Genervt von Stücken die man gerade übt ? Wie motiviert bleiben ?

Ich "darf" bei schwierigeren Stellen erst Note und Finger ansagen, bevor ich weiter spiele. Ich huddele zu oft drüber und lese nicht genau. Grade machen wir das mit den Bach Inventionen (nur die Noten). Unglaublich anstrengend für mich aber ich merke, wie es mir hilft langsamer zu üben.
 
Dieses "soundso viele fehlerfreie Wiederholungen"-Ding ist meist Quatsch, weil es in der Regel falsch bzw. mit dem falschen Mindset praktiziert wird.

Die entscheidende Frage ist schlicht: Spüre ich, dass ich die Stelle in einem für den gegenwärtigen Lernstand angemessenen Tempo MÜHELOS (sowohl mental als auch vom Körpergefühl) richtig spielen kann? Und kann ich das auch, wenn ich gerade irgendwas anderes gemacht habe, dann ans Klavier gehe und sozusagen "von 0 auf 100" die Stelle spiele? Mit wievielen Wiederholungen das erreicht wurde, ist erstmal wurscht.

Die meisten Amateure kriegen die 3 oder 7 oder 10 richtigen Wiederholungen nur mit Ach und Krach und hoher Konzentration/Anspannung und Glück hin, und die 11. geht schief bzw. bei der nächsten Übesitzung klappt es dann wieder nicht. Derartiges Üben ist dummes Zeug, sorry.

Verständiges, zweckmäßiges und nachhaltiges Üben erfordert so viel mehr - insbesondere an intelligentem situationsabhängig angepasstem Verhalten und an Selbstwahrnehmung - als plattes Zählen von Wiederholungen oder gar ein Vertrauen in "naja, ich hab's ja jetzt oft genug richtig hingekriegt gemäß Professor XY, also passt das schon."

Insbesondere sollte auch vor jeder Wiederholung klar sein, was genau in dieser Wiederholung anders passieren soll als in der Wiederholung davor!

Wiederholungen sollten insbesondere auch dazu dienen, herauszufinden bzw. zu erspüren, welcher gesamtkörperliche Bewegungsablauf (bzw.welche "Choreographie") am zweckmäßigsten ist, so dass sich die Stelle immer leichter anfühlt und schließlich "flutscht". Das richtige Gefühl, wenn man korrekt geübt hat, ist nicht "boah, puh, ich krieg jetzt so eine komplizierte Stelle richtig hin - hoffen wir mal, dass es morgen auch noch so ist", sondern: "Haha, ich habe den Trick raus! Wie geil! Warum kam mir das erst kompliziert vor?"

Solange diese Punkte nicht beachtet werden, handelt es sich um falsches, ineffektives, amateurhaftes Üben, das entsprechend mangelhafte und un-nachhaltige Ergebnisse zeitigt.
 
Ich "darf" bei schwierigeren Stellen erst Note und Finger ansagen, bevor ich weiter spiele. Ich huddele zu oft drüber und lese nicht genau. Grade machen wir das mit den Bach Inventionen (nur die Noten). Unglaublich anstrengend für mich aber ich merke, wie es mir hilft langsamer zu üben.

Das übe ich mit Metronom. Ich stell es sehr langsam auf 8tel ein und lasse mich zu „viel Zeit zum nachdenken“ zwingen. Aber nur Taktweise nicht über eine ganze Seite. Dazu mit bewusst übertriebener Betonung auf schweren Zählzeiten und Dynamik. Das mach ich in 3 Tempi und wenn’s dann hakt, sieht man genau wo (z.B. weil man die Hand nicht gut genug schließt, schlecht untersetzt etc). Die Stelle pflücke ich dann raus und guck mir die Bewegung genau an. Probier das isoliert und versuche es langsam mit Metronom flüssig. Wenn das klappt dann Versuch ich im langsamen (mit Metronom Tempo) den Puls/ Rhythmus ganz deutlich zu spüren wiederhol das bis es sich gut anfühlt in der Hand. Dann lass ich so eine Stelle bis zum nächsten Tag in Ruhe.
 
richtigen Wiederholungen nur mit Ach und Krach und hoher Konzentration/Anspannung und Glück hin, und die 11. geht schief bzw. bei der nächsten Übesitzung klappt es dann wieder nicht

Das ist ein Argument wenn man die Konzentration nicht halten kann. Aber sinnvoll find ich es trotzdem, weil die meisten nicht analytisch denken warum es nicht klappt. Das übernimmt dann der KL in der Stunde und „sagt ihnen einfach warum“. Das führt aber nicht zum selbständigen erarbeiten. Dafür muss man lernen Problem selbst zumindest zu erkennen. Um man dann Lösungen hat ist was anders. Aber das Begreifen von Ursachen im Detail ist eine elementare Fähigkeit die man lernen muss. Wenn ich es jedesmal vergeige bin ich gezwungen mir anzusehen warum und wenn ich mich auf ein Detail fokussiere, habe ich zumindest an ein Detail gedacht.

Aber ich kann natürlich nicht wissen wie die praktischen Erfahrungswerte von Lehrkräften sind, daher glaub ich dir wenn du das kritisch siehst.
 
. Dazu mit bewusst übertriebener Betonung auf schweren Zählzeiten und Dynamik. Das mach ich in 3 Tempi und wenn’s dann hakt, sieht man genau wo (z.B. weil man die Hand nicht gut genug schließt, schlecht untersetzt etc).
Und was machst Du mit Phrasen, bei denen die Betonung gar nicht auf der (oder jeder) schweren Zählzeit (du meinst damit wohl meisten die 1) ist?
 
Und was machst Du mit Phrasen, bei denen die Betonung gar nicht auf der (oder jeder) schweren Zählzeit (du meinst damit wohl meisten die 1) ist?

Ich handhabe das nur bei ekligen Takten und vorrangig in „ungeliebten Stücken“ so. Wenn der Takt/ die Takte „laufen“ betrachte ich natürlich den übergeordneten“ Zusammenhang. Aber gerade bei ungeliebten Stücken finde ich ist die Motivation sich mit ekligen Stellen RICHTIG zu befassen besonders niedrig. Dann schludert man drüber und schafft sich eine selbsterfüllende Prophezeiung 🫣😝 mit oben genannten umgehe ich das.

Nein ich mein nicht nur die 1. Je nach Taktart ist ja jede Zählzeit anders gewichtet. Darauf achte ich dann besonders.
 
Ist nun so, dass meine Frau mir sagte, dass sie langsam genervt von den immer gleichen Stücken ist. Ich kann dies verstehen und bin selber so langsam genervt um ehrlich zu sein. Das heißt ich kann sie eigentlich nicht mehr hören und bin damit noch nicht mal durch.

Da hätte ich eine blöde Frage: Was machst du in deiner Übungszeit? Wenn ich ein Stück von sagen wir 4 - 7 Seiten beherrsche und drei mal durchspiele, sind 10 Minuten vergangen. Bei längeren Stücken von 20+ Seiten brauche anfangs 1 Stunde und mehr, um es nur EINMAL durchzuackern.

Ich lerne Stücke auch immer von vorne, weil sich die Komposition gerne wiederholt. Was man vorne gelernt hat, taucht später als Variation wider auf, was die Sache erheblich erleichtert.
 
Ich lerne Stücke auch immer von vorne, weil sich die Komposition gerne wiederholt. Was man vorne gelernt hat, taucht später als Variation wider auf, was die Sache erheblich erleichtert.
Den Vorteil kann ich nicht so recht erkennen. Wenn sich Phrasen wiederholen hat man doch auch dann einen Vorteil wenn man sie hinten schon gelernt hat. Dann ist es halt vorne einfacher.
 
Den Vorteil kann ich nicht so recht erkennen. Wenn sich Phrasen wiederholen hat man doch auch dann einen Vorteil wenn man sie hinten schon gelernt hat. Dann ist es halt vorne einfacher.
Oft kommt bei der "Wiederholung" noch etwas dazu. zB eine zusätzliche Stimme. Wenn es exakt gleich ist, oder nur in einer anderen Tonart steht, hast du natürlich recht.
 

Ich stelle immer wieder (und dennoch erstaunt) fest, wie gut es mir tut, "fremdzuüben" ... also ein anderes Stück anzufangen.
Ich habe jetzt eine Weile primär meine Bachs und die Mondscheinsonate geübt ... und es begann zu nerven.
Nun habe ich mir die Noten der Appassionata rausgekramt ... ein paar Seiten vom ersten Satz laufen schon ... solala (muss halt geübt werden) ... und schon machen auch Bach und die Mondscheinsonate wieder Spass ... ich habe sogar das Gefühl, bei diesen Stücken weitegekommen zu sein, obwohl ich sie nun knapp eine Woche nicht angeschaut geschweige denn gespielt habe.

Wahrscheinlich liegt das nur daran, dass ich den ersten Satz der Appassionata nach einer Woche noch ziemlich holprig und schlecht spiele ... im Vergleich dazu spiele ich den 3. Satz der Mondscheinsonate wie ein junger Gott :lol:

Aber wenn ich mich mit dieser Selbstverarsche motivieren kann? Who cares.
 
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Oft treibt man, wenn man ein, zwei ggf. drei Stücke übt, oft eine Schneise stur in den Wald. Scheuklappig kann es dann passieren dass man links und rechts, abseits des Pfades nichts mehr registiert und eh man sich versieht, hat man sich verirrt und kommt nicht mehr weiter. Selbst wenn man dann den Weg immer wieder beschreitet (ein Stück wiederholt) kann das passieren. Das kostet ganz schön Körner und laugt aus. Am Ende sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Schlimmer noch: es kann passieren, dass man mit dem einen Stück, das vielleicht grade eine Spur anspruchsvoller ist, zu wenig "andere Wege erschließt", sprich Synergieeffekte hat. (Zumindest die Passage s.o.: "ich übe ein Stück immer von vorne nach hinten und das dauert dann 20 Minuten". Da fehlen mir die Abschnitte, "die man schon kann", sprich Lerneffekte / Synergien aus vorigen Stücken. Es geht mMn nicht um "Axt - im Waldig" Stücke auf Teufel komm raus einbläuen, sondern ums "Laufen" lernen. Selbst wenn dann mal ein ausgetretener Weg (eine Passage die man so schon zigfach gespielt hat) vorkommt, ist das gut und wichtig! Man kann nicht immer nur im Dickicht rumirren und komplett rumverzweifeln.
Ein Übestück, um beim Bild eines Waldspaziergangs zu bleiben, mag seine Tücken, seine Dickichte und Grate, seine Zerwürfnisse, Schluften und Gefahren haben, aber es hat immer auch Stellen die zum Verweilen, zur Rekreation, zum Genuss der Aussicht, zum einfach froh sein dass man auf der Welt ist einladen. Das ist meines Erachtens nach eine wichtige Erkenntnis und "positives Markieren" steht dem wütend "jede Gefahr mit tausend Warnhinweisen" vorwegnehmen in nichts nach. Wenn man das macht, dann gliedert sich das Stück in eben jene Landfschaften, und ja, je nach Tagesform verändert sich es auch und die Bilder variieren. Trotzdem hat man eine "Mindmap": "Ah jetzt erst einmal 8 Takte Trampelfpad, dann ein Bach und bis zum Gletscher strengt es mich nicht an und ich kann mich umgucken (auf die Musik einlassen), oder schon Steigeisen prüfen, die letzten Passagen analysieren etc. etc. Fazit: "die Übelandschaft" ändert sich im Grunde stetig und dieses sture immer gleiche Bild und Stein den Berg hochrollen, ist zumindest für mich und meinen Kopf ermüdend.
 
@Gefallener du sprichst mir aus der Seele.
Treffender hätte ich es nicht für mich persönlich formulieren können.
Daher habe ich auch grosse Probleme mit regelmäßigem Klavierunterricht, zu Datum X das und das geübt zu haben, das liegt mir nicht, dann nervt mich ein Stück sehr schnell. Mir selbst die Stücke erarbeiten und Fingersätze, Klang usw. auszutüfteln das begeistert mich am Klavier spielen. Und nach Lust und Laune das zu spielen was mir gerade in den Kopf komm.
Klar geht das nur wenn man nicht mehr berufstätig ist und schon ein gewisses Level Klavierspielen erlernt hat.
 
Da hätte ich eine blöde Frage: Was machst du in deiner Übungszeit? Wenn ich ein Stück von sagen wir 4 - 7 Seiten beherrsche und drei mal durchspiele, sind 10 Minuten vergangen.
Was für Zahlenspiele... wie wäre es mal mit realistischen Zahlen und Zeiten?

Deine Angaben miteinander verrechnet ergeben mindestens 12 Seiten in 10 Minuten. Das ist auf alle Fälle sehr allegro, sempre allegro.

4 Seiten ist schon ein längeres Stück. Mit Mühe findet man Sonatensätze auf 7 Seiten.
Bei längeren Stücken von 20+ Seiten brauche anfangs 1 Stunde und mehr, um es nur EINMAL durchzuackern.
Welche Stücke mit 20+ Seiten gibt es da so? ...die man unbedingt "en bloc" üben müsste? und dann ist 1 Stunde für "alles", selbst in einer Session, immer noch durchgehudelt.
Ich lerne Stücke auch immer von vorne, weil sich die Komposition gerne wiederholt. Was man vorne gelernt hat, taucht später als Variation wider auf, was die Sache erheblich erleichtert.
Das läuft letztlich nur auf "Üben" des Fingergedächtnisses hinaus, weil die Konzentration hinten immer nachlässt. Immer. Und dann ist die Stelle "vorne" plötzlich auch im Fingergedächtnis, und schon wird sich überhaupt gar nicht mehr zugehört.
 
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Das läuft letztlich nur auf "Üben" des Fingergedächtnisses hinaus
Von vorne lernen, "erarbeiten", heißt doch nicht zwingend, dass man immer von vorne "übt", mag hier ein Missverständnis sein.
Bei Sonatensätzen (wie bei Mozart) arbeite ich zu Beginn ganz bewusst nur an der Exposition. Dann kenne ich das Material schon recht gut und kann mich wirklich an dem erfreuen/begeistern (diesen musikalischen Aspekt sollte man nicht vergessen), was in der Durchführung und in weiteren Variationen passiert. Wenn in der Reprise Teile der Exposition (transponiert) wiederholt werden, hat das m.E. nichts mit Fingergedächtnis zu tun, sondern mit Verständnis des Materials. Manchmal versuche ich beim ersten Durchspielen in diesen Teilen möglichst gar nicht in die Noten zu schauen und nehme sie als Transponierübung (und dann schaue ich, was sich der Komponist zusätzlich hat einfallen lassen).

Danach kann es sein, dass ich lange Zeit nur am zweitem Teil übe und die Exposition wieder erarbeiten muss.

Wenn man ein Stück kennenlernt, in den ersten Tagen, ist es sicher besser von vorne zu arbeiten, aber wenn es ans Arbeiten geht, dann zuerst die schweren Stellen oder eben von hinten!

Das dann natürlich auch, gerade rückwärts additiv ist mir sehr wichtig, muss ja nicht Takt für Takt sein.
 
Ich übe Stücke erst, nachdem ich sie gelernt habe. Das hat drei Vorteile:

1. Es ist dann egal, ob man von vorne oder von hinten oder in der Mitte beginnt - bei vielen Werken muss man ja längst nicht alles üben.

2. Man hat nie Angst, irgendwo rauszufliegen, weil man gerade bei leichten Passagen (die dafür prädestiniert sind) erst gar kein Muskelgedächtnis entwickelt, das einem zum Verhängnis werden kann.

3. Es vermeidet eine Menge Lärm.

Die Methode ist für Anfänger, die aus einem gelesenen Notentext noch keine Klangvorstellung (und auch keine Bewegungsvorstellung) entwickeln können, nicht geeignet, das sollte klar sein. Aber ab einem mittleren Niveau könnte man das mal mit einem leichten, gut überschaubaren Stück probieren (z.B. mit einem barocken oder frühklassischen Menuett). Über das Ergebnis wird man vermutlich staunen...
 

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