György Kurtág: 12 Mikroludien aus "Játékok" (Bd. 2)

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mick

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In ein paar Wochen soll ich die 12 Mikroludien aus dem 2. Band "Játékok" vorspielen. Die meisten dieser Stücke haben keinen Titel und sind mehr oder weniger Klang- und Zeit-Experimente, aber es gibt darin u.a. eine "Hommage à Andre Hajdu" und eine "Hommage à Nancy Sinatra". Weiß jemand, was es mit diesen Titeln auf sich hat? Sind da versteckte Zitate enthalten, oder sind es einfach nur aphoristische Erinnerungen an Begegnungen? Leider habe ich bisher keine Literatur über diesen Mini-Zyklus gefunden; ich würde aber gerne etwas mehr darüber wissen. Besonders angesprochen fühlen dürfen sich bei dieser Frage @Gomez de Riquet, @Rheinkultur, @koelnklavier und @walsroderpianist, bei denen ich vermute, dass sie Kurtágs Musik etwas besser kennen. Aber ich freue mich auch über jeden anderen, der hier etwas Licht ins Dunkel bringen kann!

LG, Mick
 
Mich würde vor allen Dingen interessieren, wie man so etwas spielt (die Noten habe ich auch).
 
Die meisten dieser Stücke haben keinen Titel und sind mehr oder weniger Klang- und Zeit-Experimente, aber es gibt darin u.a. eine "Hommage à Andre Hajdu" und eine "Hommage à Nancy Sinatra". Weiß jemand, was es mit diesen Titeln auf sich hat? Sind da versteckte Zitate enthalten, oder sind es einfach nur aphoristische Erinnerungen an Begegnungen?
Schau' doch mal in diesen englischsprachigen Text:
http://www.junttu.net/kristiina/Jatekok_brings.html

Meine Einschätzung zu dieser Musik, soweit sie "bildhaft" daherkommt: Kurtágs Schreibweise ist äußerst aphoristisch angelegt, ohne dass er im Fahrwasser eines Anton Webern daherkommt. Er greift gerne einen bestimmten Topos auf, um gerade nicht ein zusammenhängendes Zitat zu präsentieren. Das kann bereits ein einzelnes Intervall oder eine ganz knappe motivische Zelle sein - dieses Material wird nicht als Fremdkörper auf einen Präsentierteller gehoben, sondern in das spezifische Kurtág'sche Idiom integriert. Ich würde sagen, radikaler als ein Marcel Duchamp mit einem Objet trouvé verfährt - selbst dieses wird hier musikalisch seziert. André Hajdu ist ein einige Jahre jüngerer israelischer Komponistenkollege ungarischer Herkunft - und bei Nancy Sinatra kehrt er den Vorgang des Wiedererkennens um, der bei ihren populären Songs unweigerlich in Gang kommt: "These Boots Are Made For Walkin'" und der James-Bond-Titelsong "You Only Live Twice" waren ebenso populär wie diverse Covers und Duette.

LG von Rheinkultur
 

Danke - ich werd's nachher mal lesen!
Ich habe mich natürlich schon ein wenig mit Kurtág beschäftigt; auch im Vorwort zu Játékok steht ja ein wenig zur Kompositionsweise und dem fragmentarischen Charakter dieser Sammlung. Aber, warum genau die beiden Mikroludien Hajdu und Sinatra gewidmet sind, wird nicht erklärt. Vielleicht soll es auch ein Rätsel bleiben?

LG, Mick
 
Ich habe die Stücke in einer Sammlung von Stücken ("Pflichtstücke für Klavier am Musischen Gymnasium") und da steht auch eine Zeichenerklärung.
Was ich meinte war, wie man z.B. das 1. spielt. Dort steht eine "sehr lange Note" und darunter eine Crescendo- und eine Decrescendo-Gabel. Wie soll man sowas spielen, man kann ja schlecht eine Note, die liegen bleibt, lauter und dann wieder leiser klingen lassen?
 
Genau das könnte doch so ein Objet trouvé sein - das c' (sozusagen ein musikalischer Alltagsgegenstand) bekommt erst durch die Gabeln eine künstlerische Bedeutung. Das Crescendo kann man natürlich nur durch Körperbewegungen andeuten, es ist also fast ein kleines Stück Musiktheater, zumindest, wenn man das Stück vorspielt.

Ich denke aber, dass viele der Stücke aus Játékok gar nicht unbedingt als Vortragsstücke gedacht sind. Eher dazu, sich selbst spielerisch mit dem Material zu befassen und die eigene Fantasie zu entwickeln. Und innerlich hören kann man ein Crescendo auf einer Note ja in jedem Fall.

Solche Crescendo-Decrescendo-Gabeln auf langen Noten gibt es übrigens schon in der Klaviermusik von Brahms. Auch der wusste natürlich, dass sowas auf dem Klavier nicht geht. Aber man soll sich dann eben den Klang eines Bläserakkordes vorstellen und den dann soweit wie möglich auf dem Klavier imitieren. Und das geht wiederum erstaunlich gut!

LG, Mick
 
Solche Crescendo-Decrescendo-Gabeln auf langen Noten gibt es übrigens schon in der Klaviermusik von Brahms.
Das gibt es sogar schon bei Chopin, z.B. im Nocturne op. 55 Nr. 2 auf dem letzten Akkord. Zwar kein Crescendo-Decrescendo, aber doch ein Crescendo auf einem gehaltenen Ton. Die Geste, die damit beschrieben werden soll, ist in diesem Stück offensichtlich (Öffnung), aber wörtlich ausführbar ist es nicht.
 
In ein paar Wochen soll ich die 12 Mikroludien aus dem 2. Band "Játékok" vorspielen. Die meisten dieser Stücke haben keinen Titel und sind mehr oder weniger Klang- und Zeit-Experimente, aber es gibt darin u.a. eine "Hommage à Andre Hajdu" und eine "Hommage à Nancy Sinatra". Weiß jemand, was es mit diesen Titeln auf sich hat? Sind da versteckte Zitate enthalten, oder sind es einfach nur aphoristische Erinnerungen an Begegnungen?

Lieber Mick,

die Hommage à Andre Haidu hat meines Wissens nur einen biographischen Hintergrund; die beiden waren befreundet. In der Nancy-Sinatra-Hommage steckt ein Zitat - der chromatische Abwaertslauf aus der Instrumentaleinleitung zu "These boots are made for walking".

Herzliche Gruesse

Gomez (dessen Tastatur gerade spinnt, deshalb die seltsame Schreibweise)
 
In der Nancy-Sinatra-Hommage steckt ein Zitat - der chromatische Abwaertslauf aus der Instrumentaleinleitung zu "These boots are made for walking".
Ja und nein. Abwärtsgerichtete Linienführungen sind in populärer Musik nicht selten und werden gerne als "Klischee-Linie" zur Anwendung gebracht - nicht nur in diesem Titel, ein solches Detail allein wäre als regelrechtes Zitat zu unspezifisch oder austauschbar. Kurtág greift aber das strukturelle Detail auf und schafft durch die Titelgebung ein zusätzliches Assoziationsmerkmal. Auch das ist Teil einer individuellen Ästhetik: Reduktion musikalischer Materialien, um Spielraum für assoziative Momente zu schaffen - raffiniert!

LG von Rheinkultur
 

Lieber Mick,

die Hommage à Andre Haidu hat meines Wissens nur einen biographischen Hintergrund; die beiden waren befreundet. In der Nancy-Sinatra-Hommage steckt ein Zitat - der chromatische Abwaertslauf aus der Instrumentaleinleitung zu "These boots are made for walking".

Herzliche Gruesse

Gomez (dessen Tastatur gerade spinnt, deshalb die seltsame Schreibweise)

Lieber Gomez,

herzlichen Dank! Das hilft mir weiter. Jetzt werde ich mir "These boots are made for walking" mal anhören.

LG, Mick
 
Wo finde ich die Noten von Jatekok?
Ich denke, da sind reizvolle Sachen dabei!

Grüße
Manfred
 

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