Feldenkrais & Co

Stilblüte

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Hallo an alle,

ich wollte mich mal erkundigen, wer Erfahrung mit Feldenkrais-, Alexandertechnik oder ähnlichen Dingen hat oder sowas praktiziert?

Ich bin in letzter Zeit häufiger darauf gestoßen, kann mir aber nicht besonders viel darunter vorstellen.
Soweit ich weiß hilft es (angeblich?), sich bei Konzerten auf die Musik zu konzentrieren und den Körper beim Spielen nicht zu sehr zu belasten bzw. optimal einzusetzen.
Ich vermute allerdings, dass das nicht mal eben zu erlernen ist, man evtl Kurse besuchen und Jahrelang zeitaufwendig trainieren muss.
Lohnt sich das?

Man sieht ja auch manchmal, dass sich Menschen vor dem Kampfsport durch besondere Bewegung extrem gut konzentrieren können und in einen fast Rauschartigen Zustand versetzt werden.
Ist das auch sowas ähnliches?

Vielen Dank
Stilblüte
 
Hallo Stilblüte!
Ich kann Dir nur ein bisschen über die Feldenkrais-Methode berichten - damit hab ich ein wenig Erfahrung.

Diese Methode ist eine Art Bewegungslehre, die einem helfen soll, bestimmte Bewegungsabläufe - sei es im täglichen Leben, im Beruf oder auch bei uns Klavierspielern - zu verbessern. Ziel ist es, seine persönliche Art und Weise sich zu bewegen, genauestens kennenzulernen und diverse Kraftaufwände, die eigentlich in den Augen der Feldenkrais Lehrer überflüssig sind, zu verringern.
Angeblich soll man gerade im Bereich der Musik und des Musizierens durch geschulten Einsatz dieser Methode zu reicheren Ausdrucksmöglichkeiten gelangen. Das kann ich aber nicht wirklich beurteilen.
Ein Leitsatz der Feldenkrais-Methode ist z.B. "Lebensenergie und Freude durch Bewusstheit und Beweglichkeit." Es soll neben Gelassenheit und Ruhe auch eine "neue Beweglichkeit" in körperlicher, geistiger und seelischer Hinsicht erreicht werden. Somit kann Stress und diverser Leistungsdruck abgebaut oder sogar vermieden werden, was ja auch zu einer wesentlich verbesserten Lebensqualität führt.

Ich hab diese Methode in meiner Studienzeit erlernt und muss sagen, dass es sich sehr wohl lohnt, sich zumindest mal näher damit zu befassen indem man sich diverse Fachliteratur darüber aneignet. Dann wird man sehr schnell feststellen, ob es für einen geeignet ist oder eher nicht.
Es kommt natürlich auch auf die "richtige Dosis" an - manches davon ist mir schon etwas zu heftig, aber im Großen und Ganzen hat es mir schon sehr viel gebracht. Vor allem bei extremen nervlichen Belastungen hilft diese Methode schon sehr, wieder zu einer gewissen Ruhe zu gelangen.

Das sagt übrigens auch Wikipedia dazu.
 
Feldenkrais und Alexander Technik kenne ich nicht. Was ich kenne ist Atemtherapie und Autogenes Training. Atemtherapie habe ich als Kind bekommen, das hilft mir noch heute, weil ich weiß, wie man atmen muß und z.B. in Streßsituationen erfolgreich durchatmen kann um dann etwas ruhiger weiter zu machen. Autogenes Training ist eine Vorstufe zur Selbsthypnose und man kann es z.B. hervorragend einsetzen, um harmlose (also nicht krankhafte) Ängste selbst zu bekämpfen, sich auf Erfolg einzustellen oder einfach zu entspannen. Außerdem glaube ich, daß jede Art von Beschäftigung, von der man Positives erwartet, eine positive Wirkung hat.

Davon abgesehen bin ich bei allem vorsichtig, was Freude oder große Leistungen verspricht, Geld kostet oder Unterschriften erfordert. Was ich bisher über Feldenkrais gelesen habe, ist leider sehr sehr vage und ich habe noch nicht eine einzige Übung gefunden, dafür aber sehr viel Marketing.
 
Die Alexander-Technik geht davon aus, dass die Grundlage jeder spezifischen Bewegungsweise (z. B. Bewegungen des Musikers an/mit seinem Instrument) immer eine unspezifische, bereits verinnerlichte, alltägliche Bewegungsweise sein sollte. So werden beispielsweise pianistische Spieltechniken abgeleitet von angeborenen Fähigkeiten, die prinzipiell jeder besitzt, für die man nicht "begabt" sein muss, die man nicht speziell lernen muss. Es geht generell nicht darum, etwas Neues zu lernen, sondern eher das Alte zu vergessen. Mit der Alexandertechnik wird eine Auswahl an bereits funktionierenden (v. a. gesunden) Bewegungsmöglichkeiten getroffen, die für die jeweilige Situation am günstigsten ist und andere, falsche und überflüssige (möglicherweise bereits mühsam erlernte und dadurch besonders gefestigte) Tendenzen vermieden.
Die Alexander-Technik ist keine typisch "musikalische" Technik. Sie wird oft auch für Beruf, Sport und Alltag eingesetzt.
 
Vielen Dank für die bisherigen Antworten!

Ehrlich gesagt würde ich mich wohl nicht darauf einlassen können, meine Klaviertechnik komplett wegzuschmeißen ohne zu wissen, was ich dafür bekomme.
Es geht generell nicht darum, etwas Neues zu lernen, sondern eher das Alte zu vergessen. [...] und andere, falsche und überflüssige (möglicherweise bereits mühsam erlernte und dadurch besonders gefestigte) Tendenzen vermieden.
Und eine praktische Übung habe ich auch noch nicht gefunden. Könnte Toccata da nicht einen kleinen Ausblick geben?

@ Guendola:
Was genau hast du bei deiner Atemtechnik gemacht?
Was ich kenne, ist bewusstes Atmen, langsam und tief durch die Nase ein und durch den Mund aus.
Wobei dies und Autogenes Training ja vermutlich eher vor und nach dem Spielen hilft, oder? (Schadet auch nicht ;))

Stilblüte
 
Es ging glaube ich darum, die richtige Atmung zu automatisieren, also nichts wirklich bewußtes wie im autogenen Training. Ich war zu dem Zeitpunkt 8 oder 9, ziemlich hippelig und unkonzentriert. Wirklich geholfen hat es damals nicht aber ich habe z.B. bei verschiedenen Gelegenheiten festgestellt, daß ich wesentlich ruhiger und tiefer atme als manch anderer, mit dem ich übernachtet habe. Außerdem habe ich keinerlei Probleme mit autogenem Training oder die Atmung in Streßsituationen zu regulieren, um wieder besonnen handeln zu können. Vor Lampenfieber schützt es nicht aber sobald der erste Ton erklingt, bin ich wieder ruhig.

Jetzt möchte ich aber doch mal wissen, was du erreichen willst. Lampenfieber? Erschöpfung im Konzert? Freier spielen?

Autogenes Training kann man während eines Konzertes natürlich nicht machen, aber man kann darauf achten, daß die Atmung nicht aus dem Ruder läuft und man die Atmung nicht durch ungeeignete Anspannung oder Haltung behindert. Manche Klavierlehrer achten schon darauf. Die Theorie besagt glaube ich, daß die Atmung genau wie beim Singen oder bei Blasinstrumenten mit der Musik in Einklang bleiben soll.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Etwas bestimmtes erreichen möchte ich eigentlich nicht.

Ich bin lediglich in letzter Zeit öfter auf solche Begriffe wie "Feldenkrais, Alexander..." und andere gestoßen.
Das war meist im Zusammenhang freiem, leichtem (=richtigem) Spiel. In Bezug darauf, we es sich anhört und wie es aussieht.
Oder aber im Zusammenhang mit Konzerten, Ruhe, Aufregung.

Ich stehe solchen Dingen allerdings immer ziemlich skeptisch gegenüber und frage mich, was man sich daraus erhoffen kann.
Ob das überhaupt der Mühe Wert ist, vielleicht nur einer von vielen Wegen, sein Klavierspiel (oder auch andere Lebensbereiche) zu optimieren, ob ihre Erfinder nur versuchen, Geld zu scheffeln oder ob es tatsächlich einige positive Veränderungen mit sich bringt, die man auf andere Weise nicht erreichen kann.

Viele Grüße
Stilblüte
 
Hallo Stilblüte,

habe hier gerade einen Kurzbericht geschrieben, u.a. eine Literaturangabe über die Alexander-Technik für Musiker.
 
... Man sieht ja auch manchmal, dass sich Menschen vor dem Kampfsport durch besondere Bewegung extrem gut konzentrieren können und in einen fast Rauschartigen Zustand versetzt werden....
Ja, aber nur in Filmen mit Bruce Lee oder Vorführungen der "Originalen Chinesischen Shaolin Mönche" in der Stadthalle Vennehof Borken. ;)

Ich betreibe seit Jahrzehnten intensiv Yoga, Qi Gong und Aikido und bin mir sicher, dass verbesserte Körper- und Umgebungswahrnehmung, reflektorische Atmungs- und Muskeltonusregulierung und andere Fähigkeiten in Richtung "Körper-Geist-Integration" mir auch beim Musizieren zu Hilfe kommen. Deswegen kann ich natürlich jedem – auch gerade den Nicht-Sportlern wie ich einer bin – nur empfehlen, derartiges in seinen Alltag einzubauen.

Aber ich warne auf jeden Fall vor zu großen Erwartungen: Diese asiatischen Wundermethoden werden allemal gern von Ratgeber-Verlagen, Sportstudios und Veranstaltern von Martial-Arts-Galas angepriesen, die Enttäuschung ist vorprogrammiert. Es gibt natürlich glaubhaft dokumentierte und wissenschaftlich untersuchte Höchstleistungen, aber diese haben neben außerordentlichem Talent auch einen ebenso harten, lebenslangen Trainingsprozess in Monokultur zur Grundlage, wie wir es auch von den sogenannten Ausnahmepianisten kennen.
 
Hallo,
also die Spieltechnik wird erst mal nicht umgekrempelt.

Bei solchen Bewegungsangeboten sollen ganz allgemein Bewegungsabläufe optimiert werden. Mit Musik hat das erst Mal wenig zu tun.

Bei Feldenkrais geht das davon aus, dass Bewegungsmuster erlernt sind und möglicherweise anders günstiger sind. Das ist wenig konkret, man vertraut darauf, dass das Gehirn die optimalere Version selbst erkennt. Tun muss man nicht sehr viel, nur nach Anweisung des Leiters eine recht einfache Bewegung wiederholt ausführen und spüren, wie sich die Bewegung anfühlt.

Ich fands gut, vor allem bei Problemen und Verspannungen. Mir hat das mal ein Hochschulexamen gerettet. Allerdings darf man nicht erwarten, dass jemand, der eben noch mühsam Sonatinen gespielt hat auf einmal Regers Bach-Variationen auswendig kann...

Grüße
Axel
 
Die Feldenkrais Theroie nach Axel klingt ja recht einleuchtend.
Ich bin zur Zeit dabei, mir sauberes Spielen auf dem Bass anzueignen. Dabei sind mir die schulmäßigen Bewegungen nicht sonderlich geläufig, obwohl man natürlich das meiste vom Gitarrespielen ableiten kann, nur mit etwas gespreizteren Fingern - vereinfacht gesagt. Dabei war ich ganz erstaunt, wie ökonomisch die Finger der linken Hand greifen, seitdem ich mir vorgenommen habe, mit minimaler Kraft zu greifen (man muß die Saite nicht ins Griffbrett pressen, es reicht, wenn sie fest auf dem richtigen Bund liegt). Ob solche Umprogrammierungen für Klavier auch möglich sind, wäre interessant herauszufinden.

Oder ist Feldenkrais ein Weg zu lernen, generell ökonomischere Bewegungen anzustreben ohne im Detail daran zu arbeiten?
 

Und eine praktische Übung habe ich auch noch nicht gefunden. Könnte Toccata da nicht einen kleinen Ausblick geben?

Als praktische Übung kannst Du z.B. folgendes hernehmen:
Versuche eine bestimmte alltägliche und ganz einfache Bewegung zu machen wie z.B. nur ohne viel darüber nachzudenken, die Arme vor dem Körper zu verschränken.
Ziel der Feldenkraismethode ist es jetzt, sich bewusst zu machen, wie man die Arme verschränkt - welcher Arm oben und welcher unten ist.
Dann soll man wechseln und den Unterschied, dass nun die andere Hand als die gewohnte oben ist, erfühlen.

Oder anderes Beispiel:
Arme im Stehen zur Seite auf Schulterhöhe ausstrecken.

Jeder, der das jetzt liest, sollte es einmal kurz ausprobieren.

Wie wurden nun die Arme ausgestreckt?
Ich wage zu behaupten, dass jetzt fast jeder mit den Armen auch die Hände und Finger in Verlängerung mit ausgestreckt haben wird, stimmt`s? :)
Dabei könnte man doch einfach die Hände auch nur nach unten hängen lassen.

Im Prinzip geht es immer darum, die eigenen bereits eingefahrenen und unbewussten Bewegungen wieder bewusst zu erfühlen und dadurch zu lernen, in den eigenen Körper besser hineinzuhören.
Es erfolgt dabei sehr oft das gewisse "Aha-Erlebnis", weil einem plötzlich Dinge auffallen, die man gar nicht wusste so oder so gemacht zu haben.
Und dieses "In-sich-selbst-Hineinhören" erzeugt dann schon ein großes Gefühl der Entspannung und der inneren Ruhe, die man auch vor Konzerten und Auftritten z.B. sehr gut gebrauchen könnte zuweilen.

Hier sind auch noch detaillierte Übungen angeführt:
Übung 1
Übung 2
Übung 3

Ich hoffe, damit einen kleinen Einbick in die Feldenkrais-Methode gegeben zu haben.
Ob es jetzt einem persönlich zusagt oder nicht, muss sowieso jeder für sich selbst herausfinden.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Vielen Dank, jetzt habe ich eine Vorstellung, worum es überhaupt geht.

Feldenkraisübungen sind also eine Art Lockerungsübungen, wobei der Schwerpunkt darauf lieg, keine große Anstrengung zu empfinden und nach der Übung gleich eine (vorerst kurzweilige) Verbesserung festzustellen.
Außerdem soll das Körperempfinden geschult und aktiver wahrgenommen werden.

Ich vermute, dass Musiker und Sportler allgemein schon eine bessere Körperwahrnehmung und - Beherrschung haben als Nichtmusiker bzw. Nichtsportler, da eine solch starke Kontrolle und Bewusstsein der Bewegung im "normalen Leben" nicht ganz so notwendig ist wie beim Wettkampf oder Konzert, bzw. durch normale Lebenssituationen kaum geschult wird.
Pianisten oder Sportler der Weltklasse dagegen müssen sich wohl jeder ihrer Bewegungen bewusst sein und sie aktiv kontrollieren können, sonst ist solche Leistung gar nicht möglich.

Übrigens habe ich vor einigen Tagen in RTLs "Show der Merkwürdigkeiten" einen Hypnotiseur gesehen (sehr merkwürdig...) und danach ein bisschen das Internet durchsucht, weil ich das Thema interessant fand.
Dabei stieß ich auf Artikel, in denen behauptet wird, dass mit Selbsthypnose Dinge wie Lampenfieber (usw.) ganz leicht in den Griff zu kriegen sind.
Kann ich mir kaum vorstellen.
Meinungen?

Danke für die bisherigen Beiträge übrigens :klavier:

Stilblüte
 
http://www.michaelmurrayguitar.com/P...eAnxietyde.htm

Hast du möglicherweise schon gesehen - im Lampenfieber Thread.

Dieser Artikel liefert Stoff für die Selbsthypnose. Was mich natürlich stutzig macht ist die Aussage daß es "ganz leicht" sei. Für einen trainierten Radfahrer is es "ganz leicht", 40 km/h zu erreichen, für einen untrainierten ist es vielleicht gerade mal 20 km/h...
 
Hab ihn schon nach dem anderen Thread gelesen.
Was daran ist Selbsthypnose?
 
Es gibt Angebote, Feldenkrais über ein Wochenende oder eine kurze Zeit (10 Stunden) zu buchen. Habe mal so einen Kurs gemacht und fand es interessant.

Da die Bewegungen an sich nicht schwer sind, kann man sich an viele Gruppen anschliessen.

Ich habe einige Tipps umgesetzt (z. B. nicht nur Kopf Richtung Fernsehen drehen sondern ganzen Körper etc.). Ob die Bewegungsabläufe für Klavierspiel nützlich sind, kann ich nicht sagen, aber schädlich sind die auf keinen Fall!
 
Ich finde die Feldenkrais-Methode wirklich spannend. Vielleicht würde das ja meinen armen Handgelenken gut tun... die schmerzen leider ziemlich oft, da ich solche Verspannungen vom Üben habe. Jedenfalls danke für die Infos, werde mich noch genauer darüber informieren.
Habe aber schon gesehen, dass es an der Musikhochschule Kurse gibt für Feldenkrais- und Alexandertechnik. Das find ich super, Musiker haben ja echt oft körperliche Probleme wegen Haltungsfehlern, etc.
 

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