Flügelsuche: wer hat Info über Förster-Vorkriegsmodelle?

apruss

apruss

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17. Juni 2018
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Moin und hallo,
gelesen habe ich hier schon eine ganze Menge interessante Dinge, vielen Dank dafür ;-)
Hier also mein erster Post an die Gemeinde:

Ich bin Klavier-Wiedereinsteiger mit Mitte 50, lebe in Schleswig-Holstein und habe mich im letzten Jahr vom Casio Digi zu einem schönen Grotrian 140er Mini-Flügel Bj 1961 hochgedient. Eigentlich ist der völlig ausreichend für meine sehr bescheidenen Künste, aber ich habe den Fehler gemacht ein paar ausgewachsene Flügel probezuspielen. Da ich genug Platz habe (und auf Harley oder Porsche als Symbol meiner midlife-crisis verzichte) nagt also das Virus in mir, einen toll klingenden alten "richtigen Flügel" in die Hütte zu stellen.

Mit toll klingend meine ich: ich war bei Steinway und bei Bechstein, klingt alles perfekt, ist aber irgendwie zu glatt. Langweilig irgendwie, kann ich nicht besser beschreiben. Was bei mir dagegen den wow-Effekt ausgelöst hat sind die alten Steinways, Bechsteins und Feurichs, die Achim Franz neu aufgebaut hat und die in seiner schönen Werkstatt in HH ausstehen. Die haben das an Charakter was sie interessant macht.

Jetzt suche ich also nach dem alten Flügel mit der guten Substanz für ein solches Projekt. Der Weg ist das Ziel, ich freue mich darauf das Restaurationsprojekt zu begleiten, deshalb kaufe ich keinen fertigen. Das wäre zu einfach.

Nun zur eigentlichen Frage dieses Posts: ein paar Dörfer weiter habe ich einen 200 cm Förster entdeckt, der äusserlich total abgerockt ist, aber von der Substanz her fehlerlos solide erscheint. Ich bin in jede Ritze gekrochen und habe keinen Riss und nix entdecken können. Ja, ich bin Amateur, aber ich habe schon einige Kandidaten angesehen und weiss wie gerissene Gußplatten und Stimmstöcke aussehen (zumindest beim Bechstein B203 ;-)

Der Oberförster ist seit 30 Jahren nicht gespielt und nicht gestimmt, aber ich kann problemlos darauf spielen und glaube das Potential zu hören. Natürlich fahre so bald wie möglich noch mal mit Expertenbeistand hin, bevor ich mich zum Kauf entscheide.
Was ich mir mit der Hilfe des Forums erhoffe sind zusätzliche Information über diese Instrumentengeneration, weil ich bisher fast nichts passendes finden konnte:
1. Der Flügel ist 200/202 cm lang, und hat eine römische II über der Seriennummer auf dem Gußrahmen. Ist das eine Modell/Serienbezeichnung, zB "Modell II"? Gibt es nicht ein "Modell IV"?
2. Der Klaviaturdeckel ist nur "FÖRSTER" ohne August gezeichnet, in einem sehr schönen Jugendstil-Schriftsatz, den ich sonst noch nicht auf AF Instrumenten gesehen habe. Der Gußrahmen sagt "Georgswalde, Böhmen", der Reso-Boden hat aber das komplette "August Förster Löbau Georgswalde" Wappen. Seriennummer ist 40xxx, was auf 1917 hindeutet, Unter dem rechten Tastaturbacken ist eine Signatur "Edgar Michel, 20.12.1931" in sehr gestochener Handschrift. Sieht aus wie die Signatur eines stolzen Klavierbauers! Soweit ich herausfinden konnte, hatte Georgswalde andere Seriennummern als Löbau, Bj 1931 könnte also stimmen. Ich habe schon die Fa. Förster kontaktiert, und mir wurde sehr freundlich zugesagt dass man in den Unterlagen nachschauen werde, dass die meisten Aufzeichnungen aus Georgswalde im Zuge der Enteignung aber verloren sind. Hat jemand im Forum mal ein ähnliches Instrument gesehen?
(PS: Ich weiss das "Förster ohne August" nach 1945 die Klaviere aus der enteigneten Fabrik unter Petrof-Ägide sind. Dieser hier ist aber sicher ein Vorkriegs-Modell!)
3. Die Mechanik trägt die gleiche Nummer wie alle anderen Bauteile, und eine zusätzliche Nummer 20031. Keinerlei Herstellerbezeichnung. Ich weiss wie Renner und Langer Mechaniken markiert sind, diese hier ist für mich komplett anonym. Nix eingegossen im Metall, nix eingeschlagen, nix draufgeklebt. Hat jemand Info welche Mechaniken in Georgswalde am Ende der Weimarer Zeit verbaut wurden? Gibt es typische Merkmale, an denen man den Mechanikhersteller identifizieren kann?
4. Laut der Eigentümerfamilie hat das Instrument fast immer rumgestanden und ist nie intensiv gespielt worden. Und in der Tat sehen die Hammerköpfe wirklich sehr wenig benutzt aus. Altert Filz auch wenn er nicht gespielt wird? Ist nach 88+ Jahren so oder so eine Neubefilzung fällig, oder hab ich einfach Glück und kann ihn vielleicht so spielen?
5. Und last not least: wer im Forum hat einen Förster aus dieser Zeit, restauriert oder nicht? Ich hab irgendwie ein gutes Gefühl bei diesem alten Kasten, ich bin gespannt wie er klingt wenn wir in bald mal stimmen....

Ich bin gespannt auf eure Rückmeldung, vielen Dank und beste Grüsse aus dem Norden
Andreas

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@Barratt Du meinst sicherlich "Löbau i/Sa." Langlau ist der Herstellungsort der Feurich-Instrumente und liegt nicht in Sachsen sondern in Bayern.
 
Langlau ist der Herstellungsort der Feurich-Instrumente und liegt nicht in Sachsen sondern in Bayern.

In Franken, bittschön, wenn wir schon über kulturrelevante Dinge reden.

@apruss
Du hast den alleinseligmachenden Weg ja schon selber angedeutet: Klavierbauer engangieren und auf letale Defekte prüfen lassen. Wenn keine da sind, ist die Prognose doch günstig, vor allem wenn nicht durch Austausch der Hämmer eine Änderung der Klangcharakteristik zu befürchten ist (die sich natürlich beheben ließe, aber dazu müßte der Klavierbauer den Originalklang gehört haben). Ich habe keine großen Erfahrungen damit, ob Filz durch bloße Alterung (und nicht durch "Plattspielen") die Klangqualität beeinträchtigen könnte. Ich hatte zwei Klavier aus den 30er Jahren, ein Feurich und ein Arnold, beide stehen jetzt bei meinen Kindern. Die Hämmer wurden, der jahrelange Misshandlung durch meine Haut-den-Lukas-Einstellung geschuldet, jeweils einmal abgezogen und die Instrumente klingen, wie ich sie aus meiner Kindheit in den 50ern kenne. Große Sorgen würde ich mir zu diesem Punkt nicht machen.

Viel Glück und Freude mit Deinem Projekt!
 
Jawoll!!

Gratuliere zu einem sehr guten Instrument!
Renoviere gerade einen Försterflügel für mich selber und bin überzeugt davon dass er gut wird.
Habe schon ein renoviertes Förster Klavier, mein Gesellenstück vor 20 Jahren, und bin sehr glücklich damit.
In der Werkstatt steht noch ein Förster Konzertpiano aber das wird wohl erst im nächsten Jahrhundert fertig
Viele Grüße von einem Försterfan Tia
 
Vielen Dank für eure Antworten!
Ich habe heute noch mit Tobias Schmidt telefoniert (klavieratelier.de), nachdem ich auf YouTube ein Video entdeckt hatte, in dem er die Renovierung eines Förster mit dem gleichen Jugendstil-Schriftzug dokumentiert. Der ist wohl sehr gut geworden.
@Ambros_Langleb: Weiter ermutigend war seine Aussage, dass die alten Hämmer nicht automatisch tot sind nur weil sie alt sind. Wie Du auch bereits sagtest.
Ausserdem hat Tobias mich erleuchtet, dass es sich um eine gebundene Mechanik handelt. Schwieriger einzustellen, meint er, und deshalb ungeliebt auf Technikerseite, aber wenn gut eingestellt nicht wesentlich schlechter spielbar als aktuelle Mechaniken (für meine begrenzte Fingerfertigkeit hoffentlich kein Limit).
Ich hab jetzt am 2.4. eine Besichtigung mit Klavierbauer vereinbart. @agraffentoni: definitiv entschieden habe ich mich noch nicht, ich wollte ihn dann vor Ort probeweise stimmen lassen, dann mal sehen was rauskommt. Wenn mir das gefällt nehm ich ihn mit, hab ich mit dem Verkäufer so vereinbart ;-)
@Tia: Auf Deinem Gußrahmen sehe ich ein Förster-Wappen, dass ich nur von schlechten Fotos kenne bei denen ich die Details nicht lesen kann. Was ist das Baujahr deines Projekts? Anbei ein Bild des Wappens auf meinem Kandidaten, sehr viel verspielter.
Den grossen Förster Namenszug sehe ich bei Deinem auch nicht, und nicht den "Hoflieferanten". Könnte sein dass Deiner ein (Weimarer) Republikaner ist und meiner noch ein Monarchist ;-)
Wie lang ist Dein Flügel? Ich lese immer nur über 190er und so gut wie nichts über 200er. Es gibt ein oder zwei Inserate für ein 205er Modell....
Nochmals vielen Dank für eure Hilfe
Andreas
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@Tia: wie kriegt man den Querbalken vor dem Stimmstock raus (sorry, ich kenne den Fachausdruck nicht)? Ich dachte der ist eingeleimt...?
 

Mein Flügel ist von 1927 so was..
Die Resonanzbodenmarke ist Eigenbau. Da war diese
 
.. verflixt!! .. diese Marke mit den beiden Fabriken drauf die nicht zu retten ging.
 
Danke!
Geht besagter Balken, der das Schloss trägt, erst raus nachdem man den Gußrahmen rausgenommen hat, oder kann man das Ding relativ einfach und nicht-destruktiv rausnehmen um den Stimmstock besser beurteilen zu können?
 
Danke!
Geht besagter Balken, der das Schloss trägt, erst raus nachdem man den Gußrahmen rausgenommen hat, oder kann man das Ding relativ einfach und nicht-destruktiv rausnehmen um den Stimmstock besser beurteilen zu können?
Ich hab hier einen Flügel der prompt nicht solche Schrauben hat. Hab eine hingemalt wie Du siehst. Wenn da Schrauben sind dann kannst Du die Leiste abschrauben, wenn nicht sitzt sie fest. Also keine Plattenschrauben abmachen sonst kriegst Du das ganze Ding um die Öhren Viele Grüße aus Schweden
 

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