Igor Levit im Kreuzfeuer zwischen BILD und ... tja, irgendwie auch BILD

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23. Okt. 2019
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Man kann Igor Levit durchaus vorwerfen, medienaffin zu sein. Aber den folgenden Text hat er meiner Meinung nach nicht verdient.

Igor Levit ist jemand, der klassische Musik in die Breite der Gesellschaft trägt, der sich gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus einsetzt, und der trotz Morddrohungen von rechts aufrecht steht.

Vor allem den folgenden Abschnitt werte ich als Angriff gegen das kulturelle Leben im Ganzen:

Zitat von Süddeutsche Zeitung:
Neulich gab es noch das Bundesverdienstkreuz des um schmucke Künstlerkontakte stets bemühten Bundespräsidenten.

Doch könnte gerade letztere Auszeichnung aus den Händen Frank-Walter Steinmeiers selbst Levit-Fans stutzig machen. Denn das Kreuz wird qua Definition für "hervorragende Leistungen für das Gemeinwesen" vergeben. Bei Katastrophenhelfern ist die Sache klar, auch Sportler werden regelmäßig geehrt. Wie steht es mit Musikern? Genuin dient deren Leistung offenbar nicht dem Gemeinwohl, so sehr sie auch berühren und das Leben bereichern mag. Das ist gut so, denn sonst müsste man ja feststellen, dass das Klavierspiel Igor Levits nicht hinreicht - selbst die aktuelle Einspielung der Beethoven-Sonaten ist eher unerheblich -, um so eine Auszeichnung zu rechtfertigen.

Mich würde interessieren, was ihr über den verlinkten Text in der BILD, äh, sorry, der SZ denkt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Chefredaktion der Süddeutschen hat sich nach vielen empörten Stellungnahmen mittlerweile für den Text entschuldigt. Mich persönlich hat die Entschuldigung nicht wirklich überzeugt. In einer ersten Reaktion hatte sich die Chefredaktion auch hinter den Text gestellt.


So unterirdisch kann Musikkritik sein. Diesen Kommentar von Bernhard Neuhoff fand ich inhaltlich sehr überzeugend:
"Bei diesem Glanzstück der Gegenwartsanalyse, dessen Absurdität stark in Richtung Eigensatire tendiert, belässt es Mauró nicht. Seine Aggressionen sitzen tiefer. Ihn stört es, dass sich Levit ständig gegen Rechtsradikale und Antisemitismus wendet. Levit vertrete eine "Opferanspruchsideologie". Er und seine Freunde nähmen – dieses Zitat muss man zweimal lesen – "ein opfermoralisch begründbares Recht auf Hass und Verleumdung" in Anspruch. So ist das also: Ein Künstler, der von Rechtsextremisten und Antisemiten mit dem Tod bedroht wird, und zwar so ernsthaft, dass die Polizei Konzerte von ihm schützen musste (was Mauró natürlich nicht erwähnt), der stellt "Ansprüche". Schlimmer: Er verbreitet "Hass", wenn er sich wehrt. Levit sei schlicht undankbar gegenüber Deutschland, findet Mauró. Offenbar soll er schweigen und endlich Legato üben."
.
 
Mich hat es nachdenklich gemacht, dass es ja fast so dargestellt wurde, als hätte Levit nur wegen Twitter Karriere gemacht (die Beethoven-Sonaten spielt er ja unerheblich). Das mag ja bei Paris Hilton so funktionieren, bei Pianisten ist das dann wohl doch nicht so einfach.

Zu dem Artikel in der SZ gab es dann auf BR Klassik einen Kommentar:

 
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Mich freut, dass es da bereits Medienresonanz gab, danke euch fürs Verlinken. Vielleicht hat die Attacke von Mauró ja auch etwas Gutes, nämlich den Anstoß einer Debatte, die herausstellt, dass Wehrhaftigkeit bzw. Widerstand kein Hass ist und dass Sport und Musik nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen.

Immerhin - eins hat dieser Mauró im Hinblick auf seine (von mir vermutete) Eitelkeit erreicht: Er ist jetzt bekannter als zuvor. Allerdings bei weitem nicht so erfolgreich oder gar kulturell wertvoll wie Levit.
 
Möglicherweise bin ich etwas voreingenommen, da ich Igor 2006 auf einem zweiwöchigen Meisterkurs kennenlernen durfte. Damals als 19-jähriger war er natürlich noch nicht so bekannt wie heute; es war aber schon damals klar, dass eine große Karriere nicht wirklich überraschend wäre - und zwar nicht in der Form einer Paris Hilton, sondern als ernsten und überaus hart arbeitenden Musiker.
Seitdem habe ich seine Entwicklung mit großem Interesse verfolgt und mich darüber gefreut, dass es mit der Karriere geklappt hat.

Ich hatte den Artikel am Tag der Veröffentlichung gelesen, war zunächst entsetzt, habe mich dann aber gefragt
- Was hat der Autor geraucht?
- Hat die SZ kein Qualitätsmanagement, die bei solchen Artikeln, die verleumderisch und dazu handwerklich noch schlecht geschrieben sind, dorthin befördern, wo sie hin gehören? (Und zwar nicht veröffentlicht sondern dorthin, wo Reger eine Kritik über sich befördert haben soll)
- Letztendlich sagt die Kritik mehr über den Kritiker als über Igor aus. Neid muss man sich erarbeiten, Mitleid bekommt man geschenkt.
 
Letztendlich sagt die Kritik mehr über den Kritiker als über Igor aus.

Das ist richtig. Als eigentlichen Skandal empfinde ich, dass die Chefredaktion sich anfangs hinter den Artikel stellte. Igor Levit auf Twitter: "Der Artikel in der SZ hat mich getroffen. Die Stellungnahme hat mich noch mehr getroffen. Am meisten hat mich die Mail des Chefredakteurs getroffen, der betont, hinter diesem Artikel zu stehen".

Letztendlich hat sich die Chefredaktion auch nicht für den Text entschuldigt, sondern dafür, dass er von anderen als antisemitisch und als menschliche Herabwürdigung empfunden wird. Unmöglich, jetzt sind die Leser*innen schuld?. SZ, Quo vadis?
 
Ich stimme dem Autor des Artikels im Großen und Ganzen zu. Levit ist ein Schwätzer. Jemand, der es versteht, seine Klappe weit aufzureißen. Was heutzutage leider sehr gut ankommt.
 

Ich finde, einen Verriss muss ein Künstler auch mal aushalten. Die Frage, ob der gerechtfertigt ist, lässt sich eh nicht objektiv entscheiden.

Aber Levits "Wokeness", seine Angewohnheit, das Publikum zu belehren, teilweise in seinen Konzerten, ist anmaßend. Aber sie verschafft ihm genau die politischen Freunde, die ihn jetzt für unangreifbar halten und die große Empörung orchestrieren. Das große Mimimi. Und die SZ knickt vor dem Shitstorm ein und fällt ihrem Autor in den Rücken. Was bewirkt das wohl in Bezug auf künftige Artikel? Wer in der Süddeutschen wird sich noch trauen, irgendwas Kontroverses zu schreiben?

Die einzige Genugtuung bei der Sache ist, dass es ausgerechnet die Süddeutsche trifft. Normalerweise sind die auf der anderen Seite der Empörung. Die Revolution frisst ihre Kinder.
 
ob in der Vergangenheit das Verdienstkreuz an Künstler vergeben wurde. Ich weiß es nicht, aber das wäre ein Indiz, ob der Künstler oder der Anti-AfD-Twitterer geehrt wurde. Damit sollte man vielleicht den Artikel bewerten.
Hier steht es (Quelle: NDR):
„Igor Levit engagiere sich gegen Antisemitismus, die Ausgrenzung von Minderheiten und für die Demokratie, hob das Bundespräsidialamt hervor. Dabei lasse er sich weder durch Morddrohungen einschüchtern noch durch Hetze gegen ihn im Netz abbringen.“

Von der AfD steht da nichts.
 
Es geht nicht um links oder rechts, sondern um Menschenwürde, das Recht auf ein freies, unbeschwertes Leben und die Frage, ob kulturelles Leben nur geduldet wird (im Gegensatz zum viel wertvolleren Sport, wie es der Ausgangstext suggeriert), oder ob es einen Eigenwert hat. Mauro drückt sich da nicht ganz klar aus: Stört ihn das Bundesverdienstkreuz für Musiker generell, oder stört er sich an der Person Igor Levit? Oder beides?

Im übrigen: Fleischhauer verteidigt die kulturelle Errungenschaft der Polemik. Nun gut. Dann sollte eine Polemik in einem Informationsmedium aber auch als solche gekennzeichnet werden. Etwas, das ich z.B. auch an der taz kritisiere: Hier fehlt mir auch oft die Kennzeichnung und Abgrenzung der Textsorten, z.B. fließen dort in Berichte oft Meinungen ein, die eigentlich in einen Kommentar gehören.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Thema hier hat sich genau so entwickelt, wie es abzusehen war. Es gibt doch seit Tagen im Feuilleton der großen Zeitungen und anderer Medien 2 Themen: Den Artikel in der SZ über Igor Levit und das unterschiedliche Echo darauf, sowie die Trennung des S. Fischer Verlages von Monika Maron.

Ich beteilige mich hier ausnahmsweise mal nicht an der Diskussion:-).
 
Ich beteilige mich hier ausnahmsweise mal nicht an der Diskussion:-).

Schlammschlacht vermeiden. Gute Idee! Der Artikel hat ja auch fast nichts mit Musik zu tun.

Eins allerdings ist mir aufgefallen: die Behauptung, Levit könne nicht Legato. Ich meine, jeder vernünftige Mensch hat da doch mit dem Lesen aufgehört? So einen Unsinn kann ich mir nur damit erklären, dass der SZ-Schreiber bestimmte Ansichten hat, wie klassische Werke zu spielen sind, und Levit möglicherweise anderer Meinung ist.

Der Rest ist Polemik ja, aber so schlimm durchsetzt mit antisemitsichen Stereotypen, dass ich es als Schmähung gelesen habe. Und dass die SZ jetzt auch so ein Blatt ist, wo Rechte Männchen machen dürfen.
 

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