Franz Mohr - Wie genau hat er getuned?

Hallo zusammen,
vielen Dank für die interessanten Beiträge. Meine Intention ist tatsächlich zu verstehen, inwieweit und wodurch das Spielgefühl durch reine Regulierung beeinflusst werden kann. Da erscheint mir das Beispiel Franz Mohr gut dafür geeignet. Es ist tatsächlich so, dass so gut wie nichts darüber zu erfahren ist, wie er das gemacht hat. Nur grobe Hinweise auf das Ergebnis (Niedergewicht/Aufgewicht/Spannung "Repetierfedern".
Von den Klavierbauern erfahre ich selbst bei hartnäckigem Nachfragen lediglich, was durch "Restaurierungen" zu erreichen ist, also das übliche Röllchen, Dämpfer, Achsen, Filze usw. Mich interessiert vor allem, was wenn alles restauriert ist, dann durch Regulieren noch erreicht werden kann. Es gibt dazu Untersuchungen eines Herrn Standford mit dem Precision Touch Design, was als Ergebnis gebracht hat, dass das Anschlagsgewicht (im wesentlichen Hammergewicht) und das Übersetzungsverhältnis (normal 1:5) einen großen Einfluß auf das Spielgefühl hat. Das Anschlagsgewicht ist meines Erachtens nur in der Werkstatt zu ändern. Frage: Was ist mit der Übersetzung: Geht das beim Regulieren?
Insgesamt bleibt die Frage, welche Einstellmöglichkeiten haben die Regulieren am Flügel mit welcher Wirkung im allgemeinen, und was hat Franz Mohr genau am Flügel vor einem Konzert eingestellt. Vielleicht gibt es ein Lehrbuch oder Standardwerk dazu?
 
Insgesamt bleibt die Frage, welche Einstellmöglichkeiten haben die Regulieren am Flügel mit welcher Wirkung im allgemeinen,



und was hat Franz Mohr genau am Flügel vor einem Konzert eingestellt.

Der hat vor einem Konzert nichts mehr reguliert (Ich nehme an, Du redest vom Horowitz-Flügel). Er hat die Mechanik herausgezogen und alles überprüft, weil der Flügel bereits sehr gut vorbereitet war und immer in seiner Wartung.

Vielleicht gibt es ein Lehrbuch oder Standardwerk dazu?

Mario Igrec: "Pianos Inside Out"
 
... dass das Anschlagsgewicht (im wesentlichen Hammergewicht) und das Übersetzungsverhältnis (normal 1:5) einen großen Einfluß auf das Spielgefühl hat. Das Anschlagsgewicht ist meines Erachtens nur in der Werkstatt zu ändern.
Das "Anschlagsgewicht" ist das Niedergewicht - die Kraft, die an der Taste zum Heben des Hämmerchens benötigt wird. Wenn einzustellen, dann an der Tasten-Ausbleiung - allerdings sinnvollerweise erst, wenn man zuvor ... den gesamten Klapparatismus auf Leichtgängigkeit und möglichste Reibungsarmut "vorgetuned" hat.

Man kann das problemlos mit einer normalen Handwerkerausrüstung auch beim Kunden zuhause machen, wenn man zum Bohren eine "Workmate", eine kleine Werkbank, mit Bohrmaschine und Ständer dabei hat. Und den Krams gegen bisschen Bohrspäne auf paar Bögen Zeitungspapier stellt.
Frage: Was ist mit der Übersetzung: Geht das beim Regulieren?
Beim Regulieren nicht, dabei liegt das Hebelverhältnis bereits fest. Es geht um das Hebelverhältnis am Hammerstiel, Abstand der Achse an der Hammernuss zur Röllchen-Mitte (dort, wo der "Jack", der Repetitions-Stößel zum Hammerstiel angreift) ist der kleine Hebel.

Der große ist die Länge von der Hammernuss-Achse zum Auftreffpunkt des Hammers an die Saite. Da man den Auftreffpunkt an den Saiten normalerweise nicht verändert (Klangveränderung...), bleibt die Länge des Hämmerchenhebels in aller Regel unverändert, es sei denn, man rückte die gesamte Klaviatur mehr rein oder raus.... (Vooorsicht).

Veränderung der "Übersetzung" also mit Versatz des Röllchens - Werkstattarbeit, und normalerweise beim Kunden nur dann zu machen, wenn man anders abgelängte Röllchenpositionen z.B. beim Austausch des Hammersatzes bereits dabei hat zum Wechseln.
Z.B. bei Steinway die uralte Frage, Röllchenabstand auf 16mm oder auf 17mm... Das war sehr lange unterschiedlich zwischen Hamburger und New Yorker Fertigung.
Vielleicht gibt es ein Lehrbuch oder Standardwerk dazu?
Aus jüngerer Zeit auch die Bücher vom Schweden Johann Forss. Und - einiges älter - von/für Steinway bzw. Max Matthias (ex Werksleiter Hamburg) das Buch zur Wartung und zum Regulieren von Steinway-Flügeln.
 
Ich habe zwei Interviews mit Mohr gefunden, in denen er sich jeweils auch kurz zur Regulation von Horowitz' Flügel äußert:





Er betont, dass jeder Flügel zunächst immer speziell auf die Wünsche von Horowitz hin ausgesucht worden sei, weil sich klanglich und spieltechnisch nicht jeder Steinway Flügel so einrichten lasse. Sprich, sein privater # 314503, das Hochzeitsgeschenk von Steinway 1942, hatte wohl von Anfang an schon mal eine besonders leichtgängige und friktionsarme Mechanik, (Und wenn ich das richtig verstanden habe, ebenso ein von Mohr entdecktes anderes und damals schon älteres Exemplar aus 1911, das Horowitz geliebt und auf vielen Konzerten gespielt habe.)

Die Spieltiefe sei nicht wesentlich verändert gewesen, aber das Niedergewicht habe nur 46g betragen, und insbesondere das Aufgewicht habe er durch Auswiegen auf "30g plus" hochgetrieben für den gewünschten extrem dichten Spielkontakt an der Taste, den Horowitz für seine flache Spielweise auch im Höchsttempo noch gerne spüren wollte.

Dazu habe er auch die Federn für eine extrem beschleunigte Repetition maximal stramm eingestellt. (Vermutlich im Bass etwas weniger, weil dort sonst die Trommelgefahr steigt, aber ab der Mittellage aufwärts kann man das für eine exzellente Repetition angeblich ohne größere Nebenwirkungen so machen).

Alles allerdings zu dem Preis einer am Ende generell sehr schwierigen Kontrollierbarkeit und "Nervosität" des Anschlags, was wiederum für Horowitz individuell aber kein Problem war. (Rubinstein hingegen wäre dieser Flügel "weggelaufen", so Mohr, den hätte man mit um die 65g Niedergewicht zufriedenstellen können. Keins von beiden Extremen sei besser, wir wären ebenso wie die Steinway Flügel halt alle Individuen mit unterschiedlichen Bedürfnissen bzw Möglichkeiten, nicht jeder Mensch bzw.jedes Instrument passten zueinander..)

Vermutlich war es das, irgendwelche besonderen Geheimnisse gab es da glaube ich sonst nicht, den eigentlichen Unterschied machte am Ende dann Horowitz Feinfühligkeit und sein Sinn für maximale Kontraste und Exzentrizität bis hin zur klanglichen Hysterie...
 
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Noch eine Anmerkung zur Änderung des Hebelverhältnisses durch Regulation. Ältere (New Yorker?) Steinway-Modelle bis ca 1936 hatten schräge Piloten und Hebegliedsättel. Wann und warum das eingeführt worden war, ist unbekannt. Vermutlich, um die Friktion zu reduzieren.

Allerdings bewirkt das auch eine Veränderung des Hebelverhältnisses je nach eingestellter Steighöhe, was bei deren kleiner Veränderung sofort ein sehr deutlich verändertes Spielgefühl ergibt, je nachdem von leicht (bei mehr Steighöhe) bis total zäh. (Weil die Pilote mal näher und mal weiter unter dem Hebeglied angreift, und das nicht nur bei Steighöhenverstellung, sonder auch nochmal innerhalb eines jeden Tastenanschlags.)

M.a. W. diese Mechaniken sind gut und überdurchschnittlich leichtgängig, wenn korrekt justiert bzw. justierbar, aber nur schwer insgesamt gleichmäßig zu regulieren, und vermutlich deswegen schaffte Steinway diese Bauweise am Ende wieder ab und kehrte zu senkrechten Piloten zurück.

Vielleicht hat Horowitz Erfahrung mit dem "schrägen" 1911er sein Faible für leichteren Anschlag weiter befeuert, (bei größerer Steighöhe steigt da auch der Wumms) und er auch deshalb dem Mohr dann später immer mehr davon abverlangt...?
 
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Noch eine Anmerkung zur Änderung des Hebelverhältnisses durch Regulation. Ältere (New Yorker?) Steinway-Modelle bis ca 1936 hatten schräge Piloten und Hebegliedsättel. Wann und warum das eingeführt worden war, ist unbekannt.

Das muss nach 1887 eingeführt worden sein, weil meine beiden Mühlen aus der Zeit noch einen glatten Sattel hatten/haben.
 

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