A. Mozart). Auch andere wahrlich nicht unbekannte Persönlichkeiten wie Richard Strauss (op. 8, 1881/82) bleiben unerwähnt - selbst wenn es sich dabei um ein Jugendwerk handeln mag, sind solche Lücken im Gesamtbild recht fragwürdig. Dokumentarische Sorgfalt sieht anders aus.

Aber egal: Je mehr Literatur einem Beurteiler geläufig ist, desto fundierter ist wohl seine Auffassung von dieser Instrumentengattung. Ein Überblick über das Gesamtwerk von J.S. Bach und A. Vivaldi über die gängigen klassischen (Mozart, Beethoven, Spohr, Paganini) und romantischen Werke (Mendelssohn, Schumann, Saint-Saens, Brahms, Tschaikowsky, Bruch, Sibelius) kann man durchaus schon zur Allgemeinbildung für jene Menschen zählen, die einige Jahre ihres Lebens in einer Musikhochschule verbracht haben. Dazu gehören auch die etablierten Beispiele aus dem 20. Jahrhundert (Bartok, Prokofiew, Strawinsky, Alban Berg) und die in Kooperation mit Anne-Sophie Mutter herausgebrachten Konzerte von Penderecki, Lutoslawski oder Rihm könnte man auch namentlich schon mal registriert haben. Immerhin hat sich die Gattung stilistisch enorm weiterentwickelt - während das Instrument bautechnisch viel früher den heute gebräuchlichen Standard erreicht haben im direkten Vergleich mit den Holz- und Blechblasinstrumenten. Ein gut strukturiertes Hintergrundwissen ist da immer von Vorteil - aber das ist eigentlich eine Binsenweisheit.

Gelegentlich hat das Gerücht die Runde gemacht, es gäbe von Sibelius (neben diverser Sololiteratur für Klavier) auch ein Klavierkonzert:
Alina Pogostkina spielt Sibelius' Klavierkonzert - SR Fernsehen | programm.ARD.de
Dessen Existenz gehört leider ins Reich der Legenden - eine Neuauflage des Prozederes um das Beethoven-Violinkonzert (als op. 61a mit Klaviersolopartie vom Meister selbst transkribiert) scheint wohl nicht stattgefunden zu haben...!

LG von Rheinkultur
 
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Lieber Rheinkultur,

ich weiß - deine Aufstellung sollte nicht komplett sein. Trotzdem würde ich gern noch Dvorak und Ligeti erwähnen, die beide auch sehr berühmte Violinkonzerte geschrieben haben. :)

Liebe Grüße

chiarina
 
ich weiß - deine Aufstellung sollte nicht komplett sein. Trotzdem würde ich gern noch Dvorak und Ligeti erwähnen, die beide auch sehr berühmte Violinkonzerte geschrieben haben. :)

Richtig - aber diese Stücke sind in der sonst so lückenhaften Wikipedia-Liste wenigstens noch genannt. Es ist aber so, dass mit dieser Aufstellung deutlich wird, dass auch Tante Wikipedia längst nicht alles weiß. Aus der Gegenwart fehlen z.B. Angaben zu den weiteren Werken von Wolfgang Rihm ("Lichtzwang") und die Opera 32 und 74 des einst fast so populär wie Elgar gewesenen britischen Spätromantikers Charles Villiers Stanford hätte man angesichts vieler anderer noch weniger bekannten Namen durchaus berücksichtigen können. Weitere Konzerte gibt es von französischen Komponisten wie Fauré oder Francaix - ich könnte diese Liste seitenlang weiterführen. Ich gebe ja freiwillig zu, dass ich ein besonders ausgeprägtes Interesse an seltener gespielten Werken habe - und wenn man wieder einmal ein bestenfalls mittelmäßig gespieltes Mozart-Konzert korrepetiert hat, könnte man schon einmal Geschmack finden an einem Stück, das man wirklich einmal komplett neu für sich entdeckt. Angesichts des mit "Mainstream" überfrachteten Konzertbetriebs und Tonträgermarkts könnte das Bedürfnis nach noch nicht so oft gespielter Literatur durchaus größer sein...

...meint Rheinkultur
 
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??? was soll an diesem Violinkonzert atonal sein???

wenn du ein atonales Violinkonzert hören willst, dann das von Alban Berg (übrigens eines der schönsten Violinkonzerte)
Der Bezug auf die Grundtonart d-moll bleibt ebenso unmissverständlich präsent wie in anderen Werken der nachromantischen Stilistik - Sibelius erweitert den Tonalitätsbegriff nicht radikaler, als wir es von anderen skandinavischen Komponisten wie Edvard Grieg kennen. Der intensive Eindruck des Berg'schen Violinkonzerts beruht sicherlich auch auf der Einstreuung von assoziativen Elementen, die an tonale Bindungen geknüpft sind. Das gilt für die in Terzverkettung angelegte Reihenstruktur unter Berücksichtigung der leeren Saiten des Soloinstruments ebenso wie für den verfremdeten Kärntener Ländler und den zitierten Bach-Choral ("Es ist genug" aus der Kantate "O Ewigkeit, du Donnerwort" BWV 60), die auch in dissonanzgeprägtem Licht einprägsam daherkommen. Übrigens zitiert Bernd Alois Zimmermann diesen Choral am Ende seiner "Ekklesiastischen Aktion". Nicht nur bei Berg ("Dem Andenken eines Engels") ging ein Menschenleben zu Ende: Fünf Tage nach Abschluss der kompositorischen Arbeit an dieser Partitur nahm sich der schwer depressive Bernd Alois Zimmermann das Leben. Nun bin ich vom eigentlichen Thema sehr weit abgekommen - aber gerade so überaus eindrückliche Momente wie die in die eigene Musiksprache kongenial eingebetteten Fremdzitate erleichtern den Zugang zum Violinkonzert von Alban Berg, während die meist durchgängig scharf dissonante und spröde anmutende Klangsprache in den nun wirklich atonalen Violinkonzerten von Schönberg, Krenek oder Kurt Weill (völlig abseits von "Dreigroschenoper" & Co.) auf solche Assoziationsmomente verzichtet - ein Aspekt, der der wirkungsvolleren Verbreitung der genannten Werke sicherlich auch im Wege stand. Und wenn ich schon den Namen des Kölner Komponisten ("Die Soldaten") und Hochschullehrers B.A. Zimmermann erwähnt habe: Sowohl sein 1950 entstandenes Violinkonzert als auch das Alterswerk "Mignon" (2000) von Giselher Klebe sucht man in der Wikipedia-Liste wieder einmal vergebens...!
 
Nenne mir bitte einen weiteren Künstler in Deutschland, Europa oder weltweit, der als Solist in der Lage ist, ein Violinkonzert und ein Klavierkonzert öffentlich aufzuführen - und das noch in einem Konzert.
In einer Qualität internationaler Klasse auf beiden Instrumenten Solokonzerte mit Höchstschwierigkeitsgrad zu bewältigen - diese Koryphäen wird man selbst bei einer Suche weltweit extrem selten antreffen. Prof. Julia Fischer muss man wohl vorrangig als Geigerin mit gleichzeitigen ausgezeichneten pianistischen Fertigkeiten bezeichnen - beispielsweise in der Lage, bei einem Meisterkurs die Kreutzer-Sonate zu unterrichten, dabei einfach am Flügel Platz zu nehmen und den schweren Klavierpart selbst auszuführen; ein Glücksfall für alle! Einschränkend ist natürlich festzustellen, dass das Grieg-Konzert unter den spätromantischen Klavierkonzerten als noch recht gut zugänglich hinsichtlich der spieltechnischen Anforderungen im Solopart gilt. Wer mit diesem Konzert gut zurecht kommt, muss noch lange nicht die wirklich schwierigen Kadenzabschnitte im dritten Rachmaninow-Konzert mal eben so aus dem Ärmel schütteln können.

Aus meinen Lebensjahren in Süddeutschland ist mir in Erinnerung geblieben, dass Anne-Sophie Mutter fast ebenso früh mit dem Klavier- wie mit dem Geigenspiel begonnen hat und auch an den Tasten äußerst versiert ist. Was Doppelfunktionen für Geiger betrifft, gibt es auch ein renommiertes Beispiel auf der Musiktheaterbühne: Franz Lehár hat seine Operette "Paganini" mit einigen Geigensoli ausgestattet, was ja nicht ganz verwunderlich sein dürfte. Von den meisten Lehár-Operetten hatte ich Arrangements für verschiedene Salonorchesterbesetzungen zu schreiben - irgendwann begegneten mir dann Tenorsolisten für die Titelrolle, die gleichzeitig ausgebildete Violinisten waren. Diese nahmen in Personalunion dann Instrument und Bogen in die Hand und spielten gleich dann noch das Violinsolo auf der Bühne. In anderen Inszenierungen ist es üblich, wahlweise den Konzertmeister im Orchestergraben spielen zu lassen und auf der Bühne eine Playback-Einlage zu geben oder aber den Konzertmeister auf die Bühne kommen zu lassen und ihn als Teil der Inszenierung zu präsentieren.

Solche Doppelbegabungen können manchmal unangenehme Folgen haben: Ein namhafter Solofagottist und Hochschulprofessor hat zugleich ein abgeschlossenes Kapellmeister- und Klavierstudium vorzuweisen und ist auch pianistisch sehr versiert. Nun steht ein Übungsabend seiner Solistenklasse an und ein unzureichend vorbereiteter Nachwuchsdirigent erledigt seine Begleiteraufgaben mehr schlecht als recht. Irgendwann erhebt sich der Professor zwischen zwei Sätzen von seinem Stuhl im Publikum, geht auf den Pianisten zu und signalisiert ihm, doch bitte seinen Platz am Instrument freizugeben. Daraufhin übernimmt der Leiter der Klasse eigenhändig den Klavierpart, was für den eigentlichen Begleiter natürlich schon eine peinliche Erfahrung ist. Allerdings hatte der seine gelbe Karte (der Herr Pianist bitte ein paar falsche Töne weniger) schon bei vorausgegangenen Proben gezeigt bekommen - wer dann auch im angezählten Stadium immer noch den Job nicht wirklich ernst nimmt, sieht irgendwann folgerichtig die rote Karte...
 
und eine sehr lisztige Komposition für Klavier und Orchester hat er auch geschrieben, 1894
...herausgekommen im Premierenjahr der Burleske von Richard Strauss und "Il guado" ("Die Furt") betitelt:
Franz Lehar - Il Guado - Symphonic Poem for Piano and Orchestra .wmv - YouTube
ist zum Hören da und
klassik.com : Aktuelle CD-Besprechung, DVD-Kritik, CD-Besprechungen, DVD-Kritiken
zur musikkritischen Würdigung.

LG von Rheinkultur
(P.S.: Von Eduard Künneke gibt es nicht nur den "Vetter aus Dingsda", sondern ebenfalls ein Klavierkonzert...!)
 
Auch wenn sich das Thema komplett von Sibelius weg entwickelt hat würde mich im Zusammenhang mit Klavierkonzerten die Meinung der in diesem Forum vertretenen Fachleute bzgl. des Concerto for myself von Friedrich Gulda (einer meiner Lieblingspianisten) interessieren.So sehr ich ihn schätze (auch als Komponist anderer Werke für Soloklavier) habe ich wie bei seinem Cellokonzert da so ein zwiespältiges Gefühl.
 

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