Ich stehe ein wenig auf Kriegsfuß mit Standard- Fingerübungen...
Deshalb frage ich, welche Stücke du spielen willst.
Ich bin der festen Überzeugung, dass ich Technik, die in den von mir gespielten Stücken nicht vorkommt, nicht beherrschen muss. Wofür auch? Ich muss sie ja nie anwenden! Ausser ich komme mal an ein Stück wo sie eben doch vorkommt, aber genau dann (nicht früher!) ist die Zeit reif, sie zu erlernen.
Standard- Übungen sind ein wenig wie Lotto spielen:
Manche Leute meinen, sie müssten nur genügend Lotto- Scheine ausfüllen und die Zahlen gut streuen, vielleicht die Lotto- Zahlen der letzten Jahre studieren und die ankreuzen, die am meisten dran waren (war übrigens die Lebensbeschäftigung eines Onkels von mir - kein Witz!), dann werden schon die dabei sein, die im nächsten Jahr gewinnen.
Das stimmt für den Fall, dass ich sehr viele Scheine ausfülle (die Zahl ist auf jeden Fall größer als mein Geldbeutel das erlaubt).
Beim Klavierspielen gibt es Leute (sehr viele, und auch namhafte), die meinen, sie müssten nur genügend Standard- Übungen machen und die technischen Anforderungen gut variieren, vielleicht die benötigte Technik der letzten gespielten Stücke studieren und die Muster üben, die am meisten dran waren, dann wird schon die Technik dabei sein, die sie für die nächsten Stücke benötigen.
Das stimmt für den Fall, dass ich sehr viele Standard- Übungen mache (viel, viel mehr als ich Zeit, geschwiege denn Lust habe, mich mit Übungen zu beschäftigen, die nicht Musik sind).
Warum lässt sich benötigte Technik nicht standardisieren?
Weil sie bei weitem zu vielfältig ist, und bereits kleinste Variationen können mich dazu zwingen, die Hand- oder Fingerbewegung geringfügig anzupassen; eine andere Tonart macht ganz andere Fingerstellungen nötig; ja selbst ein Akzent, den ich im Ausdruck setzen möchte, zwingt mich, in der Bewegung etwas zu variieren. Deshalb bin ich der Überzeugung, das die Chance fast gleich 0 ist, durch Standard- Übungen das abzudecken, was ich tatsächlich in meiner Literatur benötige.
Was ist die gute Nachricht?
Ich lasse die Standard- Übungen (und damit Technik- Training, das ich zu 99% NIE brauchen werde) weg und lerne Technik direkt an der Literatur!
Bei jedem neuen Stück werde ich an technische Schwierigkeiten stossen, die ich speziell üben muss. Aus diesen Stellen generiere ich mir stets ein paar Übungen (die dann alles andere als Standard sind, da ich sie genau jetzt brauche und sie mit meiner Literatur ständig wechseln) und übe damit 100% zielgerichtet! Solche Übungen eignen sich im Übrigen auch hervorragend zum Aufwärmen.
Ich habe an einer anderen Stelle mal Bernhard zitiert. Der hat Klavierspielen mit dem Abwasch verglichen und die provokante Frage gestellt, ob jemand vor dem Abwasch 1-2 h Schwamm- Training macht :D Natürlich nicht, die Fähigkeiten mit dem Schwamm umzugehen, entwickeln sich automatisch mit dem Abwasch :wink: