Hören lernen, Klangvorstellung entwickeln

Clavica

Clavica

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5. Jan. 2016
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Sali zusammen

In verschiedenen Fäden habe ich schon die Aufforderung sich zuzuhören und so besser zu werden gelesen. Das tönt sehr logisch, vernünftig und ziemlich essenziell an. Nirgendwo habe ich aber einen Hinweis gefunden, wie ich das konkret mache, das Mirzuhören bzw. das Hören so ganz allgemein.

Als nur bedingt musikalischer Kopfmensch ist für mich das Hören nämlich nichts was ich einfach so kann, sondern etwas was ich erst verstehen und lernen muss. Da ich mit diesem Handicap vielleicht nicht alleine bin, wolle ich einen Faden starten, in dem Ideen, Tips und Übungen geteilt werden können durch die das Hören oder auch die Klangvorstellung und das Verständnis verbessert werden können.

Ich fange mal damit an meine besten "Tips" zu teilen. Da ich in Bezug aufs Hören aber wahrscheinlich ein Blinder unter Sehenden bin, freue ich mich über jegliche Kommentare und Ergänzungen.

Als Vorbereitung für ein neues Stück suche ich mir auf youtube zwei oder drei Aufnahmen bekannter Pianisten. Diese höre ich mir kurz oberflächlich* an und entscheide dann, welche mir am besten gefällt. Diese Aufnahme ist dann mein Referenzstandard, an dem ich mich bei Spielen orientiere.
Wenn ich den Notentext hinreichend kenne und die gehörte Musik den Noten zuordnen kann, beginne ich damit, die zu Beginn ausgesuchten Aufnahmen in Bezug auf Betonungen, Dynamik etc. zu vergleichen. Wenn Unterschiede ausmachen kann, versuche ich diese erst zu analysieren (was genau ist anders?) und dann (gedanklich) die erzeugten unterschiedlichen Eindrücke in Worte zu fassen (für mich ganz wesentlich, da ich mir erst Dinge, die ich in Worte gefasst habe, gut merken kann).
Ziel ist dabei sowohl die unterschiedlichen Mittel wahrzunehmen (z. B. crescendo) als auch zu verstehen, wie durch sie andere Klangeindrücke erreicht werden können. Ausserdem hoffe ich, besser in der Wahrnehmung zu werden. Beim Spiel versuche ich dann diese Klangeindrücke mit den gehörten Mitteln zu erreichen.

Nachdem ich mich eine gewisse Zeit mit dem Stück beschäftigt habe und durch das häufige Hören eine Klangvorstellung entwickelt habe, kommt der brutalste aller Tests. Ich nehme mich selbst auf und lausche der Aufnahme. Zuerst oberflächlich (meist reicht das schon um festzustellen, dass es nicht gut ist) und dann sehr detailliert, um herauszuhören warum es nicht gut ist.

Ziel ist natürlich aus der Musik heraus zu verstehen wie ich sie spielen muss und mich irgendwann während des Spiels selbst zu hören und korrekt wahrnehmen zu können. Aber das braucht wohl noch ein oder zwei Leben:)

Andere Ideen? Oder wie kann man noch Hören lernen?

Freue mich über Antworten!

PS Entschuldigt bitte, wenn mir die korrekten Worte fehlen. Ich arbeite daran.
 
Ich gehe davon aus, dass du beim spielen falsche Töne sofort hörst - das ist schon mal ein ebenso guter wie leidvoller Ansatz (wer keine falschen Töne hört, ist glücklich, weil er alles richtig macht - einzig die Umwelt kann darunter leiden...)

Wie ist es während des Spielens mit weiteren Wahrnehmungen? Bemerkst du während des Spielens jede winzige Unklarheit beim Pedalgebrauch, jede kleine Unebenheit in der Melodiegestaltung? Bemerkst du währenddessen ob evtl. eine Begleitung zu aufdringlich wird?

Das wäre ein Anfang, über das sich selber beim spielen zuhören nachzudenken.

Die Klangvorstellung (recte: Klangvorstellungsvermögen, vgl. Marek) findet durchaus auch ohne Aufnahmen, ohne Instrument statt: bis ins letzte Detail innerlich ein Musikstück hören können.

Worum geht es dir: Klangvorstellung oder sich selber beim spielen hören können?
 
Seitdem ich ein Streichinstrument spiele, hat sich mir das Hören in einer ganz neuen Dimension eröffnet, welches ich auch auf dem Klavier versuche zu übertragen, insbesondere folgende Aspekte: Voraushören, was kommt, wo es hingeht, Mithören während ich spiele, wie es klingt, ob ich die Musik erfasst , zum Ausdruck gebracht habe, Anschlag, Pedal... und Nachhören, reflektieren...dann wiederholen oder sich für das nächste Mal merken. Ich übe viel langsamer, mit 100% Aufmerksamkeit , überlasse mich der Führung des Ohres (setzt voraus, sich möglichst schnell von den Noten lösen zu können) ganz bei der Sache sein und es braucht sehr viel Geduld, jedoch lehrt mich mein Cello noch mehr Geduld, dann da habe ich nicht die Gewissheit, dass die Tonhöhe gleich stimmt.Mir macht es großen Spaß das Hören mehr und mehr zu verfeinern, auch im Alltag lauschen üben und vor allem klassische Musik hören.
 
@rolf wie üblich fadengrad auf den Punkt:)
Und wenn Du mich so fragst, der Analytiker in mir zieht natürlich die Möglichkeit zu messen (sich selbst zu hören) dem Wissen (der Klangvorstellung) vor, da er glaubt, mit dem Messen das Wissen erarbeiten zu können.
Aber ich bin grade zu müde zum Denken, deshalb versuche ich es morgen noch mal mit einer hoffentlich wertvolleren Antwort.
@trialogo Vor- und Nachhören, dass tönt interessant. Ich höre nur das Ist, die Details. Dann fehlt der Zusammenhang. Danke für die Idee.
 
Wenn ich ein Stück in und auswendig kann und es in den Fingern habe, stellt sich gelegentlich ein Zustand ein, in dem ich gar nicht merke, dass ich etwas mit den Fingern mache. Ich höre dann nur noch und konzentriere mich kein bisschen auf manuelles Dingsbums. Ich reflektiere beim Spielen, wie ich gespielt habe und überlege, welche Gestaltung anschlussfähig sein könnte. Die Finger führen diese dann automatisch aus. Wenn man mal soweit ist mit einem Stück, hat man 'die Macht' über das Stück erlangt.
 
So, jetzt habe ich geschlafen und mit einem Kafi in einen noch verschlafenen Haus geht alles leichter:)

@rolf Sind Klangvorstellung und sich selbst zu hören denn Gegensätze bzw. Dinge die ich unterscheiden muss? Auf den ersten Blick erscheint mir das eine ohne das andere jeweils nutzlos, denn was bringt es mir, wenn ich mich zwar hören kann, aber nicht weiss, wie es klingen muss bzw. wenn ich weiss wie es klingen soll aber nicht höre, ob ich es auch so spiele?

Bis jetzt dachte ich immer, dass die Klangvorstellung etwas ist, dass ich durch das Hören erwerbe und das meine Klangvorstellung umso gehaltvoller wird, desto mehr ich fähig bin Details akustisch wahrzunehmen und sie in den musikalischen Kontext zu setzen. Deshalb war mein erster (analytischer) Ansatz mein Messgerät zu kalibrieren, sprich sicherzustellen dass ich überhaupt Unterschiede höre und diese richtig benennen kann. So kann ich auch viele der von Dir genannten Dinge (Begleitung hören, Pedal) hören, wenn ich mich darauf konzentriere und ich verschiedene Klangmuster im Kopf habe, mit denen ich es abgleichen kann (i.e weiss wies klingen oder auch nicht klingen soll).

@trialogo
Da kommt dann Dein Hinweis zum Tragen. Solange ich nicht Vor- und Nachhören kann (wie lernt man das? Ist das die Klangvorstellung an der Du das Gehörte als Gesamtes misst?) habe ich keine Chance mich beim Spielen korrekt wahrzunehmen, denn ich werde immer nur das Detail sehen und der musikalische Zusammenhang fehlt. Das Resultat ist dann doch etwas fragwürdig und ich bin überrascht, wie stark man das als Zuhörer wahrnimmt.

@cwtoons
Ja, analytisch fällt mir leichter als musikalisch:/ Damit das Aufnehmen aber funktioniert, muss ich wissen, dass ich auch das Richtige höre. Wenn ich nämlich nur wahrnehme "kein Ton schief" heisst das nur, dass das Klavier nicht wahnsinnig verstimmt ist, aber nichts für die Qualität des Spiels.
"Ignorance is a bliss" (und der geht natürlich auch an @rolf).

@all
Danke für die Tips und Anregungen.
 
@Clavica

Recht erhellend kann sein, auf YT Mitschnitte von "Meisterklassen" anzuschauen bzw. zu anzuhören. Dabei geht es meistens um das Feilen an Details.
 
Vor- und Nachhören kann (wie lernt man das? I
Ich lerne es so: vor dem Anschlagen des Tones hören, in welcher Tonhöhe er klingt (liege auch oft daneben), bevor ich den nächsten Ton z.B. einer Melodie anschlage erst innerlich den Ton hören. Ich würde es erst mit kleinen Melodien üben, es braucht Zeit. Und nachhören im Sinne von Reflexion, wie hat es geklungen. Das Mithören als ständige Begleitung beim Spielen, den Ohren, dem Lauschen die Führung geben. Mein Maß aller Dinge ist der Klang und das, was sich aus der Musik selbst an Spannungsbögen, Dysnamik etc. ergibt. Da ich bei diesen Dingen selbst noch ganz am Anfang bin, spiele ich bewußt Stücke, die manuell im Grunde zu einfach für mich sind. Ich denke aber, dass es sich lohnt so kleinschrittig vorzugehen, denn alles, was ich innerlich hören kann, kann ich leichter spielen.
 
Viel Musik hören, sich einlassen (nicht Gedudel nebenbei) und sich innerlich bewegen lassen, die Energie spüren. Wo geht es hin, wie kommt etwas zum Abschluss, wie geht es weiter, wo läßt es nach, wo nimmt die Energie wieder zu, mitsingen, mitdirigieren.........ich kann es schwierig beschreiben. Stützen kannst Du dann diese Hör- und Spürerfahrungen mit theoretischem Wissen und natürlich dem Notentext, da steht alles drin, immer auch die Frage, wie klingt es, was da steht? Wie hört es sich an?
 
Ist nicht das "Fühlen" einer der wichtigsten Punkte für einen guten Klang?
Und auch für die Klangvorstellung?
Ich kann ja schon mechanisch die unterschiedlichen Dynamikbezeichnungen herausspielen, aber es klingt immer anders, wenn ich mir eine Geschichte aus dem Stück bastle und dann nicht mehr an die einzelnen Töne denke, sondern an das was ich dabei fühle?
Dafür ist es natürlich auch nötig, sich mit dem Stück auseinander zu setzen und Aufnahmen anzuhören.
Lg
 

Als Vorbereitung für ein neues Stück suche ich mir auf youtube zwei oder drei Aufnahmen bekannter Pianisten. Diese höre ich mir kurz oberflächlich* an und entscheide dann, welche mir am besten gefällt. Diese Aufnahme ist dann mein Referenzstandard, an dem ich mich bei Spielen orientiere.
(...)
Nachdem ich mich eine gewisse Zeit mit dem Stück beschäftigt habe und durch das häufige Hören eine Klangvorstellung entwickelt habe(...)
Ziel ist natürlich aus der Musik heraus zu verstehen wie ich sie spielen muss (...)
Alternativ würde ich zusätzlich zu deinem obigen Weg einmal folgendes vorschlagen: stöbere mal in deinen Noten nach Noten die (deutlich) unter deinem jetzigen Niveau liegen. Zweites Kriterium: du kennst das Stück nicht, hast es noch nie gehört.
Wenn du eins gefunden has, schau es dir erst einmal genau an und versuche dir vorzustellen, wie es wohl. klingen mag. Dabei fängt man automatisch an, innerlich oder laut zu singen. Das würde ich für alle Stimmen einmal so durchprobieren.

Wenn du glaubst, du hast eine gewisse Klangvorstellung erworben, setz dich an die Tasten und schau, ob sich das gedachte mit dem, was du jetzt an Musik erzeugst, vereinbaren lässt.
Entwickle das Stück so lange weiter, bis du damit zufrieden bist.

Dann, und wirklich erst dann, hör dir eine Aufnahme dazu an und fange an zu vergleichen und zu analysieren, warum und in welchen Bereichen sich die Aufnahme von deinem Spiel unterscheidet.
 
Mir ist noch eingefallen, dass ich es wichtig finde, sich auf dem Tastengelände gut auszukennen. Mir helfen Tonleitern in allen Tonarten über die ganze Klaviatur, langsam und voraushörend gespielt,schnelle Tonleitern spiele ich dann mit dem Ziel der manuellen Geschicklichkeit, dann höre ich sie eher in Gruppen, weniger in Einzeltönen. Dreiklänge/ Vierklänge gebrochen und zusammen über die ganze Klaviatur, Kadenzen und letztlich einfache Improvisationen, dabei sich vom Ohr steuern lassen und weniger vom Wissen, was harmonisch passt und klar oft passt es dann auch nicht, doch das sind die Stolpersteine, die dann weitere Entwicklung mit sich bringen.
 
Wenn ich nämlich nur wahrnehme "kein Ton schief
Das wäre als Erkenntnis aus einer Aufnahme ein bisschen wenig. Dafür braucht man eine Aufnahme nicht - ob man sich verhauen hat, hört man schließlich sofort.
Es geht um das Kontrollieren des musikalischen Flusses. Beispiel: Ich selber spiele oft zu gehetzt, nehme mir zuwenig Zeit und das bemerke ich beim Spielen nur selten. Auf dem Mitschnitt fällt es mir aber sofort auf. Seitdem versuche ich das ganz bewusst abzustellen.

CW
 
und es braucht sehr viel Geduld, jedoch lehrt mich mein Cello noch mehr Geduld, dann da habe ich nicht die Gewissheit, dass die Tonhöhe gleich stimmt.Mir macht es großen Spaß das Hören mehr und mehr zu verfeinern, .

Neben allen guten Tipps und Vorgehensweisen dürfte das der Kern der Sache sein: Man braucht viel Geduld - es geht schrittweise voran und "bergauf".

Mir fiel schon als Jugendliche auf, dass ich Chorwerke, die ich selbst mitgesungen hatte, viel besser "(er)hören" konnte als solche, die ich nicht gesungen hatte.
 
Sind Klangvorstellung und sich selbst zu hören denn Gegensätze bzw. Dinge die ich unterscheiden muss?
nein, das sind keine banalen Gegensätze, sondern das sollte sich notwendigerweise ergänzen: ohne Klangvorstellungsvermögen kann das gerade gespielte nur zufällig mal gelingen, ohne sich beim spielen zuhören zu können kann nicht beurteilt werden, ob´s gerade gelungen war oder nicht ;-)

man benötigt dreierlei:
- eine möglichst detaillierte Klangvorstellung
- idealerweise zuverlässige Spieltechnik, um sie umsetzen zu können
- zugleich zum willentlichen gekonnten gestalten des Klangs die Fähigkeit, kritisch wahrnehmend mithören zu können

die Klangvorstellung kann peu a peu mit dem immer intensiveren hören und lesen von (Klavier)Musik kommen (kann, muss nicht...)
die Spieltechnik... ja das dauert, auch dann, wenn man keine Lisztetüden spielen will oder muss...
das sich selber beim spielen hören... das dauert auch

also Geduld - übrigens hat dir @Schimmelchen hilfreiche Tipps gegeben!
 
Sali zusammen

In verschiedenen Fäden habe ich schon die Aufforderung sich zuzuhören und so besser zu werden gelesen. Das tönt sehr logisch, vernünftig und ziemlich essenziell an. Nirgendwo habe ich aber einen Hinweis gefunden, wie ich das konkret mache, das Mirzuhören bzw. das Hören so ganz allgemein.

Als nur bedingt musikalischer Kopfmensch ist für mich das Hören nämlich nichts was ich einfach so kann, sondern etwas was ich erst verstehen und lernen muss. Da ich mit diesem Handicap vielleicht nicht alleine bin, wolle ich einen Faden starten, in dem Ideen, Tips und Übungen geteilt werden können durch die das Hören oder auch die Klangvorstellung und das Verständnis verbessert werden können.

Ich fange mal damit an meine besten "Tips" zu teilen. Da ich in Bezug aufs Hören aber wahrscheinlich ein Blinder unter Sehenden bin, freue ich mich über jegliche Kommentare und Ergänzungen.

Als Vorbereitung für ein neues Stück suche ich mir auf youtube zwei oder drei Aufnahmen bekannter Pianisten. Diese höre ich mir kurz oberflächlich* an und entscheide dann, welche mir am besten gefällt. Diese Aufnahme ist dann mein Referenzstandard, an dem ich mich bei Spielen orientiere.
Wenn ich den Notentext hinreichend kenne und die gehörte Musik den Noten zuordnen kann, beginne ich damit, die zu Beginn ausgesuchten Aufnahmen in Bezug auf Betonungen, Dynamik etc. zu vergleichen. Wenn Unterschiede ausmachen kann, versuche ich diese erst zu analysieren (was genau ist anders?) und dann (gedanklich) die erzeugten unterschiedlichen Eindrücke in Worte zu fassen (für mich ganz wesentlich, da ich mir erst Dinge, die ich in Worte gefasst habe, gut merken kann).
Ziel ist dabei sowohl die unterschiedlichen Mittel wahrzunehmen (z. B. crescendo) als auch zu verstehen, wie durch sie andere Klangeindrücke erreicht werden können. Ausserdem hoffe ich, besser in der Wahrnehmung zu werden. Beim Spiel versuche ich dann diese Klangeindrücke mit den gehörten Mitteln zu erreichen.

Nachdem ich mich eine gewisse Zeit mit dem Stück beschäftigt habe und durch das häufige Hören eine Klangvorstellung entwickelt habe, kommt der brutalste aller Tests. Ich nehme mich selbst auf und lausche der Aufnahme. Zuerst oberflächlich (meist reicht das schon um festzustellen, dass es nicht gut ist) und dann sehr detailliert, um herauszuhören warum es nicht gut ist.

Ziel ist natürlich aus der Musik heraus zu verstehen wie ich sie spielen muss und mich irgendwann während des Spiels selbst zu hören und korrekt wahrnehmen zu können. Aber das braucht wohl noch ein oder zwei Leben:)

Andere Ideen? Oder wie kann man noch Hören lernen?

Freue mich über Antworten!

PS Entschuldigt bitte, wenn mir die korrekten Worte fehlen. Ich arbeite daran.

Mh, ich glaube die von dir beschriebene Vorgehensweise ist nicht so zielführend, denn, nach meiner Erfahrung lernt das Gehirn nur das, was es tut. Sprich, durch nachahmen lernt man nicht das selbst entwickeln. Oder anders gesagt: Man lernt nicht schreiben, wenn man sich häufig genug Buchstaben anschaut.

Es gibt m.E. (und das ist nun eine sehr subjektive Ansicht) zwei Arten des Hörens (wobei ich hier innerliches Vorstellen und das 'äußere erkennen' mal synonym benenne, da diese beiden Aspekte m.E. doch eher Hand-in-Hand gehen), nämlich das "grobe" (das was landläufig auf den Namen Gehörbildung hört, nämlich erkennen/vorstellen von, ich sage mal, 'musiktheoretischen Konzepten in der Musik, benennen von Akkorden, Wendungen, etc.) und das "feine" (erkennen/vorstellen von Dynamik, Agogik, Anschlag, etc.). Ich nehme mal an, dass es dir hier um letzteres geht. Wenn dich das erstere auch interessieren sollte, schreib es einfach, ich habe mir nämlich zu beiden Punkten recht viele Gedanken gemacht.

Also, das erste ist: Um zu erlernen wie man eine Klangvorstellung entwickelt, sollte man zunächst genau damit anfangen, und versuchen eine Klangvorstellung ohne äußere Hilfsmittel zu erlangen (auch ohne Klavier). Da dies zu Beginn schwer sein kann, ist es vielleicht ein Anfang erstmal sinnvoll ein Stück am Klavier einzuüben, was nicht so schwer und lang ist, aber welches man vorher noch nie in irgendeiner Form gehört hat und dann dieses Musikstück nicht nur zu erlernen sondern auch musikalisch zu gestalten, ohne ein einziges Mal eine fremde Aufnahme anzuhören. Am Anfang fühlt man sich da zwar vielleicht wie ein Kleinkind unter Gehenden, aber wenn man dann irgendwann die Angst vor dem 'Versagen' verliert, kann man hierbei, denke ich, wirklich viel lernen.

Das mit der Klangvorstellung wird dann allmählich routinierter, je häufiger man es macht. So funktioniert unser Gehirn halt. Tatsächlich ist es, so empfinde ich es zumindest, auch wichtig, dass man immer wieder phasenweise Musik extrem intensiv betreibt. Sprich, 1-2 Wochen nichts anderes tut, als den ganzen Tag über Musik nachzudenken, sich mit ihr zu beschäftigen, viel zu üben, etc. Das ist vielleicht für Berufstätige schwer einzurichten, aber naja, man kann halt leider nicht alles haben. Der Punkt ist, dass bei einer so intensiven Beschäftigung, zumindest bei mir, die vielen Klangnuancen immer deutlicher werden, und vor allem auch ins Langzeitgedächtnis geschoben werden, sodass ich, wenn ich dann ein paar Wochen weniger Musik mache, noch immer auf diese nuancierte Wahrnehmung zurückgreifen kann.

Ein weiterer Rat ist es auch auf seine Intuition zu hören, denn auch diese will trainiert werden. Wenn du übst, und du merkst, dass dir was nicht gefällt, dann höre so lange genau zu und denke so lange nach, bis du genau weißt, was die Ursache für diesen intuitiven Eindruck ist. Mit der Zeit lernt man dann seine Intuition sehr schnell und direkt zu deuten.

Das nächste ist ein Rat, der vielleicht der wichtigste ist: Höre gut zu, fühle in dich hinein, sei extrem aufmerksam, und spüre wie sich die Finger anfühlen (wobei der Klangeindruck immer an erster Stelle steht). Was "gut zuhören" wirklich ist, merkt man erst, wenn man es lang genug versucht ( :-D ), ein Tipp ist hier, zu versuchen in musikalischen Sinneinheiten zu hören und zu denken, sich vorzustellen wie man Melodien und Phrasen singen würde, den einzelnen Tönen so genau zuhören, dass man genau mitbekommt wie sie allmählich verblassen, bei kantablen Passagen die Dynamik logisch gestalten, etc.

Nochmal zusammengefasst was ich dir mitteilen will:
- Klangvorstellung entwickeln lernt man nur indem man es versucht. Das ist vielleicht am Anfang etwasschwer, aber das soll einen nicht abschrecken. Mit der Zeit wird es besser. Kinder lernen auch deswegen so viel und schnell weil sie keine Angst vor Fehlern haben :-P.
- Vertraue deiner Intuition, aber nicht unreflektiert. Versuche sie zu benennen und kategorisieren.
- Denk dir Hörübungen aus und höre gut hin.
- Beschäftige dich zeitweise so intensiv mit Musik wie es nur irgendwie geht.
- Eine Bekannte von mir sagt wenn man sie fragt wie man an seinem Anschlag arbeiten soll "Höre gut hin und fühle wie sich die Fingerspitzen anfühlen".

LG,

Daniel
 
@all Danke für die Tips!

Ich hatte zwar gehofft, dass ich nicht die einzige "Gehörlose" hier wäre (dachte andere hätten da vielleicht auch Interesse) aber bei all den guten Tips kann ich mich wohl kaum über die Aufmerksamkeit und spezifischen und wertvollen Ratschläge beklagen.

Geduld ist nicht wirklich ein Problem. Ich habe verstanden dass man beim Klavierspielen (und im Karate) in Leben denken muss. Ein halbes sollte ich noch vor mir haben, also "schaun wir mal".
*grin* In einem meiner liebsten Tagträume sehe ich mich immer als 80jährige Omi am Klavier, die gelassen und feinfühlig eine in sich ruhende Mozart Sonate spielt. :)

Die Idee mit dem Selbstentwicklen habe ich gehört (@rolf, @Schimmelchen @alibiphysiker (Danke für die viele Mühe)). Da ist mir doch grad ein (noch jungfräuliches) Haydnmenuett eingefallen, das sich für so eine Übung vielleicht eignen würde... Ich setz mich gleich mal dran.

Eva
 
Recht erhellend kann sein, auf YT Mitschnitte von "Meisterklassen" anzuschauen bzw. zu anzuhören. Dabei geht es meistens um das Feilen an Details.

Das sind diese Veranstaltungen, wo "berühmte" Lehrer oder dergleichen Möchtegerns die Lorbeeren für die Arbeit anderer abgreifen. Denn all die Studenten dort können die Vorgaben des "Meisters" i.d.R. sofort umsetzen. Das setzt meist laaangen exzellenten Unterricht bei irgendeinem Ungenannten voraus. Ich finde das unfair. Durch das Gerede dieser Götter ("denk an die große Linie", "atme den Ton" und ähnliche nichtssagende Floskeln) lernt man mit Sicherheit nicht Klavier oder Geige spielen. Ich hatte mal so eine Geigenlehrerin, die sich furchtbar "musikalisch" vorkam. Dort habe ich nichts gelernt, als mich zu verspannen, weil ich ihre hehren künstlerischen Ansprüche technisch schlicht nicht erfüllen konnte. Erst ein Wechsel zu einer qualifizierten Lehrerin brachte mir überhaupt die Voraussetzungen, auch mal an was anderes als technische Probleme zu denken - z.B. an Musik. Die war sich eben nicht zu schade, mir auch die schlichteste Bewegung zu erklären. Ich kann mir erst "zuhören", wenn ich mich bewegungstechnisch sicher fühle.
 
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