Interessanter Artikel über Klang und weiteres

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27. Juli 2007
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http://www3.sympatico.ca/norma.barr/library/piano/index.html
(englisch)

Nach einem Bericht über eine physikalische Untersuchung der möglichkeiten, den Klavierklang durch die Anschlagsweise zu beeinflussen (mit dem Resultat, daß es nicht möglich sei) folgen einige Überlegungen, warum dieser Test nicht korrekt ist und auch Erklärungen, warum der Klang eben doch zu beeinflussen ist.

Dieser Artikel beschäftigt sich auch mit dem Thema, in Bezug auf die Interpretation von Debussy:

http://homepage.mac.com/stevepur/music/debussy_piano/dumesnil/dumesnil.html
 
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Danke für den Link. Werde den Text demnächst mal mit Wörterbuch studieren. Auf Deutsch kann ich folgende Empfehlung beitragen (habe ich woanders schon einmal gepostet):

Wolfgang Wagenhäuser; Michael Reuter:
Spielen wie Horowitz?
Edition Omega, Trossingen, 8/1997
(mit Beispiel-CD)​

Beschrieben wird, wie Klangfarbenunterschiede bei gleicher Lautstärke möglich sind, das alles mit vielen Notenbeispielen, Fotos und Frequenzanalysen.
 
Im Kapitel "Tone" http://www3.sympatico.ca/norma.barr/library/piano/tone_piano_playing.html schreibt der Autor:
"'...that tone cannot be changed.' The perpetuation of this belief..."
Er hätte genauso gut schreiben können:
"'...that tone can be changed.' The perpetuation of this belief..."

Es scheint eine Glaubensfrage zu sein. Auch weitaus bessere Pianisten, als ich es bin, neigen zu dem Glauben, daß der Klang nicht unabhängig von der Lautstärke beeinflußbar ist, und das Gegenteil ist in keinem reproduzierbarem Experiment unter kontrollierten Bedingungen bewiesen. Auch dieser Autor ringt nur nach Erklärungen, bleibt den Beweis schuldig und versucht lediglich, seinen Glauben zu plausibilisieren.

Wagenhäuser/Reuter habe ich bisher nicht gelesen, das werde ich demnächst nachholen. Vielleicht können die mich ja überzeugen.

Ich denke allerdings, mit welcher Vorstellung man das Spiel gestaltet, ist gar nicht so wichtig, wenn es nur eine Vorstellung ist, die zum Ziel führt. Und wenn der eine daran glaubt, er habe Kontrolle über die Klangfarbe eines Einzeltons unabhängig von der Lautstärke, und der andere daran glaubt, er könne nur mit Hilfe von Dynamik den Klang gestalten, dann macht es ja nichts, wenn einer von beiden das Falsche glaubt, aber beide das Richtige spielen.
 
Wie ich auch schonmal an andrerer Stelle geschrieben habe, ist es eigentlich völlig egal, ob sich der Klang unabhängig von der Lautstärke beeinflussen läßt. Abhängig von der Lautstärke läßt er sich auf jeden Fall beeinflussen, und in Kombination mit rechtem Pedal, linkem Pedal, Agogik, melodischer und akkordischer Feindynamik und Tondauer erst recht.

Warum werden also um diese eher theoretische Frage nach der Möglichkeit (bzw.Unmöglichkeit) der Klangbeeinflussung von Einzeltönen solche Glaubenskriege ausgefochten?
 
Der Artikel ist eigentlich überhaupt nicht kriegerisch. Er wirft lediglich Fragen auf. Es handelt sich anscheinend um eine Glaubensfrage, weil keinerlei nachvollziehbaren Untersuchungen angestellt worden sind, was ich schade finde. Heute untersucht man doch sogar, wie lange es dauert, bis man unter der Dusche naß wird, warum nicht mal etwas, was einen Glaubenskrieg beenden könnte??? (Die TV-Serie "Myth or Fact" zähle ich nicht zu den wissenschaftlichen Untersuchungen)
 
Warum werden also um diese eher theoretische Frage nach der Möglichkeit (bzw.Unmöglichkeit) der Klangbeeinflussung von Einzeltönen solche Glaubenskriege ausgefochten?

Wahrscheinlich weil es große Konsequenzen nach sich zieht, wenn man die Möglichkeit der Klangbeeinflussung bejaht. Oder welche Gründe kannst du dir vorstellen? Dass die Leute, die diese Möglichkeit in Betracht ziehen, alle doof sind?

Wenn man der Meinung ist, dass Töne runder klingen, wenn man mit den Fingern an den Tasten kleben bleibt (und mit großem Druck die Tasten "massiert"), und statt dessen schärfer (bei gleicher Lautstärke), wenn man die Finger auf die Taste fallen lässt, wird man diese Art der Klangbeeinflussung beim Spielen einbringen.

Es macht ja Arbeit, die Tasten unter großem Druck zu massieren, um Volumen herauszuholen - bequemer wäre es, die Finger locker fallen zu lassen (jedes Baby kann sehr laut spielen - braucht nur die Hand fallen zu lassen auf die Tasten). Warum machen sich wohl viele Pianisten trotzdem diese Mühe der Tastenmassage?
 
Wahrscheinlich weil es große Konsequenzen nach sich zieht, wenn man die Möglichkeit der Klangbeeinflussung bejaht. Oder welche Gründe kannst du dir vorstellen? Dass die Leute, die diese Möglichkeit in Betracht ziehen, alle doof sind?

Wie ich bereits geschrieben habe, es gibt die Möglichkeit zur Klangbeeinflussung in jedem Fall, der einzige, winzige Streitpunkt ist der, ob die Klangbeeinflussung auch ohne Änderung der Lautstärke (und ohne agogische Mittel) funktioniert.

Nun gibt ja diese Bösendorfer und Yamaha-Flügel, die das Spiel digital aufzeichnen und dann wieder abspielen können. Soweit ich weiß, wird da ausschließlich die Geschwindigkeit des Hammers aufgezeichnet (+ das Pedal natürlich). Der Druck, den Pianist auf die Taste ausübt wird nicht gemessen / aufgezeichnet. Ist das nicht der Beweis, daß es auf den Druck nicht ankommt?
 
@ Haydnspaß: natürlich meinte ich die Frage der Klangbeeinflussung bei gleicher Lautstärke, durch unterschiedlichen Anschlag. Das habe ich in meinem Statement ein paar Sätze darunter auch so geschrieben.

Leider hast du einen Satz aus meinem Statement rausgenommen, wo ich nicht explizit geschrieben habe, dass ich gleiche Lautstärke meine. Dies stand im nächsten Satz.

Man kann sich schon ziemlich missverstehen, wenn man das will...

Nun gibt ja diese Bösendorfer und Yamaha-Flügel, die das Spiel digital aufzeichnen und dann wieder abspielen können. Soweit ich weiß, wird da ausschließlich die Geschwindigkeit des Hammers aufgezeichnet (+ das Pedal natürlich). Der Druck, den Pianist auf die Taste ausübt wird nicht gemessen / aufgezeichnet. Ist das nicht der Beweis, daß es auf den Druck nicht ankommt?

In dem Artikel stand doch, dass es nicht nur auf die Geschwindigkeit des Hammers ankommt, sondern mlgw. auch auf die unterschiedliche Vibrationen des Hammers bei unterschiedlichem Druck, oder die unterschiedliche Hammerschaftdurchbiegung und so weiter und so fort.
Wenn man nur den einen Parameter nimmt, dann ist eben das Messergebnis auch nicht besonders tiefgründig. Da könnte ich ja gleich mein Digitalpiano nehmen, und aus dem identischen Ergebnis des Klanges (Höhe statt Druck, weil nämlich auch nur die Geschwindigkeit zur Erzeugung der Dynamik genommen wird beim Digitalpiano!) daraus schlussfolgern, dass es beim akustischen Flügel genauso wäre. Bisschen einfach, findest du nicht auch ...
 
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Man kann sich schon ziemlich missverstehen, wenn man das will...

Den Eindruck hab ich auch :rolleyes:

In dem Artikel stand doch, dass es nicht nur auf die Geschwindigkeit des Hammers ankommt,

Und warum sollte ich dem Artikel, geschrieben von einem Mathematiker und Hobbypianisten, Glauben schenken? Er behauptet einfach ein paar Sachen, hat aber offensichtlich selber gar keine wissenschaftlichen Versuche gemacht.

sondern mlgw. auch auf die unterschiedliche Vibrationen des Hammers bei

mlgw. bedeutet möglicherweise?

Wenn man nur den einen Parameter nimmt, dann ist eben das Messergebnis auch nicht besonders tiefgründig. Da könnte ich ja gleich mein Digitalpiano nehmen, und aus dem identischen Ergebnis des Klanges (Höhe statt Druck, weil nämlich auch nur die Geschwindigkeit zur Erzeugung der Dynamik genommen wird beim Digitalpiano!) daraus schlussfolgern, dass es beim akustischen Flügel genauso wäre. Bisschen einfach, findest du nicht auch ...

Nun, es wurde mit dieser digitalen Aufzeichnung der Hammerbewegung eines Bösendorfers das Spiel großer Pianisten aufgezeichnet, u.a. Pollini.

ups - da hab ich wohl etwas falsch verstanden damals bei dem Fernsehbericht.

Hab jetzt zwei Artikel gefunden, in denen diese Untersuchungen dokumentiert sind, und soviel kann man schon sagen: Pollini hat wohl nicht direkt die digitale Aufzeichnung eingespielt ;)

http://www.ofai.at/~werner.goebl/lehre.html

http://www.ofai.at/~werner.goebl/papers/langner_goebl_liege2002_proceedings.pdf

http://www.cp.jku.at/people/widmer/papers/AIMag24-03-010.pdf
 
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Kein Beweis

Wie ich bereits geschrieben habe, es gibt die Möglichkeit zur Klangbeeinflussung in jedem Fall, der einzige, winzige Streitpunkt ist der, ob die Klangbeeinflussung auch ohne Änderung der Lautstärke (und ohne agogische Mittel) funktioniert.

Nun gibt ja diese Bösendorfer und Yamaha-Flügel, die das Spiel digital aufzeichnen und dann wieder abspielen können. Soweit ich weiß, wird da ausschließlich die Geschwindigkeit des Hammers aufgezeichnet (+ das Pedal natürlich). Der Druck, den Pianist auf die Taste ausübt wird nicht gemessen / aufgezeichnet. Ist das nicht der Beweis, daß es auf den Druck nicht ankommt?

Ich denke, von Beweis könnte erst dann gesprochen werden, wenn klar ausgemessen ist, ob beide Klangresultate identisch sind. Hörenderweise kann man das nicht genau genug feststellen, da müsste schon eine exacte Frequenzanalyse her - aber vielleicht wurde das schon mal gemacht - ich weiss es nicht.
 
Ich denke, von Beweis könnte erst dann gesprochen werden, wenn klar ausgemessen ist, ob beide Klangresultate identisch sind.

Ich habe meinen Beitrag in der Zwischenzeit noch modifiziert, es war wohl so, daß die Daten von der Pollini Chopin Etüden-Platte von den Leuten mit Computerhilfe erstellt wurden. Pollini hat also nicht direkt auf dem Computerflügel gespielt.
 
Hab jetzt zwei Artikel gefunden, in denen diese Untersuchungen dokumentiert sind...

Was ich besonders interessant finde ist die Tatsache, daß hier mit hohem mathematischen Aufwand Unterschiede von Interpretationen ermittelt werden, die man zwar als Mensch nicht so empirisch beschreiben aber trotzdem empfinden kann. Und auf diese Weise entstehen wohl auch die Interpretationen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Pianist sich bewußt für die Länge, Lautstärke oder den genauen Anschlagzeitpunkt jeder einzelnen Note entscheidet oder überhaupt groß über minutiöse Regeln nachdenkt. Das passiert eher aus dem Gefühl heraus, gepaart mit der Erfahrung.

Die "großen" Pianisten wie Horiwitz, Pires und Gould sind nach CD-Aufnahmen berechnet worden, grundlegende Studien wurden mit dem speziellen Bösendorfer Flügel aufgenommen, das jeden einzelnen Anschlag mißt.

Das beste Beispiel für die Überlegenheit des Menschlichen Gefühls über die mathematische Analyse des Computers ist wohl die "Beat-Erkennung", das funktionierte im Computer nur mit menschlicher Hilfe.

Noch interessanter ist aber die Tatsache, daß Klangveränderungen in dieser Untersuchung (der erste Link) nicht berücksichtigt werden (vielleicht doch auf den letzten Seiten). Mal abgesehen von vielleicht möglicher Klangbeeinflussung durch unterschiedliches Anschlagen gibt es ja Pedale und die eine oder andere Dynmikänderung kann ja auch aufgrund des veränderten Klanges statt wegen der Lautstärke gewollt sein.
 
Nun gibt ja diese Bösendorfer und Yamaha-Flügel, die das Spiel digital aufzeichnen und dann wieder abspielen können. Soweit ich weiß, wird da ausschließlich die Geschwindigkeit des Hammers aufgezeichnet (+ das Pedal natürlich). Der Druck, den Pianist auf die Taste ausübt wird nicht gemessen / aufgezeichnet. Ist das nicht der Beweis, daß es auf den Druck nicht ankommt?
Warum haben dann beide Systeme optische Sensoren unter den Tasten?

Yamaha schreibt dazu u.a: "Mit dem Greyscale-Tastensensor überwacht das Disklavier Mark IV jede Bewegung der Taste und des Hammers — selbst wiederholte Noten — mit sorgfältiger Präzision und der sanftesten Berührung."

Bösendorfer: "Miniaturisierte optische Abstandsmessungen bei jeder Taste."
 
Warum haben dann beide Systeme optische Sensoren unter den Tasten?

Yamaha schreibt dazu u.a: "Mit dem Greyscale-Tastensensor überwacht das Disklavier Mark IV jede Bewegung der Taste und des Hammers — selbst wiederholte Noten — mit sorgfältiger Präzision und der sanftesten Berührung."

Bösendorfer: "Miniaturisierte optische Abstandsmessungen bei jeder Taste."

Ich wüßte jetzt nicht, wie ein optischer (!) Sensor den Druck, der auf die Taste ausgeübt wird, erkennen könnte. Mit dem optischen Sensor wird die exakte Position und Geschwindigkeit der Taste (oder vielleicht doch des Hammers? - okay, wenn man langsames oder nur teilweises Loslassen der Taste erfassen will, muß es wohl die Position der Taste sein) ermittelt.
 
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objektiver Versuchsaufbau?

Folgenden Versuchsaufbau fände ich optimal, aber vielleicht wurde er ja auch schon mal so durchgeführt (keine Ahnung):

1. Gemessen wird nicht mit Sensoren, weil Sensoren nur einen Teil erfassen. Stattdessen wird ein ganz normaler akustischer Konzertflügel als Testobjekt genommen, mit ganz normaler Mikrofonabnahme wie bei einer CD-Aufnahme.

2. Statt Finger ist ein Apparat da, der die Tasten reproduzierbar und definiert drücken kann, mit unterschiedlichen Anschlagsstärken und aus verschiedenen Höhen bis runter zur Höhe Null (d.h. "Finger" des Apparates auf der Taste), und stattdessem großer Druck.

3. Dann wird ausgewertet, wie sich das Spektrum des Klanges des einzelnen Tons verhält, bei gleich großer Amplitude der Signalform (sprich, der Lautstärke), bei verschiedenen Anschlagsarten aus großer Höhe oder Höhe Null.

Damit sollte objektiv gemessen werden können, ob sich der Klang unterscheidet bei gleicher Lautstärke, aber unterschiedlicher Anschlagsart, oder ob er sich nicht unterscheidet. Alles andere, Messverfahren mit Sensoren usw. haben die Gefahr, Parameter zu unterdrücken, die mglw. entscheidend sind.
 
Was mich an diesem ganzen Thema stört ist die Tatsache, daß wir noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen dazu gefunden haben. Der Streit ist anscheinend so alt wie das Klavier aber aus irgendwelchen Gründen gehen die Wissenschaftler immer voreingenommen daran - also Nachweis, daß kein Unterschied im Klang bestehen kann, weil der Hammer unabhängig von der Anschlagsweise eine definierte Geschwindigkeit hat, wenn er auf die Saiten trifft. Der Artikel, den ich verlinkt hatte, macht sich darüber zu recht Gedanken, finde ich. Denn die Vorstellung, daß - abhängig von der Anschlagsweise - unterschiedliche Spannungen in der Mechanik herrschen, wenn der Hammer auftrifft, ist ja nicht abwegig. Was mit solchen theoretischen Überlegungen natürlich nicht geklärt werden kann, ist die Frage, ob man die Auswirkungen tatsächlich hört. Ebenfalls nicht geklärt ist die Frage, ob die Anschlaggeräusche (Finger, Mechanik) für das Musikerlebnis von belang sind.
 
Ebenfalls nicht geklärt ist die Frage, ob die Anschlaggeräusche (Finger, Mechanik) für das Musikerlebnis von belang sind.
Ich denke, damit beschreibst einen wichtigen Teil des Problems. Ob ich mit der fleischigen Fingerkuppe die Taste anschlage oder mit der knöchernen vorderen Spitze, ob überhaupt ein Aufsetzgeräusch des Fingers auf die Taste zu hören ist, wie ich den Auftrieb der Taste kontrolliere (auch hier gibt es starke Geräuschkomponenten, die sich auch auf den neu angeschlagenen Klang auswirken) - all diese Parameter müßte man berücksichtigen.

Ob derartiges meßbar ist, hängt von der Sensibilität der Meßinstrumente ab. Hier gilt die alte Weisheit der Naturwissenschaftler (die leider allzu oft in Vergessenheit gerät): Wenn ich nichts messe, ist dies noch lange kein Beweis dafür, daß nichts vorhanden ist.

Daß ich das Obertonspektrum des Klavierklanges auch nach dem Anschlag durch Treten oder Loslassen des Pedals verändern kann, braucht ja nicht extra erwähnt zu werden.

Was das "Kneten" und "Massieren" der niedergedrückten Taste anbelangt, glaube ich, daß es sich ausschließlich um ein psychologisches Phänomen handelt. Wenn diese körperlichen Aktiones der inneren Empfindung behilflich sind und der mentalen Vorbereitung des nächsten Klanges dienen, ist nichts dagegen einzuwenden.
 

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