Grenzgänger

Dabei seit
17. Okt. 2017
Beiträge
2.243
Reaktionen
2.193
(Teil 1)

Ich mache mir gerade Gedanken über Pianisten, die einerseits das klassische und moderne Repertoire studiert und aufgeführt haben, aber dann doch einen anderen Weg eingeschlagen haben, ihr Klavierspiel einem Publikum darzubieten, das ein anderes ist als jenes für den traditionellen Klavierabend.

Dazu zeige ich jeweils zwei Aufnahmen, nämlich einerseits das "Klassische" und andererseits das "Neue", das ausgetretene Pfade meidet und tatsächlich etwas Neues ist, aber mit dem Fundament einer Klaviertechnik, die einem keine Einschränkungen im Ausloten neuer Gefilde auferlegt.


Fangen wir mal an mit vkgoeswild (Viktoryia Yermoleva), die mal eben 'Islamey' als 16jährige in einer Musikschule aufführt:



und die aber heute sich vom klassischen Repertoire weitestgehend verabschiedet hat und Abseitigeres aufführt, das aber definitiv sein Publikum findet, z.B. Rammstein:



************

Weiter geht's mit Kai Schumacher, der mal eben locker Frederic Rzewskis "The People United Will Never Be Defeated" live aufführt:



und andererseits einen inzwischen komplett neuen Stil entwickelt hat, ein Klavier live zu präparieren und eigene Kompositionen zu spielen:
 
Zuletzt bearbeitet:
(Teil 2)



***************

Das amerikanische Klavier Duo Anderson Roe, das natürlich das Repertoire der Altmeister beherrscht, wie z.B. Mozarts Sonate für zwei Klaviere:



dann aber auch eine wirklich geniale Transkription von Radioheads "Paranoid Android" abliefert:



**************

Eine junge türkische Pianistin, Ayse Deniz Gokcin, die ich gerade entdeckt habe, die einerseits zweifelsohne in Rachmaninoffs Paganini-Rhapsodie überzeugt:



und dann aber auch einmal Pink Floyd à la Liszt darbietet:



***************

Vielleicht gefällt ja dem einen oder anderen der Kontrast...
 
Zuletzt bearbeitet:
Tal Tilber lässt sich evtl. hier mit einreihen, obwohl mir seine "neuen Wege" zu klassisch sind.
 
Da hinein gehört wohl auch Noam Sivan, der ganze Klavierabende in sämtlichen Stilen improvisiert und auch eine improvisierte CD aufgenommen hat. Hier ist sein YouTube-Kanal: https://www.youtube.com/user/ImprovisingTheFuture

Übrigens ist das gar nicht so selten, wie man vielleicht meinen mag, dass Instrumentalmusiker "nur" klassisch und "nur" das "eine" spielen. Vielmehr kenne ich gar nicht so wahnsinnig viele, die das tun (und sich damit auf einem ernstzunehmenden Pfad befinden!).
Mal überlegen. Ich kenne eine sehr erfolgreiche Blockflötistin, die sowohl im historischen Ensemble spielt, als auch mit Neuer Musik, Jazz, Komposition etc. experimentiert (ich gebe zu, für Blockflöte ist das relativ gewöhnlich, weil die kaum klassisches / romantisches Repertoire haben).
Ich kenne eine Pianistin, die auch Geigerin ist und das teilweise kombiniert.
Ich kenne eine Pianistin, die solo, wie auch Kammermusik spielt, aber auch im Klavierabend improvisiert.

Natürlich gibt's auch einige, die sich erst einmal klassisch orientieren. Aber wenn man sich da lang genug bewegt hat, schielen viele wohl doch nach den "Rändern" - nach Kammermusik, falls das schon verrückt genug ist, nach Randkomponisten, nach Spezialisierung, nach Kooperation, nach Neuem...
 
Das ist wirklich ein interessanter Faden und tatsächlich ist die Idee ja nicht neu.

Das Fauré Quartett beispielsweise hat im Jahre 2013 eine Pop-CD aufgenommen.
Im folgenden Link kann man einen kurzen Eindruck von der Aufnahmesituation bekommen. Besonders ab Minute 5 geht es richtig zur Sache ;-) .



Aber ansonsten spielen sie schon überwiegend klassische Werke.
 
Ich ergänze hier mal Keith Jarrett (der mit dem Köln Concert... ), der "an sich und schwerpunktmäßig" dem Jazz zugeordnet wird und viel auf ECM veröffentlicht hat, der aber auch Werke von Bach, Händel und Schostakowitsch eingespielt hat.

Und das Balanescu-Quartett, das z.B. auch eine CD mit Streichquartett-Bearbeitungen von Kraftwerk-Stücken ("Possessed" - unbedingt empfehlenswert!) aufgenommen und veröffentlicht hat. Die fahrenden Autos in "Autobahn" werden durch Celloglissandi dargestellt usw.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ja, Goulda war offensichtlich nichts und niemand zu abseitig, keine Musik und keine Musiker und auch keine Nacktauftritte.

Dass das von den oben zitierten sehr ansehnlichen Damen nicht angeboten wird, lässt natürlich sofort die Frage nach ihrer künstlerischen Kompetenz aufkommen.

CW
 

Habe gestern Abend die für mich bisher unbekannte Pianistin Kristina Miller bei YT entdeckt:super:. Ich weiß nicht, ob man sie als Grenzgängerin bezeichnen kann, ihr Klavierspiel ist auf jeden Fall großartig. Hier mal 2 Beispiele:musik064:.


View: https://www.youtube.com/watch?v=uNnq_vpBHL0



View: https://www.youtube.com/watch?v=3HZd1PREbKA

Sie ist freilich eine hervorragende Pianistin, aber eine Transkription einer Improvisation von Oscar Peterson im Konzert aufzuführen, ist witzlos.
 
Sie ist freilich eine hervorragende Pianistin, aber eine Transkription einer Improvisation von Oscar Peterson im Konzert aufzuführen, ist witzlos.
Wieso "WITZLOS"? Versteh ich nicht!
Danke Christian, dieses Klavierspiel lässt einen atemlos bewundernd zurück. Gerade die Fledermaus-Paraphrase von Cziffra gefällt mir sehr, nachdem mich schon die von Godowsky vom Stuhl gehauen hat.
 
Da ist aber schon noch ein Unterschied. Jazz lebt von spontaner Improvisation. Hier ist er museal konserviert.
In Ordnung, soll sein, den Unterschied hatte ich nicht bedacht.
Ich habe mir von Kristina Miller noch mehr angehört und bin hingerissen von einem weiteren Cziffra: Tritsch tratsch- Polka.
Von der Pianistin möchte ich mal das erste Chopin-Scherzo hören. Das kann nur eine Offenbarung sein.
 
Da ist aber schon noch ein Unterschied. Jazz lebt von spontaner Improvisation. Hier ist er museal konserviert.

Das ist alles richtig. Ich selber bin ein großer Fan der Klavierkunst von Oscar Peterson, habe fast alle seine Aufnahmen und ihn auch oft live im Konzert erlebt. Aber gerade er hat in seinen Konzerten weite Teile eben nicht improvisiert, sondern immer wieder die gleichen Chorusse gespielt. Ich selber beschäftige mich selber seit langem mit den Transkriptionen von ihm, von denen sehr viele veröffentlicht sind, genau wie mit Transkriptionen von Aufnahmen anderer Jazzpianisten. Ist es "witzlos", solche Dinge in klassischen Konzerten zu spielen, wie es ja z.B. auch Yuja Wang in der Transkription einer Aufnahme von Tea for Two von Art Tatum gemacht hat? Ich finde nicht. Es zeigt, dass es auch großartige Musik jenseits der klassischen Musik gibt, die man einem Publikum in einem klassischen Konzert mal offerieren kann.

Wie ich oben schon geschrieben habe, kannte ich Kristina Miller vorher nicht. Daher mein Hinweis hier auf sie, die obige Zugabe spielte sie nach dem 3. Klavierkonzert von Rachmaninoff, bei YT sind auch einige weitere Aufnahmen von ihr mit Oscar Peterson Transkriptionen zu finden.

Ich gehe jetzt an den Flügel und spiele witzlos das Album The Melody at Night, with You von Keith Jarrett durch;-):musik064:.
 

Zurück
Top Bottom